L 3 AL 12/17

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 34 AL 12/13 (SG Itzehoe)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 12/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 21. März 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 1. November 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2012, mit dem die Beklagte die Bewilligung des Gründungszuschusses ab dem 1. April 2012 zurückgenommen und erbrachte Leistungen in Höhe von 7.108,50 EUR zurückgefordert hat.

Der 1972 geborene Kläger ist staatlich anerkannter Erzieher. Er bezog Arbeitslosengeld I (Alg) ab 1. Januar 2012 (Neubewilligung, 240 Kalendertage). Am 1. April 2012 bestand noch ein Restanspruch von 150 Tagen. Im Vordruck, der am 13. Januar 2012 bei der Beklagten einging, teilte der Kläger unter anderem mit, dass seine größten Herausforderungen bei der Existenzgründung das Erreichen einer Betriebserlaubnis, die Finanzierung und die Bekanntmachung der Einrichtung bei den öffentlichen Trägern seien. Am 23. Januar 2012 teilte der Kläger in einem persönlichen Gespräch der Beklagten mit, seine Planung zur Selbstständigkeit würde auf Hochtouren laufen. Er habe aktuell viele Bankgespräche, damit ein Kredit aufgenommen werden könne, das Konzept sei soweit fertig, die Immobilie würde gemietet werden. Je nach Entscheidung der Bank könne gegebenenfalls schon im März mit einer Selbstständigkeit begonnen werden. An diesem Tag stellte der Kläger den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 93 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Im Antragsformular gab er an, dass er ab dem 1. April 2012 eine selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit als Einrichtungsleiter/Erzieher in B aufnehmen werde und für seine selbstständige Tätigkeit künftig 40 Wochenstunden aufwenden werde. Im Antragsvordruck versicherte der Kläger mit seiner Unterschrift die Richtigkeit seiner Angaben; er werde der Agentur für Arbeit unverzüglich alle Änderungen mitteilen, die Auswirkungen auf die Leistung haben könnten. Die Steuerberatungsgesellschaft W & R in H befürwortete in ihrer Stellungnahme die Unternehmensgründung des Klägers. Die aufgestellten Planungsberechnungen zeigten, dass das Vorhaben rentabel und auch finanzierbar sei. Für die Planungsberechnung sei mit einer Belegung zum 1. Juli 2012 ausgegangen worden. Im Februar 2012 begann der Kläger nach seinen Bekundungen mit der umfangreichen Renovierung des Hauses in B , in dem er die Einrichtung betreiben wollte. Im Februar 2012 habe er begonnen, die Türen abzuschleifen und im März 2012 die Küche herauszureißen. Er habe das dazu benötigte Material gekauft, unter anderem die Fliesen. Während dieser Renovierungsphase habe er einen Nabelbruch erlitten, weswegen er zeitweise keine Arbeiten habe durchführen können. Am 6. Mai 2012 schloss der Kläger einen Mietvertrag bezüglich des Hauses für die Zeit ab Juni 2012 ab. Nach seinen Angaben sei der Vermieter damit einverstanden gewesen, dass die Renovierungsarbeiten schon vorher beginnen könnten und Miete erst ab der Belegung zu zahlen sei. Am 5. April 2012 teilte der Kläger der Beklagten mündlich mit, dass die Selbstständigkeit zeitnah aufgenommen werden würde. Mit Schreiben vom 18. April 2012 teilte er die Aufnahme einer Selbstständigkeit im Bereich einer Kinder-und Jugendhilfe seit dem 1. April 2012 mit; da von Amts wegen nicht vonnöten sei, ein Gewerbe anzumelden, würde er dies in dieser Form bestätigen. Außerdem übersandte er die Steuernummer vom Finanzamt M. Am 8. Mai 2012 erfolgte die Nachschau der Brandschutzprüfung für das Gebäude der Einrichtung nach Mängelbeseitigung.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 1. April 2012 einen Gründungszuschuss für die Zeit vom 1. April 2012 bis zum 30. September 2012 in Höhe von monatlich 1.421,70 EUR (einschließlich einer Pauschale von 300,00 EUR zur sozialen Sicherung). Die dem Bescheid beigefügte Anlage enthielt u.a. den Hinweis, dass der Gründungszuschuss mit der Maßgabe gewährt werde, dass eine hauptberufliche, selbständige Tätigkeit aufgenommen und ausgeübt werde. Mit Schreiben vom 20. August 2012 beantragte der Kläger die Weitergewährung des Gründungszuschusses. Er gab unter anderem an, in den vorangegangenen Monaten sei es hauptsächlich um die Beantragung einer Betriebserlaubnis der Kinder und Jugendhilfeeinrichtung gegangen, dazu seien verschiedene Amtsvorgänge zu verrichten gewesen. Außerdem hätte er das Haus komplett renoviert. Die Zusage zum Betrieb der Einrichtung erteilte das zuständige Ministerium mit Schreiben vom 29. August 2012 nach Prüfung und Abnahme des Hauses - ab dem 15. Dezember 2012 wurde der erste Jugendliche unter Zuweisung des Bezirksamtes P in der Einrichtung untergebracht.

