S 23 AS 304/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 304/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 2/06 AS ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach §§ 19 S. 1 Nr. 1, 20 ff. Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der am 00.00.1962 geborene Antragsteller, der mit der am 00.00.1965 geborenen Frau S in einem gemeinsamen Haushalt lebt, beantragte gegenüber der Antragsgegnerin am 14.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller gab an, Frau S sei seine Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft. Sie beziehe ein Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit. Er habe bis zum 11.11.2004 Arbeitslosenhilfe bezogen. Die Miete belaufe sich auf 437,00 EUR, die Heizkosten auf 78,79 EUR und die Nebenkosten auf 129,28 EUR. Der Antragsteller legte den Mietvertrag vor, der sowohl ihn als auch Frau S als Mieter auswies.

Mit Bescheid vom 21.01.2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers ab. Zur Begründung führte sie aus, Leistungen nach dem SGB II könnten nur hilfebedürftige Personen erhalten. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei der Antragsteller aber nicht hilfebedürftig. Die Antragsgegnerin sah den Antragsteller und Frau S als Bedarfsgemeinschaft an und legte für den Zeitraum 14.01.2005 bis 31.01.2005 einen Bedarf in Höhe von 760,24 EUR zugrunde, der sich aus Regelleistungen von jeweils 311,00 EUR und Unterkunftskosten in Höhe von 387,04 EUR zusammensetzte. Als Einkommen rechnete die Antragsgegnerin ein bereinigtes Nettoerwerbseinkommen der Frau S in Höhe von 900,88 EUR an.

Am 21.02.2005 erhob der Antragsteller Widerspruch. Er machte geltend, die Antragsgegnerin sei zu Unrecht von einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und Frau S ausgegangen. Zwischen ihnen bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft. Sie führten getrennte Konten und seien nicht berechtigt, gegenseitig über das Einkommen und Vermögen des anderen zu verfügen. Sie kennten sich seit zwei Jahren und lebten erst seit dem Monat Mai 2003 in einer gemeinsamen Wohnung. Kinder seien in die Beziehung nicht eingebracht worden und auch nicht geplant. Bemerkenswert sei, dass ihm im Jahr 2004 Arbeitslosenhilfe bewilligt worden sei, mithin die Agentur für Arbeit keine eheähnliche Gemeinschaft angenommen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Dem Vortrag des Antragstellers, zwischen ihm und Frau S bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft, könne nicht gefolgt werden. Er habe Frau S bei der Antragstellung als Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft bezeichnet und auf ihre längerwährende Bekanntschaft hingewiesen. Nach der Einwohnermeldedatei sei Frau S am 08.05.2003 in die gemeinsame Wohnung eingezogen, während der Antragsteller am 15.05.2003 nachgezogen sei. Sie seien beide Parteien des Mietvertrages. Abrechnungen für Heiz- und Hausnebenkosten seien an beide adressiert. Die Anrechnung des Einkommens der Frau S auf seinen Bedarf beruhe auf § 9 Abs. 2 SGB II. Zwischen ihnen bestünden so enge Bindungen, dass ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne.

Am 18.07.2005 hatte der Antragsteller zunächst Untätigkeitsklage erhoben und nach Erteilung des Widerspruchsbescheides im Wege der Klageänderung die Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II beantragt. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 00 AS 000/00 geführt.

Am 25.08.2005 hat der Antragsteller zusätzlich um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.

