S 18 SB 620/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 18 SB 620/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "außergewöhnliche Gehbehinderung" (Merkzeichen aG).

Bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger ist seit dem 24.03.2009 ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 festgestellt Dem lagen im Wesentlichen eine Funktionsstörung der Ohren (Einzel-GdB 50), eine Hirnleistungsbeeinträchtigung, Folgen nach Schlaganfällen, zuletzt Oktober 2008, Hemisymptomatik links, Dysarthrie, Gangunsicherheit - nach Behandlungsabschluss ohne Einschränkung der Gehstrecke, sicherer und regelrechter Gang (Einzel – GdB 40) und eine Sehminderung (Einzel – GdB 30) zu Grunde (versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.03.2009).

Seit 1998 verfolgt der Kläger das Ziel der Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG in wiederholten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren (zuletzt SG Aachen S 18 SB 459/17 – Klagerücknahme; S 18 SB 829/17 - die Erledigung nach Klagerücknahme feststellend aufgrund eines erklärten "Rücktritts" von der Klagerücknahme; S 12 (22) SB 863/17 – als unzulässig abweisend wegen fehlenden vorangegangenen Verwaltungsverfahrens).

Im Dezember beantragte der Kläger erneut die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG. Zur Begründung führte er an, außer den bereits bekannten Behinderungen kämen noch weitere, noch nicht berücksichtigte orthopädische Behinderungen hinzu. Besonders zu berüchtigten seien seine bereits seit 1998 bekannten Probleme mit dem Verdauungstrakt. Erst kürzlich sei es dazu gekommen, dass er mitten auf dem Parkplatz seine Notdurft habe verrichten müssen.

Die Beklagte erhielt eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. I mit Arztbriefen der chirurgischen Klinik des T2 Krankenhauses (9/2016,12/2016,1/2017), der Radiologen Dr. I1 (6/2009) und Dr. H (7/2010), des Neurologen und Psychiaters Dr. I2 (10/2009, 10/2010) und einem augenfachärztlichen Untersuchungsbogen (8/2016). Die Beklagte holte einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. C mit einem radiologischen Arztbrief des Dr. F (8/2017) ein.

Versorgungsärztlich wurde vermerkt, es seien keine aktuellen klinisch – körperlichen Untersuchungsbefunde vorgelegt worden, die das Merkzeichen aG begründen könnten.

Mit Bescheid vom 07.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

Am 30.04.2018 meldete der Kläger sich bei der Beklagten nach einem Krankenhausaufenthalt und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Beklagte habe sich nicht ausreichend mit dem Gesundheitszustand auseinandergesetzt. Bereits in frühen Jahren sei eine Lungenerkrankung festgestellt worden, er leide bereits nach 10 m Fußweg zum Auto an Luftnot. Zudem sei eine Verschlechterung seiner neurologischen Situation festgestellt worden. Er fügte einen Arztbrief des Pulmologen Dr. W (4/2018) und einen Bericht des S Klinikums (3/2018) bei.

Nach der Mitteilung der Beklagten, dass die Angelegenheit mit dem letzten Widerspruch abschließend bearbeitet worden sei und dem Verweis auf einen Änderungsantrag, stellte der Kläger am 09.05.2018 erneut einen entsprechenden Antrag

In einer versorgungsärztlichen gutachterlichen Stellungnahme wurden die bereits zuvor erkannten Gesundheitsstörungen einer Hörminderung, Mittelohrentzündungen (Einzel – GdB 50) einer Hirnleistungsbeeinträchtigung, Bluthochdruck (Einzel – GdB 40), einer Sehminderung beidseits (Einzel – GdB 30), einer Zuckerkrankheit, einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, einer Funktionsbeeinträchtigung der Verdauungsorgane (jeweils Einzel – GdB 20) und einer chronischen Bronchitis (Einzel – GdB 10) zusammengefasst. Ein bakterieller Infekt der Atemwege habe sich im stationären Aufenthalt nach Antibiose gebessert. Die nachfolgend durchgeführte Lungenuntersuchung habe eine normale Sauerstoffsättigung und einen gut normalen Co2 – Wert ergeben, so dass, wie auch vom Facharzt dokumentiert, die mitarbeitsabhängigen Werte nicht berücksichtigt werden könnten. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung sei weiterhin nicht zu erkennen.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29.05.2018 ab. Hiergegen legte der Kläger am 08.06.2018 Widerspruch ein. Die Beklagte ignoriere die neuen ärztlichen Unterlagen. Ihm sei zu Ohren gekommen, dass Flüchtlinge mit merkwürdigen Papieren einen Ausweis mit "aG" erhielten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2018 wies die Bezirksregierung N den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25.07.2018 Klage erhoben.

