Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 157/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ein Darlehen in Höhe von 234,69 Euro zu gewähren und diesen Betrag unmittelbar an die O AG zur Auszahlung zu bringen. Der Beigeladenen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch andere geeignete Maßnahmen abzuwenden, aufgrund derer die Energiezufuhr für die Wohnung des Antragstellers, Cstraße 00 in 00000 N, durch ein Versorgungsunternehmen mit sofortiger Wirkung hergestellt wird.
Die Beigeladene trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Wiederaufnahme der Energiezufuhr zu der Wohnung des Antragstellers. Die Antragsgegnerin gewährt dem Antragsteller laufend Arbeitslosengeld II. Darin enthalten ist auch ein Betrag für Heizkosten in Höhe von 30,- Euro monatlich. Strom und Gas bezog der Antragsteller von der O AG. Diese ist eine 16-prozentige Tochtergesellschaft der Beigeladenen, dem örtlichen Sozialhilfeträger. Weitere 34 % der O AG hält die F, die wiederum eine Tochtergesellschaft der Beigeladenen ist. Die übrigen 50 % hält das S. Bis zum 30.07.2005 zahlte der Antragsteller entsprechend seines Versorgungsvertrages an die O AG einen monatlichen Abschlagsbetrag in Höhe von 70,- Euro, von dem 30,- Euro für Gas und 40,- Euro für Strom bestimmt waren. Ab August 2005 erhöhte sich der von der O AG jeweils zum 15. eines Monats gefordert Abschlagsbetrag auf 80,- Euro. Der Antragsteller zahlte seit dem nicht mehr. Die O AG sperrte daraufhin am 22.11.2005 die Energiezufuhr für die Wohnung des Antragstellers. Der Antragsteller sei mit einem Betrag inklusive Mahnkosten und Entsperrungsgebühren in Höhe von 417,23 Euro in Rückstand.
Am 23.11.2005 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und bat darum, dass diese ab Januar 2006 die Abschläge für die O AG von den ihm zustehenden Leistungen einbehalte und direkt an den Energieversorger überweise. Zudem beantragte er, die Übernahme des Energiekostenrückstandes, sowohl bei der Antragsgegnerin als auch bei der Beigeladenen. Mit Bescheid vom 25.11.2005 lehnte die Antragsgegnerin - unter dem Briefkopf der Beigeladenen - dies ab. Zur Begleichung bereits bestehender Schulden werde grundsätzlich kein Darlehen gewährt. Ausnahmen könne es bei Energieschulden geben. Allerdings werde dies im Falle des Antragstellers abgelehnt, da er alleine lebe und die Notlage durch Nichtzahlung der monatlichen Abschläge selbst verschuldet habe. Es könne einem Alleinstehenden zugemutet werden, eine Zeitlang ohne Strom zu leben.
Mit Bescheid vom selben Tage gewährte die Beigeladene ein Darlehen in Höhe des auf den Bezug von Gas zurückzuführenden Anteils der Energiekostenrückstände in Höhe von 182,54 Euro.
Gegen den Bescheid der Antragsgegnerin erhob der Antragsteller Widerspruch.
Am 29.11.2005 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin beantragt. Seit dem 22.11.2005 lebe er in Verhältnissen, die denen eines Obdachlosen glichen. Die Temperatur in der Wohnung habe sich der Außentemperatur angeglichen, da die Gasheizung auch von der Stromversorgung abhängig sei. Das Wasser werde nicht erwärmt, die Heizung scheine auszulaufen. Seine Gesundheit leide.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein Darlehen in Höhe von 234,69 Euro zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Eine akute Notlage als Anordnungsgrund sei glaubhaft gemacht. Es fehle jedoch am Anordnungsanspruch. Stromkosten seien Bestandteil der Regelleistung. Nachzahlungen aufgrund der Jahresabrechnung seien daher grundsätzlich aus der laufenden Regelleistung zu zahlen. Dies gelte grundsätzlich auch für aufgelaufene Stromschulden. In diesen Fällen komme eine Darlehensgewährung im Rahmen des § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht. Sei jedoch bereits die Sperrung der Stromversorgung eingetreten, liege eine mit der Sicherung der Unterkunft vergleichbaren Notlage vor, so dass vorrangig der Sozialhilfeträger gemäß § 34 SGB XII, hier die Beigeladene, verpflichtet sei.
Mit Beschluss vom 02.12.2005 hat das Gericht die Beigeladene analog § 75 Abs. 2 SGG beigeladen und auf den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15.07.2005, AZ: L 1 B 7/05 SO ER, hingewiesen, nach dem ggf. gesellschaftrechtlicher Einfluss bei Energieversorgern geltend zu machen sei.