Der Antragsteller macht geltend, zwischen ihm und Frau S bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft. Sie lebten lediglich in einer Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft. Sie hätten sich erst vor ca. zweieinhalb Jahren während einer Kur auf C kennen gelernt und bewohnten erst seit dem Monat Mai 2003 die gemeinsame Wohnung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei eine eheähnliche Gemeinschaft immer dann gegeben, wenn die Partner seit mindestens drei Jahren zusammen lebten. Im Umkehrschluss sei die für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft erforderliche längere Dauer des Zusammenlebens nicht gegeben, wenn das Zusammenleben noch nicht seit drei Jahren praktiziert werde. Er und Frau S hätten sich zum Einzug in die gemeinsame Wohnung entschlossen, weil dies für sie günstiger sei. Frau S sei nicht mehr bereit, ihn finanziell zu unterstützen. Dies sei lediglich darlehensweise während der Dauer des Widerspruchsverfahrens geschehen. Nunmehr sei die Unterstützung eingestellt worden. Sie erstrecke sich nur noch auf die Unterkunftskosten. Da ein gemeinsamer Mietvertrag bestehe und jeder von ihnen Schuldner des Mietzinses sei, sei es auch im Interesse der Frau S, die Miete zu zahlen. Die Bezeichnung Frau S als Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft sei nur deshalb erfolgt, weil das Antragsformular keine Alternativen vorgesehen habe. Gegenwärtig sei er mittellos.

Der Antragsteller hat seinen Vortrag eidesstattlich versichert. Frau S hat ebenfalls erklärt, dass sie die Unterstützung des Antragstellers eingestellt habe und nicht mehr bereit und in der Lage sei, den Antragsteller weiter zu unterstützen. Es sei vereinbart, dass der Antragsteller für die Monate Januar 2005 bis Juli 2005 den Anteil an den Unterkunftskosten, den Krankenversicherungsbeitrag zuzüglich 200,00 EUR und ab dem Monat August 2005 monatlich einen Betrag in Höhe der anteiligen Unterkunftskosten zurückzahle.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 14.01.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in gesetzlicher Höhe zuzüglich der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Antragsteller und Frau S lebten in eheähnlicher Gemeinschaft. Daraus folge, dass es sich um eine Bedarfsgemeinschaft handele. Maßgebend sei das Gesamtbild. Hier bestehe ein relativ geringer Altersunterschied. Beide seien kurz nacheinander in die gemeinsame Wohnung eingezogen: Beide seien Parteien des Mietvertrages und erhielten gemeinsam die Abrechnungen für die Heiz- und Nebenkosten. Lebensfremd sei die Annahme, der Antragsteller habe im Antragsformular das Feld "Partner in eheähnlicher Gemeinschaft" nur angekreuzt, weil die Alternative "Wohngemeinschaft" nicht zur Verfügung gestanden habe. Keine Person, die jemals in einer Wohngemeinschaft gelebt habe, käme auf die Idee, mangels Alternative "eheähnliche Gemeinschaft" anzugeben. Der Antragsteller habe auch bereits in seinem Antrag auf Arbeitslosenhilfe das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft angegeben und in dem Teil des Antrags Angaben gemacht, der ausdrücklich nur bei Haushaltsgemeinschaft mit einem Partner in eheähnlicher Gemeinschaft auszufüllen gewesen sei. Eine existenzielle Not des Antragstellers sei nicht zu befürchten.

Auf die mit Verfügung vom 02.09.2005 an an den Antragsteller gerichteten Fragen - in welcher Weise die vier Räume der gemeinsamen Wohnung genutzt würden und über welche Konten er verfüge - hat der Antragsteller mitgeteilt, beide hätten jeweils ein eigenes Zimmer und nutzten das Schlaf- und das Wohnzimmer gemeinsam. Es bestünden ein Giro- und ein Sparkonto.

Der Antragsteller hat ergänzend ausgeführt, das Bestehen einer Beziehung zu Frau S werde nicht in Abrede gestellt. Der geringe Altersunterschied sei aber unbeachtlich. Durch den Umzug sei sein bisheriges soziales Leben nicht beeinträchtigt worden. Im Übrigen habe sein damaliger Arbeitgeber vorgesehen, dass er seine Arbeit teilweise von zu Hause erledige und Kundengespräche außerhalb des Betriebes wahrnehme. Er habe danach nur noch an ein bis zwei Tagen in der Woche seinen Arbeitsplatz aufsuchen müssen.