Das Gericht hat Befundberichte des Facharztes für Orthopädie Dr. C, des Allgemeinmediziners und Diabetologen Dr. O, des Facharztes für Nervenheilkunde, Psychiatrie, Psychotherapie Dr. U, des Pulmologen Dr. W und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. C1 mit Arztbriefen des Allgemeinmediziners und Diabetologen Dr. I (5/2018) eingeholt.

Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T vom 18.06.2019. Die Sachverständige hat die versorgungsärztlichen Bewertungen bestätigt. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG seiner sozialmedizinischer Sicht nicht erfüllt.

Der Kläger verweist auf eine im Herbst 2016 erlittene schwere Fraktur des rechten Fußknöchels mit Aufenthalt im Krankenhaus M, der zwar ab – aber nicht ausgeheilt sei und die Beeinträchtigung seiner Lungenfunktion. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wendet er sich mit Einwänden gegen in älteren Verfahren eingeholte Gutachten. Seinerzeit sei nicht berücksichtigt worden, dass er bei dem Gutachten schon einmal in Behandlung gewesen sei. Es könne nicht sein, dass er sich aus finanziellen Gründen keinen Gutachter aussuchen könne. Millionen von Menschen in der T1, denen es besser gehe als ihm, hätten das Merkzeichen aG.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2018 zu verpflichten, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ab Antragstellung, dem 09.05.2018, festzustellen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG weiterhin nicht für erfüllt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren S 22 529/13, S 3 SB77/11, S 18 SB 662/12 (L 13 SB 323/12), S 12 SB 863/17 (L13 SB 371/17 PKH) sowie die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist unbegründet. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 29.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2018 nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 SGG). Der Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "außergewöhnliche Gehbehinderung".

B. Nicht erforderlich ist zwar der Nachweis einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) seit letzter bestandskräftiger Ablehnung der Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG durch den Bescheid vom 07.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2018. Bei einer Ablehnungsentscheidung handelt es sich im Unterschied zu einer positiv feststellenden Entscheidung den GdB bzw. die Voraussetzung von Merkzeichen betreffend nicht um einen Dauerverwaltungsakten im Sinne des § 48 SGB X (BSG, Urteil vom 16. März 2016 – B 9 SB 1/15 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr 22, Rn. 10 m.w.N.).

C. Jedoch erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für den begehrten Nachteilsausgleich im hier zu beurteilenden Zeitraum von der Antragstellung am 09.05.2018 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung (vgl. Urteil der Kammer vom 24. Oktober 2017 – S 18 SB 460/16 –, Rn. 22, juris m.w.N.) nicht.

I. 1. Bis zur Einführung des § 146 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) zum 30.12.2016 durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) (Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 66, S. 3234-3340) richtete sich die Eintragung des Merkzeichens aG in den Schwerbehindertenausweis inhaltlich nach den in Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO geregelten Anforderungen. Danach sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Dazu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.

2. Seit dem 01.01.2018 sind die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Gehbehinderung in § 229 Abs. 3 SGB IX geregelt, eine inhaltliche Veränderung gegenüber § 146 Abs. 3 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung ist nicht erfolgt.

Schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind danach Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht (§ 229 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Für die Zuerkennung des Merkzeichens aG normiert § 229 Abs. 3 SGB IX somit zwei Voraussetzungen, welche kumulativ vorliegen müssen: Bei dem Betroffenen muss (1.) eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung bestehen, die (2.) einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 80 entspricht (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02. Mai 2018 – L 17 SB 347/17 –, Rn. 4, juris).

