S 26 RJ 5/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 RJ 5/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Die nach Aktenlage am 00.00.1923 geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.

Im Januar 1999 beantragte sie erstmals Rente, wegen Arbeitszeiten in einem Ghetto. Sie gab an, zwar nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis zuzugehören, sie habe aber im Ghetto Kaunas (Kovno) in Litauen gelebt und 1941 bis 1943 auf dem Flughafen von Kaunas als Arbeiterin gearbeitet und 1943 bis 1944 in der Malerwerkstatt des Ghettos. Danach habe sie noch als Feldarbeiterin gearbeitet. Zum Arbeitsverdienst machte sie keine Angaben; Beiträge zur Rentenversicherung seien nicht gezahlt worden. Eine Entschädigungsakte über Ansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz konnte die Beklagte nicht ermitteln (Bl. 22 Verwaltungsakte). Die Klägerin teilte noch mit, dass sie von der Claims Conference monatlich 500 DM erhalte, für eine Internierung im Ghetto Kovno und im KZ Stutthoff. Was ihre Tätigkeiten im und außerhalb des Ghettos angehe, so habe sie zunächst auf dem Flughafen Bauarbeiten verrichtet und in der Werkstatt sei sie Malerin gewesen. Sie habe von 07.00 Uhr morgens bis 19.00 Uhr gearbeitet. Bekommen hätte sie Brot, Wassersuppe, Prügel und kein Entgelt (Bl. 31 Verwaltungsakte). Unterlagen könne sie dazu nicht vorlegen.

Mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 08.09.1999, gegen den kein Widerspruch eingelegt wurde, lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab; zur Begründung führte sie aus, die Anerkennung von auf eine erforderliche Wartezeit auch anrechenbaren Beitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung komme schon allein deshalb nicht in Betracht, weil Beitrags- oder Beschäftigungszeiten im Ghetto Kaunas nach dem Fremdrentengesetz oder der Versicherungsunterlagen-Verordnung nicht anerkannt werden könnten. Es fehle nämlich schon an einem aus freiem Willen aufgenommenen Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt. Nach der Darstellung der Klägerin habe sie in Kaunas vielmehr Zwangsarbeit bzw. unentgeltliche Tätigkeiten verrichtet.

Mit einem weiteren Bescheid vom 23.11.1999 lehnte die Beklagte auch die Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung ab, weil es dafür an zumindest einem erforderlichen Beitrag zur Deutschen Rentenversicherung fehle.

Am 09.10.2002 beantragte die Klägerin erneut Altersrente, nun unter Berücksichtigung auch des ZRBG. Die Beklagte zog die Entschädigungsakte der Claims Conference von 1993 bei. Die Klägerin hatte dort angegeben, sie hätte im Ghetto "in Hunger und Angst" gelebt. 1944 sei das Ghetto aufgelöst worden.

Mit Bescheid vom 27.11.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente (erneut) ab. Zur Begründung führte sie nun aus, auch nach dem ZRBG seien aus eigenem Willensentschluss zustandegekommene Beschäftigungen gegen Entgelt erforderlich. Zwangsarbeiten würden davon nicht erfasst. Schon im Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten habe die Klägerin angegeben, während und auf dem Weg von und zur Arbeit unter Bewachung gestanden zu haben. Es sei deshalb von Zwangsarbeit während des Aufenthaltes im Ghetto Kaunas auszugehen. Dieses Ghetto sei nach Unterlagen der Beklagten zudem am 15.09.1943 in ein Konzentrationslager umgewandelt worden, weshalb ZRBG-Zeiten nach diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr in Betracht kämen.

