Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KA 15/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Beschluss vom 10.09.2003 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Der Beklagte und die Beigeladene zu 5) tragen die Kosten des Verfahrens und der Klägerin je zur Hälfte
Tatbestand:
Streitig ist der Umfang einer Ermächtigung.
Die Klägerin ist Fachärztin für Innere Medizin und im Mhospital B als Oberärztin tätig. Sie war für die Zeit bis zum 31.03.2003 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt, und zwar zur Durchführung der Diabetes Ambulanz, eingeschränkt auf Insulinpumpenpatienten und Schwangere, sowie zur Betreuung von ausschließlich jungen Typ I Diabetikern mit einer intensiven Insulintherapie in äußerst schwer einstellbaren Sonderfällen, eingeschränkt auf die Überweisung von hausärztlich tätigen Ärzten, Internisten und Gynäkologen.
Die Klägerin beantragte die Erneuerung ihrer Ermächtigung über den 31.03.2003 hinaus. Der Landesverband der Betriebskrankenkassen äußerte keine Bedenken, die Beigeladene zu 5) befürwortete eine Erneuerung für 2 Jahre, aber mit der weitergehenden Beschränkung auf eine Zuweisung nur durch diabetologische Schwerpunktpraxen. Hierfür berief sie sich auf Stellungnahmen von N und T, die die beiden einzigen Aachener diabetologischen Schwerpunktpraxen betreiben. Während T (Schreiben vom 19.12.2002) keine Einwände gegen eine Verlängerung der Ermächtigung der Klägerin hatte, teilte N (Schreiben vom 20.01.2003) mit, dass er noch ausreichend freie Kapazitäten habe, die in der Ermächtigung genannten Leistungen zu erbringen. Er halte jedoch eine enge Verbindung zwischen ambulanter und stationärer Versorgungsebene für erstrebenswert, so dass eine Ermächtigung sinnvoll erscheine, wenn Leistungen nur auf Überweisungen diabetologischer Schwerpunktpraxen erfolgen würden.
Mit Beschluss vom 12.03.2003 (Bescheid vom 17.03.2003) wurde die Klägerin durch den Zulassungsausschuss für Ärzte Aachen wie folgt "auf Überweisung von diabetologischen Schwerpunktpraxen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten der Krankenkassen ermächtigt: I.Durchführung zur Diabetes-Ambulanz, eingeschränkt auf Insulinpumpenpatienten und Schwangere II.Betreuung von ausschließlich jungen Typ I Diabetikern mit einer intensiven Insulintherapie in äußerst schwer einstellbaren Sonderfällen."
Die Ermächtigung war bis 31.03.2005 befristet.
Zu dem hiergegen durch die Klägerin eingelegten Widerspruch verwies die Beigeladene zu 5) darauf, dass zwei diabetologische Schwerpunktpraxen in Aachen vorhanden seien.
Die Klägerin gab an, sie betreue ca. 150 Patienten pro Quartal, davon 50 bis 60 Pumpenpatienten, 70 Schwangere und im Übrigen Typ I Diabetiker mit Problemen. Wegen der Besonderheit der genannten Patientengruppe sei eine Änderung der Zuweisungsbedingungen nicht sinnvoll, da es zu einer zeitlichen Verzögerung der Behandlung komme und zudem der Patient einen weiteren zusätzlichen Facharzt aufsuchen müsse. Zudem sei die Bedarfsdeckung für diese Patienten nicht gegeben. Vergleiche man die Dichte der Schwerpunktpraxen in Aachen (2 Schwerpunktpraxen) mit der Dichte der Schwerpunktpraxen in der Stadt Köln (15 Schwerpunktpraxen), so ergebe sich bezogen auf die Gesamteinwohnerzahl und den prozentualen Anteil von Diabetikern, der derzeit bei 5 – 6 % liege, ein deutliches Missverhältnis in Aachen.
Nach mündlicher Verhandlung am 00.00.0000 fasste der Beklagte mit Beschluss vom gleichen Tage Ziffer I der Ermächtigung wie folgt neu: "Behandlung von Diabetikern, die Insulinpumpen benötigen und an Diabetes erkrankten Schwangeren, bei Schwangeren auch auf Überweisung von Gynäkologen."