Nach Satz 2 liegt eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen insbesondere schwerbehinderte Menschen, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung - dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen - aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind (Satz 3). Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen (Satz 4). Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleichkommt (Satz 5).

3. Die Rechtsprechung des BSG ist bereits vor Inkrafttreten des BTHG von einem auf die finalen Auswirkungen ausgerichteten biopsychosozialen Modell des Behinderungsbegriffes ausgegangen, wie er in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation niedergelegt ist und der Anlass auch für die Neuregelung der Voraussetzungen des Merkzeichens aG durch das BTHG war (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 317, 318; vgl. hinsichtlich der Neuformulierung des Begriffs der Behinderung in § 2 SGB IX: BT-Drs. 18/9522, S. 226: "Rechtsklarheit"; Urteil der Kammer vom 09. Oktober 2018 – S 18 SB 1183/16 –, Rn. 28, juris; Schaumberg/Seidel, SGb 2017, S. 572 ff. und 618 ff.; a. A. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 2 SGB IX, Rn. 60 1; zu § 2 Abs. 1 a. F.). Entsprechend hat das BSG auch auf Grundlage der bis zum 30.12.2016 gültigen Rechtslage in Bezug auf die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht an bestimmte (orthopädische) Diagnosen angeknüpft, sondern an das finale Ausmaß der Einschränkungen des Gehvermögens (BSG, Urteil vom 16. März 2016 – B 9 SB 1/15 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr. 22, Rn. 16 f. m.w.N.: Die aufgezeigte Reform bestätige insoweit die bisherige Rechtsprechung). Da auch der Vergleichsmaßstab hinsichtlich dessen erster Voraussetzung nach der Neufassung des § 146 Abs. 3 SGB IX a. F. bzw. § 229 Abs. 3 SGB XI unverändert geblieben ist (zur entspr. Absicht vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 317, 318) - weiterhin wird zentral auf die Schwere der Beeinträchtigung abgestellt wird, wegen derer sich der Schwerbehinderte dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeuges bewegen kann (siehe Abschnitt II Nr. 1 S. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO einerseits und § 229 Abs. 3 S. 2 SGB IX andererseits) – ist auf die in der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze zur Gesetzeslage bis zum 29.12.2016 zurückzugreifen. Das BSG hat die Regelung über die Anerkennung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ihrem Zweck entsprechend - die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen ausgleichen – dabei stets eng ausgelegt (BSG, Urteil vom 16. März 2016 – B 9 SB 1/15 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr 22, Rn. 15; BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/14 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr 19, Rn. 13) Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, seien hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG Urteil vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R -, Rn. 19, juris; BSGE 82, 37, 39 = SozR 3-3870 § 4 Nr 23 S 91). Auch dies hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung durch das BTHG ausdrücklich bestätigt (BT-Drs. 18/9522, S. 318).

