Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 7 U 97/14 (SG Schleswig)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 U 63/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Annahme einer ganz geringfügigen und deshalb unbeachtlichen Unterbrechung des versicherten Wegs ist dann ausgeschlossen, wenn die nach außen erkennbare Handlungstendenz des Versicherten im Unfallzeitpunkt auf ein Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums der von der Arbeitsstätte zur Wohnung führenden Straße gerichtet war (Anschluss an BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 15/07 R - juris Rn. 18)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 28. Juni 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall hat.
Der 1988 geborene Kläger war als Mechaniker für Windkraftanlagen bei der Firma S in O beschäftigt. Seinen Arbeitsweg von der K -Straße in H nach O legte er seinen eigenen Angaben zufolge regelmäßig von H über die B 201 zur Autobahnanschlussstelle S SA und dann über die A 7 und A 210 bzw. B 202 nach O zurück. Am 10. März 2014 um ca. 17:00 Uhr befuhr der Kläger auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle die S C in H , die Teil der B 201 ist, stadteinwärts. In Höhe der Straße M setzte er den Blinker links und begann mit einem Abbiegevorgang in die Querstraße M hinein, um auf der gegenüberliegenden Seite der S C in einem Bäckereifachgeschäft einzukaufen. Dabei kollidierte er mit einem ihm entgegenkommenden Motorrad und erlitt durch das Auslösen des Airbags ein Knalltrauma sowie eine Prellung des linken Handgelenks und eine HWS-Distorsion.
Nachdem die Beklagte den Kläger per Fragebogen (Bl. 10.1 ff. der Leistungsakte) zum Unfallhergang befragt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 23. April 2014 die Anerkennung des Unfalls vom 10. März 2014 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass nur der unmittelbare Weg zum Wohnort des Klägers versichert gewesen sei, dass der Kläger diesen Weg aber durch das Abbiegemanöver verlassen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid (Bl. 12-1 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 16. Mai 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er den öffentlichen Verkehrsraum nicht verlassen und es sich bei der geplanten Unterbrechung um eine geringfügige private Verrichtung gehandelt habe, durch die der Versicherungsschutz nicht entfallen sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass der Unfallversicherungsschutz nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei Wegeunfällen auf Tätigkeiten begrenzt sei, die wesentlich der Zurücklegung des versicherten Weges dienten. Sobald allein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt würden, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmten, werde der Versicherungsschutz unterbrochen und zwar so lange, bis die Fortbewegung in Richtung auf das ursprüngliche Ziel wieder aufgenommen werde. Bei Benutzung eines Fahrzeugs werde die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz bereits bei objektiver Verlangsamung des Fahrzeugs und Setzen des Blinkers oder Abbremsen bis zum Stand ersichtlich. Der Kläger habe das Lenkrad bereits nach links eingeschlagen gehabt, um einen Einkauf beim auf der anderen Straßenseite gelegenen Bäcker zu erledigen, als es zur Kollision gekommen sei; deshalb sei der Unfall nach diesen Maßstäben nicht mehr versichert. Auch eine ganz geringfügige Abweichung habe nicht vorgelegen; Geringfügigkeit sei immer dann ausgeschlossen, wenn der versicherte Weg verlassen werden solle, wie dies hier der Fall gewesen sei.
Gegen den Bescheid vom 23. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2014 hat der Kläger am 25. November 214 Klage bei Sozialgericht Schleswig erhoben.
Er hat zur Begründung auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 28. Juni 2016 hat das Sozialgericht Schleswig der Klage stattgegeben, die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß dazu verpflichtet, das Ereignis vom 10. März 2014 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Nachweis des versicherten Wegs entgegen der Auffassung der Beklagten erbracht sei. Festzustellen sei zwar, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt den Blinker gesetzt gehabt habe, um links abzubiegen. Es habe sich bei dem Vorhaben jedoch um eine derart geringfügige Änderung des direkten Nachhausewegs gehandelt, dass diese nicht als Abweichung vom versicherten Weg zu qualifizieren sei. Die Handlungstendenz des Klägers sei weiterhin darauf gerichtet gewesen, unmittelbar und direkt nach Hause zu kommen.