Mit Schreiben vom 17. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger bezüglich einer fehlerhaften Bewilligung des Gründungszuschusses ab April 2012 in Höhe von 7.108,50 EUR an. Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 1. November 2012 nahm die Beklagte die Bewilligung des Gründungszuschusses ab 1. April 2012 zurück und forderte die Erstattung der gewährten Leistungen in Höhe von 7.108,50 EUR. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 2. November 2012 Widerspruch ein, den er nicht begründete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und gab zur Begründung an, dass der Kläger unzutreffende Angaben gemacht habe. Im Antrag zum Gründungszuschuss am 23. Januar 2012 habe er angegeben, er werde ab dem 1. April 2012 eine Tätigkeit als Einrichtungsleiter aufnehmen. Mit Schreiben vom 18. April 2012 - bezeichnet als "Bestätigung zur Aufnahme einer Selbstständigkeit" - habe er sodann mitgeteilt, dass er die Selbstständigkeit im Bereich einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung seit dem 1. April 2012 ausübe. Diese Angaben wären unzutreffend. Die Geschäftstätigkeit habe sich bislang auf die Beantragung einer Betriebserlaubnis und Renovierungsarbeiten beschränkt. Die Eröffnung der Jugendhilfeeinrichtung und die damit verbundene Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als Einrichtungsleiter seien nicht erfolgt. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 SGB III hätten damit von Anfang an nicht vorgelegen. Die Beklagte stützte sich auf § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X.

