Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
47
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 47 KR 417/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten war eine Untätigkeit hinsichtlich der Bescheidung eines Wider-spruchs umstritten.
Der Kläger war zunächst bis zum 31.12.2012 bei der Techniker Krankenkasse (TK) versi-chert. Im Dezember 2012 erklärte er der Beklagten gegenüber, zum 01.01.2013 ihr Mitglied zu werden. Zunächst ging die Beklagte von einer freiwilligen Mitgliedschaft seit dem 01.01.2013 aus. Nach mehreren Widersprüchen des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 11.04.2013 die Feststellung des Bestehens einer freiwilligen Mitgliedschaft auf und bestätigte, dass der Kläger seit dem 01.01.2013 bei ihr Pflichtmitglied im Rahmen der Auffangversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) sei. Der Kläger habe ab dem 01.01.2013 Beiträge in Höhe von insgesamt 154,51 Euro monatlich (ausgehend von der Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 898,33 Euro) zu zahlen.
Mit Schreiben vom 22.01.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die für ihn gültige Be-messungsgrundlage habe sich zum 01.01.2014 geändert. Sie setzte daher den monatlich zu zahlenden Beitrag auf 158,53 Euro fest. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Bescheid vom 30.01.2014 setzte die Beklagte (erneut) die vom Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2014 zu zahlenden Beiträge auf 158,53 Euro fest. Die Mindestbemessungs-grundlage habe sich auf 921,67 Euro erhöht. Auch diesem Bescheid widersprach der Kläger.
Mit Bescheid vom 07.08.2014 hob die Beklagte die Schreiben/Bescheide vom 22.01. und 30.01.2014 auf. Die Höhe der zu zahlenden monatlichen Beiträge für die Jahre 2013 (154,51 Euro) und 2014 (158,53 Euro) setzte sie in unveränderter Höhe fest. Auch diesem Bescheid widersprach der Kläger.
Mit Schreiben vom 12.09.2014 übersandte der Kläger der Beklagten eine Kopie des Ein-kommenssteuerbescheides für das Jahr 2013. Die Finanzverwaltung legte dabei der Festsetzung der Einkommenssteuer für das Jahr 2013 ein zu versteuerndes Einkommen von 0 Euro zugrunde.
Die Beklagte bat den Kläger unter dem 17.09.2014 um weitere Angaben zu seinem Ein-kommen sowie um Einwilligung zur Datenübermittlung an das Finanzamt. Unter dem 29.09.2014 erklärte der Kläger, er verfüge nicht über eigene Einkünfte. Seinen Lebensun-terhalt stelle er durch seine Ersparnisse sicher.
Mit Bescheid vom 15.10.2014 stellte die Beklagte fest, die bisherige Beitragseinstufung auf der Basis der Mindestbemessungsgrundlage (2014: 921,67 Euro) bleibe weiterhin beste-hen.
Hiergegen erhob der Kläger unter dem 24.10.2014 Widerspruch. Die in dem Bescheid angegebene Krankenversicherungsnummer (A000000000) sei falsch. Seit dem Bescheid vom 11.04.2013 führe die Beklagte die ihm zustehende Pflichtversicherung unter der Krankenversicherungsnummer 0000000000 durch. Dieser Bescheid sei auch für die Be-klagte bindend. Die unnötige zweite und dritte Pflichtversicherung mit der falschen Kran-kenversicherungsnummer lehne er ab.
Am 20.05.2015 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben.
Er begehrt eine Entscheidung der Beklagten über seinen Widerspruch vom 24.10.2014 gegen den Bescheid vom 15.10.2014.
Mit Klageerwiderung vom 18.06.2015 hat die Beklagte den Bescheid vom 15.10.2014 aufgehoben. Die Aufhebung erfolge auch im Namen der Pflegekasse der Beklagten. Ferner teilt sie mit, bezüglich der Beitragseinstufung verbleibe es bei den mit Bescheid vom 07.08.2014 getroffenen Feststellungen.
Sie ist der Auffassung, damit dem Begehren des Klägers abgeholfen zu haben.