Die Beigeladene beantragt,
1) die Antragsgegnerin zur Erbringung der begehrten Leistung zu verpflichten und
2) den Antragsteller zu verpflichten, den zum 15.12.2005 fälligen Abschlag in Höhe von 80,- Euro termingerecht an die O AG zu überweisen.
Die Beigeladene trägt vor, selbst nicht mehrheitlich an der O AG beteiligt zu sein. Die Antragsgegnerin sei nach § 23 Abs. 1 SGB II zur Gewährung eines Darlehens verpflichtet, Ermessen stehe dieser insoweit nicht zu. Insbesondere aufgrund der Witterungslage bestehe ein akuter, unaufschiebbarer Bedarf, der eine kurzfristige Behebung erforderlich mache. In Wintermonaten sei es weder Alleinstehenden noch anderen Personen zuzumuten, über mehrere Wochen ohne die in Rede stehende Energieversorgung zu leben. Die Ziele und Aufgaben des § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB I und des § 1 SGB II, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, Hilfebedürftigkeit zu vermeiden oder zu beseitigen, deren Dauer zu verkürzen oder den Umfang zu verringern, Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen, drohten hier verletzt zu werden. Der Antragsteller verfüge weder über Vermögen, noch könne er kurzfristig den Energieversorger wechseln.
Am 08.12.2005 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass weiterhin erhebliche Mengen Wasser aus seiner Heizung drängten. Dies führe er darauf zurück, dass auch das entsprechende Sicherungssystem der Heizung ohne Strom nicht ordnungsgemäß funktioniere. Die Wohnungseinrichtung und die Bausubstanz würden bereits angegriffen. Die Wohnung sei praktisch unbewohnbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat in dem tenorierten Umfange Erfolg.
Analog § 75 Abs. 5 SGG ist die Verpflichtung der Beigeladenen möglich. Das verfassungsmäßige Gebot des effektiven Rechtschutzes, Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz, erfordert, die normierte Möglichkeit, Versicherungsträger oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land zu verurteilen, auch auf die erst seit dem 01.01.2005 dem Verfahren nach dem SGG unterworfenen Sozialhilfeträger und Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auszudehnen. Die diesbezügliche Regelungslücke ist planwidrig.
Der Antrag des Antragstellers ist dahingehend auszulegen, er begehre die Wiederherstellung der Energiezufuhr zu seiner Wohnung, sei es durch die Antragsgegnerin, sei es durch die Beigeladene. Der so verstandene Antrag ist gegenüber der Beigeladenen überwiegend begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist der Fall, wenn dem Antragsteller gegen den Antragsgegner ein Anspruch (sogenannter Anordnungsanspruch) zusteht, dessen vorläufige Durchsetzung dringlich ist (sogenannter Anordnungsgrund). Die vorläufige Befriedigung des Anspruchs anzuordnen, kommt dabei aber nur in Betracht, wenn dem Antragsteller sonst unzumutbare Nachteile entstünden (Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache). Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu ermitteln (LSG NRW, Beschluss vom 21.04.2005, AZ: L 9 B 6/05 SO ER). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Antragsteller hat zunächst einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, ist ihm unzumutbar. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihm ohne Stromzufuhr auch die Möglichkeit zu heizen fehle und zudem seine Wohnung extremer Feuchtigkeit ausgesetzt sei. Die Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Ablehnungsbescheid vom 25.11.2005 gehen insoweit fehl, wenn auf die bloße Zumutbarkeit des Lebens ohne Strom abgestellt wird. Ohnehin ist nicht ersichtlich, dass die O AG aufgrund Begleichung nur des Gaszahlungsrückstandes bereits die Gaszufuhr wiederhergestellt hätte. Der Antragsteller kann sich weder warme Mahlzeiten bereiten, noch die Körperhygiene in ausreichendem Maße durchführen. Insbesondere aber ist er erheblichen Gesundheitsgefahren ausgesetzt, kann er doch, trotz der winterlichen Witterung, eine hinreichende Wohnungstemperatur nicht sicherstellen. Hinzu kommt noch, dass das auslaufende Wasser unmittelbar für unhygienische Zustände in seiner Wohnung sorgt und sowohl sein als auch der Vermieterin Eigentum gefährdet.
Auch ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft. Dieser ist identisch mit dem geltend gemachten materiellen Anspruch, der begründet erscheint. Es kann dahinstehen, ob die Beigeladene aufgrund ihrer über die F vermittelten "bloß" 50-prozentigen Anteilseignerschaft an der O AG sich darauf zurückziehen könnte – anders als bei einer 50,1-prozentigen Anteilseignerschaft – als Nichtmehrheitsgesellschafterin, ihre eigene Grundrechtsgebundenheit in der Gesellschafterversammlung der O AG nicht durchsetzen zu können (Flucht ins Privatrecht). Denn ein Anspruch auf Wiederherstellung der Energiezufuhr, ergibt sich jedenfalls aus § 34 Abs. 1 Satz 1 Zweite Alternative i. V. m. den §§ 1 und 3 SGB XII. § 34 Abs. 1 SGB XII ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II auch anwendbar, obwohl der Antragsteller im übrigen Leistungen nach dem SGB II bezieht (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 19.07.2005, AZ: L 4 B 209/05 SO ER; SG Aachen, Beschluss vom 14.06.2005, AZ: S 20 SO 53/05 ER).
