S 10 RA 260/01

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 RA 260/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2001 wird geändert. Der Widerspruchsbescheid vom 20. April 2001 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Altersrente der Klägerin unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,997 neu zu berechnen.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine höhere Altersrente mit einem geringeren Abschlag.

Die am XX.X.1941 geborene Klägerin beantragte am 21.11.2000 bei der Beklagten Altersrente für Frauen. Sie gab an, sie sei im Vorruhestand. Sie legte eine Vereinbarung mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem NDR, vom 7.8.1995 vor, aus der sich ergab, dass das Arbeitsverhältnis zum 29.2.1996 beendet worden ist. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich die Klägerin, sich ab 1.3.1996 arbeitslos zu melden und an allen notwendigen Maßnahmen des Arbeitsamtes mitzuwirken. Sie verpflichtete sich auch, nach dem 1.3.1996 weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe in Anspruch zunehmen. Für den Fall der Aufnahme einer Beschäftigung sah die Vereinbarung vor, dass dies dem NDR anzuzeigen und der NDR gegebenenfalls von der Arbeitskraft der Klägerin vor Gebrauch machen durfte. Es sollte eine Anrechnung der Einkünfte auf die Versorgungsbezüge der Klägerin stattfinden.

In einem Telefongespräch am 14.2.2000 erklärte die Klägerin der Beklagten, sie habe sich beim Arbeitsamt H.-A. 1996 arbeitslos melden wollen. Ihr sei damals die Auskunft erteilt worden, dass eine weitere Meldung nicht erforderlich sei, da kein Anspruch auf Leistungen bestehe. Auf Anfrage der Beklagten teilte das Arbeitsamt H.-A. mit, dass keine Unterlagen über eine Arbeitslosmeldung der Klägerin vorhanden seien. Mit Bescheid vom 9.1.2001 gewährte die Beklagte Altersrente für Frauen ab 1.3.2001. Bei der Berechnung der Altersrente verminderte sie den Zugangsfaktor um 0,003 für 14 Kalendermonate wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme. Mit Widerspruch vom 9.2.2001 machte die Klägerin geltend, sie habe Anspruch auf den erweiterten Vertrauensschutz nach § 237 a Nr. 1 a Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI). Bei ihr habe Arbeitslosigkeit vorgelegen, sodass lediglich ein Abschlag von 0,003 für einen Kalendermonate vorzunehmen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.4.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach Auskunft des NDR habe die Klägerin ab 1.3.1996 kein Vorruhestandgeld, sondern Versorgungsbezüge erhalten, die nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterliegen hätten. Das Arbeitsamt habe mitgeteilt, dass dort keine Unterlagen über eine Meldung vorhanden seien. Die Klägerin sei also nicht arbeitslos gewesen.

Mit ihrer am 18.5.2001 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, bei ihr seien die besonderen Vertrauensschutzregelungen anzuwenden. Am 7.5.1996 sei sie arbeitslos gewesen. Das Arbeitsverhältnis habe zum 29.2.1996 geendet. Danach sei Arbeitslosigkeit eingetreten. Diese definiere sich aus § 101 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Arbeitslos sei, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Der Begriff " vorübergehend " sei weit auszulegen. Auch diejenigen, die nach § 105 c AFG lediglich überbrückungsweise im Leistungsbezug gestanden hätten, seien als arbeitslos angesehen worden. Sie habe wegen der Versorgungsvereinbarung davon abgesehen, Arbeitslosengeld zu beantragen und auch deshalb keine Stammnummer erhalten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 9.1.2001 zu ändern sowie den Widerspruchsbescheid vom 20.4.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Altersrente mit einem Zugangsfaktor von 0,997 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte der Kammer und der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine höhere Altersrente. Ihre Altersrente für Frauen ist neu zu berechnen mit einem höheren Zugangsfaktor. Insoweit war der Rentenbescheid der Beklagten vom 9.1.2001 zu ändern und die Beklagte zur Neuberechnung zu verurteilen.

Unstreitig hat die Klägerin einen Anspruch auf eine Altersrente für Frauen nach § 237 a Abs. 1 SGB VI. Die Beteiligten streiten lediglich darum, ob die Altersgrenze von 60 Jahren bei dieser Altersrente um lediglich einen Monat oder um 14 Kalendermonate angehoben wird und sich damit der Zugangsfaktor bei vorzeitige Inanspruchnahme lediglich auf 0,997 oder auf 0,958 reduziert (vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a SGB VI). Bei der Klägerin wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente nur um einen Monat angehoben, denn die Klägerin ist bis zum 7.5.1941 geboren und war am 7.5.1996 arbeitslos (§ 237 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI). Die vorzeitige Inanspruchnahme ihrer Altersrente für Frauen war möglich, sodass sich bei der Klägerin lediglich ein Abschlag von 0,003, also ein Zugangsfaktor von 0,997 ergibt.

