S 6 R 743/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 743/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 930/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine von der Beklagten getroffene Feststellung im Rahmen eines Anfrageverfahrens.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Verlagsgesellschaft, welche u.a. die KirchenZeitung für das Bistum B. herausgibt. Der am 00.00.0000 geborene Beigeladene zu 1) ist freiberuflicher Journalist und seit dem 01.07.2011 als Chefredakteur der KirchenZeitung tätig. Dieser Tätigkeit liegt ein zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin geschlossener schriftlicher "Werkvertrag" vom 11.02.2011 zu Grunde. Dieser Vertrag enthält folgende Bestimmungen:

"§ 1: Gesamtrahmen des Vertrags

Die Vertragspartner schließen diesen Vertrag mit dem Ziel, die redaktionelle Qualität des Produkts "KirchenZeitung für das Bistum B." stetig zu verbessern. Die pastoralen Anliegen des Herausgebers sollen in angemessener Form berücksichtigt werden. Das Produkt soll attraktiver werden für jüngere Adressaten und in Richtung digitaler Nutzung weiter entwickelt werden.

Unter anderem sollen folgende Entwicklungsziele verfolgt werden:

• Optimierung der Rahmenbedingungen für wöchentliche Heftproduktion • Weiterentwicklung der Strukturen und Abläufe der Redaktionsarbeit • Etablierung eines professionellen Themenmanagements • Etablierung einer kontinuierlichen Blattkritik • Stärkere Einbeziehung und Bindung von Abonnenten

Der Auftragnehmer bringt im Rahmen des Werkvertrages seine Kompetenzen, Kontakte und Zeit zur Erfüllung dieses Ziels bei. Nähere Bestimmungen dazu in den nachfolgenden Paragraphen.

Der Auftraggeber sichert als Basis für den Erfolg eine angemessene personelle, infrastrukturelle und finanzielle Ausstattung der Redaktion für deren Alltagsarbeit und die Weiterentwicklung zu.

§ 2: Aufgaben des Auftragnehmers

Redaktionelle Leistungen • wöchentliche Planung und Redaktion des Bistumsteils • wöchentliche Qualitätssicherung der Regionalausgaben • journalistische Recherchen rund um Bistumsthemen

Weitere Leistungen • Leitung von Redaktionskonferenzen und Workshops • Planungsgespräche mit Leitungsverantwortlichen des Bistums • Profil schärfende Repräsentation der KirchenZeitung • Kooperationsprojekte zur Erschließung neuer Lesergruppen • Austausch mit Medienschaffenden im Bistum Aachen • Austausch mit Verbund Osnabrück

Quantitative Beschreibung des Leistungsumfangs • Im Quartal sind 325 Arbeitsstunden (1.300h/Jahr) zu leisten. • Es wird eine redaktionelle Mitwirkung an 45 von 51 Ausgaben des Jahres vereinbart. Bei den übrigen Ausgaben kann sich der Auftragnehmer durch einen Kollegen mit einer vergleichbaren Qualifikation wie der Auftragnehmer vertreten lassen. Der Auftragnehmer organisiert die Vertretung innerhalb der Urlaubszeiten in Abstimmung mit Auftraggeber und Redaktion. • Der Auftragnehmer ist im Hinblick auf die Lage seiner Arbeitszeiten frei. Er ist nicht verpflichtet, seine Arbeit in den Redaktionsräumen des Auftraggebers zu leisten.

§ 3: Honorierung der Leistungen

Es wird eine Bruttosumme von EUR 65.000,- im Jahr vereinbart. Sie setzt sich zusammen aus • EUR 45.000,- für journalistische Leistungen (Umsatzsteuer 7 Prozent) • EUR 20.000,- für organisatorische Leistungen (Umsatzsteuer 19 Prozent)

Die Zahlung erfolgt auf Rechnung monatlich, gesplittet in:

• EUR 3.750,- für journalistische Leistungen (abzgl. EUR 245,33 Umsatzsteuer) • EUR 1.666,- für organisatorische Leistungen (abzgl. 266,- Umsatzsteuer)

Nach jedem Vertragsjahr wird eine Überprüfung von Aufwand und Honorierung geleistet. Bei deutlichem Missverhältnis wird über eine Anpassung von Leistungserwartungen und/oder Honorierung verhandelt, also jeweils im Juli des Nachfolgejahres.