Dagegen legte die Klägerin am 09.12.2003 Widerspruch ein. Sie begründete ihn unter anderem damit, dass sie nicht nur auf dem Flugplatz gearbeitet habe. Auch in der Ghetto-Werkstatt sei sie tätig gewesen und habe Puppen bemalt. Im übrigen spreche die Bewachung auf dem Weg zur und vom Flugplatz auch nicht für sich allein für Zwangsarbeit. Die Bewachung sei nur nötig gewesen, damit sie nicht fliehen konnte, nicht aber um sie zur Arbeit anzuhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2004, abgesandt am 07.04.2004, wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihrer Ablehnung. Zur Begründung ergänzte sie ihre bisherigen Ausführungen zur Tätigkeit auf dem Flughafen. Für die Tätigkeit in der Puppenwerkstatt habe die Klägerin auch kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis glaubhaft gemacht, denn nach ihren eigenen Erklärungen habe sie nur 100 g Brot, Wassersuppe, Prügel und kein Entgelt erhalten. Die nur dürftigen Essensrationen änderten an ihrer Beurteilung nichts. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis liege damit nicht vor.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 00.00.0000 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Zur Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Sie trug mit der Klageschrift vom 00.00.0000 zunächst Einzelheiten zu ihrer Tätigkeit in der Ghetto-Werkstatt vor. Sie habe dort die Aufgabe gehabt, Holzspielzeuge zu schleifen, zu kitten und zu bemalen und habe in zwei Schichten gearbeitet, die Tätigkeit sei ihr durch den Judenrat vermittelt worden. Was die von ihr ausgeführten Bauarbeiten am Flugplatz angehe, liege ein Missverständnis vor. Sie habe zwar tatsächlich einige Male am Flugplatz gearbeitet, diese Einsätze hätten aber noch vor der Einweisung in das Ghetto stattgefunden und nicht während der Zeit des Ghettoaufenthaltes. Zeiten für die Tätigkeit auf dem Flugplatz würden mit der Klage nicht mehr geltend gemacht (Seite 3 der Klageschrift). Für die Tätigkeit in der Ghetto-Werkstatt wurde eine eidesstattliche Versicherung von Frau M eingereicht. Danach habe die Klägerin wöchentlich doppelte Lebensmittelrationen erhalten wie auch Lebensmittelkarten mit doppelten Bezügen.

Mit Schriftsatz vom 21.07.2005 lässt die Klägerin - auf Anfrage des Gerichts, für welche genauen Zeiträume Beitragszeiten geltend gemacht werden - vortragen: Sie habe von September 1941 bis Juli 1943 auf dem Flugplatz gearbeitet. Selbst wenn diese Arbeit als Zwangsarbeit zu werten wäre, sei in jedem Fall zu berücksichtigen, daß sie danach von Juli 1943 an bis zur Umwandlung des Ghettos in ein Konzentrationslager im September 1943 in der Puppenwerkstatt beschäftigt gewesen sei. Diese Tätigkeit in der Puppenwerkstatt sei faktisch noch bis Juli 1944 auch nach Umwandlung in ein Konzentrationslager fortgesetzt worden.

