S 26 SF 2769/16

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Gotha (FST)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 26 SF 2769/16
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 4 AS 655/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Aufrechnungslage (Gleichartigkeit der Forderungen) im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 199 Abs. 1 Nr. 4 SGG.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Oktober 2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten für beide Rechtszüge. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 71,58 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage über die Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Gotha.

Ausgangpunkt war ein Bescheid des Klägers (im Ausgangsverfahren der Beklagte) vom 19. August 2014, mit dem er die Leistungen nach dem SGB II für Februar bis April 2013 endgültig festsetzte und Erstattung über 163,43 Euro forderte. Die Beklagte (vormals die Klägerin) legte dagegen Widerspruch ein und erhob am 7. Januar 2015 Untätigkeitsklage zum SG Gotha - S 26 AS 51/15. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2015 wies der Kläger den Widerspruch zurück. Die Beklagte erklärte den Rechtstreit daraufhin für erledigt und der Kläger erklärte unter dem 27. Mai 2015 ein Kostenanerkenntnis dem Grunde nach.

Der Bescheid vom 19. August 2014 wurde bestandskräftig.

In der Folge beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Kostenfestsetzung und reichte eine Kostennote über 71,40 Euro bei Gericht ein. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 19. Juni 2015 Einverständnis mit der Kostennote mit und erklärte am 3. Juli 2015 die Aufrechnung mit der Erstattungsforderung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 19. April 2014. Am 27. Januar 2016 beantragte die Beklagte über den Kostenfestsetzungsantrag nebst Zinsen von 5 v. H. über dem Basissatz seit Antragstellung zu entscheiden sowie eine vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nebst Zustellungsvermerk zum Zwecke der Zwangsvollstreckung zu erteilen. In der Folge verwies der Prozessbevollmächtigte auf ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2015 - L 6 AS 288/13. Hiernach sei eine Aufrechnung in der vorliegenden Konstellation nicht möglich. Es stünden sich keine Zahlungsansprüche gegenüber. Bei ihrem Anspruch handele es sich um einen Befreiungsanspruch von dem Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten. Die von § 387 BGB geforderte Gleichartigkeit der Forderungen fehle. Mit Beschluss vom 20. Mai 2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom Kläger zu erstattenden Kosten der Beklagten für das Klageverfahren auf 71,40 Euro fest. Die zu erstattenden Kosten für das Klageverfahren seien unstreitig und i. H. v. 71,40 Euro zu erstatten. Erinnerung wurde nicht eingelegt. Der Beschluss wurde den Beteiligten am 25. Mai 2016 zugestellt. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom gleichen Tag nochmals die Aufrechnung. Gleichartigkeit sei nunmehr gegeben. Kostenfestsetzungsbeschlüsse würden nach den Vorschriften des 2. Abschnitts des Achten Buches der ZPO vollstreckt (Vollstreckung wegen Geldforderungen). Am 5. Juli 2016 beantragte die Beklagte nochmals eine vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses mit Vollstreckungsklausel und Zustellungsvermerk zu erteilen. Nach Erhalt forderte die Beklagte den Kläger bis zum 2. August 2016 zur Zahlung auf.

