Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KA 14/03 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Beigeladenen gegen den den Antragsteller betreffenden Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte B vom 25.06.2003 wird bis zur Entscheidung des Antragsgegners über den Widerspruch ausgesetzt.
2. Die Beigeladene und der Antragsgegner tragen die Kosten des Antragstellers und des Verfahrens je zur Hälfte
Gründe:
I.
Der Antragsteller (ASt) will die Anordnung des Sofortvollzuges der ihm vom Zulassungsausschuss für Ärzte B erteilten Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung erreichen.
Der ASt ist Facharzt für Orthopädie. Er war zunächst 18 Monate als angestellter Weiterbildungsassistent in der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis T (AllgMed) und T (Orth) in H tätig. Letztere hat am 20.04.2003 ab dem Zeitpunkt der bestandskräftigen Zulassung des Praxisnachfolgers zur vertragsärztlichen Versorgung bzw. mit dem Beginn von dessen Praxistätigkeit auf ihre Vertragsarztzulassung verzichtet, unter dem Vorbehalt der Fortführung der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis und bei Übergabe ihres Praxisanteils an den ASt. Der ASt hat ihren Gesellschaftsanteil erworben. Der Kaufvertrag vom 25.6.2003 sieht eine Kaufpreisfälligkeit zum 1.7.2003 in Form der Übernahme von Darlehnsverpflichtungen vor. Nach § 9 des Vertrages wird dieser "erst wirksam, wenn Herr L1 die Zulassung zur Behandlung RVO-versicherter Patienten und die Bestellung am Arzt-Ersatzkassenvertrag in der Ärztepartnerschaft L und T erhalten hat. Sollte dies bis zum 01.07.2003 nicht der Fall sein, sind beide Partner berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten.". Der ASt wurde im Rahmen der Nachbesetzung des Kassenarztsitzes vom Zulassungsausschuss für Ärzte B zugelassen (Beschluss vom 25.06.2003, Bescheid v. 14.07.2003) mit Wirkung zum 1.7.2003. Im Text des Beschlusses wurde dem ASt von finanziellen Dispositionen vor Bestandskraft des Beschlusses dringend abgeraten, weil Widerspruch Dritter möglich sei. Der ASt nahm die Tätigkeit zum 1.7.03 auf.
Von den zwei weiteren Mitbewerbern um die Nachbesetzung nahm einer seinen Zulassungsantrag zurück, während die zweite - die Beigeladene - Widerspruch gegen die Zulassung des ASt einlegte. Die Beigeladene ist selbst im Wege einer vinkulierten Zulassung in Gemeinschaft mit L2, I, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der ASt trägt vor, der Beschluss des LSG NRW v. 4.9.2002, L 10 B 2/02 KA ER, MedR 2003, 310, wonach vorläufiger Rechtsschutz erst nach der Entscheidung des AG. gewährt werden könne, sei hier nicht einschlägig, weil dem ASt schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile drohten, wenn er das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens abwarten müsse. Denn er habe zum 1.7.2003 die Praxistätigkeit aufgenommen und diese nun zum 25.8.2003 wieder einstellen müssen. Er sei Kreditverpflichtungen und Verpflichtungen gegenüber dem Partner der Gemeinschaftspraxis eingegangen, die Abwanderung von Patienten sei zu besorgen so dass der Verfall des Praxiswertes drohe und er habe Familie, deren Versorgung gefährdet sei.
Demgegenüber sei kein Interesse der Beigeladenen an der aufschiebenden Wirkung erkennbar. Ihr Widerspruch sei missbräuchlich. Ihre Bewerbung sei aussichtslos, da der Praxispartner nicht mit ihr zusammenarbeiten wolle. Dem Votum der bisherigen Partner komme aber entscheidende Bedeutung zu (§ 103 Abs. 2 S. 6 SGB 5). Sie habe auch weder Vertragsverhandlungen mit T aufgenommen, noch sei sie zur Sitzung des Zulassungsausschusses erschienen. Mit dem Ehemann von T habe sie sich telefonisch überworfen.