Ihrer Auffassung nach habe der bundesdeutsche Gesetzgeber vor den historischen Hintergründen das ZRBG ausdrücklich für Arbeitsverhältnisse in Ghettos geschaffen, was bedeute, dass für ausnahmslos alle Ghetto-Beschäftigungsverhältnisse nur geringe Anforderungen an die Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit zu stellen seien.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2004 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr (während des Ghetto-Aufenthaltes) von September 1941 bis 30.06.1943 auf dem Flugplatz verrichteten Tätigkeiten und für die vom 01.07.1943 bis 14.09.1943 in der Ghetto-Werkstatt verrichteten Tätigkeiten - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggfs. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie noch geltend, sie halte die erst im Klageverfahren gemachten abweichenden bzw. widersprüchlichen Angaben für nicht glaubhaft. Gegenüber der Beklagten habe die Klägerin noch 1999 angegeben, in Kaunas von 1941 bis 1945 nur 100 g Brot, Wassersuppe, Prügel und kein Entgelt erhalten zu haben. Dies stimme auch mit den historischen Tatsachen überein. 4600 Juden hätten in Kaunas in den Ghetto-Werkstätten gearbeitet und statt Lohn nur Lebensmittel erhalten, die nicht mehr als Hungerrationen gewesen seien. Um zu überleben, hätten die Ghetto-Bewohner vom Erlös ihrer letzten Habe Nahrungsmittel ins Ghetto schmuggeln müssen. Dies sei auch schon bestätigt worden durch ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2002 (S 12 RJ 289/98 - zur Zeit in Berufung unter Aktenzeichen L 8 RJ 29/03 - zu den Zuständen im Ghetto Kaunas). Was die Tätigkeit in der Maler- bzw. Puppenwerkstatt angehe, so vermöge sie sich auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 nicht von einer auch versicherungspflichtigen entgeltlichen Beschäftigung zu überzeugen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Denn gegen den am 07.04.2004 abgesandten und im Ausland zu einem nicht mehr bekannten Zeitpunkt zugegangenen Widerspruchsbescheid war die Klage in der Annahme, dass der Widerspruchsbescheid nicht vor dem 08. oder 10.04.2004 den Bevollmächtigten zugegangen sein kann, innerhalb von 3 Monaten bis jedenfalls zum Ablauf des 08. oder 10.07.2004 noch fristgerecht zu erheben. Die Klage ist schon am 08.07.2004 beim Sozialgericht Düsseldorf eingegangen.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 27.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2004, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind und allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen. Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochten Bescheiden, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 27.11.2003 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen Voraussetzungen wiedergegeben.

Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Darauf anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff SGB VI hat die Klägerin aber nicht; die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu ihren Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung scheitert hier schon daran, dass sie keine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG nachgewiesen bzw. ausreichend glaubhaft gemacht hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss darzustellen geeignet wäre. Denn zu groß sind schon die Widersprüche zwischen den Angaben im Rentenverfahren und im Entschädigungsverfahren bei der Claims Conference einerseits und dem Klageverfahren andererseits; es sind auch noch weitere gravierende Widersprüche aufgetreten zwischen dem Vortrag in der Klageschrift und dem Vortrag im Schriftsatz vom 21.07.2005. So sprechen schon die im Rentenverfahren von 1999 vorgetragenen Umstände zu dem, was die Klägerin von 1941 bis 1945 erhielt, entscheidend gegen die Annahme, dass die Klägerin irgendeine Zuwendung in Form ausreichenden Entgeltes erhalten hätte. Sie selbst gab ausdrücklich auf Blatt 31 der Verwaltungsakte an, im vorgenannten Zeitraum nur 100 g Brot, Wassersuppe, Prügel und kein Entgelt erhalten zu haben. Es handelte sich somit nur um Hungerrationen. Soweit die Klägerin jetzt in der Klageschrift den Sachverhalt anders darstellt, also dass sie jedenfalls für die Tätigkeit in der Werkstatt doppelte Lebensmittelrationen und Lebensmittelkarten mit doppelten Rationen erhalten hätte, liegt darin ein so gravierendes Abweichen von den früheren Angaben, dass das Vorbringen nicht als glaubhaft angesehen werden kann, zumal allgemein im Ghetto Kaunas von Arbeitsbedingungen schlimmster Art auszugehen war, wie auch bereits das Sozialgericht Düsseldorf mit Urteil vom 12.12.2002 (S 12 RJ 289/98) entschieden hat. Es kann damit der jetzige Vortrag zu den Bezügen in der Puppenwerkstatt nicht als wahrscheinlicher angesehen werden als der frühere Vortrag, wonach die Klägerin nur Hungerrationen erhalten habe. Gegen die Glaubhaftigkeit des jetzigen Vorbringens sprechen auch die gravierenden Widersprüche schon im Klageverfahren. Während die Klägerin auf Seite 3 der Klageschrift noch vortrug, sie habe nur vor der Einweisung in das Ghetto gelegentlich am Flugplatz gearbeitet, und hauptsächlich in der Puppenwerkstatt gearbeitet, trägt sie mit Schriftsatz vom 21.07.2005 nun unter Umkehr des bisherigen Vorbringens vor, sie habe doch überwiegend von September 1941 bis Juni 1943 auf dem Flugplatz gearbeitet und - bis zur Umwandlung des Ghettos in ein Konzentrationslager - dann nur noch zwei Monate in der Puppenwerkstatt gearbeitet. Angesichts all dieser Umstände erscheint der Vortrag der Klägerin insgesamt nicht mehr überwiegend wahrscheinlich im Sinne einer ausreichenden Glaubhaftmachung, dass sie gegen Entgelt auf dem Flugplatz oder aber in der Puppenwerkstatt gearbeitet habe. Schließlich hat sie bereits im Verwaltungsverfahren , wie bereits oben dargestellt, angegeben, im gesamten Zeitraum immer nur Hungerrationen erhalten zu haben.