Zur Rechtslage vor Einführung des § 145 Abs. 3 SGB IX a. F. hat das BSG konkretisiert, dass für die Beurteilung einer Gleichstellung mit den im Abschnitt II Nr. 1 S. 2 1. Halbs. VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen sei. Ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen lasse sich griffig jedoch weder quantifizieren noch qualifizieren. Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugten grundsätzlich dazu. Die gesetzliche Regelung stelle nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen könne, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich sei, nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2016 – B 9 SB 1/15 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr. 22, Rn. 19; BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R, – juris; BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/14 R –, SozR 4, Rn. 21). Wer diese Voraussetzungen praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges erfülle, qualifiziere sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklege. Die für den Nachteilsausgleich "aG" geforderte große körperliche Anstrengung sei gegeben, wenn die Wegstreckenlimitierung darauf beruhe, dass der Betroffene bereits nach kurzer Wegstrecke erschöpft sei und Kräfte sammeln müsse, bevor er weitergehen könne. Dass der betroffene Gehbehinderte nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen müsse, sei allerdings lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" reichten irgendwelche Erschöpfungszustände zudem nicht aus. Vielmehr müssten sie in ihrer Intensität mit den Erschöpfungszuständen gleichwertig sein, die bei den ausdrücklich genannten außergewöhnlich Gehbehinderten aufträten. Gradmesser hierfür könne die Intensität des Schmerzes oder die Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lasse sich u. a. aus der Dauer der erforderlichen Pausen sowie den Umständen herleiten, unter denen der Betroffene nach der Pause seinen Weg fortsetze. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Pausen sei im Hinblick auf die von den Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (vgl. zu Vorstehendem BSG, Urteile vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R und 5/05 R - BSG, Urteil vom 29.03.2007 – B 9a SB 1/06 ,- jeweils juris). Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass die für das Merkzeichen aG geforderte große körperliche Anstrengung gegeben sein dürfte, wenn der Betroffene bereits nach einer Wegstrecke von 30 Metern wegen Erschöpfung eine Pause einlegen müsse. Darüber hinausgehend bleibe allerdings im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung positiv festzustellen, ob die Fortbewegung nur unter ebenso großer körperlicher Anstrengung möglich sei, wie der Vergleichsgruppe aus dem Kreis der Schwerbehinderten. (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2016 – B 9 SB 1/15 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr. 22, Rn. 19; 22; BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 – B 9 SB 7/01 R; BSG, Urteil vom 29. März 2007 – B 9a SB 1/06 -, juris).

4. In der Gesetzesbegründung zum BTHG (BT-Drucks. 18/9522, S. 317 f.) werden folgende Beispiele genannt, bei denen die Voraussetzungen erfüllt sein können:- zentralnervöse, peripher-neurologische oder neuromuskulär bedingte Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen, oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist (insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung)- Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkelhöhe ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung (insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten)- schwerste Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit (insbesondere bei Linksherzschwäche Stadium NYHA IV) - schwerste Gefäßerkrankungen (insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV)- Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades- schwerste Beeinträchtigung bei metastasierendem Tumorleiden (mit starker Auszehrung und fortschreitendem Kräfteverfall).

5. Untergesetzlich (Urteil der Kammer vom 24. Oktober 2017 – S 18 SB 460/16 –, Rn. 26, juris; a. A.: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 – L 6 SB 1430/15 –, Rn. 24, juris) sind den in der Gesetzesbegründung dargestellten korrespondierende Fallgruppen in Teil D Ziffer 3 lit. c) S. 5 der mit Wirkung zum 01.09.2009 erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und des § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 08.12.2008, in Teil D Ziffer 2 deren Anlage zu § 2 VersMedV, den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG) enthalten, die auf Grundlage der Vorgängervorschrift des § 30 Abs. 16, dem Abs. 17 des § 30 BVG in der bis zum 30.06.2011 gültigen Fassung geschaffen wurden. Zum 15.01.2015 hat der Gesetzgeber in § 70 Abs. 2 SGB IX a. F. bzw. § 153 Abs. 2 SGB IX in der seit dem 01.01.2018 gültigen Fassung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (näher: Goebel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 153 SGB IX, Rn. 4, 5), und angeordnet, dass, solange noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gemäß 159 Abs. 7 SGB IX a.F. (§ 241 Abs. 5 SGB IX n. F.) weiterhin die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend gelten (vgl. hierzu BT-Drucksache 18/3190, S. 5; vgl. hierzu weiter, Urteil der Kammer vom 24. Oktober 2017 – S 18 SB 460/16 -, Rn. 26, juris).

Als Erkrankungen der inneren Organe, die den Nachteilsausgleich "aG" rechtfertigen, sind danach beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen.

II. Der Kläger erfüllt keine der in der Gesetzesbegründung zum BTHG bzw. in Teil D Ziffer 3 lit. c) S. 5 VMG aufgeführten Beispiele.

Bei ihm liegt ferner keine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vor, wegen derer er sich unter Heranziehung des dargelegten Maßstabes dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann.