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, die Dichte der diabetologischen Schwerpunktpraxen in Aachen sei nicht ausreichend, um die Behandlung der Patienten sicherzustellen. Der Beklagte habe die Versorgungssituation nicht hinreichend geprüft. Es fehle an nachvollziehbaren Erwägungen, warum eine Überweisung durch Hausärzte und Internisten nun nicht mehr möglich sein solle. Nach eigener Aussage aufgrund vermehrter Patientenanfragen hinsichtlich der ambulanten Versorgung durch die Klägerin habe die Beigeladene zu 5) inzwischen mitgeteilt, dass der Zulassungsausschuss unter der Voraussetzung, dass die Klage zurückgenommen werde, beabsichtige, die Ermächtigung auf Überweisung von diabetologisch tätigen Hausärzten zu erweitern.
Die Klägerin beantragt,
1.a) den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses vom 17.03.2003 in der Gestalt des Beschlusses vom 10.09.2003 zu verurteilen, der Klägerin die Ermächtigung für die Durchführung zur Diabetes-Ambulanz, eingeschränkt auf Insulinpumpenpatienten und Schwangere, sowie die Betreuung von jungen Typ I Diabetikern mit einer intensiven Insulintherapie in äußerst schwer einstellbaren Sonderfällen uneingeschränkt, d. h. ohne das Erfordernis der Überweisung durch diabetologische Schwerpunktpraxen oder Gynäkologen, zu erteilen, 2.b) hilfsweise, den Beschluss des Beklagten vom 10.09.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beigeladene zu 5) und der Beklagte beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im Sinne des Hilfsantrages begründet. Der Beschluss des Beklagten vom 10.09.2003 ist rechtswidrig. Die Klägerin hat demgemäß Anspruch auf Neubescheidung.
Der Zulassungsausschuss bzw. auf Widerspruch eines Beteiligten hin der Beklagte (§ 97 SGB V) kann mit Zustimmung des Krankenhausträgers einen Krankenhausarzt mit abgeschlossener Weiterbildung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigen (§ 116 SGB V i. V. m. § 31 a Abs. 1 Ärzte-ZV). Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt ist. Demgemäß obliegt die ambulante Versorgung in erster Linie niedergelassenen Ärzten (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 12.09.2001, B 6 KA 86/00 R). Die Einbeziehung von Krankenhausärzten in die vertragsärztliche Versorgung kommt demnach erst bei einer Minderversorgung in Betracht und dient ausschließlich dazu, Versorgungslücken zu schließen. Eine derartige Versorgungslücke kann sich entweder daraus ergeben, dass in einem bestimmten Bereich zu wenige niedergelassene Ärzte vorhanden sind, um den Bedarf zu decken (quantitativ-allgemeiner Bedarf), oder daraus, dass ein Krankenhausarzt besondere, für eine ausreichende Versorgung notwendige Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anbietet, die von den niedergelassenen Ärzten nicht, bzw. nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden (BSG, a. a. O. m. w. N.).
Hinsichtlich der Frage, ob ein Bedarf für eine Ermächtigung in dem dargestellten Sinne besteht, haben die Zulassungsgremien einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Zulassungsgremien die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Substitutionserwägungen so verdeutlicht und begründet haben, dass im Rahmen des möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, a. a. O. m. w. N.).
Der Beklagte hat Ermittlungen zum Vorliegen eines Versorgungsbedarfs praktisch vollständig unterlassen. Zwar liegt ihm die Äußerung einer der beiden in Aachen vorhandenen diabetologischen Schwerpunktpraxen vor, wonach dort noch freie Kapazitäten bestünden. Die Richtigkeit dieser Aussage ist aber jedenfalls nicht offensichtlich und durfte deshalb vom Beklagten auch im Hinblick auf die bestehende Interessengemengelage nicht ohne weitere Überprüfung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht werden. Es sind aber weder Auskünfte der niedergelassenen Diabetologen zu ihrem entsprechenden Leistungsangebot und der noch verbliebenen Aufnahmekapazität ihrer Praxen eingeholt, noch – soweit erkennbar – deren Anzahlstatistiken ausgewertet worden (zur Ermittlung im Rahmen der Erteilung von Ermächtigungen vgl. BSG a. a. O. m. w. N.). Auch wenn die Aussage von