S 14 AS 3133/18 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 3133/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten der Antragsteller werden nicht erstattet.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II). In der Sache streiten die Beteiligten darüber, ob die Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von einem An-spruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind.

Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Der am ...1979 geborene Antragsteller zu 1) und die am ...1974 geborene Antragstellerin zu 2) sind Eheleute, der 14-jährige Antragsteller zu 3) und die 9-jährige Antragstellerin zu 4) deren gemeinsame Kinder. Die Antragsteller zu 1) – 4) reisten nach ihren Angaben im April 2014 in Deutschland ein, um dauerhaft hier zu leben und zu arbeiten. Der Antragsteller zu 1) gibt als Erwerbstätigkeit das "Sammeln von Altmetallen" als selbständiger Altmetallhändler an, die er seit Mai 2014 ausübe. Er ist nicht im Besitz eines Füh-rerscheins. Die Antragsteller bewohnen eine ca. 57 qm große 2-Zimmer-Wohnung in der ... in ... mit einer monatlichen Gesamtmiete von 418,02 EUR. Die Antragsteller beziehen Kindergeld in Höhe von monatlich 388,00 EUR und verfügen nach eigenen Angaben über Einkünfte des Antragstellers zu 1) aus dessen Tätigkeit als Schrottsammler in monatlich wechselnder Höhe. Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 4.7.2018 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern zunächst für den Zeitraum 08/2018 bis 01/2019 monatliche Leistungen in Höhe von 1.246,00 EUR unter An-rechnung eines Brutto-/Nettoeinkommens des Antragsgegners in Höhe von 280,00 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 9.10.2018 bewilligte dieser sodann vorläufig höhere Leistungen der Grundsicherung nach den Vorschriften des SGB II wegen Korrekturen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) und einer Betriebskostennachzahlung, und zwar für den Leistungszeitraum 09/2018 weitere 1.410,11 EUR und für die Monate 10/2018 bis 01/2019 in Höhe von jeweils weiteren 108,32 EUR, mithin monatlich 1.354,36 EUR. Im Änderungsbescheid vom 9.10.2018 heißt es weiter, "der bisher in diesem Zusammenhang ergangene Bescheid vom 4.7.2018 wird insoweit aufgehoben". Anlässlich eines persönlichen Vorstellungsgesprächs des Antragstellers zu 1) mit der Integrationsfachkraft Herrn ... des Antragsgegners am 8.11.2018, bei welchem auch ein Mitarbeiter des Antragsgegners mit rumänischer Staatsbürgerschaft zum Dolmetschen anwesend war, erklärte der Antragsgegner zu 1) nach einem Verbisvermerk des Antragsgegners vom gleichen Tage das Nachfolgende: Er nutze zum Abtransport des Altme-talls zwei auf seinen Namen zugelassene Transporter, mangels eigenen Führerscheins fahre der Schwiegersohn das entsprechende Fahrzeug. Über etwaige Außenauftritte (Flyer, Visitenkarten etc.) verfüge er nicht, auch sei es ihm nicht möglich, über Dritte Kontakt zu potentiellen Lieferanten aufzunehmen. Er fahre initiativ los und befrage angetroffene Passanten bezüglich einer kostenfreien Abgabe von Altmetall. Er sammele ca. 2-3 Stunden pro Tag an 5 Tagen die Woche mit dem Transporter. Er verfüge über keinerlei Kenntnisse der deutschen Sprache. Die anteili-gen Kraftstoffkosten beliefen sich auf ca. 300,00 EUR pro Monat. Daneben entstünden für beide Fahrzeuge monatliche Fixkosten in Höhe von etwa 250,00 EUR. Herkunftsnachweise für das ge-sammelte Altmetall existierten nicht.

