S 47 AS 1156/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
47
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 47 AS 1156/17
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Renten aus privaten Altersvorsorgeverträgen sind als Einkommen bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II zu berücksichtigen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte monatliche Rentenzahlungen aus privaten Altersvorsorgeverträgen als Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigen darf.

Der 1955 geborene Kläger zu 1 und die 1956 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet. Sie bewohnen eine Wohnung in der T.-M.-Str ... in N./O., für die ab August 2016 eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 389 Euro an den Vermieter zu entrichten war.

Die Kläger beziehen vom Beklagten, ergänzend zum Einkommen der Klägerin zu 2 aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Veränderungsmitteilung vom 10. Dezember 2016 teilten sie mit, dass die von ihnen im Jahr 1999 mit privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossenen privaten Altersvorsorgeverträge, eine Rentenversicherung ("private ZusatzRente") bei der S.versicherung für den Kläger zu 1 und eine Rentenversicherung bei der V.-Lebensversicherungs AG (ein Unternehmen der E.Versicherungsgruppe) für die Klägerin zu 2, für die im Jahr 2005 jeweils Verwertungsausschlüsse nach § 165 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vereinbart worden waren, abgelaufen seien. Der Kläger zu 1 erhalte ab 1. Dezember 2016 eine monatliche Rentenzahlung in Höhe von 66,90 Euro (64,72 Euro Grundrente + 2,18 Euro Bonusrente) und die Klägerin zu 2 ab 1. November 2016 eine monatliche Rentenzahlung in Höhe von 100,42 Euro (88,77 Euro Grundrente + 11,65 Euro Bonusrente).

Auf ihren Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit von April 2017 bis März 2018 zunächst Leistungen in Höhe von 340,06 Euro monatlich (Bescheid vom 16. März 2017). Dabei rechnete er neben dem Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2 (monatlich gleich bleibend 1.220 Euro brutto/947,61 Euro netto) die Zahlbeträge aus den privaten Rentenversicherungen in Höhe von 100,42 Euro für die Klägerin zu 2 bzw. 36,90 Euro für den nicht erwerbstätigen Kläger zu 1 (66,90 Euro abzüglich 30 Euro Versicherungspauschale ) als Einkommen bedarfsmindernd an. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch (W 192/17) hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6. April 2017).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 8. Mai 2017 erhobene Klage.

Auf der Grundlage nachgewiesener weiterer Unterkunftskosten (Aufwendungen für Müllmarken) erhöhte der Beklagte die Leistungen für April 2017 auf 346,72 Euro und für die Zeit von Mai 2017 bis Juli 2017 auf 343,40 Euro monatlich (Änderungsbescheid vom 31. August 2017).

Unter Berücksichtigung des an die Klägerin zu 2 gezahlten Urlaubsgeldes (Zufluss mit dem Erwerbseinkommen im Juli 2017 in Höhe von 610 Euro brutto/389,73 Euro netto), einer Einkommenssteuererstattung (Zufluss im August 2017 in Höhe von 314 Euro), einer Erhöhung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2018 und weiteren nachgewiesener Unterkunftskosten (Aufwendungen für Müllmarken) senkte der Beklagte die Leistungsbewilligung für Oktober 2017 auf 229,46 Euro, für November 2017 auf 226,14 Euro, für Dezember 2017 auf 222,80 Euro, für Januar 2018 auf 234,80 Euro und für Februar 2018 auf 299,74 Euro ab. Die Leistungen für März 2018 wurden zunächst auf 352,06 Euro erhöht (Änderungsbescheide vom 31. August 2017, 25. November 2017, 9. Januar 2018). Die für August 2017 und September 2017 bewilligten und bereits ausgezahlten Leistungen wurden teilweise aufgehoben (Absenkung für August 2017 auf 278,46 Euro und September 2017 auf 183,77) und in Höhe von jeweils 108,97 Euro gegenüber den Klägern zur Erstattung festgesetzt (Änderungsbescheid sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 9. Januar 2018).