Daraufhin hat der Kläger unter dem 26. Juli 2016 Vollstreckungsabwehrklage erhoben mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Mai 2016 für unzulässig zu erklären und erklärte abermals die Aufrechnung. Der Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 28. Oktober 2016 stattgegeben. Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss sei nicht zulässig. Der Kläger sei mit seinen Einwendungen infolge des (rechtskräftigen) Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht präkludiert. Es gehöre nicht zur Kompetenz der Urkundsbeamtin zu prüfen, ob vorliegend eine von der Beklagten bestrittene, wirksame Aufrechnungserklärung vorliege. Die materielle Rechtslage sei auch nicht einfach zu beantworten. Ob die Aufrechnungserklärung wegen fehlender Gleichartigkeit, weil es sich bei der Forderung der Beklagten um einen Freistellungsanspruch im Sinne des § 257 BGB handele, ins Leere ginge, könne offenstehen. Jedenfalls könne der Kläger sich mit Er-folg auf ein Zurückbehaltungsrecht analog § 273 BGB berufen. Beide Forderungen seien aus demselben rechtlichen Verhältnis entstanden, nämlich einem ununterbrochenen Sozialleistungsverhältnis. Das Ausüben des Zurückbehaltungsrechts sei auch nicht unbillig. Die Interessensabwägung sei ausschließlich im Verhältnis Schuldner und Gläubiger vorzunehmen. Die Interessen Dritter, insbesondere eines Prozessbevollmächtigten, an der Durchsetzung ihrer Forderungen seien unbeachtlich. Anders als im vom LSG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall - hier haben die Kläger einen Teil der Erstattungsforderung getilgt - habe die Beklagte keinerlei Anstalten getroffen, die Forderung zu begleichen. Letztendlich sei die Ausübung des Zu-rückbehaltungsrechts die einzige Möglichkeit des Klägers Außenstände in vertretbarer Weise einzutreiben.

Auf die Beschwerde der Beklagten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 12. Sep-tember 2017 - L 4 SF 1467/16 NZB zugelassen.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Betreiben der Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss sei zulässig. Dies folge aus dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2015 - L 6 AS 288/13. Nach dieser Entscheidung seien bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch die Interessen des Prozessbevollmächtigten zu berücksichtigen. Es bestehe auch kein Konnex zwischen der Erstattungsforderung aus dem Sozialleistungsverhältnis und dem Kostenerstattungsanspruch aus dem Prozessverhältnis. Die Aufrechnung sei nicht wirksam. Es fehle an der nach § 387 BGB geforderten Gleichartigkeit. Bei der Forderung des Klägers handele es sich um einen Zahlungsanspruch, bei ihrer Forderung dagegen um einen Freistellungsanspruch nach § 257 BGB. Dies gelte nicht nur für Erstattungsansprüche nach § 63 SGB X, sondern auch für solche nach § 193 SGG. Der Kläger könne die Freistellung nur dadurch bewirken, dass das geschuldete Ergebnis - Befreiung von der Verbindlichkeit - eintritt. Der Kläger sei mit seinem Vorbringen auch präkludiert. Sie habe schon im Kostenfestsetzungsverfahren auf die unzulässige Aufrechnung hingewiesen. Die Urkundsbeamtin habe dies aufgegriffen und die zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 20. Mai 2016 auf 71,40 Euro nebst 5 v. H. Zinsen über den Basissatz festgesetzt. Die Urkundsbeamtin sei nach der Rechtsprechung des BGH auch zur Prüfung berechtigt gewesen, weil keine Sachverhaltsaufklärung nötig gewesen sei. Der Kläger habe keine Erinnerung eingelegt. Der Beschluss sei rechtskräftig. Im Übrigen habe der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Juni 2015 die Kostennote anerkannt. Außerdem könne er allenfalls nach § 51 SGB I aufrechnen. Eine Ermessensentscheidung habe er dabei aber nicht getroffen. In diesem Zusammenhang habe er auch nicht in Betracht gezogen, von § 43 SGB II Gebrauch zu machen. Letztendlich sei es schlicht unbillig mit Rechtsanwaltsgebühren aufzurechnen, die der Beklagte dem Grunde und der Höhe nach anerkannt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Oktober 2016 aufzuheben und die Vollstreckungsabwehrklage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Aufrechnungserklärung sei wirksam. Die Gleichartigkeit der Forderungen sei gegeben. Bei Kostenerstattungsansprüchen nach § 193 SGG handele es sich stets um eine Geldforderung. Jedenfalls gelte dies aber für die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss, der auf eine Geldleistung gerichtet sei. § 43 SGB II und § 51 SGB I seien vorliegend nicht anwendbar. Einschlägig sei ausschließlich § 387 BGB.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Vollstreckung der Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss für unzulässig erklärt.