1. Schon die von der Sachverständigen Dr. T erhobene Anamnese spricht gegen das Vorliegen der dargelegten sehr engen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG. Der Kläger hat der Sachverständigen zwar berichtet, das Gehen sei sein größtes Problem. Seine Schilderungen entsprechen aber nicht dem erläuterten (vgl. I.) Maßstab der nötigen Anstrengung für die Fortbewegung außerhalb eines Kraftfahrzeuges infolge einer mobilitätsbezogenen Beeinträchtigung. Angefangen hätten die Schwierigkeiten das Gehen betreffend 1997 nach dem ersten Schlaganfall. Der zweite und dritte Schlaganfall seien dann 2006 an einem Tag gleichzeitig passiert. Davon habe er einige Restbeschwerden zurückbehalten. Das Gehen sei seitdem sehr verändert. Er gehe sehr unsicher. Seit den letzten Schlaganfällen benutze er eigentlich immer eine Gehhilfe. Im Alltagsleben sei es so, dass er in dem Haus (s)einer Freundin und Vermieterin im Erdgeschoss und im ersten Stock seine Räume habe. Zum Betreten des Hauses müsse er zwei Stufen zurücklegen. Es gebe dort kein Geländer, so dass er sich mit der Hand an einem daneben stehenden Baum festhalte und dann versuche diese Stufen zurückzulegen. Im Haus, im Erdgeschoss benutze er seinen Rollator. Um sein Schlafzimmer, das große Badezimmer oder auch sein Arbeitszimmer zu erreichen, müsse er eine Treppe in den ersten Stock hochgehen. Hierbei halte er sich mit einer Hand an einem Geländer fest, mit der anderen Hand benutze er dann seine Unterarmgehstütze und könne so Schritt für Schritt, nicht alternierend, die Treppe hochgehen. Bei weiteren Wegstrecken im Alltag nutze er immer den Rollstuhl. Eine ähnliche Schilderung des Klägers findet sich bereits in Anamnese des Gutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C2 vom 01.07.2014, dass im Verfahren S 22 SB 528/13 eingeholt wurde. Der Sachverständigen Dr. T gegenüber hat der Kläger zudem weiter geschildert, zu seinem Hausarzt, der zwei Straßen weiter seine Praxis habe, schaffe er es meistens noch mit dem Rollator. Er gehe dort in etwa 10 Minuten mit dem Rollator hin. Auf dieser Strecke müsse er sich dann drei bis viermal auf dem Rollator ausruhen und sich hinsetzen. Von Seiten einer bestehenden chronischen Bronchitis sei es so, dass er sich immer mal Räuspern müsse. Er benutze gelegentlich ein Spray. Die Luft sei eigentlich nur dann etwas knapp, wenn er z.B. die Treppe hochgegangen sei. Gerade die letzten Schilderungen entsprechen weder einem dem Merkzeichen aG entsprechenden Restgehvermögen, noch dem Maßstab der Anstrengung den die Vergleichsgruppen/Beispielsfälle – nochmals: etwa zentralnervös, peripher-neurologisch oder neuromuskulär bedingt Ganggestörte mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen, dauerhaft auf die Rollstuhlbenutzung Angewiesene (etwa Querschnittsgelähmte, von einer Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung Betroffene) oder von einem Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe Betroffene - ab dem ersten Schritt außerhalb eines Kfz aufwenden müssen.