Die Antragsgegnerin hat darauf erwidert, für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft sei ein dreijähriges Zusammenleben nicht die Mindestvoraussetzung. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass dem Bezug der gemeinsamen Wohnung eine längere Planungsphase vorausgegangen sein dürfe. Die Entfernung zum Arbeitsplatz habe sich durch den Umzug vergrößert. Für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft spreche ferner, dass der Antragsteller und Frau S nach deren eigenen Angaben erkrankt seien und deren Erkrankungen schubweise aufträten. In ihrer jetzigen Situation könnten sie sich Halt, Toleranz und Verständnis entgegenbringen.

Auf die weitere Aufforderung des Gerichts, nähere Ausführungen zur Wirtschaftsweise in seinem Haushalt zu machen und insbesondere mitzuteilen, wer die Einkäufe tätige und ob gemeinsame Lebensmittel angeschafft und vorgehalten würden, hat der Antragsteller erklärt, dass die Ausgaben gemeinsam und zu gleichen Teilen getragen würden. Einkäufe tätigten grundsätzlich beide, derzeit allerdings überwiegend er. Ab dem Einzug in die gemeinsame Wohnung bis zur Antragstellung sei ein Haushaltsbuch geführt worden, um die Ausgabendifferenz zu kontrollieren. Am Ende des Jahres 2004 hätten die Gesamtgemeinschaftsausgaben der Frau S 13.735,32 Euro betragen, während sich seine auf 9.869,50 Euro belaufen hätten. Gegen die sich daraus ergebende Forderung der Frau S habe er mit einer eigenen Forderung in Höhe von 2.000,00 Euro aufgerechnet. Diese rühre aus einer Abstandszahlung für eine Küche und die Teppiche her, die er beim Einzug in die gemeinsame Wohnung mit Hilfe eines Darlehens seiner Eltern übernommen habe. Das Haushaltsbuch sei ab den Jahr 2005 nicht mehr geführt worden. Jetzt sei vereinbart, dass er von Frau S darlehensweise unterstützt werde, und diese für jeden von ihnen monatlich jeweils 150,00 Euro in die Haushaltskasse einzahle. Damit würden die Ausgaben für die Dinge des täglichen Bedarfs getätigt. Der gemeinsame Einkauf und Verbrauch von Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs sei im übrigen auch für eine bloße Wirtschafts- und Wohngemeinschaft durchaus typisch. Für eine Ehe sei es demgegenüber aber vollkommen untypisch, wenn ein Jahresbaschluss erfolge und am Jahresende die Differenzen ausgeglichen würden.

Der Antragsteller hat das Haushaltsbuch für das Jahr 2004 vorgelegt. Dieses enthält sowohl eine Aufstellung der jeweils getätigten Ausgaben für Dinge des täglichen Bedarfs als auch eine Aufstellung der fixen Ausgaben für Miete, Telefongebühren, GEZ-Beiträge, ein Abonnement der Rheinischen Post sowie Haftpflicht-, Rechtsschutz-, Hausrat- und Unfallversicherungsbeiräge.

Die Antragsgegnerin hat darauf erwidert, dass die dargelegte Wirtschaftsweise ein Indiz für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft sei. Dafür spreche insbesondere der Umstand, dass Frau S seit dem Monat Mai 2003 die gesamten fixen Kosten übernommen habe und erst im Dezember 2004 ein Ausgleich erfolgt sei. Für eine bloße Wohngemeinschaft wäre eine monatliche Abrechnung typisch. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass ab dem Monat Januar 2005 kein Haushaltsbuch mehr geführt worden sei. Der Antragsteller habe nicht wissen können, wann über seinen Antrag entschieden werde. Auch die jetzige Wirtschaftsweise sei ein Indiz für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II. Der Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig.

Statthaft ist ein Antrag nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der Antragsteller hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Gemäß § 86 b Abs. 3 SGG ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung schon vor Klageerhebung zulässig. Voraussetzung ist jedoch, dass vor Anrufung des Gerichts vergeblich ein Antrag an die Behörde gerichtet wurde; soweit eine Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichts zur Verfügung zu stellen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, Vor § 51, Rdn. 16). Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag des Antragstellers auf Leistungen nach dem SGB II mit dem Bescheid vom 21.01.2005 ab, der durch den Widerspruchsbescheid vom 01.08.2005 bestätigt wurde. Am 09.08.2005 wandelte der Antragsteller seine auf die Erteilung eines Widerspruchsbescheides gerichtete Untätigkeitsklage im Wege der Klageänderung in eine Klage gegen die ergangenen Bescheide um. Am 25.08.2005 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

Der Antrag ist unbegründet.

