S 10 AL 20/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AL 20/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Meldung einer Zeit der Arbeitslosigkeit als Anrechnungszeit bei der Rentenversicherung. Der Rechtsstreit betrifft die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000.

Der im Jahre 0000 geborene Kläger bezog bis zur Erschöpfung seines Arbeitslo-sengeldanspruches am 00.00.0000 Arbeitslosengeld. In der Folgezeit wurde ihm ab dem 00.00.0000 eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit bis zum 00.00.0000 bewil-ligt. Vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe.

Mit Schreiben vom 00.00.0000 stellte die Beklagte dem Kläger eine Bescheinigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit aus. In dieser Bescheinigung führte die Beklagte aus, dass der Kläger für die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 und 00.00.0000 bis 00.00.0000 arbeitslos gemeldet gewesen sei und der Arbeitsvermittlung zur Verfü-gung gestanden habe.

Mit Schreiben vom 00.00.0000 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Beklagte und machte geltend, dass auch die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 als Anrechnungszeit anzuerkennen sei. Nach Erinnerung seines Man-danten sei ihm seinerzeit gesagt worden, er bräuchte sich nicht mehr regelmäßig beim Arbeitsamt zu melden. Man habe ihm gegenüber gesagt, dass, wenn das Ar-beitsamt etwas für ihn hätte, man sich bei ihm melden würde. Er sei nicht darüber belehrt worden, dass er sich auch weiterhin arbeitssuchend melden muss. Er sei daher davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei. Zumindest aus dem Ge-sichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sei die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 als Anrechnungszeit anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 00.00.0000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Meldung an den Rententräger für die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 nicht erfolgen kön-ne, da der Kläger in diesem Zeitraum weder Leistungen vom Arbeitsamt bezogen habe noch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Die hierfür erfor-derliche dreimonatige Erneuerung der Meldung beim Arbeitsamt habe der Kläger nicht vorgenommen. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 00.00.0000 machten die Prozess-bevollmächtigten geltend, dass der Kläger weder von seinem damaligen Arbeits-amtberater Herrn T noch in sonstiger Weise darüber belehrt worden sei, dass er sich nach dem Wegfall der Arbeitshilfe alle 3 Monate zu melden habe. Vielmehr sei dem Kläger, als er sich nach Auslaufen der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit beim Ar-beitsamt gemeldet habe, mitgeteilt worden, dass er sich in Zukunft nicht mehr zu melden brauche. Indem die Beklagte der ihr obliegenden Beratungspflicht nicht nachgekommen sei, bestünde ein Anspruch auf Meldung der Anrechnungszeiten an den zuständigen Rententräger unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch durch Widerspruchs-bescheid vom 00.00.0000 als unbegründet zurück. Sie führte darin unter anderem aus, dass der vom Kläger benannte Mitarbeiter des Arbeitsamtes Herr T nicht mehr befragt werden konnte, da er zwischenzeitlich verstorben sei. Allerdings enthielten die Merkblätter für Arbeitslose, dessen Erhalt bzw. Kenntnisnahme des Inhaltes der Kläger mit Unterschrift wiederholt bestätigt habe, entsprechende konkrete Hinweise über die Notwendigkeit der Meldung im Abstand von zumindest 3 Monaten.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage vom 00.00.0000. Der Kläger macht geltend, dass er während des hier streitigen Zeitraumes arbeitssuchend ge-wesen sei. Eine Meldung beim Arbeitsamt habe er jedoch unterlassen, da er keine Kenntnis davon gehabt habe. Die Beklagte habe unterlassen, ihn entsprechend zu beraten. Aufgrund dieser Sachlage bestünde zumindest aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ein entsprechender Anspruch auf Meldung der Anrechnungszeiten an den Rentenversicherungsträger.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 00.00.0000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 00.00.0000 zu verurteilen, die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 dem Rentenversicherungsträger als Anrechnungszeit zu melden.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Sie hält die getroffene Verwaltungsentscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr. 000000) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 00.00.0000 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat zu Recht die Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 nicht als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit dem zuständigen Rentenversicherungsträger gemeldet, da die entsprechenden Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sind unter anderem Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslo-sigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssuchende gemeldet waren und eine öffentlich rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichti-genden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben, Anrechnungszeiten. Der Tatbestand dieser Vorschrift ist jedoch bei dem Kläger nicht erfüllt. Die Voraus-setzung der "Meldung als Arbeitssuchender" konkretisiert den Rechtsgrund dieser Anrechnungszeit. Er besteht darin, dass dem Versicherten für die Zeit, in der er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen des Arbeitsmarktes trotz Arbeitsfähigkeit und aktiver Arbeitsplatzsuche keine rentenversicherungsbeitragspflichtige Erwerbs-tätigkeit ausüben kann, der Versicherungsschutz im Wege des sozialen Ausgleichs für derartige Zeiten in etwa in der bislang erworbenen Höhe durch beitragsfreie An-rechnungszeiten erhalten bleibt (vgl. BSGE 64, 118 = SozR 2200 § 1259 Nr. 106). Diese Wohltat soll aber nur Arbeit"suchenden" Versicherten zukommen, die nicht nur arbeitslos und arbeitsfähig, sondern gerade auch aktiv unter Nutzung der Mög-lichkeiten der Arbeitsvermittlung durch die Bundesanstalt für Arbeit um die Wieder-erlangung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bemüht sind. Der Kläger erfüllt die vorerwähnte Voraussetzung hinsichtlich der Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 nicht, da er auch nach eigenem Bekunden sich während dieses Zeit-raumes nicht beim Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldet hat.