Fahrtkosten werden separat abgerechnet. Gleiches gilt für Spesen bei Reisen, Tagungen oder anderen notwendigen Aufwendungen im Zuge der Leistungserfüllung. Die Spesenerstattung erfolgt nach Vorlage entsprechender Belege.

§ 4: Charakter der Mitarbeit

Für die gesetzlich vorgeschriebene Versteuerung sowie für seine soziale Absicherung ist der Auftragnehmer selbst verantwortlich. Die hier vereinbarte freie Mitarbeit ist eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 (1) Nr. 1 EStG.

Der Auftragnehmer ist in der Ausführung des Auftrages selbstständig. Er führt ihn mit der notwendigen Sorgfalt in eigener unternehmerischer Verantwortung aus. Dabei hat er zugleich die Interessen des Auftraggebers zu berücksichtigen. Der Auftragnehmer unterliegt keinem persönlichen Weisungs- oder Direktionsrecht des Auftraggebers.

Durch diese Vereinbarung wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Es bestehen keine über das in dieser Vereinbarung explizit Formulierte generellen Ansprüche hinsichtlich Kündigungsschutz, Abfindung, Versicherung in der Sozialversicherung und Zusatzversorgung, Urlaub, auf Weiterzahlung des Honorars im Krankheitsfalle sowie auf andere soziale Leistungen. Der Tarifvertrag für Redakteure bei Zeitungen und Zeitschriften NRW findet keine Anwendung.

Bei Abwesenheits- oder Minderleistungszeiten innerhalb der 45 redaktionell betreuten Ausgaben jährlich trägt der Auftragnehmer durch geeignete Maßnahmen und Entlastungsdienstleistungen Dritter Sorge für eine adäquate Erfüllung der vertraglichen Pflichten. Für die Finanzierung dieser Maßnahmen und Dienstleistungen ist der Auftragnehmer verantwortlich.

§ 5: Schweigepflicht und Datenschutz

Der Auftragnehmer verpflichtet sich, über alle ihm im Laufe der Tätigkeit für den Auftragnehmer bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. Diese Schweigepflicht besteht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses fort, es sei denn, der Auftraggeber entbindet den Auftragnehmer ausdrücklich von dieser Schweigepflicht.

Der Auftragnehmer ist nicht befugt, ihm anvertraute personenbezogene Daten im Rahmen seiner Tätigkeit zu verarbeiten oder verarbeiten zu lassen. Sensible Unterlagen, die der Auftragnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit erhalten hat, sind von ihm sorgfältig und gegen die Einsichtnahme Dritter geschützt aufzubewahren und nach Beendigung der Tätigkeit, für die er sie benötigt, an den Auftraggeber zurückzugeben.

§ 6: Nebenabreden und salvatorische Klausel

Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Diese Formerfordernis kann weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden. Die teilweise oder vollständige Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen dieses Vertrages berührt nicht die Wirksamkeit der übrigen Regelungen des Vertrages.

§ 7: Weiter Vertragsbestimmungen

Der Vertrag tritt zum 1. Juli 2011 in Kraft.

Die Kündigung ist beiden Seiten jeweils zum Ende eines Halbjahres ohne Angabe von Gründen möglich. Die Schriftform ist erforderlich. Die schriftliche Kündigung muss mit einer Frist von zwölf Wochen zum Ende des Halbjahres dem anderen Teil zugehen.

Eine fristlose Kündigung ist beiden Seiten bei groben Verstößen gegen die vertraglichen Verabredungen möglich. Die Schriftform ist hier ebenfalls erforderlich. Auf diesen Vertrag findet das deutsche Recht Anwendung. Gerichts- und Erfüllungsort ist Aachen."