N zutrifft, dass seine Praxis noch über offene Kapazitäten verfügt, so ist angesichts der Tatsache, dass in der diabetologischen Ambulanz der Klägerin je Quartal etwa 150 Patienten mit komplizierten Krankheitsbildern behandelt werden, keinesfalls hinreichend deutlich, dass das gesamte Leistungsangebot der diabetologischen Ambulanz der Klägerin auch von Niedergelassenen erbracht werden kann. Nach dem Informationspaket DMP-Diabetes der Beigeladenen zu 5) sollen diabetische Schwerpunktpraxen ca. 200 Diabetiker, davon 50 (!) Insulin-Patienten, insgesamt jedoch höchstens 500 Diabetiker pro Quartal betreuen. Dass die Klientel der Klägerin in Aachener Schwerpunktpraxen unterkommen kann, bedürfte vor diesem Hintergrund schon näherer Begründung. Der Diabetesstrukturvertrag ab 01.06.2003 zwischen der KV Nordrhein und der Nordrheinischen Primärkassen spricht auch dagegen, dass die diabetologische Versorgung in Aachen ausreichend sichergestellt ist. Nach dessen Anlage 1 (Sonderregelung zu Bedarfszulassung diabetologischer Schwerpunktpraxen) orientiert sich dieser an den Bedarfsplanungsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Die Festlegung erfolgt mit einem Faktor von 40, bezogen auf die im 3. Abschnitt der Bedarfsplanungsrichtlinien festgelegte Einwohner/Orts-Relation für Hausärzte in der jeweils geltenden Fassung. Gemäß der Bekanntmachung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über eine Änderung der Richtlinien über die Bedarfsplanung vom 24.03.2003 ist das Stadtgebiet Aachen dem Kreistyp 1 zuzurechnen, so dass nach den Bedarfsplanungsrichtlinien die allgemeine Verhältniszahl 1585 Einwohner je Ort beträgt, multipliziert mit dem Faktor 40 ergibt dies eine Relation Einwohner/diabetologische Schwerpunktpraxen von 63.400: 1, somit das Erfordernis von 4, nicht von 2 diabetologischen Schwerpunktpraxen im Stadtgebiet Aachen.
Da demnach der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt ist, besteht ein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung. Da nach dem Vorstehenden alles dafür spricht, dass für das Leistungsangebot der Klägerin in Aachen noch ein Bedarf besteht, hat die Kammer bei ihrer Kostenentscheidung unberücksichtigt gelassen, dass im Hinblick auf den dem Beklagten zukommenden Beurteilungsspielraum aus formalen Gründen nur eine Verpflichtung zur Neubescheidung, nicht aber eine Entscheidung im Sinne des Hauptantrages in Betracht kam, außer Betracht gelassen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Der Beklagte und die Beigeladene zu 5) tragen die Kosten des Verfahrens und der Klägerin je zur Hälfte
Tatbestand:
Streitig ist der Umfang einer Ermächtigung.
Die Klägerin ist Fachärztin für Innere Medizin und im Mhospital B als Oberärztin tätig. Sie war für die Zeit bis zum 31.03.2003 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt, und zwar zur Durchführung der Diabetes Ambulanz, eingeschränkt auf Insulinpumpenpatienten und Schwangere, sowie zur Betreuung von ausschließlich jungen Typ I Diabetikern mit einer intensiven Insulintherapie in äußerst schwer einstellbaren Sonderfällen, eingeschränkt auf die Überweisung von hausärztlich tätigen Ärzten, Internisten und Gynäkologen.
Die Klägerin beantragte die Erneuerung ihrer Ermächtigung über den 31.03.2003 hinaus. Der Landesverband der Betriebskrankenkassen äußerte keine Bedenken, die Beigeladene zu 5) befürwortete eine Erneuerung für 2 Jahre, aber mit der weitergehenden Beschränkung auf eine Zuweisung nur durch diabetologische Schwerpunktpraxen. Hierfür berief sie sich auf Stellungnahmen von N und T, die die beiden einzigen Aachener diabetologischen Schwerpunktpraxen betreiben. Während T (Schreiben vom 19.12.2002) keine Einwände gegen eine Verlängerung der Ermächtigung der Klägerin hatte, teilte N (Schreiben vom 20.01.2003) mit, dass er noch ausreichend freie Kapazitäten habe, die in der Ermächtigung genannten Leistungen zu erbringen. Er halte jedoch eine enge Verbindung zwischen ambulanter und stationärer Versorgungsebene für erstrebenswert, so dass eine Ermächtigung sinnvoll erscheine, wenn Leistungen nur auf Überweisungen diabetologischer Schwerpunktpraxen erfolgen würden.