Zwar ist dem Sozialhilfeträger in § 34 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich ein Entschließungsermessen eingeräumt hinsichtlich der Behebung einer Notlage, die der Gefährdung der Unterkunft vergleichbar ist. Und dieses Ermessen ist nach § 34 Abs. 1 Satz 2 regelmäßig nur dann auf Null reduziert, wenn das Einschreiten des Sozialhilfeträgers gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Doch kann dahinstehen, ob diese engen Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Denn die dann zwingende Rechtsfolge wäre eine Schuldenübernahme.
Als Weniger zur Schuldenübernahme bleiben andere geeignete Maßnahmen, um die Energiezufuhr wiederherzustellen. Dies können insbesondere sein, die Geltendmachung von Einfluss des Sozialhilfeträgers (sei es als Mehrheits-, als Minderheitsgesellschafter), die Energiezufuhr über einen anderen Energieversorger herzustellen, die weitere Energiezufuhr auf Guthabenbasis zu erreichen oder bei einer angemessenen Ratenzahlungsvereinbarung behilflich zu sein. Die Voraussetzungen einer Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zu einem derartigen, ihn weniger als die Schuldenübernahme belastenden, Eingreifen, sind erheblich reduziert. Dies folgt aus der Grundrechtsbindung des Sozialhilfeträgers, Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz. Denn der Antragsteller hat ein grundrechtlich garantiertes Recht auf Energielieferung im absolut erforderlichen Maße. Dieser Anspruch folgt aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrheit, dem grundrechtlichen Schutz der Wohnung und der Menschenwürde im Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 1 und 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 15.07.2005, AZ: L 1 B 7/05 SO ER; Sozialgericht Düsseldorf, Beschluss vom 31.08.2005, AZ: S 35 SO 189/05 ER). Zu einem menschenwürdigen Leben gehört, seinen hygienischen Grundbedürfnissen nachgehen zu können. Ausserhalb der Sommermonate ist hierfür warmes Wasser als erforderlich anzusehen. Im Herbst und Winter ist insbesondere eine temperierbare Unterkunft von elementarer Bedeutung. Dem Antragsteller fehlt jede auch nur behelfsmäßig Möglichkeit hierzu. Seine Wohnung ist angesichts fehlenden elektrischen Lichts und gesundheitsgefährdender Feuchte praktisch nicht mehr nutzbar, der Antragsteller praktisch obdachlos – von Wohnungslosigkeit bedroht -.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Antragsteller die Energiekostenrückstände durch – bislang nicht nachvollziehbar entschuldigte – Nichtzahlung der Abschläge seit August 2005 wohl provoziert hat. Dies könnte bei der für eine Schuldenübernahme erforderlichen Gerechtfertigkeitsprüfung berücksichtigt werden. Ginge es dabei doch um die abschließende Bewältigung in der Vergangenheit – also auch durch vergangenes Verhalten – begründeter Zustände. Bei der bloß zukunftsorientierten Sicherung eines menschenwürdigen Lebens unter Vermeidung akuter Gesundheitsgefährdungen durch Bereitstellung der absolut erforderlichen Energie, kommt Fehlverhalten in der Vergangenheit ein deutlich geringerer Stellenwert zu. Abzustellen ist vielmehr auf die Möglichkeit, die Selbsthilfekräfte des Hilfebedürftigen für die Zukunft einzubinden. Künftig auflaufenden Energiekostenrückständen wird schon dadurch effektiv entgegengewirkt, dass die Antragsgegnerin ab 01.01.2006 verpflichtet ist, unmittelbar an den Energieversorger die Abschläge zu zahlen. Dieses Maß an Sicherheit für den Energieversorger, ermöglicht es, – zumindest auf Guthabenbasis – am Markt tätigen Energieversorgern zukünftig Energie zu liefern. Die glaubhaften Zustände in der Wohnung des Antragstellers bedrohen akut sowohl dessen wirtschaftliche Existenz (Wohnungseinrichtung) als auch insbesondere seine Gesundheit. Dies wird weder von der Antragsgegnerin noch von der Beigeladenen in Abrede gestellt. Beide gehen davon aus, dass ein Sozialleistungsträger einzuschreiten hat. Angesichts dessen hält auch das Gericht es für hinreichend wahrscheinlich, dass das Entschliessungsermessen der Beigeladenen, überhaupt tätig zu werden, auf Null reduziert ist. Ein Einschreiten erscheint notwendig, da keine unmittelbaren Selbsthilfemöglichkeiten des Antragstellers ersichtlich sind. Das Gericht betont ausdrücklich, dass es der Beigeladenen offensteht, welche Möglichkeit sie vorliegend nutzt, um umgehend die Energiezufuhr wiederherzustellen. Der Tenor musste jedoch, um effektiven – vollstreckbaren - Rechtschutz zu garantieren, bestimmt gefasst werden. Dies war nur durch den Ausspruch einer Darlehensgewährung möglich.