Für die ausdrücklich als Vollstreckungsabwehrklage bezeichnete Klage ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 198 Rn. 5 a).

Die Vollstreckungsabwehrklage ist nach § 198 Abs. 1 SGG i. V. m. § 767 Abs. 1 ZPO statthaft. Der Kläger macht materiellrechtliche Einwendungen (Aufrechnung) gegen die im Kostenfestsetzungsbescheid ausgesprochene Kostenerstattungsforderung geltend. Der Kosten-festsetzungsbeschluss seinerseits ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 4 SGG bzw. § 198 Abs. 1 i. V. m. § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO Vollstreckungstitel. Die Klage ist auch ansonsten zulässig. Insbesondere fehlt es ihr nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die Vollstreckung im Einzelfall nicht droht. Hier droht die Vollstreckung, denn die Beklagte hat eine vollstreckbare Ausfertigung beantragt und sie hat dem Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2016 letztmals Frist zur Zahlung bis 2. August 2016 gesetzt und mitgeteilt, danach sei beab-sichtigt die Zwangsvollstreckung einzuleiten.

Die Klage ist auch begründet.

Eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO greift durch, wenn mit ihr begründete Einwendungen gegen die titulierte Forderung vorgebracht werden, die ihrerseits zulässig und nicht präkludiert sind.

Einwendungen, die den festgestellten Anspruch selbst betreffen, können immer nur materiellrechtliche Einwendungen sein, so wie hier der rechtsvernichtende Einwand der Aufrechnung.

Nach § 767 Abs. 2 ZPO gilt, dass Einwendungen nur insoweit zulässig sind, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung setzt grundsätzlich voraus, dass diese fällig und durchsetzbar ist. Dies war vorliegend erst mit der Bestandskraft des Festsetzungs- und Erstattungsbescheides vom 19. August 2014 der Fall, die jedoch erst nach dem Ende des Hauptsacheverfahrens eintrat. Überdies entstand die Hauptforderung der Beklagten erst nach Erledigungserklärung mit dem Kostenanerkenntnis dem Grunde nach.

Der Kläger ist im Hinblick auf das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 Abs. 1 SGG - hier hat er die Aufrechnung erklärt - und den nachfolgenden Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Mai 2016 gegen den er keine Erinnerung eingelegt hat, mit seiner Einwendung im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage ebenfalls nicht präkludiert.

Ein Kostenfestsetzungsbeschluss - auch nach § 197 SGG - ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 4 SGG bzw. § 198 Abs. 1 SGG i. V. m. § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ein Vollstreckungstitel. Nach § 795 ZPO sind die Vorschriften über die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO entsprechend anwendbar. Gleichwohl findet eine Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens grundsätzlich nicht statt. § 767 Abs. 2 ZPO lässt sich schon aus prozessrechtlichen Erwägungen grundsätzlich nicht sinngemäß anwenden. Das Verfahren ist dem Rechtspfleger bzw. dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anvertraut und dieser ist nicht befugt, über materiell-rechtliche Einwendungen zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Januar 1995 - IX ZR 241/93).

Sofern der BGH es aus verfahrensökonomischen Gründen ausnahmsweise für angezeigt hält, den Vollstreckungsschuldner nicht auf die Vollstreckungsabwehrklage zu verweisen, wenn es um materiellrechtliche Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit dem im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne weiteres klären lassen (vgl. den Beschluss vom 14. Mai 2014 - XII ZB 548/11), ist diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Richtig mag sein, dass die vom Kläger angeführte Gegenforderung von der Beklagten nicht bestritten wird. Allerdings ist die Aufrechnungslage zwischen den Beteiligten zumindest in rechtlicher Hinsicht, mithin der Gleichartigkeit der Forderungen, streitig. Die Rechtsfrage ist nicht ganz einfach zu beantworten und der Urkundsbeamte ist hierzu nicht befugt. Richtigerweise hat der Urkundsbeamte zur Wirksamkeit der Aufrechnung keine Stellung genommen. Dem Kostenfestsetzungsbeschluss lassen sich Ausführungen zu einer Aufrechnung nicht entnehmen. Insoweit gehen die Ausführungen der Beklagten zur Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses auch fehl.