Der Kläger hat erklärt, er nehme das Anerkenntnisangebot der Beklagten nicht an.
Er ist der Auffassung, sein Widerspruch sei noch nicht beschieden. Das Verfahren sei erst nach bedingungsloser Aufhebung erledigt. Es liege weiterhin eine Untätigkeit des Wider-spruchsausschusses vor. Allein der Widerspruchsausschuss sei zuständig für die Aufhe-bung des Bescheides vom 15.10.2014. Die Aufhebung dieses Bescheides durch die Be-klagte hingegen sei unzulässig. Den Verweis der Beklagten auf den Bescheid vom 07.08.2014 lehne er ab, weil dieser Bescheid nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei. Er sei nicht damit einverstanden, bestimmte außergerichtlich zwischen den Beteiligten erfolgte Schreiben, die die Beklagte bei Gericht eingereicht hat, sowie bestimmte Schriftsätze der Beklagten "im hiesigen Verfahren zum Gegenstand zu machen". Insoweit mache er von dem ihm "zustehenden Rechtsbehelf/Rechtsmittel Gebrauch".
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verpflichten, über seinen Widerspruch vom 24.10.2014 gegen den Bescheid vom 15.10.2014 korrekt zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, nicht allein der Widerspruchsausschuss sei für die Aufhebung eines mit Widerspruch angefochtenen Bescheides zuständig. Vielmehr sei auch die Ausgangs-behörde hierzu befugt.
Die Kammer hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beabsichtige. Der Kläger hat mitgeteilt, er sei damit nicht einver-standen, da die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf-weise und der Sachverhalt nicht geklärt sei. Die Beklagte hat ihr Einverständnis erklärt.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Ver-handlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Entgegen der Ansicht des Klägers liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vor, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, und der Sachverhalt geklärt ist. Zudem sind die Beteiligten zu der Absicht des Gerichts, durch Ge-richtsbescheid entscheiden zu wollen, gehört worden; sie konnten hierzu Stellung nehmen. Ein Einverständnis des Klägers mit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nicht er-forderlich. Bei Abwägung aller Umstände hat die Kammer entschieden, dass eine Ent-scheidung durch Gerichtsbescheid in diesem Verfahren angezeigt ist. Hierbei hat die Kammer u. a. berücksichtigt, dass der Kläger selbst in seinen Schriftsätzen erklärt, eine mündliche Verhandlung mache natürlich weiter keinen Sinn, um nur diese eine folgende Frage zu beantworten, ob die Beklagte in diesem Verfahren den Bescheid vom 15.10.2014 jetzt, wie von dem Kläger bereits mehrfach gewünscht, korrekt aufhebe (z. B. Schriftsatz vom 20.12.2016, S. 3, zweiter Absatz). Diese Feststellung des Klägers ist zutreffend; allein diese Rechtsfrage ist in diesem Verfahren zu beantworten. Hierfür erscheinen eine münd-liche Erörterung und eine Befassung der ehrenamtlichen Richter nicht für erforderlich.
Die Klage ist unzulässig (geworden).
Nach § 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG kann Untätigkeitsklage erhoben werden, wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden worden ist, wobei als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt. Wird dem Wi-derspruch allerdings nach Klageerhebung abgeholfen, ist die Hauptsache vom Kläger für erledigt zu erklären (§ 88 Abs. 1 Satz 3 SGG), es sei denn, es besteht ein Fortsetzungs-feststellungsinteresse (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 88 Rn. 11). Erklärt der Kläger die Hauptsache nicht für erledigt und liegt auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vor, ist die Klage durch Endurteil als (nunmehr) unzu-lässig abzuweisen, da durch die Vornahme der zuvor als nicht getätigt kritisierten Handlung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist (LSG NRW, Beschluss vom 27.05.2015 – L 19 AS 778/15 NZB, juris Rn. 19 m.w.N.). Es kommt dann kein Anerkenntnisurteil gemäß § 202 SGG i.V.m. § 307 Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Ein solches könnte die Beklagte nicht (mehr) umsetzen, nachdem keine Untätigkeit mehr vorliegt.
Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Klage als unzulässig (geworden) abzuweisen. Der Untätigkeitsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die Beklagte den durch Widerspruch angefochtenen Bescheid vom 15.10.2014 nach Klageerhebung aufgehoben und hiermit dem Widerspruch des Klägers vollumfänglich abgeholfen hat. Hierbei steht die Befugnis der Beklagten als Ausgangsbehörde entgegen der Auffassung des Klägers zur Aufhebung ihres Bescheides außer Frage; dass die Ausgangsbehörde (weiterhin) dem Widerspruch abhelfen kann und darf, ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 85 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG. Ist der Widerspruch bei der Widerspruchsstelle eingegangen, muss diese zunächst die für Abhilfe zuständige Stelle (also die Ausgangsbehörde) beteili-gen und klären, ob abgeholfen werden soll; diese ist damit zur erneuten Prüfung verpflichtet (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 85 Rn. 2).
In dem Schriftsatz vom 18.06.2015 hat die Beklagte auch unmissverständlich den von dem Kläger angefochtenen Bescheid vollumfänglich und ebenso im Namen der Pflegekasse aufgehoben. Damit war der Kläger klaglos gestellt und – entgegen seiner Auffassung – nicht mehr beschwert (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 85 Rn. 2b). Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte in diesem Schriftsatz nicht bloß ein Angebot erklärt, das der Kläger hätte annehmen müssen; für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist keine Annahmeerklärung durch den Betroffenen erforderlich. Die Aufhebung erfolgt vielmehr durch einseitige Feststellung (actus contrarius) der Verwaltung. Auch der Verweis der Beklagten in dem Schriftsatz vom 18.06.2015 auf den – ihrer Auffassung nach nunmehr geltenden – Bescheid vom 07.08.2014 hinderte eine rechtmäßige Aufhebung des Bescheides nicht. Vielmehr betrifft diese Mitteilung der Be-klagten allein die Rechtsfolgen der Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2014, was also nun, nach der Aufhebung dieses Bescheides gelte. Ob diese Auffassung der Beklagten zutreffend ist oder ob richtigerweise ein anderer Bescheid gilt, ist für die Wirkung der Auf-hebung nicht relevant. Dies gilt auch für den (zutreffenden) Hinweis des Klägers, dass der in Bezug genommene Bescheid vom 07.08.2014 Gegenstand eines anderen zwischen den Beteiligten anhängigen Verfahrens ist. Durch den Verweis der Beklagten auf den Bescheid vom 07.08.2014 wurde dieser Bescheid auch nicht – anders als der Kläger anscheinend meint – Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Dieses hatte vielmehr allein die Untä-tigkeit der Beklagten hinsichtlich der Bescheidung des Widerspruchs vom 24.10.2014 ge-gen den Bescheid vom 15.10.2014 zum Gegenstand; dieser Gegenstand allerdings hat sich durch die rechtmäßige und vollumfängliche Aufhebung dieses Bescheides erledigt.
Ferner besteht auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.12.1993 – 14a RKa 1/93, juris Rn. 15 f.). Eine Erklärung der Beklagten, dass sie die Zulässigkeit ihrer Verfahrensweise verteidigt und erklärt hätte, dass sie auch in Zukunft erhobene Widersprüche nicht in angemessener Zeit bescheiden werde, liegt nicht vor. Auch der Kläger hat nichts dargelegt, woraus sich die konkrete Befürchtung ergeben könnte, dass die Beklagte auch in Zukunft in dieser Weise verfahren werde. Er hat stattdessen mehrfach seine Auffassung vorgetragen, aus welchen Gründen der angefochtene und nun aufgehobene Bescheid rechtswidrig gewesen sein soll. Dies zeigt, dass seine Befürchtung lediglich darin besteht, dass die Beklagte auch in Zukunft die von ihm nicht für zulässig erachtete Krankenversicherungsnummer A000000000 verwenden wird. Dies aber, die Prüfung der materiellen Voraussetzungen des angefochtenen Verwaltungsaktes, ist nicht Gegenstand der Untätigkeitsklage und kann daher kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen.