In der Folgezeit erbrachte der Beigeladene zu 1) als Chefredakteur entsprechende Leistungen und stellte diese der Klägerin entsprechend den vertraglichen Vorgaben (EUR 3.750,- für journalistische Leistungen und EUR 1.666,- für organisatorische Leistungen) monatlich in Rechnung.

Am 09.12.2014 führte die DRV Rheinland bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 durch. Zur Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin wurden im Rahmen jener Betriebsprüfung keine Feststellungen getroffen, weil die Klägerin und die DRV Rheinland sich darauf verständigt hatten, im Hinblick auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) ein Anfrageverfahren bei der Beklagten einzuleiten.

Am 23.01.2015 beantragten sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 1) die Einleitung eines Anfrageverfahrens. Die Beklagte zog u.a. den Werkvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) bei und wertete weitere Unterlagen aus. Nach Anhörung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) unter dem 30.04.2015 stellte sie mit an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) gerichteten Bescheiden vom 29.06.2015 eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für seine Tätigkeit als Chefredakteur bei der Klägerin ab dem 01.07.2011 fest. Zur Begründung führte sie aus, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) werde im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Hierfür sprächen u.a. ein monatlich gezahltes Arbeitsentgelt, das Fehlen eines unternehmerischen Risikos, die Pflicht zur Teilnahme an regelmäßigen Redaktionskonferenzen, die Kontrolle der Qualität des Ergebnisses durch den Auftraggeber, feste Vorgaben betreffend die Anzahl der Arbeitsstunden pro Quartal, die Pflicht zur überwiegend persönlichen Ausführung der redaktionellen Mitwirkung, die Eingliederung in die Ablauforganisation der Zeitung sowie der Umstand, dass die Tätigkeit auf Dauer angelegt sei.

Die Klägerin legte, ebenso wie der Beigeladene zu 1), am 30.07.2015 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, der Beigeladene zu 1) sei selbständiger Publizist und seine Tätigkeit für die Klägerin sei eine selbständige, da er über Inhalte entscheide. Eine Kontrolle seiner Tätigkeit durch das Bistum Aachen finde nicht statt, er unterliege im Rahmen seiner Tätigkeit auch keinen Weisungen. Seine Tätigkeit stelle eine eigenschöpferische publizistische Leistung dar und sei deshalb mit der eines programmgestaltenden Mitarbeiters vergleichbar, der nach den Kriterien des gemeinsamen Rundschreibens des GKV-Spitzenverbandes, der Beklagten und der Bundesagentur für Arbeit vom 13.04.2010 selbständig tätig werde. Überdies fehle ein Wettbewerbsverbot, was als wesentliches Kriterium für eine selbständige Tätigkeit anzusehen sei. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 27.10.2015 unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurück.

Hiergegen haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) am 16.11.2015 Klage erhoben.

Am 05.03.2016 hat der Beigeladene zu 1) die von ihm erhobene Klage zurück genommen.

Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 29.06.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2015 aufzuheben und festzustellen, dass in der vom Beigeladenen zu 1) ab dem 01.07.2011 für sie ausgeübten Tätigkeit keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.

Der Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) stellen keinen eigenen Antrag.

Das Gericht hat den Beigeladenen zu 1) sowie den Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Chefredakteur angehört. Zum Ergebnis wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte trotz Abwesenheit eines Vertreters der Beigeladenen zu 2) aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil die Beigeladene zu 2) in der schriftlichen Terminsladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. In der vom Beigeladenen zu 1) für sie in der Zeit ab 01.07.2011 ausgeübten Tätigkeit als Chefredakteur besteht keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und auch nicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der Beklagten ist § 7a Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV).