Der Kläger hat am 15. Januar 2013 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben. Er hat im Wesentlichen ausgeführt, bereits im April seine Tätigkeit als Selbstständiger begonnen zu haben. Es sei für die Eröffnung der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unumgänglich, dass zunächst Arbeiten organisatorischer Natur vorgenommen werden würden. Diese Arbeiten seien nicht nur Voraussetzung für die tatsächliche Inbetriebnahme der Einrichtung und der Belegung der Einrichtung mit Jugendlichen, sondern stellten auch eine geldwerte Arbeitsleistung des Klägers dar. Es dürfe bei der Frage, ab wann die Voraussetzung für die Bewilligung eines Gründungszuschusses vorliegen würde, nicht alleine und ausschließlich auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem die Einrichtung zum ersten Mal von Jugendlichen bzw. Kindern bezogen werde. Vielmehr seien auch bereits die entsprechenden Arbeitsleistungen im Vorfeld, welche organisatorische und vorbereitende Natur hätten, zuschussfähig. Dementsprechend hätte der Kläger bei der Antragstellung keine falschen Angaben gemacht. Der Kläger hat anforderungsgemäß diverse Schreiben und Belege vorgelegt, u. a. Schreiben betreffend den Brandschutz, Antrag auf Erteilung einer Betriebserlaubnis an das Sozialministerium, Meldungen betreffend die Personaleinstellungen und den Mietvertrag. Auch könne dem Kläger keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Er habe davon ausgehen können, dass die Bewilligung des Gründungszuschusses zu Recht erfolgt sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2012 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte auf die angefochtenen Bescheide verwiesen und ergänzend ausgeführt, die frühesten Handlungen, die im Zusammenhang mit der beabsichtigten Eröffnung der Einrichtung stünden, seien der Mietvertrag vom 6. Mai 2012 für die Zeit ab 1. Juni 2012 und die am 8. Mai 2012 erfolgte Brandschutzprüfung.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21. März 2017 hat das Sozialgericht der Klage mit Urteil vom gleichen Tag stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligung des Gründungszuschusses nach § 45 SGB X lägen nicht vor. Einzig im Streit und problematisch sei vorliegend die Selbstständigkeit des Klägers als Erzieher/Einrichtungsleiter ab 1. April 2012 bis 30. September 2012. Die "Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit liege vor, wenn erstmals eine auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen werde. Eine selbständige Tätigkeit könne allerdings schon durch Vorbereitungshandlungen aufgenommen werden, soweit diese im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet seien. Der Kläger habe bereits ab dem 1. April 2012 derartige Vorbereitungshandlungen vorgenommen. Er habe im streitbefangenen Zeitraum umfangreiche Renovierungsarbeiten vorgenommen und die benötigten Materialien gekauft. Bereits im Januar 2013 [gemeint wohl 2012] habe er ein Darlehen über 60.000 EUR für die Existenzgründung einer Kinder-und Jugendhilfeeinrichtung aufgenommen, mit deren Tilgung/Zinszahlung er monatlich ab April 2013 begonnen habe. Weiterhin habe er am 6. Mai 2012 den Mietvertrag abgeschlossen und am 8. Mai 2012 die Brandschutzprüfung durchgeführt. Weiterhin habe er eine Betriebserlaubnis beantragt, die ihm mit Schreiben vom 29. August 2012 nach Prüfung und Abnahme des Hauses erteilt worden sei. Diese Tätigkeiten stellten Handlungen mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr dar. Die Vorbereitungshandlungen seien zielgerichtet und unmittelbar dazu bestimmt gewesen, den Betrieb der Einrichtung aufzunehmen und den Lebensunterhalt dadurch zu bestreiten. Das Gericht habe auch keine Zweifel daran, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum 40 Wochenstunden damit beschäftigt gewesen sei, den Betrieb der Einrichtung soweit vorzubereiten, dass die Betriebserlaubnis Ende August 2012 habe erteilt und im Dezember 2012 das erste Kind in der Einrichtung habe aufgenommen werden können. Der Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte aus der mündlichen Mitteilung des Klägers vom 5. April 2012 und seinem Schreiben vom 18. April 2012 gegebenenfalls geschlossen habe, dass die Einrichtung derart eröffnet sei, dass bereits Kinder und Jugendliche aufgenommen worden seien.

Gegen dieses der Beklagten am 7. April 2017 zugestellte Urteil richtet sich deren am 19. April 2017 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Nach den Angaben des Klägers im Termin betreffend die umfangreichen Renovierungstätigkeiten im Februar und März 2012 sei davon auszugehen, dass er selbstständig hauptberuflich nicht erst im April , sondern schon im Februar 2012 tätig gewesen sei, weshalb schon im Zeitpunkt der Antragstellung keine Arbeitslosigkeit mehr bestanden habe. Die Tätigkeit im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich habe der Kläger nicht angezeigt, was zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führe. Wegen der fehlenden unmittelbaren Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit könnten die im Vorfeld durchgeführten Tätigkeiten im Sinne der Rechtsprechung nicht anerkannt werden. In dem Antrag des Klägers und der von ihm vorgelegten fachkundigen Stellungnahme sei es nur um eine Tätigkeit als Erzieher/Einrichtungsleiter gegangen. Diese habe er aber erst im September 2012 aufnehmen können nach Erteilung der Zusage vom Ministerium.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 21.März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger stützt das erstinstanzliche Urteil. Im Rahmen der Befragung in erster Instanz habe er wahrheitsgemäß die von ihm vorgenommenen Tätigkeiten mit Außenwirkung geschildert. Die Festsetzung des Beginns der selbstständigen Tätigkeit auf einen Tag sei nicht möglich. Im Übrigen seien die Ausführungen der Beklagten zur Unmittelbarkeit nicht nachvollziehbar. Auch seien seine Leistungen nicht auf die Bautätigkeit beschränkt gewesen.

Mit Bescheid vom 17.September 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2012 hat die Beklagte den Antrag des Klägers, ihm den Gründungszuschuss für weitere neun Monate zu bewilligen, abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage (S 34 AL 248/12), hat der Kläger nach einem Hinweis des Gerichts zurückgenommen.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt sowie dem Vorbringen der Beteiligten auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143,144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form-und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 und 2 SGG) ist unbegründet.