Mit Beschluss vom 12.03.2003 (Bescheid vom 17.03.2003) wurde die Klägerin durch den Zulassungsausschuss für Ärzte Aachen wie folgt "auf Überweisung von diabetologischen Schwerpunktpraxen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten der Krankenkassen ermächtigt: I.Durchführung zur Diabetes-Ambulanz, eingeschränkt auf Insulinpumpenpatienten und Schwangere II.Betreuung von ausschließlich jungen Typ I Diabetikern mit einer intensiven Insulintherapie in äußerst schwer einstellbaren Sonderfällen."
Die Ermächtigung war bis 31.03.2005 befristet.
Zu dem hiergegen durch die Klägerin eingelegten Widerspruch verwies die Beigeladene zu 5) darauf, dass zwei diabetologische Schwerpunktpraxen in Aachen vorhanden seien.
Die Klägerin gab an, sie betreue ca. 150 Patienten pro Quartal, davon 50 bis 60 Pumpenpatienten, 70 Schwangere und im Übrigen Typ I Diabetiker mit Problemen. Wegen der Besonderheit der genannten Patientengruppe sei eine Änderung der Zuweisungsbedingungen nicht sinnvoll, da es zu einer zeitlichen Verzögerung der Behandlung komme und zudem der Patient einen weiteren zusätzlichen Facharzt aufsuchen müsse. Zudem sei die Bedarfsdeckung für diese Patienten nicht gegeben. Vergleiche man die Dichte der Schwerpunktpraxen in Aachen (2 Schwerpunktpraxen) mit der Dichte der Schwerpunktpraxen in der Stadt Köln (15 Schwerpunktpraxen), so ergebe sich bezogen auf die Gesamteinwohnerzahl und den prozentualen Anteil von Diabetikern, der derzeit bei 5 – 6 % liege, ein deutliches Missverhältnis in Aachen.
Nach mündlicher Verhandlung am 00.00.0000 fasste der Beklagte mit Beschluss vom gleichen Tage Ziffer I der Ermächtigung wie folgt neu: "Behandlung von Diabetikern, die Insulinpumpen benötigen und an Diabetes erkrankten Schwangeren, bei Schwangeren auch auf Überweisung von Gynäkologen."
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, die Dichte der diabetologischen Schwerpunktpraxen in Aachen sei nicht ausreichend, um die Behandlung der Patienten sicherzustellen. Der Beklagte habe die Versorgungssituation nicht hinreichend geprüft. Es fehle an nachvollziehbaren Erwägungen, warum eine Überweisung durch Hausärzte und Internisten nun nicht mehr möglich sein solle. Nach eigener Aussage aufgrund vermehrter Patientenanfragen hinsichtlich der ambulanten Versorgung durch die Klägerin habe die Beigeladene zu 5) inzwischen mitgeteilt, dass der Zulassungsausschuss unter der Voraussetzung, dass die Klage zurückgenommen werde, beabsichtige, die Ermächtigung auf Überweisung von diabetologisch tätigen Hausärzten zu erweitern.
Die Klägerin beantragt,
1.a) den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses vom 17.03.2003 in der Gestalt des Beschlusses vom 10.09.2003 zu verurteilen, der Klägerin die Ermächtigung für die Durchführung zur Diabetes-Ambulanz, eingeschränkt auf Insulinpumpenpatienten und Schwangere, sowie die Betreuung von jungen Typ I Diabetikern mit einer intensiven Insulintherapie in äußerst schwer einstellbaren Sonderfällen uneingeschränkt, d. h. ohne das Erfordernis der Überweisung durch diabetologische Schwerpunktpraxen oder Gynäkologen, zu erteilen, 2.b) hilfsweise, den Beschluss des Beklagten vom 10.09.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beigeladene zu 5) und der Beklagte beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im Sinne des Hilfsantrages begründet. Der Beschluss des Beklagten vom 10.09.2003 ist rechtswidrig. Die Klägerin hat demgemäß Anspruch auf Neubescheidung.
Der Zulassungsausschuss bzw. auf Widerspruch eines Beteiligten hin der Beklagte (§ 97 SGB V) kann mit Zustimmung des Krankenhausträgers einen Krankenhausarzt mit abgeschlossener Weiterbildung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigen (§ 116 SGB V i. V. m. § 31 a Abs. 1 Ärzte-ZV). Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt ist. Demgemäß obliegt die ambulante Versorgung in erster Linie niedergelassenen Ärzten (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 12.09.2001, B 6 KA 86/00 R). Die Einbeziehung von Krankenhausärzten in die vertragsärztliche Versorgung kommt demnach erst bei einer Minderversorgung in Betracht und dient ausschließlich dazu, Versorgungslücken zu schließen. Eine derartige Versorgungslücke kann sich entweder daraus ergeben, dass in einem bestimmten Bereich zu wenige niedergelassene Ärzte vorhanden sind, um den Bedarf zu decken (quantitativ-allgemeiner Bedarf), oder daraus, dass ein Krankenhausarzt besondere, für eine ausreichende Versorgung notwendige Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anbietet, die von den niedergelassenen Ärzten nicht, bzw. nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden (BSG, a. a. O. m. w. N.).