Nachdem die Klägerin zu 2 Weihnachtsgeld erhalten hatte (Zufluss mit dem Erwerbseinkommen im Dezember 2017 in Höhe von 610 Euro brutto/383,40 Euro netto) senkte der Beklagte die Leistungsbewilligung für Februar 2018 auf 218,44 Euro und für März 2018 auf 270,76 Euro ab (Änderungsbescheid vom 16. Januar 2018). Die für Januar 2018 bewilligten und bereits ausgezahlten Leistungen wurden teilweise aufgehoben und mit jeweils 40,65 Euro gegenüber den Klägern zu Erstattung festgesetzt (Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14. Februar 2018).

Aufgrund nachgewiesener weiterer Unterkunftskosten (an den Abfallversorger Z. zu zahlende jährliche Grundgebühr) wurden die Leistungen für März 2018 schließlich auf 347,80 Euro erhöht (Änderungsbescheid vom 13. März 2018).

In der mündlichen Verhandlung am 13. September 2018 gewährte der Beklagte den Klägern im Rahmen eines Teilanerkenntisses für Januar 2018 bis März 2018 weitere Leistungen in Höhe von 17,40 Euro monatlich (Korrekur der Anrechnung des Weihnachtsgeldes) und reduzierte die Erstattungsforderungen aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 14. Februar 2018 auf 31,95 Euro pro Person.

Nach Annahme des Teilanerkenntnisses tragen die Kläger vor, der Beklagte habe zu Unrecht die monatlichen Rentenzahlungen in Höhe von 66,90 Euro bzw. 100,42 Euro als Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt. Es handele sich um private Versicherungen, die als Vermögenswerte bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen aufgrund der im Jahr 2005 abgeschlossenen Verwertungsausschlüsse bisher unberücksichtigt geblieben waren. Die nunmehr seit 1. November 2016 bzw. 1. Dezember 2016 ausgezahlten monatlichen Beträge seien weiterhin dem privilegierten Altersvorsorgevermögen zuzuordnen. Der Vermögensanspruch werde nicht dadurch, dass dieser verfügbar werde zum Einkommen. Vielmehr sei in jedem Bewilligungsabschnitt, in welchem ein Teil des privilegierten Vermögens sein Privileg verliere zu prüfen, ob die Vermögensfreibeträge des § 12 SGB II überschritten werden.

Die Kläger beantragen abschließend,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31. August 2017, 25. November 2017, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 9. Januar 2018, der Änderungsbescheide vom 9. Januar 2018 und 16. Januar 2018, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14. Februar 2018 sowie des Änderungsbescheides vom 13. März 2018 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidung fest. Der Beklagte trägt vor, die monatlichen Zahlungen aus den privaten Rentenversicherungen seien als Einkommen zu berücksichtigen. Die Kläger hätten nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Ansparphase von der Möglichkeit der Auszahlung einer Kapitalabfindung keinen Gebrauch gemacht, sondern sich für die Zahlung einer "lebenslangen Zusatzrente" entschieden. Er ist der Ansicht, der für die privaten Versicherungen vereinbarte Verwertungsausschluss sei mit Ablauf der Ansparphase abgelaufen. Das frei gewordene Altersvorsorgevermögen sei nicht mehr über § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II privilegiert, weil die leistungsberechtigte Person nunmehr darüber frei verfügen könne.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Betei-ligten wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2018, den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen (weiteren) Erfolg.

Streitgegenstand ist die Höhe der den Klägern für die Zeit von April 2017 bis März 2018 zu gewährenden Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II sowie die Rechtmäßigkeit der für die Monate August 2017 und September 2017 sowie Januar 2018 festgesetzten Erstattungsforderungen in Höhe von 108,98 Euro bzw. (zuletzt) 31,95 Euro pro Person. Die nach Klageerhebung gegen den Ausgangsbescheid vom 16. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2017 ergangenen, den streitigen Zeitraum betreffenden Bescheide (Änderungsbescheide vom 31. August 2017, Änderungsbescheid vom 25. November 2017, Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sowie Änderungsbescheid vom 9. Januar 2018, Änderungsbescheid vom 16. Januar 2018, Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14. Februar 2018, Änderungsbescheid vom 13. März 2013) sind nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.