Es wird klägerischerseits auch verkannt: Das "ZRBG" oder auch "Ghetto-Gesetz" ist in der vorliegenden, so von der Bundesregierung 2002 initiierten und vom Bundestag verabschiedeten Form, von vornherein nicht geeignet, Ansprüche für einen wirklich größeren Personenkreis zu begründen und die von heute noch lebenden Ghetto-Insassen gehegten Erwartungen zu erfüllen. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht nicht jede Art von Tätigkeit im Ghetto - sei sie mehr oder weniger freiwillig erfolgt und sei sie auch keine Zwangsarbeit im eigentlichen Sinne gewesen - aus, um Rentenansprüche nach dem ZRBG zu begründen; denn das Gesetz verlangt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG kumulativ die Erfüllung von zwei wesentlichen Voraussetzungen, die unter den damaligen historischen Umständen nur wenige gleichzeitig erfüllen konnten, nämlich dem zwangsweisen Aufenthalt bei gleichzeitiger Ausübung einer Beschäftigung "aus eigenem Willensentschluss" und dies auch noch "gegen Entgelt". So hat auch das Bundessozialgericht (BSG Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R) bei einem Beschäftigungsverhältnis in einem Ghetto neben der freiwilligen Eingehung als weitere Voraussetzung auch verlangt das Vorliegen einer Entgeltzahlung als unverzichtbares Voraussetzung für die notwendige Qualifizierung eines Beschäftigungsverhältnisses als "versicherungspflichtig". Wie dazu von der Rechtsprechung noch näher ausgeführt wurde (BSG in der entsprechenden Pressemitteilung Nr. 55/04 - und LSG NRW Urteil vom 03.06.2005 - L 4 3/05), kann dieses Merkmal weder der damaligen Lebensumstände in den Ghettos (LSG NRW Urteil vom 18.07.200 - L 3 RJ 101/04: die Lebensmittelrationen im Ghetto lagen regelmäßig unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze) vernachlässigt werden noch nach den Voraussetzungen des Fremdrentenrechts unberücksichtigt bleiben; es wird jedenfalls nicht allein dadurch erfüllt, dass der Betreffende (unabhängig von jeder Angemessenheit) überhaupt eine Gegenleistung - z. B. Verpflegung - erhalten hat. Denn nach dem zum Zeitpunkt der Ghetto-Tätigkeiten gültigen § 1227 der Reichsversicherungsordnung galt: "Eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wird, ist versicherungsfrei". So wurde 1938 sogar eine monatliche Barvergütung bis zu 15 Reichsmark, die neben freier Wohnung und Verpflegung zum Beispiel Krankenschwestern gezahlt wurde, nur als nicht versicherungspflichtiges Taschengeld angesehen (vgl.: Das Angestelltenversicherungsgesetz, Kommentar von Koch/Hartmann, 2. Auflage 1973, Band I, Seite 154 b). Es reichen also nicht einmal geringe Entlohnungen oder im Einzelfall sogar "gute Verpflegung", die nur zu minimaler Überlebenssicherung geeignet waren. Wie das Bundessozialgericht im erwähnten Urteil ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber mit dem Wortlaut des Gesetzes davon abgesehen, jegliche durch in Ghettos verrichtete Arbeit erlittenen Schäden auch in der Rentenversicherung zu kompensieren; den Entgeltbegriff im Sinne des § 1 Abs. 1 ZRBG könne man nicht völlig von der Angemessenheit des für geleistete Arbeit erlangten lösen. Auch das LSG NRW hat in der bereits erwähnten Entscheidung vom 03.06.2005 (L 4 R 3/05) bekräftigt, dass zum Beispiel selbst Arbeit von 8-9 Stunden für Essen und Lebensmittel in Form von Brot, Margarine, Zucker und Kartoffeln nicht für die Annahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses spreche; das Vorliegen eines "freien" Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 1 Abs. 1 ZRBG erfordere vielmehr, dass auch unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in Ghettos ein "wirtschaftliches Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt" vorliege. Hier ist, wie bereits oben dargelegt, von einer freiwilligen entgeltlichen Beschäftigung im Sinne eines solchen Austauschverhältnisses zwischen Arbeit und Entgelt nicht glaubhaft auszugehen. Der Gesetzgeber hat mit dem ZRBG nun einmal - wie das Bundessozialgericht und das Landessozialgericht NRW in den o. a. Entscheidungen klar gestellt haben - strengere Voraussetzungen - bewusst oder unbewusst - aufgestellt als die meisten Ghetto-Insassen und Ghetto-Arbeiter nach Verkündung des ZRBG angenommen haben. Denn auf den ganz überwiegenden Teil aller Ghetto-Tätigkeiten traf unter den damaligen historischen Gegebenheiten die Annahme wirklich freier und auch regelmäßig entgeltlicher Arbeitsverhältnisse ganz überwiegend nicht zu, was Alex A. Faitelson in seinem Buch "Im jüdischen Widerstand" auf den Punkt brachte mit dem Satz: "Immer wieder kam uns der Bibelvers aus der Exodusgeschichte in den Sinn: Wir waren Pharaos, Sklaven in Ägypten" (Alex Faitelson, Im jüdischen Widerstand, Elster Verlag 1998 - ISBN 3-891517-269-4, Seite 52). Begünstigt durch das ZRBG wird somit nicht die Masse der Ghetto-Arbeiter, sondern praktisch nur wenige , zum Beispiel die - besser als die Masse gestellten - ehemaligen Angehörigen des Judenrates in Kaunas (vgl. Alex Faitelson, Im Jüdischen Widerstand, Seite 99-101 zu den Lebensverhältnissen des dortigen Judenrates - der Verfasser dieses Buches, Herr Faitelson, klagt selbst zur Zeit gerichtsbekannt beim Sozialgericht E auf eine Rente unter Berücksichtigung des ZRBG - im Verfahren S 00 RA 00/00). Daraus folgt, das an den Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung des Erhalts eines potentiell versicherungspflichtigen Entgeltes nicht nur geringe Anforderungen zu stellen sind. Das ZRBG gibt demzufolge gerade denjenigen, denen es im Ghetto besonders schlecht ging, keine Ansprüche gegenüber denjenigen, die unter den damaligen Lebensumständen zumindest noch etwas Entgelt nennenswerter Art verdienten.

Eine Abgeltung bzw. Entschädigung in Form einer Rente für die von der Klägerin im Ghetto Kaunas verrichteten Arbeiten, soweit sie überhaupt schon dem Grunde nach glaubhaft wären, wäre nur durch eine Abänderung bzw. Korrektur der gesetzlichen Vorschriften des ZRBG möglich, nicht aber im Klagewege mit dem derzeitigen Wortlaut des ZRBG. Denn nach den vom Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht NRW oben genannten Entscheidungen und dem dort abgesteckten Rahmen können Ansprüche nach dem ZRBG gar nicht erst entstehen, wenn - wie hier - allenfalls Tätigkeiten angenommen werden können ohne nennenswertes tatsächlich angemessenes Entgelt für geleistete Arbeit, das nicht über die Lebenssicherung auch hinausging.

Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin , sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der zuletzt vom Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht NRW aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit, dem geltend gemachtem Anspruch der Klägerin zu entsprechen. Das ZRBG gibt solches für sie nicht her.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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