2. Die neurologische Sachverständige hat ausgeführt, dass bei dem Kläger an gesundheitlichen Regelwidrigkeiten mit Auswirkungen auf die Gehfähigkeit ein Zustand nach drei mikrovaskulären Insulten bei mikrovaskulären Veränderungen des Gehirns (ICD 10 I67.88) vorliege sowie eine leichtgradige axonal betonte Polyneuropathie bei Diabetes mellitus Typ 2 (ICD-10 G63.2) (vergleiche Befundberichtes Diabetologen Dr. O vom 27.08.2018 bei letzter Befunderhebung im Januar 2014), die gemeinsam einen GdB von 40 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" (vergleiche Teil B Z. 3.1.2 und 3.11 VMG) bedingten. Dies entspricht der sozialmedizinischen Bewertung der Auswirkungen der entsprechend gestellten Diagnosen durch den im sozialgerichtlichen Verfahren S 22 SB 529 /13 beauftragten Sachverständigen, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C2 in dessen Gutachten vom 01.07.2014. Der darüber hinausgehend angenommenen Funktionsbeeinträchtigung des Rumpfes, der Wirbelsäule bei Schmerzausstrahlung in die Beine, die die Sachverständige mit einem Einzel – GdB von 20 (vergleiche Teil B Z. 18.9 VMG) einschätzt, misst sie – ebenfalls wie bereits Dr. C2 - keine darüber hinausgehende Beeinträchtigung der Mobilität bei. Entsprechendes gilt für eine Funktionsstörung der Atmung durch eine leichte COPD, die gutachterlich mit einem Einzel – GdB von 10 (vergleiche Teil B Z. 8.3 VMG) bewertet wird. Die COPD wird im Befundbericht des Pulmologen Dr. W vom 08.11.2018 als im Rahmen einer einmaligen Vorstellung gestellte Diagnose mitgeteilt. Zu dem Zeitpunkt, im April 2018, klagte der Kläger bei vorangegangenem grippalen Infekt der Atemwege (siehe Arztbrief des S Klinikums vom 12.03.2018) über eine belastungsabhängige Kurzatmigkeit bereits bei langsamem Tempo. Die mitarbeitsabhängige Einschränkung der statischen und dynamischen Lungenvolumina erlaubte den sicheren Nachweis einer restriktiven bzw. obstruktiven Ventilationsstörung bei normaler Sauerstoffsättigung und gut normalem CO2- Wert nicht (siehe Arztbrief des Pulmologen Dr. W vom 13.04.2018). Der Empfehlung einer Wiedervorstellung in drei Monaten folgte der Kläger nicht. Im Befundbericht des Hausarztes Dr. C1 wird zwar eine fehlende kardio – pulmonale Belastbarkeit bei schlechter Ausdauer wegen Immobilität angegeben, andererseits mitgeteilt, dass eine Herzinsuffizienz nicht bekannt sei und bezüglich des Lungenbefundes auf den Bericht (Arztbrief vom 13.04.2018) des Dr. W verwiesen. Auch die seitens des Klägers in Feld geführte Funktionsstörung der Verdauung (seit jeher bewertet mit einem Einzel-GdB von 20) steht in keinem Zusammenhang mit Auswirkungen auf das Gehvermögen. Unabhängig davon, dass eine entsprechende Störungen seit Jahren nicht mehr dokumentiert sind (vergleiche zuletzt einen Befundbericht der Ärztin für Innere Medizin Dr. P vom 18.04.2008 über eine mit Omep behandelte Refluxösophagitis im Stadium B mit Aufstoßen und Sodbrennen, ohne Magenbeschwerden bei histologisch unauffälligen Befund) und der Kläger eine entsprechende Behandlung auch im Fragebogen über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen nicht aufgeführt hat, sind selbst die anamnestischen Angaben des Klägers nicht geeignet, einen Zusammenhang zur Mobilitätsbeeinträchtigung herzustellen. Hinsichtlich seiner Verdauung hat der Kläger gegenüber der Sachverständigen eine gelegentliche Dranginkontinenz, ca. einmal im Monat angegeben. Er nehme jeden zweiten Tag 20 mg Pantoprazol. Ein reduzierter Ernährungs- oder Kräftezustand ist nicht festzustellen.