Gegen das ihr am 11. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Oktober 2016 Berufung bei Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014. Die vom Sozialgericht berücksichtigte "geringfügige Änderung des unmittelbar direkten Nachhausewegs" könne allenfalls unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der geringfügigen Unterbrechung geprüft werden. Insoweit seien erhebliche und unerhebliche Unterbrechungen zu unterscheiden. Eine privaten Zwecken dienende unerhebliche Unterbrechung liege nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur vor, wenn sie auf einer Verrichtung beruhe, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach und vom Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen sei. Dies sei der Fall, wenn sie ohne nennenswerte Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenbei" erledigt werden könne. Es gehe dabei immer um Fallgestaltungen, in denen die versicherte Tätigkeit und die private Verrichtung als tatsächliches Geschehen nur schwer voneinander zu trennen seien. Keine unerhebliche Unterbrechung liege aber vor, wenn die Verrichtung eine neue Handlungstendenz in Gang setze. Eindeutiges Anzeichen dafür sei das Verlassen des Verkehrsraumes, um eine private Verrichtung zu erledigen. Dies gelte auch für Richtungsänderungen noch innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums aus eigenwirtschaftlichen Gründen. Daran gemessen müsse hier die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ausscheiden. Dabei verkenne das Sozialgericht auch den Begriff der Handlungstendenz. Eine solche zeige sich dahingehend, welche Neigung jemand habe, eine bestimmte Handlung durchführen zu wollen, wobei das Wort "Handlung" eine bewusst ausgeführte Tat bezeichne. In diesem Sinne ergebe sich zwangsläufig, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt eben nicht den Weg nach Hause habe fortsetzen wollen, sondern beabsichtigt habe, einen privaten Einkauf in der Bäckerei zu tätigen. Dies sei für Außenstehende durch Abbremsen, Setzen des Blinkers und Einschlagen des Lenkrads auch klar in Erscheinung getreten.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 28. Juni 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Er sei auf dem Nachhauseweg gewesen und habe die klare Absicht gehabt, diesen Weg auch fortzusetzen. Insoweit habe sich seine Handlungstendenz nicht geändert, zumal der geplante Einkauf der Erhaltung seiner Arbeitskraft für den folgenden Tag gedient habe.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 13. Februar 2019 darauf hingewiesen, dass die Berufung voraussichtlich Erfolg haben werde. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 47 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Dem Senat haben die Leistungsakten der Beklagten vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte wird wegen des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil die Feststellung eines Arbeitsunfalls begehrt wird und damit kein Verwaltungsakt in Rede steht, der unmittelbar auf Gewährung einer Geld-, Sach oder Dienstleistung gerichtet ist, so dass die Wertgrenze von 750,00 EUR keine Anwendung findet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der statthaften (zum Wahlrecht zwischen dieser Klageart und einer ebenfalls statthaften kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 5. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – BSGE 108, 274 = SoziR 4-2700 § 11 Nr 1, juris Rn. 11) und auch im Übrigen zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) stattgegeben. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2014 ist rechtmäßig und vermag den Kläger nicht zu beschweren. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass diese das Ereignis vom 10. März 2014 als Arbeitsunfall anerkennt.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 und 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Eine versicherte Tätigkeit ist dabei u.a. auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).
Voraussetzung für einen Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit ist der innere (sachliche) Zusammenhang der Zurücklegung des Weges mit der versicherten Tätigkeit. Dieser ist gegeben, wenn und solange das Zurücklegen des Weges wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung die eigene Wohnung oder einen anderen (versicherten) Endpunkt des Weges zu erreichen. Hingegen ist der innere (sachliche) Zusammenhang zu verneinen, wenn und solange der Versicherte auf einem solchermaßen dem Grunde nach versicherten Weg eine private, nicht dem Zurücklegen des Weges dienende Verrichtung einschiebt (G. Wagner in: JurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 204).