Im Ergebnis dieser vom Antragsgegner zu 1) getätigten Angaben erließ der Antragsgegner unter dem 9.11.2018 den streitgegenständlichen Aufhebungsbescheid, mit welchem – unter Betreffbezeichnung "Aufhebung des Bescheides vom 4.7.2018 ( )" - "die Entscheidung über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ( ) ab dem 1.12.2018 ganz zurückgenommen" wurde. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei der Tä-tigkeit des Antragstellers zu 1) nicht um die tatsächliche und echte Ausübung einer auf Nachhal-tigkeit ausgerichteten selbständigen Erwerbstätigkeit handele. Er verfüge nicht über die finanziellen, sachlichen und organisatorischen Mittel, um ein Unternehmen i.e.S. aufzubauen und zu führen. Es sei fraglich, wie er dem angemeldeten Gewerbe nachkäme, da er kein Kapital für die Ankäufe einsetze und Herkunftsnachweise für das gesammelte Altmetall nicht existierten; die vorgelegten Wägescheine belegten die Herkunft nicht. Die sei jedoch einer Klärung zuzuführen, da das regelmäßige und kostenfreie Einsammeln mehrerer Hundert Kilogramm Schrott von Privatpersonen grundsätzlich eine Plausibilisierung bedürfe. Im Sinne einer ernsthaft geführten selbständigen Tätigkeit müssten hierfür Nachweise geführt werden. Eine selbständige Tätigkeit könne kein Freizügigkeitsrecht begründen, wenn sie von vornherein nicht geeignet sei, ein Einkommen zu erzielen, welches zumindest ansatzweise reiche, um die Bedarfe der Bedarfsgemeinschaft zu decken, sondern vielmehr der Lebensunterhalt in Deutschland nahezu ausschließlich durch Sozialtransferleistungen finanziert werden solle. Mit Festsetzungsbescheid vom 15.11.2018 stellte der Antragsgegner u.a. mit der vorgenannten Begründung sodann fest, dass für den Antragsgegner zu 1) und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen für die Zeit vom 1.8.2018 bis 30.11.2018 ein Leistungsanspruch nicht bestand. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide Bezug genommen. Gegen beide Bescheide - Aufhebungsbescheid vom 9.11.2018 und Festsetzungsbescheid vom 15.11.2018 - legten die Antragsteller jeweils mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2018 Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheiden vom 27.11.2018 in beiden Fällen als unbegründet zurückwies, wobei die Begründungen im Wesentlichen den Inhalt der angefochtenen Bescheide wie-derholen. Ergänzend ist u.a. unter Hinweis auf die in der "Anlage EKS" fehlenden Angaben zu den Betriebsausgaben ausgeführt, es offenbare sich ein signifikantes Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Die stringente Erzielung von Gewinnen im Rahmen der vom Antragsteller zu 1) verfolgten geschäftspolitischen Ausrichtung sei nach betriebswirtschaftlichen Gesichts-punkten nicht zu plausibilisieren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Widerspruchsbescheide vom 27.11.2018 verwiesen.

Mit beim Antragsgegner am 27.11.2018 eingegangenem Weiterbewilligungsantrag begehrten die Antragsteller sodann Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab 1.12.2018.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.12.2018 haben die Antragsteller Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Halle gestellt. In der Antragsbegründung tragen sie vor, der Antragsteller zu 1) sei als Altmetallhändler selbständig tätig, hieraus leite sich sein Freizügigkeitsrecht und das der übrigen Antragsteller ab. Mit monatlichen Durchschnittseinkünften von ca. 270,00 EUR sei das Einkommen des Antragstellers zu 1) auch nicht lediglich marginal. Neben diesen Einkünften verfügten sie lediglich über Kindergeld in Höhe von monatlich 388,00 EUR. Die Antragsteller legen eine Gewerbeanmeldung des Antragstellers zu 1) bei der Stadt ... vom 20.5.2014 vor, das angemeldete Gewerbe lautet "Sammeln von Altmetallen". Au-ßerdem werden auf den Antragsteller zu 1) ausgestellte Wägescheine der Fa ... Receycling vorgelegt, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird.

Die Antragsteller beantragen,

den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu zahlen,

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Mit Bescheid vom 23.1.2019 hat der Antragsgegner den Antrag der Antragsteller auf Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ab dem 1.12.2018 u.a. mit der bereits in den vorgenannten Bescheiden genannten Begründung abgelehnt. Ergänzend führt der Antragsgegner unter Zugrundelegung der eigenen Angaben des Antragstellers zu 1) aus, dass die benannten Ausgaben für Benzin- und Fixkosten der genutzten Transporter die Umsätze überstiegen und ein defizitäres Betriebsergebnis ergäben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Ablehnungsbescheid vom 23.1.2019 Bezug genommen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird hierauf ergänzend verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnungen ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine dahingehende Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren nicht die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen. Ein An-ordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 86b Rn. 16b). Wie bei anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu erfüllen.

Hinsichtlich der Erfolgsaussichten ist ein umso strengerer Maßstab anzulegen, wenn der An-tragsteller mit der einstweiligen Anordnung bereits das im Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel erreichen würde (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. August 1979 - 1 WB 112/78 - juris). Bei offenem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache, etwa weil eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, bei der insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einzubeziehen sind.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe haben die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch der Antragsteller folgt nicht etwa schon daraus, dass der Antragsgegner den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 9.10.2018 nicht wirksam aufgehoben hat. Zwar ist fraglich, ob der streitgegenständliche Aufhebungsbescheid vom 9.11.2018 die mit Änderungsbescheid vom 9.10.2018 erfolgte Leistungsbewilligung überhaupt erfasst. Denn der Aufhebungsbescheid erging unter der Betreffbezeichnung "Aufhebung des Bescheides vom 4.7.2018" und benennt den vorläufigen Änderungsbescheid vom 9.10.2018 nicht. Diese Frage kann jedoch jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dahinstehen. Denn der Antragsgegner hat ab 12/2018 jegliche Leistungen eingestellt und zwischenzeitlich auch über den Leis-tungszeitraum ab 1.12.2018 mit Bescheid vom 23.1.2019 ablehnend und endgültig entschieden, so dass sich der vorläufige (noch bewilligende) Änderungsbescheid vom 9.10.2018 damit je-denfalls anderweitig i.S. von § 39 SGB X erledigt hat.