3. Die Sachverständige Dr. T legt in Bezug auf die sich auf die Gehfähigkeit auswirken Gesundheitsstörungen dar, dass die im Vergleich zu einem Vorgutachten des Sachverständigen Neurologen und Psychiaters Dr. C2 aus 2014 nach der Elektrophysiologie und dem klinischen Untersuchungsbefund unverändert bestehende leichtgradige Polyneuropathie insoweit Auswirkungen auf die Gehfähigkeit habe, als sie zu einer leichten Unsicherheit mit ungerichtetem Schwanken führe (vgl. insoweit auch die Koordinationsprüfung im Gutachten aus dem Juli 2014 mit leichter Unsicherheit im Romberg- und Unterberger-Test, wobei Dr. C2 die bestehende Sturzgefahr insbesondere ohne Nutzung von Hilfsmitteln wie Gehstöcken oder Rollator nicht durch die Polyneuropathie mitbedingt sah). Mit der in der Bildgebung nachgewiesenen Mikroangiographie des Gehirns gehen nach der der Einschätzung des Sachverständigen Dr. C2 (im Verfahren S 22 SB 529/13) entsprechenden Darlegung der Sachverständigen Dr. T u. a. eine Gangstörung mit einer leichten Ataxie und Einschränkungen der Feinmotorik einher. Wenngleich sich im Vergleich zum Gutachten aus dem Juli 2014 eine leichte Verschlechterung der Gehfähigkeit erkennen lässt, legt die Sachverständige insoweit nachvollziehbar dar, die Folgen seien nicht so weitreichend, dass sich der Kläger nur mit Unterstützung oder dauerhafter Rollstuhlbenutzung (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/14 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr 19, Rn. 21) fortbewegen könne.

4. Im körperlichen Untersuchungsbefund hat die Sachverständige einen lediglich leicht reduzierten Allgemeinzustand des Klägers festgestellt. Die Muskeleigenreflexe der Extremitäten wiesen keinen pathologischen Befund auf. Der Muskeltonus sei insgesamt unauffällig. Es fänden sich keine spastischen Zeichen, kein Faszikulieren und keine muskulären Atrophien. Im Bereich der Sensibilität sei allein das Vibrationsempfinden an beiden Sprunggelenken auf 2-3/8 herabgesetzt (vergleiche auch insoweit bereits den Befund im Gutachten des Dr. C2 aus Juli 2014). Im Arm-Vorhalteversuch bestand keine Absinktendenz. Soweit der Bein – Halte – Versuch und das Nachvorneneigen aufgrund einer Sturzgefahr nicht geprüft worden ist, erscheint dieser Gefahr durch einen Rollator zu begegnen zu sein.

5. Da der Kläger seinen Rollator zur gutachterlichen Untersuchung indes nicht mitgebracht hatte, sondern – wie auch zur mündlichen Verhandlung - im Rollstuhl erschienen ist, konnte das Gangbild nur an Unterarmgehstützen demonstriert werden.