Der ASt beantragt,
die sofortige Vollziehung der dem Antragsteller mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte B vom 25.06.2003 erteilten Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein anzuordnen.
Der Antragsgegner (AG) und die Beigeladene (Beigel.) beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Der AG hat mitgeteilt, am 26.11.2003 über den Widerspruch entscheiden zu wollen. Er hält den Antrag für unzulässig und sieht keinen Anordnungsgrund.
Die Beigel. hält den Antrag ebenfalls für unzulässig. Sie habe Anspruch auf eine eigenständige Ermessensentscheidung des AG., die nicht durch gerichtliche Eilentscheidung vorweggenommen werden dürfe. Der ASt habe mit einem Widerspruch rechnen müssen. Eine Vertragsgestaltung, die Pflichten des Erwerbers vor Bestandskraft seiner Zulassung vorsehe, sei grob fahrlässig. Die Beigeladene habe mit T verhandeln wollen, was diese aber vereitelt habe. Ein einseitiges Bestimmungsrecht des Nachfolgers durch den verbleibenden Partner der Praxisgemeinschaft gebe es aber nicht. Die ihr erteilte Zulassung mache den Antrag der Beigel. nicht rechtsmissbräuchlich, da sie gegenüber der Vollzulassung ein minderes Recht darstelle.
II.
Der Antrag ist zulässig im Sinne des Beschlusstenors auch begründet. Vorläufiger Rechtsschutz kann zwar grundsätzlich frühestens mit der Entscheidung des Berufungsausschusses gewährt werden (§ 97 Abs. 4 SGB 5). Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des LSG NRW im Beschluss v. 4.9.2002, L 10 B 2/02 KA ER; a.A. der Herausgeber in: Anm. zu LSG NRW w.o. in MedR 2003, 310f.). Ein Fall verfassungsrechtlich gebotener Gewährung von Eilrechtsschutz über die abschließenden gesetzlichen Regelungen hinaus (Art. 19 Abs 4 des Grundgesetzes –GG-), weil andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht bereitgestellt werden könnte, liegt jedoch vor. Denn der Widerspruch der Klägerin ist offensichtlich abwegig (vgl. zu dieser Voraussetzung LSG NRW aaO.) und darum rechtsmissbräuchlich.
Zutreffend hat nämlich der ASt. darauf hingewiesen, dass § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB 5 die Berücksichtigung der Interessen der verbleibenden Praxispartner bei der Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes gebietet. Damit wird zwar zusätzlich zu den in den Absätzen 4 und 5 genannten Kriterien für die Auswahlentscheidung eigentlich nur ein weiteres Ermessenskriterium vorgegeben, worauf die Beigeladene zutreffend hinweist. Dass dieses Ermessenskriterium aber nur einen Ausgleich dafür schaffen will, dass der verbliebene Gemeinschaftspraxisinhaber den Nachfolger des ausscheidenden Mitinhabers nicht mehr frei aussuchen kann (so noch LSG NRW, L 11 KA 74/98 - Urteil vom 21.10.1998) , dass also das Recht zur Bestimmung des Nachfolgers nicht auf den Partner der Gemeinschaftspraxis übergeht, kann vorliegend dem Widerspruch der Beigeladenen nicht zum Erfolg verhelfen. Das Votum der verbliebenen Praxispartner ist immerhin so gewichtig, dass grundsätzlich eine Zulassung im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens auf der Grundlage des § 103 Abs 6 Satz 1 iVm Abs 4 Satz 3 SGB V nicht erteilt werden kann, wenn die in der Gemeinschaftspraxis verbleibenden Vertragsärzte übereinstimmend erklären, mit keinem der an einem Eintritt in die bestehende Gemeinschaftspraxis interessierten Bewerber zusammenarbeiten zu wollen oder zu können (BSG, Urteil vom 29.9.1999, B 6 KA 1/99 R). Der ASt hat aber glaubhaft gemacht, dass spätestens nach der ersten telefonischen Kontaktaufnahme für den Ehemann