Voraussetzung ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Das Begehren muss materiell begründet erscheinen (Anordnungsanspruch). Ferner bedarf es einer besonderen Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens bzw. anders nicht wieder rückgängig zu machender Nachteile (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht worden sein. Erforderlich ist der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit; trotz der Möglichkeit des Gegenteils dürfen Zweifel nicht überwiegen (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, III. Kapitel, Rdn. 157). Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu ermitteln (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2005, Az.: L 9 B 44/05 AS ER; dass., Beschluss vom 21.04.2005, Az.: L 9 B 6/05 SO ER). Dabei gilt das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache; eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur, wenn es zur Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den betreffenden Antragsteller notwendig ist, dass das Gericht die begehrte einstweilige Anordnung erlässt; anderenfalls würde die Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzulässigerweise in das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorverlagert (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.04.2005, Az.: L 19 B 2/05 AS ER).

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller Leistungen gemäß §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 20 ff. SGB II beanspruchen kann. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung umfassen.

Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit und aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller mit Frau S eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Zu dieser gehören gemäß § 7 Abs. 3 SGB II die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1) und als deren Partner die Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (Nr. 3 b).

Auf Grund des Vortrags des Antragstellers und der in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin und der Agentur für Arbeit L befindlichen Unterlagen ist es überwiegend wahrscheinlich, dass zwischen dem Antragsteller und Frau S eine eheähnliche Gemeinschaft besteht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) stellt eine eheähnliche Gemeinschaft eine Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau dar, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen (BVerfG, Beschluss vom 02.09.2004, Az.: 1 BvR 1962/04; dass., Urteil vom 17.11.1992, Az.: 1 BvR 8/87; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.08.2005, Az.: L 19 B 26/05 AS ER; dass., Beschluss vom 25.05.2005, Az.: L 9 B 17/05 AS ER; dass., Beschluss vom 21.04.2005, Az.: L 9 B 6/05 SO ER). Ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese Merkmale aufweist, lässt sich nach Auffassung des BVerfG nur anhand von Indizien feststellen, beispielsweise der langen Dauer des Zusammenlebens, der Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und der Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen (BVerfG, Urteil vom 17.11.1992, Az.: 1 BvR 8/87). Abzustellen ist auch auf die Dauer und Intensität der (vorhergehenden) Bekanntschaft, den Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation während des streitgegenständlichen Zeitraumes und die nach außen erkennbare Intensität der gelebten Gemeinschaft (Unter Berufung auf BVerwGE 98, 195ff., LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.08.2005, Az.: L 19 B 26/05 AS ER; dass., Beschluss vom 25.05.2005, Az.: L 9 B 17/05 AS ER). Diese Indizien sind jedoch nicht abschließend; für die Beurteilung ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist stets maßgebend, ob das Gesamtbild aller zu wertenden Tatsachen die Annahme des Vorliegens einer solchen Gemeinschaft rechtfertigt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.04.2005, Az.: L 9 B 6/05 SO ER).

Die Beziehung zwischen dem Antragsteller und Frau S ist auf Dauer angelegt. Sie besteht nach Angaben des Antragstellers seit Beginn des Jahres 2003. Sie hätten sich damals während einer Kur auf C kennengelernt. Im Monat Mai 2003 bezogen sie die gemeinsame Wohnung.