Das Gericht weist darauf hin, dass es keineswegs die von den Energieversorgern bisher geübte Praxis, statt durch technische Einrichtungen den Verbrauch in "problematischen Fällen" zu kontrollieren, Energiekostenrückstände auflaufen zu lassen – in der Annahme, die Sozialverwaltung und damit der Steuerzahler werde sie tragen –, unterstützt (vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 15.07.2005, AZ: L 1 B 7/05 SO ER).
Das Gericht konnte hingegen keinen Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf Wiederherstellung der Energiezufuhr erkennen. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II liegen nicht vor. Dieser ist wie § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II deutlich macht, eindeutig von § 34 SGB XII abzugrenzen und bleibt hinter diesem zurück. Der unmittelbaren Wohnungslosigkeit vergleichbare Notlagen werden dort nicht einbezogen. Die Norm ist auch nicht analog anwendbar, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, wie die dargestellte Anwendbarkeit des § 34 SGB XII zeigt. Auch § 23 Abs. 1 SGB II ist nicht anwendbar, denn Schuldenbegleichung ist kein von der Regelleistung umfasster Bedarf. Anders mag dies sein, wenn im Rahmen einer Jahresverbrauchsabrechnung Energiekostennachforderungen entstehen, da dann möglicherweise die im Rahmen der Unterkunftskosten geleisteten Beträge für Energie zu gering waren. Der Bereich der Schuldenübernahme, bei dem Verlust der Unterkunft vergleichbaren Notlagen, ist erkennbar abschließend in den §§ 22 Abs. 5 SGB II und 34 SGB XII geregelt. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, in diesem Bereich von dem Prinzip, dass nur entweder der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der Sozialhilfeträger für einen Hilfefall mit all seinen Schwierigkeiten zuständig sein soll, abzuweichen.
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin dennoch verpflichtet sein dürfte, die Beigeladene bei ihren Bemühungen zu unterstützen. Da nur so die Zielsetzungen des § 1 sowohl des SGB I, als auch des SGB II und des SGB XII verwirklicht werden können. Insbesondere wird die Antragsgegnerin zu prüfen haben, ob sie nicht ab August 2005 den Heizkostenbetrag im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung hätte erhöhen müssen. Zudem dürfte durch die ausnahmsweise Einschaltung des Sozialhilfeträgers im Falle eines an sich nach dem SGB II-Leistungsberechtigten auch die Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinsichtlich der Tilgung eines dem Antragsteller ggfs. zu gewährenden Darlehens seitens der Beigeladenen anwendbar bleiben. Die konkrete Ausgestaltung könnte etwa derart aussehen, dass die Antragsgegnerin den Aufrechnungsbetrag an die Beigeladene abführt.
Soweit die Beigeladene begehrt, den Antragsgegner zur Zahlung des am 15.08.2005 fällig werdenden Abschlags an die O AG zu verpflichten, sah das Gericht hierfür keine prozessrechtliche Grundlage. Dem Antragsteller kann nicht mehr zugemutet werden, länger auf die Herstellung der Energiezufuhr zu warten, so dass diese nicht von seiner vorhergehenden Zahlung abhängig gemacht werden kann. Es bleibt der Beigeladenen jedoch ausdrücklich unbenommen, die Energiezufuhr wiederherzustellen im Rahmen von Abreden, die auch die Abschlagszahlung des Antragstellers für den Dezember umfassen. Sollte der Antragsteller den Abschlag für Dezember 2005 dann nicht leisten, müsste er ggfs. eine erneute Einstellung der Energiezufuhr gegenwärtigen.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es nicht den §§ 17 Abs. 1 Nr. 1 und 43 Abs. 1 SGB I entsprechen dürfte, wenn die Beigeladene und die Antragsgegnerin angesichts eindeutiger Leistungspflicht einer von ihnen ,ihre Zuständigkeitsstreitigkeiten zu Lasten des Hilfebedürftigen austragen. Dies ist umso befremdlicher angesichts ihrer organisatorischen Nähe – bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft der Beigeladenen mit der Bundesagentur für Arbeit -, die auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Antragsgegnerin versehentlich den Briefkopf der Beigeladenen verwendet hat. Derartige Streitigkeiten zwischen Leistungsträgern mögen diese nicht in einstweiligen Rechtschutzverfahren