Es fehlt im Weiteren an der Glaubhaftmachung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs.

Ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach den Vorschriften des SGB II ist nicht glaub-haft gemacht. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen der Grundsicherung für Ar-beitsuchende Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 7 Abs. 1. Satz 1 Nr. 2b SGB II (i.d.F. des Ge-setzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016, BGBl. I S. 3155, gültig seit 29.12.2016) sind jedoch Ausländerinnen und Ausländer, die zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen, deren Aufenthaltsrecht sich aber allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Der Antragsteller zu 1) gehört zu dem Personenkreis, der von diesem Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1. Satz 1 Nr. 2b SGB II erfasst ist. Ob die Antragsteller überhaupt die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II erfüllen, kann daher offenbleiben.

Jedenfalls verfügte der Antragsteller zu 1) im streitigen Zeitraum allein über ein Freizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche, weshalb er vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist und auch die anderen Antragsteller kein Freizügigkeitsrecht als Familienangehörige nach § 3 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) mit Erfolg geltend machen können.

Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (gegen den Sozialhilfeträger) und einen Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 23 Abs. 3 SGB XII (ebenfalls gegen den Sozialhilfeträger) haben sie nicht geltend gemacht.

Dem Antragsteller zu 1) steht entgegen der Auffassung der Antragsteller kein Recht auf Freizügigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU zu. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige). Dabei macht die Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/ EU deutlich, dass es nicht allein auf die Berechtigung zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ankommt; vielmehr muss – abgesehen von den Fällen des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU – die selbständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werden (vgl. Beschl. des LSG Sachsen-Anhalt vom 21.9.2017, L 2 AS 575/17 B ER, dok. in juris, Rdn. 50 unter Hinweis auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, Amtsblatt der Europäischen Union L 158, 77). Selbständig ist eine Tätigkeit, wenn sie nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Wahl dieser Tätigkeit, die Arbeitsbedingungen und das Entgelt, in eigener Verantwortung und gegen ein Entgelt, das dem Tätigen vollständig und unmittelbar gezahlt wird, ausgeübt wird (vgl. LSG, Beschl. vom 21.9.2017,a.a.O. Rdn. 50 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 20. November 2001 in der Rechtssache Jany ua - C-268/99 – dok. in juris, Rdn. 71). Ebenso wie bei Arbeitnehmern müssen aber auch bei Selbständigen Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Sie müssen also ein gewisses Ausmaß an wirtschaftlicher Bedeutung erreichen (LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O. Rdn. 51 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris, Rn. 28: "erwerbsorientiert). In diesem Sinne kann zum Beispiel die nur gelegentliche Erbringung handwerklicher Leistungen Anhaltspunkt für eine fehlende wirtschaftliche Relevanz der Tätigkeit sein (vgl. Hailbronner, AuslR, Kommentar, Stand Einzellieferung April 2013, § 2 FreizügG/EU, Rdn. 52). Anhaltspunkte für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit sind die Beteiligung an Gewinn und Verlust, die freie Bestimmung der Arbeitszeit, die Weisungsfreiheit, die Auswahl der Mitarbeiter, die entsprechende Qualifikation und Erfahrung für die ausgeübte Tätigkeit, das Vorhandensein der erforderlichen Ausrüstung und das Auftreten am Markt (insbesondere Auftragsak-quise).

Das Erfüllen der Anforderungen an die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im vor-genannten Sinne hat der Antragsteller zu 1) nicht glaubhaft gemacht.