Hinsichtlich der Frage, ob ein Bedarf für eine Ermächtigung in dem dargestellten Sinne besteht, haben die Zulassungsgremien einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Zulassungsgremien die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Substitutionserwägungen so verdeutlicht und begründet haben, dass im Rahmen des möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, a. a. O. m. w. N.).
Der Beklagte hat Ermittlungen zum Vorliegen eines Versorgungsbedarfs praktisch vollständig unterlassen. Zwar liegt ihm die Äußerung einer der beiden in Aachen vorhandenen diabetologischen Schwerpunktpraxen vor, wonach dort noch freie Kapazitäten bestünden. Die Richtigkeit dieser Aussage ist aber jedenfalls nicht offensichtlich und durfte deshalb vom Beklagten auch im Hinblick auf die bestehende Interessengemengelage nicht ohne weitere Überprüfung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht werden. Es sind aber weder Auskünfte der niedergelassenen Diabetologen zu ihrem entsprechenden Leistungsangebot und der noch verbliebenen Aufnahmekapazität ihrer Praxen eingeholt, noch – soweit erkennbar – deren Anzahlstatistiken ausgewertet worden (zur Ermittlung im Rahmen der Erteilung von Ermächtigungen vgl. BSG a. a. O. m. w. N.). Auch wenn die Aussage von N zutrifft, dass seine Praxis noch über offene Kapazitäten verfügt, so ist angesichts der Tatsache, dass in der diabetologischen Ambulanz der Klägerin je Quartal etwa 150 Patienten mit komplizierten Krankheitsbildern behandelt werden, keinesfalls hinreichend deutlich, dass das gesamte Leistungsangebot der diabetologischen Ambulanz der Klägerin auch von Niedergelassenen erbracht werden kann. Nach dem Informationspaket DMP-Diabetes der Beigeladenen zu 5) sollen diabetische Schwerpunktpraxen ca. 200 Diabetiker, davon 50 (!) Insulin-Patienten, insgesamt jedoch höchstens 500 Diabetiker pro Quartal betreuen. Dass die Klientel der Klägerin in Aachener Schwerpunktpraxen unterkommen kann, bedürfte vor diesem Hintergrund schon näherer Begründung. Der Diabetesstrukturvertrag ab 01.06.2003 zwischen der KV Nordrhein und der Nordrheinischen Primärkassen spricht auch dagegen, dass die diabetologische Versorgung in Aachen ausreichend sichergestellt ist. Nach dessen Anlage 1 (Sonderregelung zu Bedarfszulassung diabetologischer Schwerpunktpraxen) orientiert sich dieser an den Bedarfsplanungsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Die Festlegung erfolgt mit einem Faktor von 40, bezogen auf die im 3. Abschnitt der Bedarfsplanungsrichtlinien festgelegte Einwohner/Orts-Relation für Hausärzte in der jeweils geltenden Fassung. Gemäß der Bekanntmachung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über eine Änderung der Richtlinien über die Bedarfsplanung vom 24.03.2003 ist das Stadtgebiet Aachen dem Kreistyp 1 zuzurechnen, so dass nach den Bedarfsplanungsrichtlinien die allgemeine Verhältniszahl 1585 Einwohner je Ort beträgt, multipliziert mit dem Faktor 40 ergibt dies eine Relation Einwohner/diabetologische Schwerpunktpraxen von 63.400: 1, somit das Erfordernis von 4, nicht von 2 diabetologischen Schwerpunktpraxen im Stadtgebiet Aachen.
Da demnach der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt ist, besteht ein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung. Da nach dem Vorstehenden alles dafür spricht, dass für das Leistungsangebot der Klägerin in Aachen noch ein Bedarf besteht, hat die Kammer bei ihrer Kostenentscheidung unberücksichtigt gelassen, dass im Hinblick auf den dem Beklagten zukommenden Beurteilungsspielraum aus formalen Gründen nur eine Verpflichtung zur Neubescheidung, nicht aber eine Entscheidung im Sinne des Hauptantrages in Betracht kam, außer Betracht gelassen.
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