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers schließt sich die Kammer der Rechtsprechung des Bundessozialgericht an (Urteil des BSG vom 11.03.2004, Az. B 13 RJ 16/03 R), wonach sich die fehlende Meldung des Klägers beim Arbeitsamt nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches er-setzen lässt.

Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnis-ses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Aus-kunft und Beratung verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nach-teil zufügt (vgl. BSG SozR 3 – 4100 § 249 e Nr. 4; BSG SozR 3 – 2600 § 58 Nr. 2). Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten oblie-gende Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte (vgl. BSGE 55, 40, 43). Der Herstellungsan-spruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (BSGE 58, 104). Voraussetzung ist also – ab-gesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder un-vollständigen bzw. unrichtigen Beratung -, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshand-lung, ausgeglichen werden kann (BSGE 58. 104). Umgekehrt bedeutet dies: In Fäl-len, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die An-wendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kein Raum.

Hintergrund dieser von der Rechtsprechung angenommenen Differenzierung zwi-schen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen (vgl. BSG SozR 3 – 4100 § 249 e Nr. 4) ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Dieses lässt es nicht zu, dass die Verwaltung gesetzeswidrig handelt, selbst wenn sie zuvor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat. Demgemäß lässt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruches der durch ein Verhalten des Leistungsträgers bewirkte Nachteil nur dann ausgleichen, wenn die Korrektur bzw. Ersetzung der fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Geset-zeszweck in Einklang steht. Das kann unter anderem bei verspäteter Antragstel-lung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen der Fall sein, falls die Verspätung auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungs-trägers beruht (vgl. BSGE 63, 112).

Anders verhält es sich unter anderem bei fehlender Arbeitslosmeldung (BSG SozR 3 – 4100 § 134 Nr. 14), fehlender Anwartschaftszeit, fehlender Verfügbarkeit oder fehlenden Eingliederungschancen.

Auch die Meldung wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Ar-beitssuchender im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI hat – ähnlich wie die Arbeitslosmeldung – durch den Arbeitslosen selbst zu erfolgen. Sie ist nicht der Ge-staltung durch Verwaltungshandeln zugänglich (so schon BSG in SozR – 2200 § 1259 Nr. 2). Die Meldung beim Arbeitsamt als arbeitssuchend im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist im Übrigen auch deshalb unverzichtbar, weil Zeiten der Arbeitslosigkeit im Zeitpunkt der Rentenberechnung nicht selten weit zurücklie-gen und eine solche Regelung bei der Vielzahl der zu bearbeitenden Rentenanträ-ge der Verwaltungsökonomie, d. h. der leichten Handhabung, dient.

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten reicht es daher zur Be-gründung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nicht aus, dass der Klä-ger tatsächlich sich während des hier streitigen Zeitraumes um Arbeit bemüht hat. Wegen der fehlenden Meldung beim Arbeitsamt kann die hier streitige Zeit nicht als Anrechnungszeit Berücksichtigung finden.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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