Der Bescheid vom 16. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2017 in der Fassung der bereits benannten Änderungs-/Aufhebungs- und Erstattungsbescheide ist nach Annahme des Teilanerkenntnisses vom 13. September 2018 rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in Ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II (in der hier anzuwendenden Fassung vom 26. Juli 2016) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II, wenn sie - neben weiteren, hier nicht im Streit stehenden Voraussetzungen - hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II u. a., wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Bei Personen, die als Partner in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Über die vom Beklagten insgesamt gewährten Leistungen hinaus waren die Kläger im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig. Sofern der Beklagte nach Erlass des Bescheides vom 16. März 2017 mit den Änderungsbescheiden vom 31. August 2017, Änderungsbescheid vom 25. November 2017, Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden sowie Änderungsbescheid vom 9. Januar 2018, Änderungsbescheid vom 16. Januar 2018, Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 14. Februar 2018 und Änderungsbescheid vom 13. März 2018 - sowohl zugunsten als auch zulasten der Kläger - Änderungen (Gewährung höherer Leistungen bzw. teilweise Aufhebungen bewilligter Leistungen) vorgenommen hat, ergibt sich die Rechtsgrundlage hierfür aus § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist der Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X) oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).

Diese Voraussetzungen lagen vor. Der Beklagte hat mit den klagegegenständlich gewordenen Änderungs- bzw. Aufhebungsentscheidungen auf Änderungen in den persönlichen Verhältnissen der Kläger reagiert, die nach Erlass des Ausgangsbescheides vom 16. März 2017 eingetreten sind. Zugunsten der Kläger betraf dies die Gewährung höherer Unterkunftskosten, nachdem weitere Aufwendungen für Müllmarken bzw. die an das örtliche Abfallwirtschaftsunternehmen (Z.) zu entrichtende Grundgebühr nachge-wiesen worden waren. Die teilweisen Aufhebungsentscheidungen berücksichtigten den Zufluss weiteren Einkommens in Form von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei der Klägerin zu 2, eine Einkommenssteuerrückerstattung sowie ein zur Auszahlung gelangtes Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung.

Die vom Beklagten vorgenommene Leistungsberechnung lässt - in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses - keine Rechtsfehler erkennen.

Den monatlichen Bedarf der Kläger (Regelleistung und Unterkunftskosten, §§ 20ff SGB II) hat der Beklagte zutreffend ermittelt und in den einzelnen Bescheiden - von den Klägern unbeanstandet - dargestellt.

Die Anrechnung des von der Klägerin zu 2 erzielten Erwerbseinkommens, einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld (§§ 11, 11b SGB II), ist - nachdem im Rahmen des Teilanerkenntnisse eine Korrektur für die Monate Januar 2018 bis März 2018 im Hinblick auf die Bereinigung des Weihnachtsgeldes erfolgte, fehlerfrei. Gleiches gilt für die Berücksichtigung der Einkommenssteuerrückerstattung sowie die Berücksichtigung des Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung (§ 22 Abs. 3 SGB II). Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Die bedarfsmindernde Berücksichtigung der Rentenzahlungen aus den privaten Altersvorsorgeverträgen (66,90 Euro bzw. 100,42 Euro) lässt ebenfalls keine Rechtsfehler erkennen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind im Aus-gangspunkt alle Einnahmen, die dem Leistungsberechtigten zufließen, d. h. einen "wertmäßigen Zuwachs" bewirken, unerheblich, welcher Art, Herkunft oder Rechtsna-tur sie sind (vgl. nur Oestreicher/Strnischa, 85. EL Oktober 2018, SGB II § 11 Rn. 38). Dies schließt grundsätzlich laufende monatliche Rentenzahlungen ein (vgl. nur Oestreicher/Strnischa, 85. EL Oktober 2018, SGB II § 11 Rn. 55), unabhängig davon, ob es sich um Zahlungen eines gesetzlichen Versicherungsträgers oder eines privaten Versicherungsunternehmens handelt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 14 AS 55/15 R zur Anrechnung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 53/15 R zur Berücksichtigung einer Halbwaisenrente; BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 81/12 R zur Berücksichtigung einer Witwenrente; BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 198/11 R zur Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2015 - L 13 AS 1806/14 zu einer privaten Berufsunfähigkeitsrente). Dafür, dass auch der Gesetzgeber hiervon ausgeht, spricht § 11a SGB II, der Ausnahmetatbestände für einzelne Rentenformen und Leistungen ausdrücklich normiert. Die hier zu beurteilenden fortlaufenden Rentenzahlungen aus einer privaten Altersvorsorge sind danach gerade nicht von der Berücksichtigung als Einkommen nach dem SGB II ausgenommen.

