S 70 AL 3564/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
70
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 70 AL 3564/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Die 1962 geborene Klägerin, die australische Staatsangehörige ist, übte in der Zeit von Mai 2002 bis zum 30.04.2006 eine Tätigkeit als Chemielaborantin bei der Wissenschaftliche Gerätebau Dr.-Ing ... GmbH in B aus. Sie adoptierte durch Entscheidung des Gemischten Gerichts von B. vom 11.12.2006 ein Kind nach peruanischem Recht, welches sie seit seiner Geburt am 09.05.2006 in Peru gepflegt hatte. Mit Beschluss vom 18.10.2007 wurde durch das Amtsgericht Schöneberg die peruanische Entscheidung über die Annahme des Kindes durch die Klägerin und ihren Ehemann gem. § 2 Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) anerkannt. Durch das Amtsgericht wurde zugleich festgestellt, dass das Annahmeverhältnis einem nach deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 AdWirkG). Dieser Beschluss wurde den Annehmenden am 18.10.2007 zugestellt.

Nach der Anerkennung der Adoption in Deutschland reiste die Klägerin, die sich seit April 2006 in Peru aufgehalten hatte, gemeinsam mit ihrer Tochter am 01.12.2007 nach B ... Ihr Ehemann bezog für die Tochter ab Dezember 2007 Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin meldete sich am 13.12.2007 bei der Beklagten arbeitsuchend und stellte am 25.03.2008 einen Antrag auf Gewährung von Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. April 2008 ab. Sie verwies zur Begründung darauf, dass die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei, da die Klägerin nicht innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 25.03.2008 mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe.

Gegen die Ablehnung erhob die Klägerin Widerspruch, der durch Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2008 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Beklagte verwies darauf, dass eine Versicherungspflicht in der Zeit der Kindererziehung nicht vorliege. Es fehle insoweit an der Unmittelbarkeit zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.04.2006 und dem Beginn der Kindererziehung am 09.05.2006. Zudem werde Kindergeld für die Tochter erst ab Dezember 2007 bezogen.

Die Klägerin hat gegen den Widerspruchsbescheid am 17. Juni 2008 Klage beim Sozialgericht erhoben und verfolgt ihr Begehren weiter. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie im Wesentlichen vor: Ihre Kindererziehungszeiten für die Zeit ab dem 09.05.2006, als sie ihr später adoptiertes Kind in Peru gepflegt hat, seien als Anwartschaftszeit anzuerkennen. Die in Peru durchgeführte Adoption sei mit einer Adoption im Inland gleichzustellen. Sie habe mit ihrem Kind nicht früher nach Deutschland zu ihrem Ehemann zurückkehren können, weil zunächst einige zeitaufwendige behördliche Angelegenheiten zu regeln gewesen seien. Es könne nicht sein, das ihr Anspruch auf Alg deswegen verloren gehe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2008 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und verweist auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg gem. § 117 Abs. 1 SGB III. Die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass die Anwartschaftszeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Alg gem. §§ 118 Abs. 1 Nr. 3, 123, 124 SGB III nicht erfüllt ist.

Die Anwartschaftszeit hat gem. § 123 S. 1 SGB III, § 124 Abs. 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist von zwei Jahren mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Ein Versicherungspflichtverhältnis kann auch durch Kindererziehungszeiten gem. § 26 Abs. 2a SGB III begründet werden. Danach sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, wenn sie

1. unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III unterbrochen hat, und

2. sich mit dem Kind im Inland gewöhnlich aufhalten oder bei Aufenthalt im Ausland Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder Bundeskindergeldgesetz haben oder ohne die Anwendung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes haben würden.

Diese Regelung gilt gem. § 26 Abs. 2a S. 2 SGB III nur für Kinder des Erziehenden, seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder seines nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartners.

Unter Kinder i. S. d. § 26 Abs. 2a SGB III sind nur Personen zu verstehen, zu denen der Betroffene bzw. sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte oder Lebenspartner in einem Kindschaftsverhältnis gem. §§ 1589 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) steht. Ein solches Kindschaftsverhältnis kann aber auch durch die Annahme als Kind nach §§ 1741 ff. BGB begründet werden (Fuchs in: Gagel, SGB III, Kommentar, § 26 Rn. 34).

Hier kann ein Kindschaftsverhältnis nach deutschem Recht zwischen der Klägerin und ihrer Tochter erst mit der Anerkennung der Adoption durch Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 18.10.2007 angenommen werden. Für die Zeit davor ist das nach peruanischem Recht adoptierte Kind dagegen als ein Pflegekind ohne verwandtschaftliche Beziehungen zur Klägerin oder ihrem Ehemann zu betrachten. Damit war die Tochter der Klägerin bis zur Anerkennung ihrer Adoption kein Kind i. S. d. § 26 Abs. 2a S. 2 SGB III.

Die Annahme einer nach deutschem Recht wirksamen Adoption zu einem Zeitpunkt vor der gerichtlichen Anerkennung in Deutschland, etwa mit der peruanischen Adoption am 11.12.2006, wäre mit dem Sinn und Zweck des Adoptionswirkungsgesetzes nicht vereinbar. Selbst wenn dem Anerkennungsbeschluss des Amtsgerichts eine Rückwirkung beigemessen wird, wären die Voraussetzungen nach § 26 Abs. 2a S. 1 Nr. 1 nicht erfüllt. Denn es fehlt insoweit offensichtlich an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen der Beendigung der versicherungspflichtigen Tätigkeit am 30.04.2006 und dem Beginn der Kindererziehungszeit mit wirksamer peruanischer Adoption am 11.12.2006. Die Anwendung des § 26 Abs. 2a SGB III auf ein Pflegekind des Arbeitsuchenden scheidet hingegen aus.

Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2a S. 1 Nr. 2 SGB III sind, auch wenn man die Pflegetochter als Kind i. S. d. dieser Regelung ansehen würde, ebenfalls nicht erfüllt. Insoweit hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass der im Ausland lebenden Klägerin für die Zeit des Aufenthalts in Peru kein Kindergeld gewährt wurde und ihr auch kein entsprechender Anspruch zustand. Kindergeld ist vielmehr dem Ehemann der Klägerin erst nach Einreise des Kindes nach Deutschland ab Dezember 2007 gewährt worden. Für den Zeitraum des Aufenthalts in Peru stand der Klägerin dagegen kein Anspruch auf Kindergeld zu. Es ist für die Kammer zudem auch nicht ersichtlich, dass sie lediglich aufgrund der Anwendung von § 64 oder § 65 des EStG keinen Anspruch auf Kindergeld gehabt hat. Kindergeld dürfte der Klägerin hier vielmehr aufgrund des damals fehlenden Kindschaftsverhältnis sowie des Aufenthalts des Kindes und der Klägerin im Ausland nicht zugestanden haben (vgl. § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S.1 Nr. 1, S. 3 EStG).

Die Zeiten der Kindererziehung durch die Klägerin können also nicht als versicherungspflichtige Zeiten gem. § 26 Abs. 2a SGB III anerkannt werden. Mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit steht der Klägerin damit kein Anspruch auf Alg zu. Dementsprechend war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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