Diese Beschränkung des Versicherungsschutzes bei Wegeunfällen im weiteren Sinne ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ("unmittelbare[r] Weg"), lässt sich aber auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift und aus der Entstehungsgeschichte ableiten. Die Vorschrift reagiert – wie ihre Vorgängerregelung in § 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) – darauf, dass die Versicherten zunächst Wege zurückzulegen haben, um ihrer Tätigkeit nachgehen zu können, und dass sie auf diesen Wegen letztlich infolge dieser versicherten Tätigkeit Risiken ausgesetzt sind. Dies hat den historischen Gesetzgeber bereits im Jahr 1925 dazu bewogen, über den ursprünglichen Ansatz der gesetzlichen Unfallversicherung (Ablösung der Unternehmerhaftpflicht) hinaus den Versicherungsschutz auf solche Wege auszudehnen (§ 545a RVO in der Fassung des Zweiten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14. Juli 1925 [RGBl. I S. 97]; vgl. dazu Ricke in: Kasseler Kommentar zu Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 178), ohne dabei die notwendige Abgrenzung der Risikosphären (versicherte betriebliche bzw. unversicherte private) aus dem Auge zu verlieren.
Für die Abgrenzung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin (dann: versicherter Wegeunfall) oder wesentlich eigenwirtschaftlichen Interessen dient (dann: unversicherte Tätigkeit) ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit dem 9. Dezember 2003 (nur noch) die Handlungstendenz des Versicherten entscheidend, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfall bestätigt wird (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 23/03 R – BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3, juris Rn. 13, 26; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 – B 2 U 3/13 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 50, juris Rn. 12). Dem hat sich der erkennende Senat ebenfalls bereits wiederholt angeschlossen.
Daran gemessen befand sichte der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr auf einem versicherten Weg, weil es mangels entsprechender Handlungstendenz an einem inneren Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Handlung und der versicherten Tätigkeit fehlte. Der Senat ist angesichts der Feststellungen der Beklagten zum Unfallhergang, insbesondere aber auch angesichts der eigenen glaubhaften Schilderungen des Klägers davon überzeugt, dass der Kläger von dem zu seiner Wohnung führenden unmittelbaren Weg (S C ) nach links in den M abgebogen ist, um auf der anderen Seite der S C in einem Bäckereigeschäft Brötchen zu kaufen. Seine Handlungstendenz richtete sich damit schon im Unfallzeitpunkt auf eine allein eigenwirtschaftliche Tätigkeit, nämlich den Einkauf von Lebensmitteln für den eigenen Verzehr. Selbst wenn diese Einkäufe der Erhaltung seiner Arbeitskraft für den darauffolgenden Tag gedient haben sollten, wie der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen hat, würde dies am eigenwirtschaftlichen Charakter der Tätigkeit nichts ändern (vgl. nur BSG, Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 11/16 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 62, juris Rn. 15). Dass das Zurücklegen des Weges ein besonderes Hungergefühl verursacht hätte, welches zur Fortsetzung der Fahrt den Einkauf von Lebensmitteln zwingend erforderlich gemacht hätte – für diesen Fall zieht das BSG den Versicherungsschutz in Erwägung (BSG, a.a.O., Rn. 17) –, ist vom Kläger weder vorgetragen worden noch angesichts der geringen verbleibenden Wegstrecke zu seiner Wohnung auch nur im Ansatz wahrscheinlich.
Die eigenwirtschaftliche, auf eine private Verrichtung gerichtete Handlungstendenz (Unterbrechung des Heimwegs, um Einkäufe zu tätigen) ist spätestens mit dem Setzen des Blinkers, allerspätestens mit dem Einsetzen des Linksabbiegevorgangs, der selbst zum Unfall geführt hat, objektiv nach außen in Erscheinung getreten. Bei seiner Bewertung berücksichtigt der Senat auch, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 4. Juli 2013 – B 2 U 3/13 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 50, juris Rn. 13 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls bereits wegen des Verlangsamens der Geschwindigkeit, um den mit der beabsichtigten privaten Verrichtung (Erdbeeren kaufen an einen Verkaufsstand auf der gegenüberliegenden Straßenseite) einhergehenden Abbiegevorgang einzuleiten, ausgeschlossen hatte.
Dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Unfallgeschehens noch in Fahrtrichtung Innenstadt auf der S C (allerdings offenkundig bereits auf der Gegenfahrbahn) befand und damit den zum Nachhauseweg gehörenden öffentlichen Verkehrsraum noch nicht verlassen hatte, ist dagegen rechtlich unerheblich. Zwar hatte das BSG früher die Auffassung vertreten, dass der Versicherungsschutz trotz einer vorübergehenden Lösung vom betrieblichen Zweck des Weges so lange erhalten bleibe, wie sich der Versicherte noch innerhalb des Verkehrsraums der für den Weg zu und von der Arbeitsstätte benutzten Straße aufhalte (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 2. Juli 1996 – 2 RU 16/95 – SozR 3-2200 § 550 Nr 14, juris Rn. 15 f.). Diese Rechtsprechung hat das BSG aber mit seiner Entscheidung vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 23/03 R – BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3, juris Rn. 16 explizit aufgegeben, weil sie – wie in der Entscheidung umfassend und argumentativ überzeugend belegt (BSG, a.a.O., Rn. 17 ff.) – angesichts der sich zusehends ergebenden Wertungswidersprüche zwischen dem fußläufigen und dem motorisierten Verkehr letztlich nicht mehr durchzuhalten war und das alleinige Anknüpfen an die nach außen in Erscheinung tretende subjektive Handlungstendenz bei der zu treffenden Risikoabwägung zu sachgerechteren Ergebnissen führt.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII bestehende Versicherungsschutz auch nicht wegen der Geringfügigkeit der Unterbrechung des Wegs erhalten geblieben. Zwar erkennt das BSG nach wie vor bei ganz geringfügigen Unterbrechungen eine Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes an. Geringfügigkeit ist danach anzunehmen, wenn die Unterbrechung auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist (vgl. BSG vom 17. Februar 2009 – B 2 U 26/07 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 32), weil sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt (BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 – B 2 U 3/13 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 50, juris Rn. 15), insbesondere, wenn die private Verrichtung "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt wird (Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 8 Rn. 223 f. m.w.N.; vgl. nur BSG, Urteil vom 9. Dezember 1964 – 2 RU 133/63 – BG 1965, 196, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 27. März 1990 – 2 RU 36/89 – SozR 3-2200 § 550 Nr 1, juris Rn. 18).
Eine nach diesen Maßstäben ganz geringfügige Unterbrechung liegt hier aber nicht vor. Denn diese – ebenfalls ursprünglich für den fußläufigen Bereich entwickelten – Kriterien hat das BSG unter dem Eindruck eines insgesamt geänderten Mobilitätsverhaltens zwischenzeitlich ebenfalls inhaltlich erheblich modifiziert. So ist von einer erheblichen Unterbrechung des versicherten Wegs immer dann auszugehen, wenn der öffentliche Verkehrsraum der von der Arbeitsstätte zur Wohnung führenden Straße für eine private Verrichtung verlassen wird (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 – B 2 U 15/17 R – UV-Recht aktuell 2009, 200, juris Rn. 18), bzw. – dies ist notwendige Konsequenz einer Rechtsprechung, die das Vorliegen einer Unterbrechung als solcher nur noch von der nach außen erkennbaren Handlungstendenz abhängig macht – nach dem im Unfallzeitpunkt herrschenden Entschluss des Versicherten verlassen werden sollte.
Vorliegend beabsichtigte der Kläger gerade, den Straßenraum zu verlassen, um im Bäckereigeschäft auf der gegenüberliegenden Straßenseite Brötchen für den eigenen Verzehr einzukaufen. Dieser Vorgang stellt nach den genannten Maßstäben eine erhebliche Zäsur dar, die nach Überzeugung des erkennenden Senats der Annahme einer ganz geringfügigen Unterbrechung bei wertender Betrachtung zwingend entgegensteht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass andere Unterbrechungen, die einen zeitlich und räumlich ähnlich begrenzten Charakter aufweisen, wie insbesondere das Betanken des Kraftfahrzeugs an einer unmittelbar am Heimweg gelegenen Tankstelle, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen (BSG, Urteil vom 11. August 1998 – B 2 U 29/97 R – SozR 3-2200 § 550 Nr 19). Die Anerkennung einer ganz geringfügigen Unterbrechung im vorliegenden Fall würde auch vor diesem Hintergrund erhebliche Wertungswidersprüche begründen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall hat.