von T feststand, dass eine Zusammenarbeit mit der Beigeladenen nicht in Betracht kommt. Gründe, warum im Falle der Beigeladenen von dem vom BSG aufgestellten Grundsatz abzuweichen wäre, sind nicht vorgetragen. Die Kammer kann zwar die notwendige Ermessensentscheidung für die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes nicht für den AG treffen, weshalb Sofortvollzug der Zulassung nicht angeordnet werden kann. Es kann aber im Hinblick auf § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB 5 ausschließen, dass hinsichtlich der Beigeladenen eine inhaltlich andere Entscheidung getroffen werden kann als in dem die Beigeladene betreffenden Beschluss vom 25.6.03. Es kommt hinzu, dass T auf ihren Vertragsarztsitz nur unter der Voraussetzung der bestandskräftigen Zulassung des ASt verzichtet hat, so dass der Antrag der Beigeladenen auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erfolgreich sein kann.
Einen Anordnungsgrund hat der ASt insoweit glaubhaft gemacht, als er darauf hinweist, dass er seine Tätigkeit am 1.7.03 bereits aufgenommen hat und eine Rückabwicklung der bereits getroffenen organisatorischen Maßnahmen unzumutbar, zumal auch mit der Gefahr des Verlustes von Goodwill der Praxis verbunden ist. Demgegenüber ist nicht erkennbar und auch in keiner Weise dargelegt, welches schützenswerte Interesse die Beigeladene daran haben könnte, dass der vor Einlegung ihres Widerspruchs, offenbar unter voller Ausnutzung der Frist, bereits eingetretene status quo für die voraussichtlich noch achtwöchige Dauer des Widerspruchsverfahrens vollständig rückabgewickelt wird. Ein Einfluss auf die Entscheidung des AG. ist hiervon nicht zu erwarten. Eine evtl Konkurrenzsituation zwischen der von ihr mitbetriebenen orthopädischen Praxis in I und der Praxis des ASt im nahen H wäre jedenfalls kein überwiegender schützenswerter Belang auf Seiten der Beigeladenen. Nachteile, die ihr sonst durch das Abwarten des Widerspruchsentscheides entstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
Darauf, ob dem ASt daneben auch noch andere erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, kommt es im Hinblick auf die offensichtliche Aussichtslosigkeit des Widerspruchs der Beigeladenen nicht an. Dies wäre allerdings auch nicht glaubhaft gemacht, denn es ist durchaus zweifelhaft, dass der vom ASt offenbar nach einem alten Vertragsmuster geschlossene Praxisanteil-Kaufvertrag bereits wirksam geworden ist. § 9 des Kaufvertrages muss von seinem beabsichtigten Regelungsgehalt – Möglichkeit der Rückabwicklung des Kaufvertrages für den Fall der Versagung der Zulassung – dahin verstanden werden, dass nur die bestandskräftige Zulassung gemeint sein kann. Ebenso ist die ebenfalls mehrdeutige Verzichtserklärung von T, die an die bestandskräftige Zulassung ihres Nachfolgers oder an dessen Tätigkeitsaufnahme anknüpft vor dem Hintergrund ihres Sicherungszwecks (Verzicht nur bei geregelter Nachfolge) dahin auszulegen, dass der fernliegendere der beiden alternativ genannten Zeitpunkte maßgeblich sein soll. Im übrigen hätte sich der ASt in diese Lage durch seine leichtfertige Vertragsgestaltung selbst gebracht. Es ist fahrlässig, schwerwiegende wirtschaftliche Dispositionen an Verwaltungsentscheidungen zu knüpfen, die Dritte noch anfechten können. Ungeschickte Vertragsgestaltung kann aber nicht zu Rechtsverlusten der Beigeladenen führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
2. Die Beigeladene und der Antragsgegner tragen die Kosten des Antragstellers und des Verfahrens je zur Hälfte
Gründe:
I.