Eine Anhörung der Klägerin nach Maßgabe des § 7a Abs. 4 SGB IV hat stattgefunden. Denn die Beklagte hat ihr unter dem 30.04.2015 mitgeteilt, sie beabsichtige, eine entsprechende Entscheidung zu treffen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich auch als materiell rechtmäßig.

Es liegt kein Verstoß der Beklagten gegen § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV vor. Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten des Anfrageverfahrens schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese Sperrwirkung tritt indessen lediglich ein, wenn eine Identität des Auftragsverhältnisses besteht, d.h. jenes sowohl im Rahmen des Verfahrens des anderen Versicherungsträger, als auch im Rahmen des Anfrageverfahrens Gegenstand der Prüfung ist (näher Pietrek, in: Schlegel, juris-PK SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7a Rdnr. 80 ff). Im vorliegenden Fall war zwar unter dem 09.12.2014 durch die DRV Rheinland bereits ein Betriebsprüfungsverfahren bei der Klägerin nach § 28p Abs. 1 SGB IV eingeleitet worden. Im Rahmen jenes Betriebsprüfungsverfahrens war jedoch die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Chefredakteur ausdrücklich ausgeklammert worden, so dass im Hinblick auf das Betriebsprüfungsverfahren und das hier streitgegenständliche Anfrageverfahren keine Identität des Auftragsverhältnisses vorliegt.

Im Rahmen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Chefredakteur für die Klägerin bestand auch eine Versicherungspflicht in den hier betroffenen Zweigen der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht knüpft (auch) für diese Zweige an das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung an, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung [SGB III]).

Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin erfüllt die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist die Legaldefinition in § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Zentrales Merkmal einer nichtselbständigen Tätigkeit ist die persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber. Persönlich abhängig ist, wer in einen Betrieb eingegliedert und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers untergeordnet ist (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), insbesondere im Hinblick auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 1988 – 10 RAr 10/87 = juris, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Diese Weisungsgebundenheit kann insbesondere bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (siehe aus der mannigfachen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R = juris, Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 05.03.2014 – B 12 R 7/12 R = juris, Rdnr. 20; BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R = juris, Rdnr. 16) Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit ist demgegenüber ein eigenes Unternehmerrisiko, das vorliegt, wenn der Betreffende seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten kann und damit über Arbeitskraft, Arbeitsort und Arbeitszeit eigenständig verfügen kann (vgl. BSG, jeweils a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl für Abhängigkeit als auch für Unabhängigkeit sprechen, ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei grundsätzlich die vertragliche Ausgestaltung bzw. die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend sind, § 7a Abs. 2 SGB IV (BSG, ebenda).

Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben hat der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Chefredakteur ab dem 01.07.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Denn im Rahmen einer Gesamtbetrachtung überwiegen die Aspekte, welche für eine abhängige Beschäftigung und gegen eine selbständige Tätigkeit sprechen.