Der 1988 geborene Kläger war als Mechaniker für Windkraftanlagen bei der Firma S in O beschäftigt. Seinen Arbeitsweg von der K -Straße in H nach O legte er seinen eigenen Angaben zufolge regelmäßig von H über die B 201 zur Autobahnanschlussstelle S SA und dann über die A 7 und A 210 bzw. B 202 nach O zurück. Am 10. März 2014 um ca. 17:00 Uhr befuhr der Kläger auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle die S C in H , die Teil der B 201 ist, stadteinwärts. In Höhe der Straße M setzte er den Blinker links und begann mit einem Abbiegevorgang in die Querstraße M hinein, um auf der gegenüberliegenden Seite der S C in einem Bäckereifachgeschäft einzukaufen. Dabei kollidierte er mit einem ihm entgegenkommenden Motorrad und erlitt durch das Auslösen des Airbags ein Knalltrauma sowie eine Prellung des linken Handgelenks und eine HWS-Distorsion.
Nachdem die Beklagte den Kläger per Fragebogen (Bl. 10.1 ff. der Leistungsakte) zum Unfallhergang befragt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 23. April 2014 die Anerkennung des Unfalls vom 10. März 2014 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass nur der unmittelbare Weg zum Wohnort des Klägers versichert gewesen sei, dass der Kläger diesen Weg aber durch das Abbiegemanöver verlassen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid (Bl. 12-1 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 16. Mai 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er den öffentlichen Verkehrsraum nicht verlassen und es sich bei der geplanten Unterbrechung um eine geringfügige private Verrichtung gehandelt habe, durch die der Versicherungsschutz nicht entfallen sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass der Unfallversicherungsschutz nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei Wegeunfällen auf Tätigkeiten begrenzt sei, die wesentlich der Zurücklegung des versicherten Weges dienten. Sobald allein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt würden, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmten, werde der Versicherungsschutz unterbrochen und zwar so lange, bis die Fortbewegung in Richtung auf das ursprüngliche Ziel wieder aufgenommen werde. Bei Benutzung eines Fahrzeugs werde die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz bereits bei objektiver Verlangsamung des Fahrzeugs und Setzen des Blinkers oder Abbremsen bis zum Stand ersichtlich. Der Kläger habe das Lenkrad bereits nach links eingeschlagen gehabt, um einen Einkauf beim auf der anderen Straßenseite gelegenen Bäcker zu erledigen, als es zur Kollision gekommen sei; deshalb sei der Unfall nach diesen Maßstäben nicht mehr versichert. Auch eine ganz geringfügige Abweichung habe nicht vorgelegen; Geringfügigkeit sei immer dann ausgeschlossen, wenn der versicherte Weg verlassen werden solle, wie dies hier der Fall gewesen sei.
Gegen den Bescheid vom 23. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2014 hat der Kläger am 25. November 214 Klage bei Sozialgericht Schleswig erhoben.
Er hat zur Begründung auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 28. Juni 2016 hat das Sozialgericht Schleswig der Klage stattgegeben, die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß dazu verpflichtet, das Ereignis vom 10. März 2014 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Nachweis des versicherten Wegs entgegen der Auffassung der Beklagten erbracht sei. Festzustellen sei zwar, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt den Blinker gesetzt gehabt habe, um links abzubiegen. Es habe sich bei dem Vorhaben jedoch um eine derart geringfügige Änderung des direkten Nachhausewegs gehandelt, dass diese nicht als Abweichung vom versicherten Weg zu qualifizieren sei. Die Handlungstendenz des Klägers sei weiterhin darauf gerichtet gewesen, unmittelbar und direkt nach Hause zu kommen.