Es bestehen schon erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller zu 1) die von ihm behaupteten Mengen an Altmetall überhaupt legal erlangen konnte. Er setzt nach eigenen Angaben kein Kapital für die Ankäufe des Altmetalls ein. Herkunftsnachweise für das gesammelte Altmetall existieren nicht. Die vorgelegten Wägescheine dienen zwar ggf. der Glaubhaftmachung der Abgabe des näher bezeichneten Altmetalls, nicht aber belegen sie dessen Herkunft. Das von den Antragstellern behauptete regelmäßige und kostenfreie Einsammeln mehrerer hundert Kilogramm Schrott von Privatpersonen bedarf einer grundsätzlichen Plausibilisierung. Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, dass das Ausgangsmaterial in dem ausgewiesenen Umfang bei Privatleuten eingesammelt wurde, hierfür i.S. einer ernsthaft ausgeübten selbständigen Tätigkeit Nachweise geführt werden müssten. Darüber hinaus ist ein selbstbestimmtes Arbeiten als grundlegendes Wesensmerkmal der selbständigen Tätigkeit und insbesondere die eigenverantwortliche Gestaltung und Vertei-lung der Arbeitszeit nach den eigenen Angaben des Antragstellers zu 1) nicht gegeben. Danach ist er allein – trotz vorhandener Transportmittel – überhaupt nicht in der Lage, sein angemelde-tes Gewerbe tatsächlich auszuüben. Da er selbst über keinen Führerschein verfügt, ist er für die Ausübung seiner Tätigkeit davon abhängig, inwieweit ihm ein "Fahrer" – dies soll der Schwie-gersohn sein – hierfür überhaupt zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist nicht glaubhaft ge-macht, wie der Antragsteller zu 1) seine Kundenakquise betreibt. Eine Verständigung mit poten-tiellen Privatpersonen dürfte mangels jeglicher Deutschkenntnisse des Antragstellers zu 1) ausscheiden. Auch über Werbeflyer, Visitenkarten oder sonstige Kommunikationsmittel verfügt er nicht. Hinzu kommt schließlich, dass er nach eigenen Angaben auch nicht über wie auch immer geartete Kontaktmöglichkeiten durch Dritte verfügt. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffas-sung des Antragsgegners ist daher von einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Ver-kehr nicht auszugehen. Weiterhin stehen den monatlich zuletzt mit 270,00 EUR angegebenen Betriebseinnahmen nach den eigenen Angaben des Antragstellers zu 1) im Gespräch mit dem Integrationshelfer deutlich höhere Ausgaben für Fahrtkosten (ca. 300,00 EUR pro Monat) und Fixkosten der Fahrzeuge (ca. 250,00 EUR pro Monat) gegenüber, so dass ein negatives Betriebsergebnis verbleibt. Anhaltspunkte dafür, dass sich an den Einnahmen wesentliche Änderungen ergeben würden, sind – unter Berücksichtigung der vorgelegten Wägescheine für 2018 und der Angaben in der vorläufigen EKS zum Weiterbewilligungsantrag vom 3.12.2018 – nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund der vorgenannten Angaben zu den Fahrt- und Fixkosten der Fahrzeuge ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller zu 1) in seiner jüngsten EKS als Betriebsausgaben lediglich 10,00 EUR beziffert und Kraftfahrzeugkosten völlig unerwähnt lässt. Dem Antrags-gegner ist darin zuzustimmen, dass insgesamt eine Betriebsführung des Antragstellers zu 1), bei der der Betrieb seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung dazu geeignet und bestimmt ist, auf Dauer Gewinn zu erzielen, nicht ableitbar ist. Vielmehr handelt es sich um eine Form des Wirtschaftens, die sich als Quelle eines den Lebensunterhalt sichernden Einkommens – wenn überhaupt - nur völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt.

Im Ergebnis hat der Antragsteller zu 1) weder ein Freizügigkeitsrecht als selbständiger Erwerbstätiger noch ein anderes Freizügigkeitsrecht außer dem zur Arbeitsuche glaubhaft gemacht.

Mangels eines Freizügigkeitsrechts des Antragstellers zu 1) können auch die anderen Antragsteller kein Freizügigkeitsrecht als Familienangehörige nach § 3 FreizügG/EU mit Erfolg geltend machen.

Die Antragsteller können auch keinen Anspruch aus der zu § 23 Abs. 1

Satz 3 SGB XII in der bis 28.12.2016 geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung des Bun-dessozialgerichts (u.a. Urt. v. 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R; B 4 AS 44/15 R , jeweils dok. in juris) gegenüber dem Sozialhilfeträger herleiten. Denn durch die neue Formulierung in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII wurde klargestellt, dass den ausgeschlossenen Personen weder ein Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 zusteht, noch dass ihnen Leistungen im Ermessenswege gewährt werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/10211, S. 16).

Leistungen zur Unterstützung bei der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Sozialhilfeträger nach § 23 Abs. 3 Satz 3 bis 6 SGB XII haben die Antragsteller nicht geltend gemacht.

Wegen des Fehlens der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht mehr zu prüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf die beantragte Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Abs.1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. §§114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Nach diesen Vorschriften erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfol-gung weist hier aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Erfolgsaussicht auf.
Rechtskraft
Aus
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