Der Antragsteller (ASt) will die Anordnung des Sofortvollzuges der ihm vom Zulassungsausschuss für Ärzte B erteilten Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung erreichen.
Der ASt ist Facharzt für Orthopädie. Er war zunächst 18 Monate als angestellter Weiterbildungsassistent in der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis T (AllgMed) und T (Orth) in H tätig. Letztere hat am 20.04.2003 ab dem Zeitpunkt der bestandskräftigen Zulassung des Praxisnachfolgers zur vertragsärztlichen Versorgung bzw. mit dem Beginn von dessen Praxistätigkeit auf ihre Vertragsarztzulassung verzichtet, unter dem Vorbehalt der Fortführung der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis und bei Übergabe ihres Praxisanteils an den ASt. Der ASt hat ihren Gesellschaftsanteil erworben. Der Kaufvertrag vom 25.6.2003 sieht eine Kaufpreisfälligkeit zum 1.7.2003 in Form der Übernahme von Darlehnsverpflichtungen vor. Nach § 9 des Vertrages wird dieser "erst wirksam, wenn Herr L1 die Zulassung zur Behandlung RVO-versicherter Patienten und die Bestellung am Arzt-Ersatzkassenvertrag in der Ärztepartnerschaft L und T erhalten hat. Sollte dies bis zum 01.07.2003 nicht der Fall sein, sind beide Partner berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten.". Der ASt wurde im Rahmen der Nachbesetzung des Kassenarztsitzes vom Zulassungsausschuss für Ärzte B zugelassen (Beschluss vom 25.06.2003, Bescheid v. 14.07.2003) mit Wirkung zum 1.7.2003. Im Text des Beschlusses wurde dem ASt von finanziellen Dispositionen vor Bestandskraft des Beschlusses dringend abgeraten, weil Widerspruch Dritter möglich sei. Der ASt nahm die Tätigkeit zum 1.7.03 auf.
Von den zwei weiteren Mitbewerbern um die Nachbesetzung nahm einer seinen Zulassungsantrag zurück, während die zweite - die Beigeladene - Widerspruch gegen die Zulassung des ASt einlegte. Die Beigeladene ist selbst im Wege einer vinkulierten Zulassung in Gemeinschaft mit L2, I, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der ASt trägt vor, der Beschluss des LSG NRW v. 4.9.2002, L 10 B 2/02 KA ER, MedR 2003, 310, wonach vorläufiger Rechtsschutz erst nach der Entscheidung des AG. gewährt werden könne, sei hier nicht einschlägig, weil dem ASt schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile drohten, wenn er das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens abwarten müsse. Denn er habe zum 1.7.2003 die Praxistätigkeit aufgenommen und diese nun zum 25.8.2003 wieder einstellen müssen. Er sei Kreditverpflichtungen und Verpflichtungen gegenüber dem Partner der Gemeinschaftspraxis eingegangen, die Abwanderung von Patienten sei zu besorgen so dass der Verfall des Praxiswertes drohe und er habe Familie, deren Versorgung gefährdet sei.
Demgegenüber sei kein Interesse der Beigeladenen an der aufschiebenden Wirkung erkennbar. Ihr Widerspruch sei missbräuchlich. Ihre Bewerbung sei aussichtslos, da der Praxispartner nicht mit ihr zusammenarbeiten wolle. Dem Votum der bisherigen Partner komme aber entscheidende Bedeutung zu (§ 103 Abs. 2 S. 6 SGB 5). Sie habe auch weder Vertragsverhandlungen mit T aufgenommen, noch sei sie zur Sitzung des Zulassungsausschusses erschienen. Mit dem Ehemann von T habe sie sich telefonisch überworfen.