Schließlich war der Kläger nicht dadurch in seinen – materiellen oder prozessualen – Rechten verletzt, dass die Beklagte bei Gericht bestimmte außergerichtlich zwischen den Beteiligten erfolgte Schreiben eingereicht hat. Die Beklagte war befugt, wenn nicht sogar verpflichtet, diese Unterlagen in diesem gerichtlichen Verfahren einzureichen, auch wenn diese andere Widerspruchs- oder Klageverfahren zum Gegenstand hatten. Denn diese Unterlagen waren Bestandteil der Verwaltungsakte der Beklagten, die das Gericht nach § 104 Satz 5 SGG bei der Beklagten angefordert hat. Da sich sowohl das Gericht bei der Anforderung als auch die Beklagte bei der Übersendung im Rahmen dieser Bestimmung bewegt haben, kommt eine Rechtsverletzung des Klägers (etwa aus datenschutzrechtli-chen Vorschriften) nicht in Betracht. Dies gilt ebenso für die Einreichung des Schriftsatzes der Beklagten vom 28.10.2016, in dem sie um Prüfung gebeten hat, ob das Verfahren auch ohne Zustimmung des Klägers an den Güterichter verwiesen werden könne. Die Beklagte war berechtigt, zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze bei Gericht einzureichen, § 108 Satz 1 SGG. Zwar haben die Beteiligten dabei die Wahrheitspflicht zu beachten (vgl. Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 108 Rn. 7). Der Kläger wendet sich jedoch mit seinem Vortrag dagegen, dass die Beklagte Rechtsauffassungen vertritt, die nicht mit seiner Auffassung übereinstimmen. Auf dieser Grundlage kann er sich aller-dings nicht gegen die Einreichung von Schriftsätzen der Beklagten zur Wehr setzen. Der Austausch sich widersprechender Rechtsauffassungen ist vielmehr jedem Rechtsstreit immanent. Ein "Rechtsbehelf/Rechtsmittel" stand dem Kläger somit insoweit nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger der geänderten prozessualen Situation nicht Rechnung getragen hat.
Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid ist zulässig, § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 143, 144 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten war eine Untätigkeit hinsichtlich der Bescheidung eines Wider-spruchs umstritten.
Der Kläger war zunächst bis zum 31.12.2012 bei der Techniker Krankenkasse (TK) versi-chert. Im Dezember 2012 erklärte er der Beklagten gegenüber, zum 01.01.2013 ihr Mitglied zu werden. Zunächst ging die Beklagte von einer freiwilligen Mitgliedschaft seit dem 01.01.2013 aus. Nach mehreren Widersprüchen des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 11.04.2013 die Feststellung des Bestehens einer freiwilligen Mitgliedschaft auf und bestätigte, dass der Kläger seit dem 01.01.2013 bei ihr Pflichtmitglied im Rahmen der Auffangversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) sei. Der Kläger habe ab dem 01.01.2013 Beiträge in Höhe von insgesamt 154,51 Euro monatlich (ausgehend von der Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 898,33 Euro) zu zahlen.
Mit Schreiben vom 22.01.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die für ihn gültige Be-messungsgrundlage habe sich zum 01.01.2014 geändert. Sie setzte daher den monatlich zu zahlenden Beitrag auf 158,53 Euro fest. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Bescheid vom 30.01.2014 setzte die Beklagte (erneut) die vom Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2014 zu zahlenden Beiträge auf 158,53 Euro fest. Die Mindestbemessungs-grundlage habe sich auf 921,67 Euro erhöht. Auch diesem Bescheid widersprach der Kläger.
Mit Bescheid vom 07.08.2014 hob die Beklagte die Schreiben/Bescheide vom 22.01. und 30.01.2014 auf. Die Höhe der zu zahlenden monatlichen Beiträge für die Jahre 2013 (154,51 Euro) und 2014 (158,53 Euro) setzte sie in unveränderter Höhe fest. Auch diesem Bescheid widersprach der Kläger.
Mit Schreiben vom 12.09.2014 übersandte der Kläger der Beklagten eine Kopie des Ein-kommenssteuerbescheides für das Jahr 2013. Die Finanzverwaltung legte dabei der Festsetzung der Einkommenssteuer für das Jahr 2013 ein zu versteuerndes Einkommen von 0 Euro zugrunde.