Der Kläger hat weder am 1. April 2012 noch zeitnah hierzu eine hauptberufliche, selbständige Tätigkeit aufgenommen. Vor diesem Hintergrund ist der Bewilligungsbescheid vom 9. Mai 2012 im Sinne von § 45 SGB X rechtswidrig mit der Folge, dass die Voraussetzungen einer Rücknahme gegeben sind, wobei dem Kläger kein Vertrauensschutz zusteht. Auch die zugleich mit der Aufhebung erfolgte Entscheidung, die zu Unrecht gezahlten Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X) ist rechtsfehlerfrei.

Gemäß § 93 Abs. 1 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden und hier einschlägigen Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I. Seite 2854) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Der Gründungszuschuss kann nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen (§ 93 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz SGB III). Fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie-und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständige Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB III). Mit Wirkung zum 1. April 2012 ist § 93 SGB III an die Stelle des § 57 SGB III in der ab 28. Dezember 2011 geltenden Fassung getreten, woraus sich, da beide Vorschriften wortgleich sind, keine inhaltlichen Änderungen ergeben haben. Nach der Fassung des § 57 SGB III in der bis zum 27.Dezember 2011 geltenden Fassung war der Gründungszuschuss als Pflichtleistung gewährt worden, allerdings nur für die erste Förderphase von (damals) neun Monaten (vergleiche § 58 als SGB III a. F.). Diese Vorschrift kommt hier – auch nach Übergangsrecht, vergleiche § 422 SGB III – nicht zur Anwendung, weil der Kläger seine selbständige Tätigkeit unstreitig erst im Jahre 2012 aufgenommen hat.

Der Kläger hat am 1. April 2012 im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III die Arbeitslosigkeit nicht durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit oder entsprechende Vorbereitungshandlungen beendet. Der Kläger hatte im laufenden Leistungsbezug von Alg zuletzt am 1. April 2012 einen Anspruch auf Alg von 150 Tagen. Bereits bei einem Beginn der selbständigen Tätigkeit am 2. April 2012 wäre diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt gewesen.

Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts ist jedoch nicht bereits am 1. April 2012 die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit im Sinne des § 93 SGB III erfolgt. Die "Aufnahme" der Selbständigkeit liegt vor, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Für ausschließlich der Vorbereitung dienende Tätigkeiten kann ein Gründungszuschuss nicht gewährt werden (vgl. Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Aufl. § 93 Rn. 33). Unzweifelhaft hat der Kläger den eigentlichen Geschäftsbetrieb mit Erteilung der Betriebserlaubnis durch das Sozialministerium Ende August 2012 aufgenommen. Dass das erste Kind erst im Dezember 2012 in die Einrichtung aufgenommen werden konnte, ist für die für die Frage der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht entscheidend.

Grundsätzlich ist eine selbstständige Tätigkeit erst dann aufgenommen, wenn der Gründer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlungen mit Auswirkungen vorgenommen hat (vgl. ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) z. B. Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R –, Rn. 11, zuletzt Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 13/16 R – Rn. 26f, diese sowie alle weiteren Entscheidungen zitiert nach juris). Hierauf bezogene Vorbereitungshandlungen sind dann als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anzusehen, soweit sie im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R -). Vorbereitungshandlungen können allerdings nur dann bereits als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gewertet werden, wenn sie zielgerichtet und unmittelbar dazu bestimmt sind, hieraus den Lebensunterhalt bestreiten zu können (vgl. Kuhnke in jurisPK SGB III, 2. Aufl. 2019, § 93 SGB III Rn. 26). Anhaltspunkte für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit können die Anmietung von Gewerbe-oder Geschäftsräumen und deren Ausstattung (Telefon, Fax, Internetauftritt), Bestellung von Waren oder Produktionsmitteln, Außenwerbung, Buchhaltung, Einrichtung von Geschäftskonten, Kundenwerbung sein. Derartige Gesichtspunkte können aber nicht losgelöst vom Businessplan und von der konkreten Umsetzung der Planung bis zur tatsächlichen Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gesehen werden, um eine Zuordnung zu Vorbereitungshandlungen von der tatsächlichen Aufnahmen der selbstständigen Tätigkeit abzugrenzen. Die Grenzen hierzu sind fließend, jedenfalls muss die Überzeugung gefunden werden, dass die Handlungen des Existenzgründers die eingangs erwähnten Voraussetzungen erfüllen (vgl. zum Ganzen Kuhnke aaO Rn. 26 m.w.N.).