Zunächst handelt es sich entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung durch die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) nicht um einen "Werkvertrag", welcher die Leistungsbeziehungen zwischen beiden regelt, sondern um einen Vertrag, dessen Gegenstand die Erbringung von Diensten höherer Art ist. Für die Kammer folgt dies bereits daraus, dass der Vertrag nicht, wie dies für einen Werkvertrag typisch ist, auf Herbeiführung eines gegenständlich fassbaren Arbeitsergebnisses gerichtet ist (dazu etwa Sprau, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, Einführung vor § 631 Rdnr. 8), sondern auf die Erbringung von Dienstleistungen als solchen. Dies bringen nicht zuletzt die Formulierungen in jenem Vertrag zum Ausdruck. So hat sich der Beigeladene zu 1) gerade nicht zur Erstellung eines Werkes verpflichtet, sondern lediglich zur Verbesserung der redaktionellen Qualität des Produkts (§ 1 des Vertrages). Ferner existieren lediglich Zielvorgaben zur Erreichung des Vertragszwecks (die Etablierung eines professionellen Themenmanagements, die stärkere Einbeziehung und Bindung von Abonnenten, § 1 des Vertrages). Insbesondere die Aufgaben des Beigeladenen zu 1) aber beschränken sich auf Leistungen, welche das Bemühen um einen bestimmten Erfolg beinhalten, indessen nicht auf den Erfolg selbst gerichtet sind. Dies kommt etwa in § 2 des Vertrages zum Ausdruck, nach dem sich der Beigeladen zu 1) im Rahmen redaktioneller Leistungen u.a. zur "wöchentlichen Planung und Redaktion des Bistumsteils" und zu "journalistischen Recherchen rund um Bistumsthemen" verpflichtet. Auch die weiteren Leistungen sind im Grunde Dienst- und nicht Werkleistungen. So verpflichtet sich der Beigeladene zu 1) u.a. zur "Leitung von Redaktionskonferenzen und Workshops", zu "Planungsgesprächen mit Leitungsverantwortlichen des Bistums", zu einer "profilschärfenden Repräsentation der KirchenZeitung" und zum "Austausch mit Medienschaffenden im Bistum B.". Auch in der Formulierung "es wird eine redaktionelle Mitwirkung an 45 von 51 Ausgaben des Jahres vereinbart" (§ 2 des Vertrages) kommt dies zum Ausdruck.

Dass es sich demgegenüber bei der publizistischen Entscheidung, was in der KirchenZeitung für das Bistum abgedruckt wird, um eine "eigenschöpferische publizistische Leistung" des Beigeladenen zu 1) handeln soll, wie die Klägerin erklärt, sieht die Kammer nicht.

Ein weiteres Indiz für die Einordnung als Dienstvertrag ist die Dauer des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) abgeschlossenen Vertrages. Der Vertrag endet nicht mit der Herstellung eines bestimmten Werkes, sondern ist auf unbestimmte Zeit geschlossen worden (§ 7 des Vertrages), wobei die Dienstverpflichtungen des Beigeladenen zu 1) sich stetig neu aktualisieren.

Für eine abhängige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) spricht weiter, dass er eine feste monatliche Vergütung enthält (§ 3 des zwischen ihm der Klägerin geschlossenen Vertrages). Dass diese Bestimmung, wie die Klägerin ausführt, auf Betreiben des Beigeladenen zu 1) in den Vertrag aufgenommen worden ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist demgegenüber, dass sich beide Vertragsparteien hierauf verständigt haben. Überdies enthält der Vertrag konkrete Bestimmungen zur Arbeitszeit, welche quartalsmäßig mit 325 Stunden vorgegeben wird. Auch dies ist für einen Werkvertrag völlig untypisch, im Rahmen eines Dienstvertrages jedoch üblich. Dass der Beigeladene zu 1) indessen bei der Entscheidung, wie er sich die obligatorische Zeit von 325 Stunden pro Quartal einteilt, weitgehend frei ist, spricht nicht gegen eine abhängige Beschäftigung, zumal er im Rahmen der Anhörung ausgeführt hat, es bestehe kein gleichmäßiger, sondern unterschiedlicher Arbeitsanfall.

Dass der Beigeladene zu 1) nicht im klassischen Sinne in die Organisation der Klägerin eingegliedert ist, kann die Klägerin nicht für ihre Sicht der Dinge reklamieren. Denn abgesehen davon, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Anhörung ausgeführt hat, ihm stehe bei der Klägerin ein Raum zur Verfügung, wo er Texte redigieren könne, handelt es sich – wie dargelegt – um die Erbringung von Diensten höherer Art, so dass Weisungsgebundenheit und organisatorische Eingliederung eher zu einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sind. Dass der Kläger als eine Art "leitender Angestellter" inhaltliche Dinge gegenüber den freien Mitarbeitern der Klägerin vorgeben kann und auch die für den Drucksatz zuständigen Mitarbeiter anweisen kann, spricht nicht gegen eine selbständige Tätigkeit. Im Übrigen hat der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, dass allein er Vorgesetzter der Mitarbeiter der Klägerin ist und im Zweifel letztendlich allein er entsprechende Anweisungen erteilt und nicht der Beigeladene zu 1).