Gegen das ihr am 11. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Oktober 2016 Berufung bei Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2014. Die vom Sozialgericht berücksichtigte "geringfügige Änderung des unmittelbar direkten Nachhausewegs" könne allenfalls unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der geringfügigen Unterbrechung geprüft werden. Insoweit seien erhebliche und unerhebliche Unterbrechungen zu unterscheiden. Eine privaten Zwecken dienende unerhebliche Unterbrechung liege nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur vor, wenn sie auf einer Verrichtung beruhe, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach und vom Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen sei. Dies sei der Fall, wenn sie ohne nennenswerte Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenbei" erledigt werden könne. Es gehe dabei immer um Fallgestaltungen, in denen die versicherte Tätigkeit und die private Verrichtung als tatsächliches Geschehen nur schwer voneinander zu trennen seien. Keine unerhebliche Unterbrechung liege aber vor, wenn die Verrichtung eine neue Handlungstendenz in Gang setze. Eindeutiges Anzeichen dafür sei das Verlassen des Verkehrsraumes, um eine private Verrichtung zu erledigen. Dies gelte auch für Richtungsänderungen noch innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums aus eigenwirtschaftlichen Gründen. Daran gemessen müsse hier die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ausscheiden. Dabei verkenne das Sozialgericht auch den Begriff der Handlungstendenz. Eine solche zeige sich dahingehend, welche Neigung jemand habe, eine bestimmte Handlung durchführen zu wollen, wobei das Wort "Handlung" eine bewusst ausgeführte Tat bezeichne. In diesem Sinne ergebe sich zwangsläufig, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt eben nicht den Weg nach Hause habe fortsetzen wollen, sondern beabsichtigt habe, einen privaten Einkauf in der Bäckerei zu tätigen. Dies sei für Außenstehende durch Abbremsen, Setzen des Blinkers und Einschlagen des Lenkrads auch klar in Erscheinung getreten.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 28. Juni 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Er sei auf dem Nachhauseweg gewesen und habe die klare Absicht gehabt, diesen Weg auch fortzusetzen. Insoweit habe sich seine Handlungstendenz nicht geändert, zumal der geplante Einkauf der Erhaltung seiner Arbeitskraft für den folgenden Tag gedient habe.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 13. Februar 2019 darauf hingewiesen, dass die Berufung voraussichtlich Erfolg haben werde. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 47 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Dem Senat haben die Leistungsakten der Beklagten vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte wird wegen des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil die Feststellung eines Arbeitsunfalls begehrt wird und damit kein Verwaltungsakt in Rede steht, der unmittelbar auf Gewährung einer Geld-, Sach oder Dienstleistung gerichtet ist, so dass die Wertgrenze von 750,00 EUR keine Anwendung findet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der statthaften (zum Wahlrecht zwischen dieser Klageart und einer ebenfalls statthaften kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 5. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – BSGE 108, 274 = SoziR 4-2700 § 11 Nr 1, juris Rn. 11) und auch im Übrigen zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) stattgegeben. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2014 ist rechtmäßig und vermag den Kläger nicht zu beschweren. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass diese das Ereignis vom 10. März 2014 als Arbeitsunfall anerkennt.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 und 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Eine versicherte Tätigkeit ist dabei u.a. auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).
Voraussetzung für einen Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit ist der innere (sachliche) Zusammenhang der Zurücklegung des Weges mit der versicherten Tätigkeit. Dieser ist gegeben, wenn und solange das Zurücklegen des Weges wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung die eigene Wohnung oder einen anderen (versicherten) Endpunkt des Weges zu erreichen. Hingegen ist der innere (sachliche) Zusammenhang zu verneinen, wenn und solange der Versicherte auf einem solchermaßen dem Grunde nach versicherten Weg eine private, nicht dem Zurücklegen des Weges dienende Verrichtung einschiebt (G. Wagner in: JurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 204).