Die Beklagte bat den Kläger unter dem 17.09.2014 um weitere Angaben zu seinem Ein-kommen sowie um Einwilligung zur Datenübermittlung an das Finanzamt. Unter dem 29.09.2014 erklärte der Kläger, er verfüge nicht über eigene Einkünfte. Seinen Lebensun-terhalt stelle er durch seine Ersparnisse sicher.
Mit Bescheid vom 15.10.2014 stellte die Beklagte fest, die bisherige Beitragseinstufung auf der Basis der Mindestbemessungsgrundlage (2014: 921,67 Euro) bleibe weiterhin beste-hen.
Hiergegen erhob der Kläger unter dem 24.10.2014 Widerspruch. Die in dem Bescheid angegebene Krankenversicherungsnummer (A000000000) sei falsch. Seit dem Bescheid vom 11.04.2013 führe die Beklagte die ihm zustehende Pflichtversicherung unter der Krankenversicherungsnummer 0000000000 durch. Dieser Bescheid sei auch für die Be-klagte bindend. Die unnötige zweite und dritte Pflichtversicherung mit der falschen Kran-kenversicherungsnummer lehne er ab.
Am 20.05.2015 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben.
Er begehrt eine Entscheidung der Beklagten über seinen Widerspruch vom 24.10.2014 gegen den Bescheid vom 15.10.2014.
Mit Klageerwiderung vom 18.06.2015 hat die Beklagte den Bescheid vom 15.10.2014 aufgehoben. Die Aufhebung erfolge auch im Namen der Pflegekasse der Beklagten. Ferner teilt sie mit, bezüglich der Beitragseinstufung verbleibe es bei den mit Bescheid vom 07.08.2014 getroffenen Feststellungen.
Sie ist der Auffassung, damit dem Begehren des Klägers abgeholfen zu haben.
Der Kläger hat erklärt, er nehme das Anerkenntnisangebot der Beklagten nicht an.
Er ist der Auffassung, sein Widerspruch sei noch nicht beschieden. Das Verfahren sei erst nach bedingungsloser Aufhebung erledigt. Es liege weiterhin eine Untätigkeit des Wider-spruchsausschusses vor. Allein der Widerspruchsausschuss sei zuständig für die Aufhe-bung des Bescheides vom 15.10.2014. Die Aufhebung dieses Bescheides durch die Be-klagte hingegen sei unzulässig. Den Verweis der Beklagten auf den Bescheid vom 07.08.2014 lehne er ab, weil dieser Bescheid nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei. Er sei nicht damit einverstanden, bestimmte außergerichtlich zwischen den Beteiligten erfolgte Schreiben, die die Beklagte bei Gericht eingereicht hat, sowie bestimmte Schriftsätze der Beklagten "im hiesigen Verfahren zum Gegenstand zu machen". Insoweit mache er von dem ihm "zustehenden Rechtsbehelf/Rechtsmittel Gebrauch".
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verpflichten, über seinen Widerspruch vom 24.10.2014 gegen den Bescheid vom 15.10.2014 korrekt zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, nicht allein der Widerspruchsausschuss sei für die Aufhebung eines mit Widerspruch angefochtenen Bescheides zuständig. Vielmehr sei auch die Ausgangs-behörde hierzu befugt.