Demgegenüber kommt den Festlegungen im Vertrag ("Die hier vereinbarte freie Mitarbeit ist eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 (1) Nr. 1 EStG", "der Auftragnehmer ist in der Ausführung des Auftrages selbständig") keine konstitutive Bedeutung zu. Entscheidend ist nicht, wie Auftraggeber und -nehmer ihr Vertragsverhältnis bezeichnen (andernfalls könnte allein die Bezeichnung über eine Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung entscheiden), sondern wie sich das Verhältnis auf der Grundlage der o.g. Zuordnungskriterien darstellt. Dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1) übereinstimmend davon ausgehen, es handele sich um eine selbständige Tätigkeit, ist deshalb unerheblich.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht ferner, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit als Chefredakteur praktisch keinerlei unternehmerisches Risiko eingeht. Vielmehr hat die Klägerin für eine "angemessene personelle, infrastrukturelle und finanzielle Ausstattung der Redaktion für deren Alltagsarbeit und Weiterentwicklung" zu sorgen (§ 1 Abs. 4 des zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) geschlossenen Vertrages). Auch benutzt der Beigeladene zu 1) seinen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Folge die Software "Desktop Publishing", die ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellt wird.

Für die Auffassung der Klägerin streitet demgegenüber die Ausgestaltung bei Krankheit oder anderweitiger Verhinderung des Beigeladenen zu 1). So hat der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen der Anhörung ausgeführt, dass es Sache des Beigeladenen zu 1) sei, ggf. für Ersatz zu sorgen, was gegen eine abhängige Beschäftigung spricht, die sich in der Regel durch eine Pflicht zur persönlichen Erbringung der Leistung auszeichnet, § 613 Satz 1 BGB. Im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung misst die Kammer diesem Aspekt indessen keine derart hohe Bedeutung zu, dass die oben genannten Umstände, welche für eine abhängige Beschäftigung sprechen, dahinter zurück treten.

Auch existiert eine Reihe von weiteren Umständen, welche für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sprechen. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung treten diese indessen ebenfalls in den Hintergrund, so dass insgesamt von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist. So genießt der Beigeladenen zu 1) bei der Gestaltung der von ihm betreuten Produkte eine weitgehende inhaltliche Freiheit. Inhaltliche Vorgaben bestehen nur im Rahmen der in § 1 festgelegten Ziele. Dies ist jedoch kein zwingendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit, sondern im Rahmen publizistischer Leitungspositionen durchaus üblich. Dass der Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig wird und keinem Wettbewerbsverbot unterliegt, spricht für eine selbständige Tätigkeit, schließt indessen eine abhängige Beschäftigung auch nicht von vornherein aus.

Im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung überwiegen damit aus Sicht der Kammer die Umstände, die für eine abhängige Beschäftigung und gegen eine selbständige Tätigkeit sprechen. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Chefredakteur für die Klägerin handelt es sich um eine Anstellung in Leitungsposition, welche mit weitgehenden Freiheiten einhergeht. In der Summe indessen stellt sich die Tätigkeit als fremdbestimmt und nicht als unternehmerisch eigenständig dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Zwar fallen die Hauptbeteiligten nicht unter § 183 Satz 1 SGG. Indessen hatte zunächst auch der Beigeladenen zu 1) Klage erhoben, so dass es sich ursprünglich um eine subjektive Klagehäufung (§ 74 SGG i.V.m. § 59 Zivilprozessordnung – ZPO) handelte, mit der Folge, dass das Verfahren einheitlich gerichtskostenfrei war (allgemein LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.03.2011 – L 8 R 1107/10 B = juris). Die spätere Rücknahme der Klage des Beigeladenen zu 1) indessen hat hierauf keinen Einfluss, das Verfahren bleibt gerichtskostenfrei.
Rechtskraft
Aus
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