der Hilfebedürftigen, sondern untereinander, ggfs. unter Anrufung der Sozialgerichte, beilegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Beigeladene trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Wiederaufnahme der Energiezufuhr zu der Wohnung des Antragstellers. Die Antragsgegnerin gewährt dem Antragsteller laufend Arbeitslosengeld II. Darin enthalten ist auch ein Betrag für Heizkosten in Höhe von 30,- Euro monatlich. Strom und Gas bezog der Antragsteller von der O AG. Diese ist eine 16-prozentige Tochtergesellschaft der Beigeladenen, dem örtlichen Sozialhilfeträger. Weitere 34 % der O AG hält die F, die wiederum eine Tochtergesellschaft der Beigeladenen ist. Die übrigen 50 % hält das S. Bis zum 30.07.2005 zahlte der Antragsteller entsprechend seines Versorgungsvertrages an die O AG einen monatlichen Abschlagsbetrag in Höhe von 70,- Euro, von dem 30,- Euro für Gas und 40,- Euro für Strom bestimmt waren. Ab August 2005 erhöhte sich der von der O AG jeweils zum 15. eines Monats gefordert Abschlagsbetrag auf 80,- Euro. Der Antragsteller zahlte seit dem nicht mehr. Die O AG sperrte daraufhin am 22.11.2005 die Energiezufuhr für die Wohnung des Antragstellers. Der Antragsteller sei mit einem Betrag inklusive Mahnkosten und Entsperrungsgebühren in Höhe von 417,23 Euro in Rückstand.
Am 23.11.2005 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und bat darum, dass diese ab Januar 2006 die Abschläge für die O AG von den ihm zustehenden Leistungen einbehalte und direkt an den Energieversorger überweise. Zudem beantragte er, die Übernahme des Energiekostenrückstandes, sowohl bei der Antragsgegnerin als auch bei der Beigeladenen. Mit Bescheid vom 25.11.2005 lehnte die Antragsgegnerin - unter dem Briefkopf der Beigeladenen - dies ab. Zur Begleichung bereits bestehender Schulden werde grundsätzlich kein Darlehen gewährt. Ausnahmen könne es bei Energieschulden geben. Allerdings werde dies im Falle des Antragstellers abgelehnt, da er alleine lebe und die Notlage durch Nichtzahlung der monatlichen Abschläge selbst verschuldet habe. Es könne einem Alleinstehenden zugemutet werden, eine Zeitlang ohne Strom zu leben.
Mit Bescheid vom selben Tage gewährte die Beigeladene ein Darlehen in Höhe des auf den Bezug von Gas zurückzuführenden Anteils der Energiekostenrückstände in Höhe von 182,54 Euro.
Gegen den Bescheid der Antragsgegnerin erhob der Antragsteller Widerspruch.
Am 29.11.2005 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin beantragt. Seit dem 22.11.2005 lebe er in Verhältnissen, die denen eines Obdachlosen glichen. Die Temperatur in der Wohnung habe sich der Außentemperatur angeglichen, da die Gasheizung auch von der Stromversorgung abhängig sei. Das Wasser werde nicht erwärmt, die Heizung scheine auszulaufen. Seine Gesundheit leide.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein Darlehen in Höhe von 234,69 Euro zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Eine akute Notlage als Anordnungsgrund sei glaubhaft gemacht. Es fehle jedoch am Anordnungsanspruch. Stromkosten seien Bestandteil der Regelleistung. Nachzahlungen aufgrund der Jahresabrechnung seien daher grundsätzlich aus der laufenden Regelleistung zu zahlen. Dies gelte grundsätzlich auch für aufgelaufene Stromschulden. In diesen Fällen komme eine Darlehensgewährung im Rahmen des § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht. Sei jedoch bereits die Sperrung der Stromversorgung eingetreten, liege eine mit der Sicherung der Unterkunft vergleichbaren Notlage vor, so dass vorrangig der Sozialhilfeträger gemäß § 34 SGB XII, hier die Beigeladene, verpflichtet sei.
Mit Beschluss vom 02.12.2005 hat das Gericht die Beigeladene analog § 75 Abs. 2 SGG beigeladen und auf den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15.07.2005, AZ: L 1 B 7/05 SO ER, hingewiesen, nach dem ggf. gesellschaftrechtlicher Einfluss bei Energieversorgern geltend zu machen sei.
Die Beigeladene beantragt,
1) die Antragsgegnerin zur Erbringung der begehrten Leistung zu verpflichten und
2) den Antragsteller zu verpflichten, den zum 15.12.2005 fälligen Abschlag in Höhe von 80,- Euro termingerecht an die O AG zu überweisen.