Die Klägerin war am 7.5.1996 arbeitslos. Das SGB VI enthält keine eigene Definition des Begriffs "arbeitslos". "Arbeitslos" ist im Sinne der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zu verstehen. Zur Auslegung dieses Begriffs sind grundsätzlich die zur Zeit der Beschäftigungslosigkeit geltenden Bestimmungen, also für die Zeit bis zum 31.12.1997 die §§ 101 bis 103 AFG heranzuziehen, wobei eine Meldung beim Arbeitsamt nicht zwingende Voraussetzung ist (vgl. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Hrsg., Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch, 8. Aufl., § 237 Nr. 5.4, Seite 902). Insofern kann es die Kammer offen lassen, ob die Klägerin sich beim Arbeitsamt H.-A. arbeitssuchend gemeldet hat. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin zur Erfüllung auch der Vereinbarung vom 7.8.1995 versucht hat, sich arbeitssuchend beim Arbeitsamt H.-A. zu melden. Durchaus nachvollziehbar ist es für die Kammer, dass dort ihre Meldung zunächst nicht angenommen wurde, weil sie keine Leistungen bezogen hat. Mit diesem Verhalten könnte das Arbeitsamt H.-A. der Klägerin einen Schaden zugefügt haben, da die fehlenden Meldung beim Arbeitsamt dazugeführt haben dürfte, dass Anrechnungszeiten nach § 58 SGB VI wegen Arbeitslosigkeit bei der Rentenberechnung der Klägerin von der Beklagten nicht berücksichtigt werden konnten. Inwieweit die Beklagte für dieses Fehlverhalten des Arbeitsamtes einzustehen hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

Arbeitslos im Sinne des AFG war ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand und oder nur eine kurzzeitig Beschäftigung ausübte (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AFG). Mit dem Ende ihrer Beschäftigung am 29.2.1996 stand die Klägerin nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis. Dieser Zustand war auch nur vorübergehend, denn die Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem letzten Arbeitgeber schloss nicht aus, dass die Klägerin wieder erwerbstätig werden konnte (vgl. Nr. 5 der Vereinbarung vom 7.8.1995). Sie hatte zwar die Verpflichtung, ihre Arbeitskraft vorrangig ihrem letzten Arbeitgeber anzubieten und war auch verpflichtet, die Aufnahme der Beschäftigung anzuzeigen. Dies sollte jedoch lediglich sicherstellen, dass die Versorgungsbezüge im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von mindestens achtzehn Stunden pro Woche nicht mehr weitergezahlt wurden. Die Tatsache, dass die Klägerin in der Folgezeit keine Beschäftigung mehr aufgenommen hat, steht dem nicht entgegen. Sie hatte sich noch nicht aus dem aktiven Erwerbsleben zurückgezogen, zumal sie auch nach der Vereinbarung verpflichtet war, an allen notwendigen Maßnahmen des Arbeitsamtes mitzuwirken (vgl. Nr. 2 der Vereinbarung vom 7.8.1995).

Die Kammer hat auch keinen Zweifel daran, dass die Klägerin damals, am 7.5.1996, die subjektiven Elemente der Arbeitslosigkeit erfüllte. Ihr körperliches und geistiges Leistungsvermögen reichte für eine Beschäftigung von mindestens achtzehn Stunden wöchentlich aus. Sie wäre auch bereit gewesen, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen bzw. wie es in der Vereinbarung vom 7.8.1995 zum Ausdruck kommt, an allen notwendigen Maßnahmen des Arbeitsamtes mitzuwirken. Schließlich hat sie auch nach dem Stichtag noch weiter versucht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden, wie aus der in der Sitzung übergebenen Bescheinigung des Arbeitsamtes vom November 1996 ersichtlich ist.

Da die Klägerin am Stichtag (7.5.1996) nach den Bestimmungen des § 237 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a SGB VI arbeitslos war, fällt sie unter die dort geregelten Vertrauensschutzbestimmungen. Ihre Altersrente für Frauen ist deshalb neu festzustellen und lediglich mit einem Abschlag von 0,003 beim Zugangsfaktor zu belegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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