Zwischen dem Antragsteller und Frau S besteht auch eine innere, emotionale Verbundenheit. Dies bestätigt bereits der Vortrag des Antragstellers, sie führten eine Beziehung. Auch die Benutzung eines gemeinsamen Schlafzimmers deutet auf eine besondere Nähe hin. Schließlich spricht auch der Umstand, dass der Antragsteller Frau S im Antragsformular als Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft bezeichnete, für eine enge Bindung. Zwar ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass das Antragsformular nicht die Möglichkeit bietet, ein Zusammenleben anderer Art, beispielsweise eine Wohngemeinschaft, kenntlich zu machen. Der Antragsteller machte nach den unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin aber bereits in seinem Antrag auf Arbeitslosenhilfe Angaben zu einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Frau S und akzeptierte offenbar die Anrechnung ihres Erwerbseinkommens.

Auch ein gegenseitiges Einstehen füreinander ist gegeben. Der Antragsteller und Frau S haben zwar eine Wirtschaftsweise gewählt, in der kein Haushaltsmitglied für den Haushalt höhere Ausgaben tätigen soll, als das andere. Nach Angaben des Antragstellers, die durch das Haushaltsbuch belegt werden, erfolgte zum Ende des Jahres 2004 eine Erstattung für höhere Ausgaben. Es wurden Gesamtausgaben der Frau S in Höhe von 13.735,32 Euro ermittelt, denen Gesamtausgaben des Antragstellers in Höhe von 9.869,50 Euro gegenüberstanden und die Differenz zur Hälfte durch Aufrechnung beglichen. Entscheidend während der Zeit ihres Zusammenlebens den zunächst in größerem Umfang für den Bedarf beider aufkam und insbesondere die fixen Kosten übernahm. Darüber hinaus ergibt sich aus der Art der Ausgaben, die als gemeinsame Ausgaben angesehen werden, dass ein Wirtschaften aus einem Topf bzw. eine gegenseitige Unterstützung stattfindet. In dem Haushaltsbuch für das Jahr 2004 sind beispielsweise Ausgaben für den Sylvesterabend, für Lotto-Spiele, Tankfüllungen, einen Spargeltopf, Bekleidung für den Antragsteller (Schuhe und eine Jacke), Bücher und einen Computer, die der Antragsteller getätigt hat, aufgeführt. Sowohl bei den Lotto-Spielen als auch bei den Tankfüllungen, Büchern und der Bekleidung, die jeweils nur einem Haushaltsmitglied zuzuordnen sind, wäre bei Eigenständigkeit des Einzelnen bzw. getrenntem Wirtschaften zu erwarten, dass diese Posten gesondert abgerechnet werden.

Darüber hinaus zeigen die Beispiele, insbesondere der Sylvesterabend, der Spargeltopf und der Computer, dass der Antragsteller und Frau S von einem gemeinsamen Leben bzw. Hausstand ausgehen, für diese aufkommen wollen und diese weiter ausbauen wollen.

Auch die Aufteilung der gemeinsamen Wohnung in ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, und jeweils eigene Zimmer lässt auf eine gemeinsame Lebensführung schließen.

Schließlich dürfte auch der Zweck des Zusammenziehens das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft belegen. Der Antragsteller erklärte, dass Frau S und er einander bei ihren schubweise auftretenden Erkrankungen (Multiple Sklerose und Neurodermitis einerseits, Schuppenflechte und Rheuma andererseits), die sie nicht nur körperlich, sondern auch psychisch belasteten, hätten zur Seite stehen wollen.

Aus der Annahme einer Bedarfsgemeinschaft folgt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II, dass das Einkommen der Frau S auf den Bedarf des Antragstellers anzurechnen ist. Das Gericht nimmt Bezug auf die Berechnungen der Antragsgegnerin, die es als korrekt erachtet.

Damit kommt es auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes nicht mehr an und kann auch offen bleiben, ob der Antragsteller bereits für die Zeit ab dem 14.01.2005 Leistungen nach dem SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung begehren konnte oder das Gericht den Zeitpunkt der dortigen Antragstellung (25.08.2005) zugrundezulegen hatte. Der Antragsteller machte sowohl Leistungen für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart geltend. Hinsichtlich der Vergangenheit dürfte aber zu unterstellen sein, dass eine damals bestehende Notlage bereits bewältigt worden ist (LSG Hamburg, Beschluss vom 07.07.2005, Az.: L 5 B 116/05 ER AS).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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