Die Beigeladene trägt vor, selbst nicht mehrheitlich an der O AG beteiligt zu sein. Die Antragsgegnerin sei nach § 23 Abs. 1 SGB II zur Gewährung eines Darlehens verpflichtet, Ermessen stehe dieser insoweit nicht zu. Insbesondere aufgrund der Witterungslage bestehe ein akuter, unaufschiebbarer Bedarf, der eine kurzfristige Behebung erforderlich mache. In Wintermonaten sei es weder Alleinstehenden noch anderen Personen zuzumuten, über mehrere Wochen ohne die in Rede stehende Energieversorgung zu leben. Die Ziele und Aufgaben des § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB I und des § 1 SGB II, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, Hilfebedürftigkeit zu vermeiden oder zu beseitigen, deren Dauer zu verkürzen oder den Umfang zu verringern, Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen, drohten hier verletzt zu werden. Der Antragsteller verfüge weder über Vermögen, noch könne er kurzfristig den Energieversorger wechseln.
Am 08.12.2005 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass weiterhin erhebliche Mengen Wasser aus seiner Heizung drängten. Dies führe er darauf zurück, dass auch das entsprechende Sicherungssystem der Heizung ohne Strom nicht ordnungsgemäß funktioniere. Die Wohnungseinrichtung und die Bausubstanz würden bereits angegriffen. Die Wohnung sei praktisch unbewohnbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat in dem tenorierten Umfange Erfolg.
Analog § 75 Abs. 5 SGG ist die Verpflichtung der Beigeladenen möglich. Das verfassungsmäßige Gebot des effektiven Rechtschutzes, Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz, erfordert, die normierte Möglichkeit, Versicherungsträger oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land zu verurteilen, auch auf die erst seit dem 01.01.2005 dem Verfahren nach dem SGG unterworfenen Sozialhilfeträger und Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auszudehnen. Die diesbezügliche Regelungslücke ist planwidrig.
Der Antrag des Antragstellers ist dahingehend auszulegen, er begehre die Wiederherstellung der Energiezufuhr zu seiner Wohnung, sei es durch die Antragsgegnerin, sei es durch die Beigeladene. Der so verstandene Antrag ist gegenüber der Beigeladenen überwiegend begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist der Fall, wenn dem Antragsteller gegen den Antragsgegner ein Anspruch (sogenannter Anordnungsanspruch) zusteht, dessen vorläufige Durchsetzung dringlich ist (sogenannter Anordnungsgrund). Die vorläufige Befriedigung des Anspruchs anzuordnen, kommt dabei aber nur in Betracht, wenn dem Antragsteller sonst unzumutbare Nachteile entstünden (Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache). Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu ermitteln (LSG NRW, Beschluss vom 21.04.2005, AZ: L 9 B 6/05 SO ER). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Antragsteller hat zunächst einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, ist ihm unzumutbar. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihm ohne Stromzufuhr auch die Möglichkeit zu heizen fehle und zudem seine Wohnung extremer Feuchtigkeit ausgesetzt sei. Die Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Ablehnungsbescheid vom 25.11.2005 gehen insoweit fehl, wenn auf die bloße Zumutbarkeit des Lebens ohne Strom abgestellt wird. Ohnehin ist nicht ersichtlich, dass die O AG aufgrund Begleichung nur des Gaszahlungsrückstandes bereits die Gaszufuhr wiederhergestellt hätte. Der Antragsteller kann sich weder warme Mahlzeiten bereiten, noch die Körperhygiene in ausreichendem Maße durchführen. Insbesondere aber ist er erheblichen Gesundheitsgefahren ausgesetzt, kann er doch, trotz der winterlichen Witterung, eine hinreichende Wohnungstemperatur nicht sicherstellen. Hinzu kommt noch, dass das auslaufende Wasser unmittelbar für unhygienische Zustände in seiner Wohnung sorgt und sowohl sein als auch der Vermieterin Eigentum gefährdet.
Auch ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft. Dieser ist identisch mit dem geltend gemachten materiellen Anspruch, der begründet erscheint. Es kann dahinstehen, ob die Beigeladene aufgrund ihrer über die F vermittelten "bloß" 50-prozentigen Anteilseignerschaft an der O AG sich darauf zurückziehen könnte – anders als bei einer 50,1-prozentigen Anteilseignerschaft – als Nichtmehrheitsgesellschafterin, ihre eigene Grundrechtsgebundenheit in der Gesellschafterversammlung der O AG nicht durchsetzen zu können (Flucht ins Privatrecht). Denn ein Anspruch auf Wiederherstellung der Energiezufuhr, ergibt sich jedenfalls aus § 34 Abs. 1 Satz 1 Zweite Alternative i. V. m. den §§ 1 und 3 SGB XII. § 34 Abs. 1 SGB XII ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II auch anwendbar, obwohl der Antragsteller im übrigen Leistungen nach dem SGB II bezieht (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 19.07.2005, AZ: L 4 B 209/05 SO ER; SG Aachen, Beschluss vom 14.06.2005, AZ: S 20 SO 53/05 ER).