Der ASt beantragt,
die sofortige Vollziehung der dem Antragsteller mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte B vom 25.06.2003 erteilten Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein anzuordnen.
Der Antragsgegner (AG) und die Beigeladene (Beigel.) beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Der AG hat mitgeteilt, am 26.11.2003 über den Widerspruch entscheiden zu wollen. Er hält den Antrag für unzulässig und sieht keinen Anordnungsgrund.
Die Beigel. hält den Antrag ebenfalls für unzulässig. Sie habe Anspruch auf eine eigenständige Ermessensentscheidung des AG., die nicht durch gerichtliche Eilentscheidung vorweggenommen werden dürfe. Der ASt habe mit einem Widerspruch rechnen müssen. Eine Vertragsgestaltung, die Pflichten des Erwerbers vor Bestandskraft seiner Zulassung vorsehe, sei grob fahrlässig. Die Beigeladene habe mit T verhandeln wollen, was diese aber vereitelt habe. Ein einseitiges Bestimmungsrecht des Nachfolgers durch den verbleibenden Partner der Praxisgemeinschaft gebe es aber nicht. Die ihr erteilte Zulassung mache den Antrag der Beigel. nicht rechtsmissbräuchlich, da sie gegenüber der Vollzulassung ein minderes Recht darstelle.
II.
Der Antrag ist zulässig im Sinne des Beschlusstenors auch begründet. Vorläufiger Rechtsschutz kann zwar grundsätzlich frühestens mit der Entscheidung des Berufungsausschusses gewährt werden (§ 97 Abs. 4 SGB 5). Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des LSG NRW im Beschluss v. 4.9.2002, L 10 B 2/02 KA ER; a.A. der Herausgeber in: Anm. zu LSG NRW w.o. in MedR 2003, 310f.). Ein Fall verfassungsrechtlich gebotener Gewährung von Eilrechtsschutz über die abschließenden gesetzlichen Regelungen hinaus (Art. 19 Abs 4 des Grundgesetzes –GG-), weil andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht bereitgestellt werden könnte, liegt jedoch vor. Denn der Widerspruch der Klägerin ist offensichtlich abwegig (vgl. zu dieser Voraussetzung LSG NRW aaO.) und darum rechtsmissbräuchlich.
Zutreffend hat nämlich der ASt. darauf hingewiesen, dass § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB 5 die Berücksichtigung der Interessen der verbleibenden Praxispartner bei der Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes gebietet. Damit wird zwar zusätzlich zu den in den Absätzen 4 und 5 genannten Kriterien für die Auswahlentscheidung eigentlich nur ein weiteres Ermessenskriterium vorgegeben, worauf die Beigeladene zutreffend hinweist. Dass dieses Ermessenskriterium aber nur einen Ausgleich dafür schaffen will, dass der verbliebene Gemeinschaftspraxisinhaber den Nachfolger des ausscheidenden Mitinhabers nicht mehr frei aussuchen kann (so noch LSG NRW, L 11 KA 74/98 - Urteil vom 21.10.1998) , dass also das Recht zur Bestimmung des Nachfolgers nicht auf den Partner der Gemeinschaftspraxis übergeht, kann vorliegend dem Widerspruch der Beigeladenen nicht zum Erfolg verhelfen. Das Votum der verbliebenen Praxispartner ist immerhin so gewichtig, dass grundsätzlich eine Zulassung im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens auf der Grundlage des § 103 Abs 6 Satz 1 iVm Abs 4 Satz 3 SGB V nicht erteilt werden kann, wenn die in der Gemeinschaftspraxis verbleibenden Vertragsärzte übereinstimmend erklären, mit keinem der an einem Eintritt in die bestehende Gemeinschaftspraxis interessierten Bewerber zusammenarbeiten zu wollen oder zu können (BSG, Urteil vom 29.9.1999, B 6 KA 1/99 R). Der ASt hat aber glaubhaft gemacht, dass spätestens nach der ersten telefonischen Kontaktaufnahme für den Ehemann von T feststand, dass eine Zusammenarbeit mit der Beigeladenen nicht in Betracht kommt. Gründe, warum im Falle der Beigeladenen von dem vom BSG aufgestellten Grundsatz abzuweichen wäre, sind nicht vorgetragen. Die Kammer kann zwar die notwendige Ermessensentscheidung für die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes nicht für den AG treffen, weshalb Sofortvollzug der Zulassung nicht angeordnet werden kann. Es kann aber im Hinblick auf § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB 5 ausschließen, dass hinsichtlich der Beigeladenen eine inhaltlich andere Entscheidung getroffen werden kann als in dem die Beigeladene betreffenden Beschluss vom 25.6.03. Es kommt hinzu, dass T auf ihren Vertragsarztsitz nur unter der Voraussetzung der bestandskräftigen Zulassung des ASt verzichtet hat, so dass der Antrag der Beigeladenen auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erfolgreich sein kann.