Im Januar 2017 wurde in einem Arztbrief des T2- Krankenhauses (vom 19.01.2017) nach einer Fraktur des rechten Außenknöchels im September 2016 von einer weiterhin bestehenden Mobilität an einer Unterarmgehstütze berichtet, wobei sich das Gangbild deutlich verbessert habe, allerdings bei Zustand nach mehrfachem Apoplex weiterhin deutlich gestört sei. In der gutachterlichen Untersuchung ist es nach den Ausführungen der Sachverständigen breitbasig, kleinschrittig-ermüdend, insgesamt ungerichtet schwankend gezeigt worden (unwesentlich besser noch im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. C2 kleinschrittiges, dort allerdings staksend-ermüdendes, eher breitbeiniges Gangbild). Die erschwerten Koordinationsprüfungen wie Blindstand oder Blindgang hätten nicht durchgeführt werden können. Auch der Bein-Halte-Versuch und der Finger-Boden-Abstand konnten aufgrund einer Sturzgefahr nicht demonstriert werden. Das freie Stehen ohne Unterarmgehstützen und ohne Festhalten sei sehr unsicher gewesen. Aus der Kombination der Polyneuropathie und der auf die Schlaganfälle zurückzuführenden Ataxie sei der Kläger dauernd auf Gehhilfen angewiesen. Die dargestellte Unsicherheit im Gangbild an zwei Unterarmgehstützen sei durch die beschriebene Gefäßerkrankung in Kombination mit der Polyneuropathie in großen Teilen zu erklären. Soweit im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung indes die Füße nur wenig angehoben worden seien, sei dies in der demonstrierten Ausprägung sowohl für die mikrovaskulären Gefäßveränderungen des Gehirns als auch für eine Polyneuropathie untypisch. Gleichwohl geht die Kammer nicht von einer diesbezüglichen Simulation oder Aggravation aus. So hat Sachverständige im Rahmen des psychopathologischen Befundes ausgeführt, in der Exploration hätten sich keine Hinweise auf eine Beschwerdeaggaravation oder Beschwerdebetonung ergeben. Ferner hat der Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie, Psychotherapie Dr. U im Mai 2018 (siehe Befundbericht vom 27.08.2018) – wenngleich bei zu dieser Zeit parallel rechtshängigem Klageverfahren, gerichtet auf das Merkzeichen aG - ebenfalls beschrieben, der Kläger hebe die Füße nicht an und schiebe beide Füße rechtsbetont auf dem Boden haftend vor. Er könne sich nur langsam und unsicher fortbewegen. Dies entspreche dem Typ einer frontalen Gangstörung. Der Pulmologe Dr. W beschreibt bei einmaliger Vorstellung des Klägers einen Monat zuvor ein nach mehreren Schlaganfällen nur schrittchenweises Gehen mit zwei Gehstöcken. Allerdings ist der Kläger etwa noch ausreichend in der Lage, die Füße zum Treppensteigen anzuheben und zu berücksichtigen, dass das Gangbild beim behandelnden Neurologen bei Nutzung eines Handstockes, von der Sachverständigen unter Nutzung von Unterarmgehstützen, also ohne Verwendung des zur Verfügung stehenden Rollators beschrieben worden ist. Weiter hat die Sachverständige dargestellt, besondere Schmerz – oder Erschöpfungszustände seien bei der Prüfung der - wenngleich nur wenige Meter betreffenden Gangstrecke innerhalb der Begutachtung – nicht aufgetreten.

6. Die Sachverständige kommt vor dem Hintergrund der beschriebenen klinische-körperlichen Befunde und in Übereinstimmung mit der Anamnese zu der sozialmedizinischen Einschätzung, der Kläger sei durchaus fähig, 10-15 Minuten unter Zuhilfenahme seines Rollators eine Gehstrecke von einigen 100 Metern - mit zwischenzeitlichen kurzen Pausen – zurückzulegen. Auch insoweit hat sich in der medizinischen Einschätzung seit Juli 2014 keine maßgebliche Änderung ergeben. Der Sachverständige im Verfahren S 22 SB 529/13, Dr. C2 führte insoweit aus, der Kläger werde für fähig erachtet, 10-15 Minuten, unter Zuhilfenahme von Gehstöcken oder einem Rollator, Gehstrecken von einigen 100 Metern zurückzulegen, gegebenenfalls mit zwischenzeitlichen kurzen Pausen.

Angesichts dessen kommt die Sachverständige Dr. T - nach eigehender Beschreibung des rechtlichen Maßstabes wie unter I. dargelegt in der Beweisanordnung vom 21.01.2019 - nachvollziehbar zu dem Schluss, dass der Kläger sich wegen der Schwere seiner Leiden nicht nur dauernd mit fremder Hilfe außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen könne. Eine Vergleichbarkeit mit dem in Teil D Ziffer 3 VMG aufgeführten Personenkreis sei nicht gegeben.

Den Ausführungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. C1 im Befundbericht vom 27.08.2018 widerspricht die Sachverständige konsequent ausdrücklich, soweit der Hausarzt im Rahmen der Abfrage für die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG insbesondere eine Hemiparese " mit üblicher" "Gangstörung" als Grund für eine außergewöhnliche Gehbehinderung anführt. Eine solche Habseitenlähmung besteht nach den Feststellungen der Sachverständigen nicht. Die seitens des Hausarztes für möglich gehaltene Gehstrecke von ca. 20-30 m mit einer Pause lässt nicht erkennen, unter welchen Bedingungen diese Annahme steht, ob sie etwa ohne Gehhilfe angenommen wird. Unter Verwendung eines Rollator widerspräche die Einschätzung bereits den Angaben des Klägers selbst. D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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