Zwar ist dem Sozialhilfeträger in § 34 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich ein Entschließungsermessen eingeräumt hinsichtlich der Behebung einer Notlage, die der Gefährdung der Unterkunft vergleichbar ist. Und dieses Ermessen ist nach § 34 Abs. 1 Satz 2 regelmäßig nur dann auf Null reduziert, wenn das Einschreiten des Sozialhilfeträgers gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Doch kann dahinstehen, ob diese engen Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Denn die dann zwingende Rechtsfolge wäre eine Schuldenübernahme.
Als Weniger zur Schuldenübernahme bleiben andere geeignete Maßnahmen, um die Energiezufuhr wiederherzustellen. Dies können insbesondere sein, die Geltendmachung von Einfluss des Sozialhilfeträgers (sei es als Mehrheits-, als Minderheitsgesellschafter), die Energiezufuhr über einen anderen Energieversorger herzustellen, die weitere Energiezufuhr auf Guthabenbasis zu erreichen oder bei einer angemessenen Ratenzahlungsvereinbarung behilflich zu sein. Die Voraussetzungen einer Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zu einem derartigen, ihn weniger als die Schuldenübernahme belastenden, Eingreifen, sind erheblich reduziert. Dies folgt aus der Grundrechtsbindung des Sozialhilfeträgers, Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz. Denn der Antragsteller hat ein grundrechtlich garantiertes Recht auf Energielieferung im absolut erforderlichen Maße. Dieser Anspruch folgt aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrheit, dem grundrechtlichen Schutz der Wohnung und der Menschenwürde im Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 1 und 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 15.07.2005, AZ: L 1 B 7/05 SO ER; Sozialgericht Düsseldorf, Beschluss vom 31.08.2005, AZ: S 35 SO 189/05 ER). Zu einem menschenwürdigen Leben gehört, seinen hygienischen Grundbedürfnissen nachgehen zu können. Ausserhalb der Sommermonate ist hierfür warmes Wasser als erforderlich anzusehen. Im Herbst und Winter ist insbesondere eine temperierbare Unterkunft von elementarer Bedeutung. Dem Antragsteller fehlt jede auch nur behelfsmäßig Möglichkeit hierzu. Seine Wohnung ist angesichts fehlenden elektrischen Lichts und gesundheitsgefährdender Feuchte praktisch nicht mehr nutzbar, der Antragsteller praktisch obdachlos – von Wohnungslosigkeit bedroht -.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Antragsteller die Energiekostenrückstände durch – bislang nicht nachvollziehbar entschuldigte – Nichtzahlung der Abschläge seit August 2005 wohl provoziert hat. Dies könnte bei der für eine Schuldenübernahme erforderlichen Gerechtfertigkeitsprüfung berücksichtigt werden. Ginge es dabei doch um die abschließende Bewältigung in der Vergangenheit – also auch durch vergangenes Verhalten – begründeter Zustände. Bei der bloß zukunftsorientierten Sicherung eines menschenwürdigen Lebens unter Vermeidung akuter Gesundheitsgefährdungen durch Bereitstellung der absolut erforderlichen Energie, kommt Fehlverhalten in der Vergangenheit ein deutlich geringerer Stellenwert zu. Abzustellen ist vielmehr auf die Möglichkeit, die Selbsthilfekräfte des Hilfebedürftigen für die Zukunft einzubinden. Künftig auflaufenden Energiekostenrückständen wird schon dadurch effektiv entgegengewirkt, dass die Antragsgegnerin ab 01.01.2006 verpflichtet ist, unmittelbar an den Energieversorger die Abschläge zu zahlen. Dieses Maß an Sicherheit für den Energieversorger, ermöglicht es, – zumindest auf Guthabenbasis – am Markt tätigen Energieversorgern zukünftig Energie zu liefern. Die glaubhaften Zustände in der Wohnung des Antragstellers bedrohen akut sowohl dessen wirtschaftliche Existenz (Wohnungseinrichtung) als auch insbesondere seine Gesundheit. Dies wird weder von der Antragsgegnerin noch von der Beigeladenen in Abrede gestellt. Beide gehen davon aus, dass ein Sozialleistungsträger einzuschreiten hat. Angesichts dessen hält auch das Gericht es für hinreichend wahrscheinlich, dass das Entschliessungsermessen der Beigeladenen, überhaupt tätig zu werden, auf Null reduziert ist. Ein Einschreiten erscheint notwendig, da keine unmittelbaren Selbsthilfemöglichkeiten des Antragstellers ersichtlich sind. Das Gericht betont ausdrücklich, dass es der Beigeladenen offensteht, welche Möglichkeit sie vorliegend nutzt, um umgehend die Energiezufuhr wiederherzustellen. Der Tenor musste jedoch, um effektiven – vollstreckbaren - Rechtschutz zu garantieren, bestimmt gefasst werden. Dies war nur durch den Ausspruch einer Darlehensgewährung möglich.