Entgegen der Ansicht der Kläger handelt es sich bei den monatlich zur Auszahlung kommenden Beträgen nicht um Vermögen im Sinne § 12 Abs. 1 SGB II, welches den Vermögensfreibeträgen des § 12 Abs. 2 SGB II unterfällt.

Zum Vermögen gehören nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände. Maßgebliches Differenzierungskriterium für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist grundsätzlich der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses bereiter Mittel. Danach ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II das, was jemand vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie: vgl. nur BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R; BSG, Urteil vom 22. August 2013 - B 14 AS 78/12 R; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 36/13 R).

Zwar waren die angesparten Werte (Rückkaufswerte) der bei der S.versicherung bzw. V.-Lebensversicherungs AG abgeschlossenen privaten Rentenversicherungen während der vorgesehenen Laufzeit als Vermögen im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB II zu qualifizieren, welches nach Abschluss der Verwertungsausschlüsse im Jahr 2005 in den vorangegangenen Bewilligungszeiträumen nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes eingesetzt werden musste, weil es nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB II im Rahmen der dort vorgesehenen Höchstbeträge als Altersvorsorgevermögen privilegiert war. Mit Ablauf der zur Ansparung vorgesehenen Vertragslaufzeit haben die gegen die beiden privaten Versicherungsunternehmen gerichteten Ansprüche jedoch eine Änderung ihres Rechtscharakters erfahren. Da die Kläger von der Möglichkeit der Auszahlung einer einmaligen Kapitalabfindung keinen Gebrauch gemacht haben, steht ihnen nach den vertraglichen Vereinbarungen keine Kündigungsmöglichkeit und keinen Anspruch auf Kapitalauszahlung mehr zu. Dies hat die S.versicherung im Schreiben vom 31. Oktober 2016 ausdrücklich erläutert. Die Kläger haben damit seit dem Beginn der Rentenauszahlphase am 1. November 2016 bzw. 1. Dezember 2016 keine Verfügungsmöglichkeit mehr über die Gesamtsumme der von ihnen angesparten Vermögenswerte, sondern "nur noch" einen monatlichen Rentenzahlungsanspruch gegen das jeweilige Versicherungsunternehmen. Dieser geänderte Rechtscharakter führt dazu, dass die nunmehr fortlaufend zur Auszahlung kommenden Renten als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II zu qualifizieren sind, vergleichbar mit laufenden Zahlungen aus der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung.

Für diese Sichtweise spricht auch § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII in der Fassung vom 17. August 2017). Der Gesetzgeber hat hier für den Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in die Vorschrift zum "Begriff des Einkommens" mit § 82 Abs. 4, 5 SGB XII einen speziellen Einkommensfreibetrag für zusätzliche Altersvorsorge eingeführt. Ausdrücklich formuliertes Ziel ist es, einen Anreiz zu setzen, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben (vgl. BR-Drs. 780/16, S. 42 f).

