S 8 RA 173/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 RA 173/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 08.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2002 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, auch die Zeit vom 01.02.2002 bis zum 31.07.2002 als Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeiten anzuerkennen. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten wegen Pflegetätigkeitvon Februar 2002 bis Juli 2002.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin bezieht seit 01.09.2002 Altersrente. Seit April 1995 sind in ihrem Versicherungsverlauf Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit vorgemerkt. Dies beruht nach Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung von April 1995 bis Dezember 1996 auf der Pflege des Vaters der Klägerin, ab Dezember 1996 auf der Pflege der Mutter der Klägerin.

Mit Schreiben vom 27.05.2002 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, sie lehne eine Beitragszahlung zur Rentenversicherung ab dem 01.02.2002 ab, weil der durch die Klägerin ausgeübte Umfang der Pflegetätigkeit unter 14 Wochenstunden liege. Die Beigeladene stützte diese Meinung auf ein Gutachten des Chirurgen N vom 24.01.2001, der zu einem Gesamtaufwand für Pflegetätigkeiten von 103 Minuten täglich kam.

Mit Bescheid vom 08.07.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Rentenversicherungspflicht als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson ende am 31.01.2002.

Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass ihre Mutter unter Altersdemenz, Altersdiabetes und Inkontinenz leide, weshalb die Pflegetätigkeit mindestens 28 Stunden wöchentlich betrage. Die Gesellschaft für medizinische Gutachten - N -, die für die Beigeladene Gutachten zur Pflegeversicherung erstellt, teilte der Beigeladenen und diese der Beklagten mit, dass ein Pflegeaufwand von 45 Minuten täglich nicht überschritten werde.

Mit Bescheid vom 22.10.2002 wies die Beklagte den Widerspruch gestützt auf diese Ausführungen zurück.

Hiergegen richtet sich die am 18.11.2002 erhobene Klage. Aufgrund eines Gutachtens der Firma N erkennt die Beklagte seit dem 15.08.2002 wieder einen Pflegeaufwand von wenigstens 14 Stunden wöchentlich an, weshalb seit August 2002 wieder Rentenversicherungspflicht bejaht wird (Bescheid vom 01.07.2003). Im übrigen wiederholen und vertiefen die Beteiligten ihre bisherigen Ausführungen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 08.07.2002 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 22.10.2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, auch die Zeit vom 01.02.2002 bis zum 31.07.2002 als Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeiten anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Gutachten der Firma N beigezogen. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Für die Klägerin sind auch von Februar bis Juli 2002 Pflichtversicherungsbeiträge für Pflegetätigkeit im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI anzuerkennen:

Unabhängig von der Frage, ob der Pflegeaufwand den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a SGB VI genannten Umfang von wenigstens 14 Stunden erreicht, fehlt es der Entscheidung der Beklagten an einer Ermächtigungsgrundlage. Mit dem angefochtenen Bescheid beendet die Beklagte die bis Januar 2002 anerkannte Versicherungspflicht. Für diese belastende Entscheidung benötigt die Beklagte eine Ermächtigungsgrundlage (§ 31 SGB I). Die Beklagte kann sich insoweit nicht auf § 48 Abs. 1 SGB X stützen. Denn zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Februar 2002 keine Änderung der Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift eingetreten ist, sondern es sich um eine (kritischere) Neubewertung eines seit Jahren bestehenden, sich eher verschlimmernden, medizinischen Sachverhaltes handelt.

Dem Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage und damit der Anwendung von § 48 SGB X steht nicht entgegen, dass die Beklagte bislang keine ausdrückliche Entscheidung über die Versicherungspflicht der Klägerin getroffen hatte. Allerdings hat das BSG mit Urteil vom 22.03.2001 - B 12 P 3/00 R - entschieden, dass für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson in der Rentenversicherung der Rentenversicherungsträger zuständig ist. Erst aufgrund dieser Entscheidung sah die Beklagte sich veranlasst, eine ausdrückliche Entscheidung gegenüber der Klägerin zu treffen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die bis dahin bestehende Bejahung der Versicherungspflicht ein der Beklagten zuzurechnender begünstigender Verwaltungsakt war, der Vertrauensschutz begründet und nur bei einer Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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