Rechtsgrundlage für die Aufrechnung sind entgegen der Auffassung der Beklagten weder § 43 SGB II noch § 51 SGB I. Letzterer betrifft die Aufrechnungen des Leistungsträgers mit Ansprüchen des Leistungsempfängers auf Geldleistungen gemäß den §§ 11, 18 bis 29 SGB I. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 193 SGG ist keine solche Sozialleistung. § 43 SGB II ist ebenfalls nicht einschlägig, denn der Kläger rechnet nicht gegen Ansprüche der Beklagten nach dem SGB II auf.

Einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufrechnung sind die §§ 387 ff. BGB in entsprechen-der Anwendung. Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass im sozialrechtlichen Verfahren die §§ 387 ff. BGB analog anwendbar sind, soweit sich aus den §§ 51 ff. SGB I - die vorliegend nicht einschlägig sind - nichts anderes ergibt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Mai 2018 - L 18 AS 767/18). Höchstrichterlich ist weiter geklärt, dass eine Aufrechnung gegen prozessuale Kostenerstattungsansprüche grundsätzlich möglich ist (vgl. BFH, Beschluss vom 19. Januar 2007 - VII B 318/06).

Die Aufrechnung bewirkt entsprechend § 389 BGB die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen, soweit sie sich decken, zu dem Zeitpunkt, als sie sich erstmals aufrechenbar gegenüberstanden. Der Kläger hat die Aufrechnung mit Schreiben vom 3. Juli 2015 und nochmals mit Schreiben vom 25. Mai 2016 zulässigerweiser in Form einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung geltend gemacht. Ungeachtet dessen, das grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der Aufrechnung durch Verwaltungsakt oder durch Willenserklärung besteht (vgl. BSG, Beschluss des Großen Senats vom 31. August 2011 - GS 2/10 ), dürfte eine Verwaltungsaktbefugnis vorliegend nicht bestehen, weil die Aufrechnung nicht auf die §§ 51 ff. SGB I gestützt wird und es im Rahmen der Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss an einem Subordinationsverhältnis mangelt.

Entsprechend § 387 BGB setzt eine wirksame Aufrechnung eine sogenannte Aufrechnungslage voraus: Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Es müssen sich also gegenseitige, gleichartige Forderungen gegenüberstehen, wobei die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nach § 390 BGB fällig und durchsetzbar sein muss, die Hauptforderung dagegen lediglich erfüllbar sein muss.

Eine Gegenseitigkeit der Forderungen ist zweifelsohne gegeben. Mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 19. August 2014 war die vom Kläger zur Aufrechnung gestellte Erstattungsforderung auch fällig und durchsetzbar.

Letztendlich handelt es sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch um gleichartige Forderungen. Gleichartigkeit ist vor allem bei Geldforderungen gegeben. Der klägerische Erstattungsanspruch ist auf Zahlung gerichtet. Gleiches gilt für den Anspruch der Beklagten auf Kostenerstattung.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X um einen Freistellungsanspruch im Sinne des § 257 BGB handelt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, ebenda m. w. N.). Ob dies gleichermaßen für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch nach § 193 SGG gilt - der Kläger vertritt eine andere Auffassung - kann dahinstehen.

Der Kläger ist vorliegend einem Kostenerstattungsanspruch aus dem rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts vom 20. Mai 2016 ausgesetzt. Der Beschluss richtet sich als Vollstreckungstitel nach 199 Abs. 1 Nr. 4 SGG originär und ausschließlich auf Zahlung in Geld. Der Schuldner hat anders als bei der Vollstreckung eines Freistellungsanspruchs nach § 887 ZPO gar keine andere Wahl als die Forderung durch Geldzahlung zu begleichen. Mithin hat sich der Anspruch der Beklagten spätestens mit der Titulierung in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Mai 2016 in einen Anspruch auf Geldzahlung gewandelt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, ebenda). Folge ist, dass jedenfalls die nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses abgegebene Aufrechnungserklärungen vom 25. Mai 2016 die Forderung der Klägerin zum Erlöschen gebracht hat.