In Anwendung dieser Maßstäbe lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger eine hauptberufliche, selbständige Tätigkeit zum 1. April 2012 als Erzieher/Einrichtungs-leiter aufgenommen hat, auch nicht durch die Entfaltung von Vorbereitungshandlungen. Laut Antragstellung plante der Kläger, im April 2012 eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Nach den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und seinen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung in erster Instanz hat er im Februar und März 2012 umfangreiche Renovierungsarbeiten vorgenommen und die dafür benötigten Materialien eingekauft. Des Weiteren hat er für die Existenzgründung auch ein Darlehen über 60.000 EUR aufgenommen, wie sich aus dem Bestätigungsschreiben der Sparkasse vom 22. März 2012 ergibt. Die intensiven Verhandlungen wurden nach seinen Angaben im Januar 2012 geführt. Wann der Darlehensvertrag konkret geschlossen wurde, ist nicht erkennbar, denn in dem Schreiben heißt es lediglich, dass "wir Ihnen für das genannte Vorhaben Darlehensmittel in Höhe von 60.000,00 EUR zur Verfügung stellen." Nach dem ebenfalls vorliegenden Kontoauszug hat der Kläger zunächst Bereithaltungszinsen zwischen April und September 2012 gezahlt, die Darlehenssumme selbst kam erst am 4. Oktober 2012 zur Auszahlung. Am 6. Mai 2012 ist der Mietvertrag abgeschlossen worden und am 8. Mai 2012 ist dann die abschließende Brandschutzprüfung durchgeführt worden. Erst am 5. Juni 2012 hat der Kläger die Betriebserlaubnis beantragt, die ihm mit Schreiben des Ministeriums vom 29. August 2012 nach Prüfung und Abnahme des Hauses erteilt worden ist. Der in erster Instanz vorgelegte Kaufvertrag über Ausstattungsgegenstände/Mö¬blierung der Einrichtung datiert vom 23. Juni 2012. Der Leasingvertrag für die Software datiert vom 15. Oktober 2012. Die Personalanstellungsverträge datieren vom September bzw. Oktober 2012 für Einstellungen frühestens ab dem 1. September 2012.

Es mag zwar sein, dass der Kläger durch diese Tätigkeiten Teilschritte zum Einstieg in die selbständige Tätigkeit vorgenommen hat. Allerdings hat das BSG in seiner Entscheidung vom 1. Juni 2006 (a.a.O.) ausdrücklich darauf abgestellt, dass eine selbstständige Tätigkeit erst dann aufgenommen wird, wenn erstmals eine unmittelbar auf den berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorliegt. Eine solche unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Auswirkung kann in den von dem Kläger beschriebenen Tätigkeiten jedoch nicht gesehen werden. Dies gilt zum einen für Verhandlungen mit den Banken. Selbst bei Unterstellung zeitlich intensiver Verhandlungen zur Erlangung eines Kredits stellen diese keine Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung dar. Denn sie sind, da sie nicht integraler Bestandteil der angestrebten selbständigen Tätigkeit als Erzieher/ Einrichtungsleiter sind, nur mittelbar auf die der Gewinnerzielung dienende Handlung gerichtet. Dies gilt ebenso und besonders für die vom Kläger durchgeführten Renovierungstätigkeiten in Form der Bautätigkeiten, sei es, dass der Kläger diese selbst durchgeführt hat, sei es, dass er bei einer Beauftragung durch Fachfirmen diese überwacht hat. Unabhängig von der fehlenden Unmittelbarkeit ist bezüglich der Bautätigkeiten weiter darauf hinzuweisen, dass diese vom Umfang her dem Umfang der angegebenen selbständigen Tätigkeit zwar entspreche, aber in einem Zeitraum vor dem im Antragsformular angegebenen Datum der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durchgeführt wurden. Der Mietvertrag, der es dem Kläger überhaupt erst ermöglichte, in dem Gebäude eine Einrichtung zu betreiben, stammt von Anfang Mai 2012. Dass er in Absprache mit dem Vermieter bereits vorher Renovierungsarbeiten durchführen durfte, ist insoweit nicht relevant. Andere in zeitlicher Nähe zum 1. April durchgeführte Tätigkeiten, die Vorbereitungshandlungen im oben beschriebenen Sinn darstellen und 40 Wochenstunden in Anspruch nahmen, sind nicht vorhanden.