Die Kammer hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beabsichtige. Der Kläger hat mitgeteilt, er sei damit nicht einver-standen, da die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf-weise und der Sachverhalt nicht geklärt sei. Die Beklagte hat ihr Einverständnis erklärt.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Ver-handlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Entgegen der Ansicht des Klägers liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vor, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, und der Sachverhalt geklärt ist. Zudem sind die Beteiligten zu der Absicht des Gerichts, durch Ge-richtsbescheid entscheiden zu wollen, gehört worden; sie konnten hierzu Stellung nehmen. Ein Einverständnis des Klägers mit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nicht er-forderlich. Bei Abwägung aller Umstände hat die Kammer entschieden, dass eine Ent-scheidung durch Gerichtsbescheid in diesem Verfahren angezeigt ist. Hierbei hat die Kammer u. a. berücksichtigt, dass der Kläger selbst in seinen Schriftsätzen erklärt, eine mündliche Verhandlung mache natürlich weiter keinen Sinn, um nur diese eine folgende Frage zu beantworten, ob die Beklagte in diesem Verfahren den Bescheid vom 15.10.2014 jetzt, wie von dem Kläger bereits mehrfach gewünscht, korrekt aufhebe (z. B. Schriftsatz vom 20.12.2016, S. 3, zweiter Absatz). Diese Feststellung des Klägers ist zutreffend; allein diese Rechtsfrage ist in diesem Verfahren zu beantworten. Hierfür erscheinen eine münd-liche Erörterung und eine Befassung der ehrenamtlichen Richter nicht für erforderlich.
Die Klage ist unzulässig (geworden).
Nach § 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG kann Untätigkeitsklage erhoben werden, wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden worden ist, wobei als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt. Wird dem Wi-derspruch allerdings nach Klageerhebung abgeholfen, ist die Hauptsache vom Kläger für erledigt zu erklären (§ 88 Abs. 1 Satz 3 SGG), es sei denn, es besteht ein Fortsetzungs-feststellungsinteresse (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 88 Rn. 11). Erklärt der Kläger die Hauptsache nicht für erledigt und liegt auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vor, ist die Klage durch Endurteil als (nunmehr) unzu-lässig abzuweisen, da durch die Vornahme der zuvor als nicht getätigt kritisierten Handlung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist (LSG NRW, Beschluss vom 27.05.2015 – L 19 AS 778/15 NZB, juris Rn. 19 m.w.N.). Es kommt dann kein Anerkenntnisurteil gemäß § 202 SGG i.V.m. § 307 Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Ein solches könnte die Beklagte nicht (mehr) umsetzen, nachdem keine Untätigkeit mehr vorliegt.
Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Klage als unzulässig (geworden) abzuweisen. Der Untätigkeitsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die Beklagte den durch Widerspruch angefochtenen Bescheid vom 15.10.2014 nach Klageerhebung aufgehoben und hiermit dem Widerspruch des Klägers vollumfänglich abgeholfen hat. Hierbei steht die Befugnis der Beklagten als Ausgangsbehörde entgegen der Auffassung des Klägers zur Aufhebung ihres Bescheides außer Frage; dass die Ausgangsbehörde (weiterhin) dem Widerspruch abhelfen kann und darf, ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 85 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG. Ist der Widerspruch bei der Widerspruchsstelle eingegangen, muss diese zunächst die für Abhilfe zuständige Stelle (also die Ausgangsbehörde) beteili-gen und klären, ob abgeholfen werden soll; diese ist damit zur erneuten Prüfung verpflichtet (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 85 Rn. 2).
In dem Schriftsatz vom 18.06.2015 hat die Beklagte auch unmissverständlich den von dem Kläger angefochtenen Bescheid vollumfänglich und ebenso im Namen der Pflegekasse aufgehoben. Damit war der Kläger klaglos gestellt und – entgegen seiner Auffassung – nicht mehr beschwert (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 85 Rn. 2b). Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte in diesem Schriftsatz nicht bloß ein Angebot erklärt, das der Kläger hätte annehmen müssen; für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist keine Annahmeerklärung durch den Betroffenen erforderlich. Die Aufhebung erfolgt vielmehr durch einseitige Feststellung (actus contrarius) der Verwaltung. Auch der Verweis der Beklagten in dem Schriftsatz vom 18.06.2015 auf den – ihrer Auffassung nach nunmehr geltenden – Bescheid vom 07.08.2014 hinderte eine rechtmäßige Aufhebung des Bescheides nicht. Vielmehr betrifft diese Mitteilung der Be-klagten allein die Rechtsfolgen der Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2014, was also nun, nach der Aufhebung dieses Bescheides gelte. Ob diese Auffassung der Beklagten zutreffend ist oder ob richtigerweise ein anderer Bescheid gilt, ist für die Wirkung der Auf-hebung nicht relevant. Dies gilt auch für den (zutreffenden) Hinweis des Klägers, dass der in Bezug genommene Bescheid vom 07.08.2014 Gegenstand eines anderen zwischen den Beteiligten anhängigen Verfahrens ist. Durch den Verweis der Beklagten auf den Bescheid vom 07.08.2014 wurde dieser Bescheid auch nicht – anders als der Kläger anscheinend meint – Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Dieses hatte vielmehr allein die Untä-tigkeit der Beklagten hinsichtlich der Bescheidung des Widerspruchs vom 24.10.2014 ge-gen den Bescheid vom 15.10.2014 zum Gegenstand; dieser Gegenstand allerdings hat sich durch die rechtmäßige und vollumfängliche Aufhebung dieses Bescheides erledigt.