Aus dem von der Beklagten zitierten Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2015 - L 6 AS 288/13 ergibt sich nichts anderes. Dort machten die Kläger einen Freistellungsanspruch nach § 63 SGB X geltend. Ein Vollstreckungstitel lag nicht vor. Dies ist aber der entscheidende Unterschied zu dem vorliegenden Fall, denn der Kostenfestsetzungsbeschluss als Titel aus dem die Beklagte jetzt vollstrecken will, lautet eindeutig auf Geldzahlung.

Die Aufrechnung ist im Hinblick auf die Interessen des Prozessbevollmächtigten an der Reali-sierung seines Gebührenanspruchs auch nicht unbillig bzw. treuwidrig. Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass verschuldete Leistungsempfänger in dieser Konstellation Schwierigkeit haben können, einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden.

Es ist Aufgabe der Prozesskostenhilfe sicherzustellen, dass bemittelte und unbemittelte Beteiligte bei der Ausübung des rechtlichen Gehörs und dem Zugang zu den Gerichten gleichgestellt werden. Bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte der Kläger gegenüber dem Prozessbevollmächtigten die Aufrechnung nach § 126 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht geltend machen können.

Mit der Möglichkeit der Prozesskostenhilfe ist dem Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit Genüge getan. Eines Aufrechnungsverbotes bedarf es nicht. Ohne Prozesskostenhilfe ist es allgemeines Risiko, die Vergütung von seinem Mandanten oder dem Prozessgegner zu erhalten.

Dem Risiko kann ein Prozessbevollmächtigter im Übrigen dadurch entgegenwirken, dass er sich einen etwaigen Kostenerstattungsanspruch des Mandanten im Zeitpunkt der Klageerhebung abtreten lässt oder Beratungshilfe beantragt. Wird diese gewährt geht ein Kostenerstattungsanspruch des Mandanten gegen den Prozessgegner nach § 9 S. 2 BerHG kraft Gesetztes auf den Prozessbevollmächtigten über.

Die Aufrechnung ist auch nicht in Bezug auf das Schreiben vom 19. Juni 2015 als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Das Schreiben ist so zu verstehen, dass der Kläger der geltend gemachten Höhe der Kosten nicht entgegentritt. Es ist aber nicht so zu verstehen. dass er von der Möglichkeit der Aufrechnung keinen Gebrauch macht.

Ob der Kläger sich analog § 273 BGB auch auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen kann - so die erste Instanz - kann nach oben Gesagtem dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 6, 197 a SGG und § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beklagte gehört nicht zum privilegierten Personenkreis, denn sie ist nicht in ihrer Eigenschaft als Hilfebedürftige beteiligt, sondern in ihrer Eigenschaft als Gläubigerin eines prozessualen Kostenerstattungsanspruch nach § 193 SGG im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und § 63 GKG. Der Senat hat hier den im Kostenfestsetzungsbeschluss ausgesprochenen Betrag von 71,40 zugrunde gelegt. Inklusive der ebenfalls ausgesprochenen Zinsen ergibt dies einen Betrag von 71,58 Euro. Unschädlich ist, dass das Sozialgericht es verabsäumt hat, eine Streitwertfestsetzung vorzunehmen. Der Senat konnte dies mit heilender Wirkung im Berufungsverfahren nachholen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 5/05 R).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Diese ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt ist oder die Antwort sich zweifelsfrei aus dem Gesetz ergibt. Letzteres ist der Fall. Bei der Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Gotha vom 20. Mai 2016 handelt es sich ohne Zweifel um die Durchsetzung einer Geldleistung nach § 882 ZPO.
Rechtskraft
Aus
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