Einen Anordnungsgrund hat der ASt insoweit glaubhaft gemacht, als er darauf hinweist, dass er seine Tätigkeit am 1.7.03 bereits aufgenommen hat und eine Rückabwicklung der bereits getroffenen organisatorischen Maßnahmen unzumutbar, zumal auch mit der Gefahr des Verlustes von Goodwill der Praxis verbunden ist. Demgegenüber ist nicht erkennbar und auch in keiner Weise dargelegt, welches schützenswerte Interesse die Beigeladene daran haben könnte, dass der vor Einlegung ihres Widerspruchs, offenbar unter voller Ausnutzung der Frist, bereits eingetretene status quo für die voraussichtlich noch achtwöchige Dauer des Widerspruchsverfahrens vollständig rückabgewickelt wird. Ein Einfluss auf die Entscheidung des AG. ist hiervon nicht zu erwarten. Eine evtl Konkurrenzsituation zwischen der von ihr mitbetriebenen orthopädischen Praxis in I und der Praxis des ASt im nahen H wäre jedenfalls kein überwiegender schützenswerter Belang auf Seiten der Beigeladenen. Nachteile, die ihr sonst durch das Abwarten des Widerspruchsentscheides entstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
Darauf, ob dem ASt daneben auch noch andere erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, kommt es im Hinblick auf die offensichtliche Aussichtslosigkeit des Widerspruchs der Beigeladenen nicht an. Dies wäre allerdings auch nicht glaubhaft gemacht, denn es ist durchaus zweifelhaft, dass der vom ASt offenbar nach einem alten Vertragsmuster geschlossene Praxisanteil-Kaufvertrag bereits wirksam geworden ist. § 9 des Kaufvertrages muss von seinem beabsichtigten Regelungsgehalt – Möglichkeit der Rückabwicklung des Kaufvertrages für den Fall der Versagung der Zulassung – dahin verstanden werden, dass nur die bestandskräftige Zulassung gemeint sein kann. Ebenso ist die ebenfalls mehrdeutige Verzichtserklärung von T, die an die bestandskräftige Zulassung ihres Nachfolgers oder an dessen Tätigkeitsaufnahme anknüpft vor dem Hintergrund ihres Sicherungszwecks (Verzicht nur bei geregelter Nachfolge) dahin auszulegen, dass der fernliegendere der beiden alternativ genannten Zeitpunkte maßgeblich sein soll. Im übrigen hätte sich der ASt in diese Lage durch seine leichtfertige Vertragsgestaltung selbst gebracht. Es ist fahrlässig, schwerwiegende wirtschaftliche Dispositionen an Verwaltungsentscheidungen zu knüpfen, die Dritte noch anfechten können. Ungeschickte Vertragsgestaltung kann aber nicht zu Rechtsverlusten der Beigeladenen führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
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