Ferner besteht auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.12.1993 – 14a RKa 1/93, juris Rn. 15 f.). Eine Erklärung der Beklagten, dass sie die Zulässigkeit ihrer Verfahrensweise verteidigt und erklärt hätte, dass sie auch in Zukunft erhobene Widersprüche nicht in angemessener Zeit bescheiden werde, liegt nicht vor. Auch der Kläger hat nichts dargelegt, woraus sich die konkrete Befürchtung ergeben könnte, dass die Beklagte auch in Zukunft in dieser Weise verfahren werde. Er hat stattdessen mehrfach seine Auffassung vorgetragen, aus welchen Gründen der angefochtene und nun aufgehobene Bescheid rechtswidrig gewesen sein soll. Dies zeigt, dass seine Befürchtung lediglich darin besteht, dass die Beklagte auch in Zukunft die von ihm nicht für zulässig erachtete Krankenversicherungsnummer A000000000 verwenden wird. Dies aber, die Prüfung der materiellen Voraussetzungen des angefochtenen Verwaltungsaktes, ist nicht Gegenstand der Untätigkeitsklage und kann daher kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen.
Schließlich war der Kläger nicht dadurch in seinen – materiellen oder prozessualen – Rechten verletzt, dass die Beklagte bei Gericht bestimmte außergerichtlich zwischen den Beteiligten erfolgte Schreiben eingereicht hat. Die Beklagte war befugt, wenn nicht sogar verpflichtet, diese Unterlagen in diesem gerichtlichen Verfahren einzureichen, auch wenn diese andere Widerspruchs- oder Klageverfahren zum Gegenstand hatten. Denn diese Unterlagen waren Bestandteil der Verwaltungsakte der Beklagten, die das Gericht nach § 104 Satz 5 SGG bei der Beklagten angefordert hat. Da sich sowohl das Gericht bei der Anforderung als auch die Beklagte bei der Übersendung im Rahmen dieser Bestimmung bewegt haben, kommt eine Rechtsverletzung des Klägers (etwa aus datenschutzrechtli-chen Vorschriften) nicht in Betracht. Dies gilt ebenso für die Einreichung des Schriftsatzes der Beklagten vom 28.10.2016, in dem sie um Prüfung gebeten hat, ob das Verfahren auch ohne Zustimmung des Klägers an den Güterichter verwiesen werden könne. Die Beklagte war berechtigt, zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze bei Gericht einzureichen, § 108 Satz 1 SGG. Zwar haben die Beteiligten dabei die Wahrheitspflicht zu beachten (vgl. Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 108 Rn. 7). Der Kläger wendet sich jedoch mit seinem Vortrag dagegen, dass die Beklagte Rechtsauffassungen vertritt, die nicht mit seiner Auffassung übereinstimmen. Auf dieser Grundlage kann er sich aller-dings nicht gegen die Einreichung von Schriftsätzen der Beklagten zur Wehr setzen. Der Austausch sich widersprechender Rechtsauffassungen ist vielmehr jedem Rechtsstreit immanent. Ein "Rechtsbehelf/Rechtsmittel" stand dem Kläger somit insoweit nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger der geänderten prozessualen Situation nicht Rechnung getragen hat.
Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid ist zulässig, § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 143, 144 SGG.
Rechtskraft
Aus
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