Darauf, dass der Kläger mit der Renovierung des Gebäudes bereits im Februar und auch im März in einem zeitlichen Umfang tätig war, der den Bezug von Alg bereits zu diesem Zeitpunkt möglicherweise ausgeschlossen hat, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich an. Gleiches gilt für die Frage der subjektiven Verfügbarkeit als notwendige Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Alg bis zum 30. August 2010. Ob der Alg-Bewilligungsbescheid zwischenzeitlich von Seiten der Beklagten aufgehoben wurde, ist nicht bekannt. Entscheidungserheblich ist vielmehr, dass der Kläger – entgegen seinen Angaben im Antragsvordruck und in seinem Schreiben vom 18. April 2012 - am 1. April 2012 eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit als Erzieher/Einrichtungs¬leiter mit einem zeitlichen Umfang von 40 Wochenstunden, auch nicht in zeitlicher Nähe, nicht aufgenommen hat und auch nicht hätte aufnehmen dürfen. Denn die Beantragung der behördlichen Betriebserlaubnis durch das Sozialministerium erfolgte erst am 5. Juni 2012, also ein Vierteljahr nach dem angegebenen Beginndatum. Sind aber am 1. April 2012 weder die Vorbereitungshandlungen abgeschlossen noch in zeitlicher Nähe eine Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit erfolgt, war der Bewilligungsbescheid vom 9. Mai 2012 von Anfang an rechtswidrig.

Die Aufhebung der Leistungsbewilligung konnte auch für die Vergangenheit erfolgen, denn der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 SGB X berufen. Er kannte die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung bzw. kannte diese zumindest nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die Notwendigkeit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als Anspruchsvoraussetzung ergab sich für den Kläger erkennbar aus dem ihm nachweislich ausgehändigten Merkblatt drei für Arbeitslose, dessen Kenntnisnahme er unterschriftlich bestätigt hat, und den Hinweisen zur Förderung. Bei Zweifeln darüber, ob die von ihm getätigten Handlungen den Anforderungen an die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit erfüllen, hätte er sich beraten lassen müssen. Im Merkblatt und im Bescheid vom 9. Mai 2012 selbst steht unmissverständlich, dass der Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 1. April 2012 gewährt wird. Damit war dem Kläger auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit bewusst, dass ein Anspruch auf Gründungszuschuss nur besteht, wenn eine selbständige Tätigkeit tatsächlich zu dem im Bescheid angenommenen Zeitpunkt aufgenommen bzw. ausgeübt wird. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der gemachten Angaben im Businessplan.

Darüber hinaus hat der Kläger seine Mitteilungspflicht grob fahrlässig verletzt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) war er verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Bewilligung des Gründungszuschusses erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Der Kläger wäre daher verpflichtet gewesen, noch vor Erlass des Bewilligungsbescheids am 9. Mai 2012 mitzuteilen, dass eine Tätigkeitsaufnahme in dem von ihm beschriebenen Sinne zum 1. April 2012 unrichtig geworden ist. Die Notwendigkeit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als Anspruchsvoraussetzung ergab sich für den Kläger erkennbar aus den Hinweisen zur Förderung. Die nicht erfolgte Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 1. April 2012 in der geplanten Einrichtung hätte der Kläger der Beklagten mitteilen müssen. Das Unterlassen der Mitteilung über die Verschiebung der Inbetriebnahme der Einrichtung stellt insoweit zumindest eine grob fahrlässige Verletzung der ihm obliegenden Mitteilungspflicht dar. Die Beklagte hat den Kläger ordnungsgemäß zu einer grob fahrlässigen Verletzung der Mitteilungspflicht angehört (vergleiche zu den Anforderungen BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 47/15 R –).

Die Voraussetzungen für die Rücknahme nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 SGB X lagen mithin vor.

Die Erstattungsforderung in Höhe von 7108,50 EUR ist von Seiten der Beklagten zutreffend ermittelt worden; hiergegen hat der Kläger auch keine Einwände vorgebracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Gründe für eine Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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