Diese Beschränkung des Versicherungsschutzes bei Wegeunfällen im weiteren Sinne ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ("unmittelbare[r] Weg"), lässt sich aber auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift und aus der Entstehungsgeschichte ableiten. Die Vorschrift reagiert – wie ihre Vorgängerregelung in § 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) – darauf, dass die Versicherten zunächst Wege zurückzulegen haben, um ihrer Tätigkeit nachgehen zu können, und dass sie auf diesen Wegen letztlich infolge dieser versicherten Tätigkeit Risiken ausgesetzt sind. Dies hat den historischen Gesetzgeber bereits im Jahr 1925 dazu bewogen, über den ursprünglichen Ansatz der gesetzlichen Unfallversicherung (Ablösung der Unternehmerhaftpflicht) hinaus den Versicherungsschutz auf solche Wege auszudehnen (§ 545a RVO in der Fassung des Zweiten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14. Juli 1925 [RGBl. I S. 97]; vgl. dazu Ricke in: Kasseler Kommentar zu Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 178), ohne dabei die notwendige Abgrenzung der Risikosphären (versicherte betriebliche bzw. unversicherte private) aus dem Auge zu verlieren.
Für die Abgrenzung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin (dann: versicherter Wegeunfall) oder wesentlich eigenwirtschaftlichen Interessen dient (dann: unversicherte Tätigkeit) ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit dem 9. Dezember 2003 (nur noch) die Handlungstendenz des Versicherten entscheidend, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfall bestätigt wird (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 23/03 R – BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3, juris Rn. 13, 26; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 – B 2 U 3/13 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 50, juris Rn. 12). Dem hat sich der erkennende Senat ebenfalls bereits wiederholt angeschlossen.
Daran gemessen befand sichte der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr auf einem versicherten Weg, weil es mangels entsprechender Handlungstendenz an einem inneren Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Handlung und der versicherten Tätigkeit fehlte. Der Senat ist angesichts der Feststellungen der Beklagten zum Unfallhergang, insbesondere aber auch angesichts der eigenen glaubhaften Schilderungen des Klägers davon überzeugt, dass der Kläger von dem zu seiner Wohnung führenden unmittelbaren Weg (S C ) nach links in den M abgebogen ist, um auf der anderen Seite der S C in einem Bäckereigeschäft Brötchen zu kaufen. Seine Handlungstendenz richtete sich damit schon im Unfallzeitpunkt auf eine allein eigenwirtschaftliche Tätigkeit, nämlich den Einkauf von Lebensmitteln für den eigenen Verzehr. Selbst wenn diese Einkäufe der Erhaltung seiner Arbeitskraft für den darauffolgenden Tag gedient haben sollten, wie der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen hat, würde dies am eigenwirtschaftlichen Charakter der Tätigkeit nichts ändern (vgl. nur BSG, Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 11/16 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 62, juris Rn. 15). Dass das Zurücklegen des Weges ein besonderes Hungergefühl verursacht hätte, welches zur Fortsetzung der Fahrt den Einkauf von Lebensmitteln zwingend erforderlich gemacht hätte – für diesen Fall zieht das BSG den Versicherungsschutz in Erwägung (BSG, a.a.O., Rn. 17) –, ist vom Kläger weder vorgetragen worden noch angesichts der geringen verbleibenden Wegstrecke zu seiner Wohnung auch nur im Ansatz wahrscheinlich.
Die eigenwirtschaftliche, auf eine private Verrichtung gerichtete Handlungstendenz (Unterbrechung des Heimwegs, um Einkäufe zu tätigen) ist spätestens mit dem Setzen des Blinkers, allerspätestens mit dem Einsetzen des Linksabbiegevorgangs, der selbst zum Unfall geführt hat, objektiv nach außen in Erscheinung getreten. Bei seiner Bewertung berücksichtigt der Senat auch, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 4. Juli 2013 – B 2 U 3/13 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 50, juris Rn. 13 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls bereits wegen des Verlangsamens der Geschwindigkeit, um den mit der beabsichtigten privaten Verrichtung (Erdbeeren kaufen an einen Verkaufsstand auf der gegenüberliegenden Straßenseite) einhergehenden Abbiegevorgang einzuleiten, ausgeschlossen hatte.
Dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Unfallgeschehens noch in Fahrtrichtung Innenstadt auf der S C (allerdings offenkundig bereits auf der Gegenfahrbahn) befand und damit den zum Nachhauseweg gehörenden öffentlichen Verkehrsraum noch nicht verlassen hatte, ist dagegen rechtlich unerheblich. Zwar hatte das BSG früher die Auffassung vertreten, dass der Versicherungsschutz trotz einer vorübergehenden Lösung vom betrieblichen Zweck des Weges so lange erhalten bleibe, wie sich der Versicherte noch innerhalb des Verkehrsraums der für den Weg zu und von der Arbeitsstätte benutzten Straße aufhalte (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 2. Juli 1996 – 2 RU 16/95 – SozR 3-2200 § 550 Nr 14, juris Rn. 15 f.). Diese Rechtsprechung hat das BSG aber mit seiner Entscheidung vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 23/03 R – BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3, juris Rn. 16 explizit aufgegeben, weil sie – wie in der Entscheidung umfassend und argumentativ überzeugend belegt (BSG, a.a.O., Rn. 17 ff.) – angesichts der sich zusehends ergebenden Wertungswidersprüche zwischen dem fußläufigen und dem motorisierten Verkehr letztlich nicht mehr durchzuhalten war und das alleinige Anknüpfen an die nach außen in Erscheinung tretende subjektive Handlungstendenz bei der zu treffenden Risikoabwägung zu sachgerechteren Ergebnissen führt.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII bestehende Versicherungsschutz auch nicht wegen der Geringfügigkeit der Unterbrechung des Wegs erhalten geblieben. Zwar erkennt das BSG nach wie vor bei ganz geringfügigen Unterbrechungen eine Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes an. Geringfügigkeit ist danach anzunehmen, wenn die Unterbrechung auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist (vgl. BSG vom 17. Februar 2009 – B 2 U 26/07 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 32), weil sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt (BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 – B 2 U 3/13 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 50, juris Rn. 15), insbesondere, wenn die private Verrichtung "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt wird (Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 8 Rn. 223 f. m.w.N.; vgl. nur BSG, Urteil vom 9. Dezember 1964 – 2 RU 133/63 – BG 1965, 196, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 27. März 1990 – 2 RU 36/89 – SozR 3-2200 § 550 Nr 1, juris Rn. 18).
Eine nach diesen Maßstäben ganz geringfügige Unterbrechung liegt hier aber nicht vor. Denn diese – ebenfalls ursprünglich für den fußläufigen Bereich entwickelten – Kriterien hat das BSG unter dem Eindruck eines insgesamt geänderten Mobilitätsverhaltens zwischenzeitlich ebenfalls inhaltlich erheblich modifiziert. So ist von einer erheblichen Unterbrechung des versicherten Wegs immer dann auszugehen, wenn der öffentliche Verkehrsraum der von der Arbeitsstätte zur Wohnung führenden Straße für eine private Verrichtung verlassen wird (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 – B 2 U 15/17 R – UV-Recht aktuell 2009, 200, juris Rn. 18), bzw. – dies ist notwendige Konsequenz einer Rechtsprechung, die das Vorliegen einer Unterbrechung als solcher nur noch von der nach außen erkennbaren Handlungstendenz abhängig macht – nach dem im Unfallzeitpunkt herrschenden Entschluss des Versicherten verlassen werden sollte.
Vorliegend beabsichtigte der Kläger gerade, den Straßenraum zu verlassen, um im Bäckereigeschäft auf der gegenüberliegenden Straßenseite Brötchen für den eigenen Verzehr einzukaufen. Dieser Vorgang stellt nach den genannten Maßstäben eine erhebliche Zäsur dar, die nach Überzeugung des erkennenden Senats der Annahme einer ganz geringfügigen Unterbrechung bei wertender Betrachtung zwingend entgegensteht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass andere Unterbrechungen, die einen zeitlich und räumlich ähnlich begrenzten Charakter aufweisen, wie insbesondere das Betanken des Kraftfahrzeugs an einer unmittelbar am Heimweg gelegenen Tankstelle, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen (BSG, Urteil vom 11. August 1998 – B 2 U 29/97 R – SozR 3-2200 § 550 Nr 19). Die Anerkennung einer ganz geringfügigen Unterbrechung im vorliegenden Fall würde auch vor diesem Hintergrund erhebliche Wertungswidersprüche begründen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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