Das Gericht weist darauf hin, dass es keineswegs die von den Energieversorgern bisher geübte Praxis, statt durch technische Einrichtungen den Verbrauch in "problematischen Fällen" zu kontrollieren, Energiekostenrückstände auflaufen zu lassen – in der Annahme, die Sozialverwaltung und damit der Steuerzahler werde sie tragen –, unterstützt (vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 15.07.2005, AZ: L 1 B 7/05 SO ER).
Das Gericht konnte hingegen keinen Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf Wiederherstellung der Energiezufuhr erkennen. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II liegen nicht vor. Dieser ist wie § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II deutlich macht, eindeutig von § 34 SGB XII abzugrenzen und bleibt hinter diesem zurück. Der unmittelbaren Wohnungslosigkeit vergleichbare Notlagen werden dort nicht einbezogen. Die Norm ist auch nicht analog anwendbar, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, wie die dargestellte Anwendbarkeit des § 34 SGB XII zeigt. Auch § 23 Abs. 1 SGB II ist nicht anwendbar, denn Schuldenbegleichung ist kein von der Regelleistung umfasster Bedarf. Anders mag dies sein, wenn im Rahmen einer Jahresverbrauchsabrechnung Energiekostennachforderungen entstehen, da dann möglicherweise die im Rahmen der Unterkunftskosten geleisteten Beträge für Energie zu gering waren. Der Bereich der Schuldenübernahme, bei dem Verlust der Unterkunft vergleichbaren Notlagen, ist erkennbar abschließend in den §§ 22 Abs. 5 SGB II und 34 SGB XII geregelt. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, in diesem Bereich von dem Prinzip, dass nur entweder der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der Sozialhilfeträger für einen Hilfefall mit all seinen Schwierigkeiten zuständig sein soll, abzuweichen.
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin dennoch verpflichtet sein dürfte, die Beigeladene bei ihren Bemühungen zu unterstützen. Da nur so die Zielsetzungen des § 1 sowohl des SGB I, als auch des SGB II und des SGB XII verwirklicht werden können. Insbesondere wird die Antragsgegnerin zu prüfen haben, ob sie nicht ab August 2005 den Heizkostenbetrag im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung hätte erhöhen müssen. Zudem dürfte durch die ausnahmsweise Einschaltung des Sozialhilfeträgers im Falle eines an sich nach dem SGB II-Leistungsberechtigten auch die Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinsichtlich der Tilgung eines dem Antragsteller ggfs. zu gewährenden Darlehens seitens der Beigeladenen anwendbar bleiben. Die konkrete Ausgestaltung könnte etwa derart aussehen, dass die Antragsgegnerin den Aufrechnungsbetrag an die Beigeladene abführt.
Soweit die Beigeladene begehrt, den Antragsgegner zur Zahlung des am 15.08.2005 fällig werdenden Abschlags an die O AG zu verpflichten, sah das Gericht hierfür keine prozessrechtliche Grundlage. Dem Antragsteller kann nicht mehr zugemutet werden, länger auf die Herstellung der Energiezufuhr zu warten, so dass diese nicht von seiner vorhergehenden Zahlung abhängig gemacht werden kann. Es bleibt der Beigeladenen jedoch ausdrücklich unbenommen, die Energiezufuhr wiederherzustellen im Rahmen von Abreden, die auch die Abschlagszahlung des Antragstellers für den Dezember umfassen. Sollte der Antragsteller den Abschlag für Dezember 2005 dann nicht leisten, müsste er ggfs. eine erneute Einstellung der Energiezufuhr gegenwärtigen.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es nicht den §§ 17 Abs. 1 Nr. 1 und 43 Abs. 1 SGB I entsprechen dürfte, wenn die Beigeladene und die Antragsgegnerin angesichts eindeutiger Leistungspflicht einer von ihnen ,ihre Zuständigkeitsstreitigkeiten zu Lasten des Hilfebedürftigen austragen. Dies ist umso befremdlicher angesichts ihrer organisatorischen Nähe – bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft der Beigeladenen mit der Bundesagentur für Arbeit -, die auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Antragsgegnerin versehentlich den Briefkopf der Beigeladenen verwendet hat. Derartige Streitigkeiten zwischen Leistungsträgern mögen diese nicht in einstweiligen Rechtschutzverfahren der Hilfebedürftigen, sondern untereinander, ggfs. unter Anrufung der Sozialgerichte, beilegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
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