Dass eine solche spezifische Freibetragsregelung nicht gleichzeitig im SGB II verankert wurde, könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Beginn der Zahlungen aus privaten Altersvorsorgeverträgen im Regelfall auf das gesetzlich vorgesehene Renteneintrittsalter im Hinblick auf die reguläre Altersrente des Versicherten und damit auf den Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze für den Bezug von SGB II-Leistungen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 7a SGB II) ausgerichtet ist. Die Kläger haben ihre privaten Vorsorgeverträge jedoch bereits im Jahr 1999 zu einer Zeit abgeschlossen, als andere Altersgrenzen galten. Sie kommen somit noch vor Erreichen der nunmehr in § 7a SGB II vorgesehenen Altersgrenze für den Bezug von Grundsicherungsleistungen in den Genuss von Zahlungen aus ihren privaten Altersvorsorgeverträgen. Entsprechend dem Ziel dieser Versicherungsleistungen, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes im Alter beizutragen, liegen keine Gründe vor, die dafür sprechen, dass die laufenden Rentenzahlungen der S.versicherung bzw. der V.-Lebensversicherungs AG in Anwendung von § 11 Abs. 1 SGB II i.V.m § 9 SGB II nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einzusetzen sind.

Selbst wenn man der Auffassung der Kläger folgen wollte und die monatlich zur Auszahlung kommenden Beträge in Höhe von 66,90 Euro bzw. 100,34 Euro im Sinne einer sog. Vermögensumwandlung oder -umschichtung - ggf. nur für den jeweiligen Basisrentenbetrag - weiterhin dem Vermögen im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB II zuordnet, dürfte dies einer bedarfsmindernden Anrechnung nicht entgegen stehen.

Die Kläger und der Beklagte sind während der zurückliegenden Zeiträume des Leistungsbezuges übereinstimmend davon ausgegangen, dass die den privaten Rentenversicherungsverträgen zugrundeliegenden (Vermögens-) Werte aus Ansparbeträgen und Erträgen dem Zweck der Altersvorsorge dienen. Aus diesem Grund konnten sich die Kläger bis zum Ablauf der zur Ansparung vorgesehenen Vertragslaufzeit auf § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB II berufen, denn die Versicherungsleistungen waren ausdrücklich dazu bestimmt, zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Alter beizutragen. An dieser Zweckbestimmung müssen sich die Kläger nunmehr nach Beginn der Rentenauszahlungsphase am 1. November 2016 bzw. 1. Dezember 2016 festhalten lassen. Sie können sich, nachdem die Werte der beiden Versicherungen seit 2005 als Altersvorsorgevermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB II verschont wurden, jetzt, wo der mit den Versicherungen avisierte "Leistungsfall" (Sicherung des Lebensunterhaltes im Alter) tatsächlich eingetreten ist, nicht darauf zurückziehen, es handele sich bei den Auszahlbeträgen um Vermögenswerte, die den Grundfreibeträgen des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II unterfallen. Dem nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB II geschützten Altersvorsorgevermögen können die Auszahlbeträge aufgrund der uneingeschränkten Verfügungsmöglichkeiten nicht mehr zugeordnet werden.

In Anwendung von § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II waren daher die monatlichen Zahlbeträge aus den privaten Rentenversicherungen der Kläger als laufende Einnahmen in den Mo-naten zu berücksichtigen, in denen sie zugeflossen sind. Da im SGB II anders als in § 82 Abs. 4, 5 SGB XII keine besonderen Freibeträge für Einkommen aus privaten Altersvorsorgeverträgen vorgesehen sind, konnte eine Bereinigung der Zahlbeträge ausschließlich beim Kläger zu 1 in Höhe der Versicherungspauschale mit monatlich 30 Euro erfolgen (§ 11b SGB II iVm § 6 Abs. 1 Nr. Alg II-V in der Fassung vom 26. Juli 2016). Bei der Klägerin zu 2 wurden entsprechende Freibeträge bereits bei der Bereinigung des Erwerbseinkommens berücksichtigt.

Aufgrund der zutreffenden Leistungsberechnungen und den damit rechtmäßigen teilweisen Aufhebungsentscheidungen, die Monate August 2017 bis September 2017 sowie Januar 2018 betreffend, sind auch die auf § 50 Abs. 1 SGB X beruhenden Erstattungsforderungen nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Aufgrund des insgesamt nur geringen Obsiegensanteils der Kläger war die Bildung einer Kostenquote nicht veranlasst.
Rechtskraft
Aus
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