S 12 RJ 134/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 12 RJ 134/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 30/05
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung.

Die im Jahre 1928 geborene Klägerin ist Verfolgte im Sinne des Bundesentschädi-gungsgesetzes und lebt als Israeli in Israel.

Am 29.05.1998 beantragte sie unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozi-algerichtes die Gewährung einer Altersrente unter Hinweis auf in der Zeit von 1942 bis 1944 in Ghetto S1 geleistete Arbeit. Sie gab an, in der fraglichen Zeit im T1-Shop in der S2straße in S1 gearbeitet zu haben. Auf weitere Nachfrage gab sie darüberhinaus eine später erfolgte Tätigkeit in einer Korbflechterei in der T2straße im Ghetto S1 an. Sie sei jeweils mit Lohn, dessen Höhe nicht mehr erinnerlich sei, sowie Couponen entlohnt worden.

Mit Bescheid vom 21.12.1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung und auf Zahlung eines Alters-ruhegeldes nach dem Zusatzabkommen vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundes-republik Deutschland und dem Staat Israel über Gründe Sicherheit ab. Zur Begründung führte sie aus. Voraussetzung für den Anspruch auf eine Rente aus der deutschen Ren-tenversicherung sei die Zurücklegung einer Wartezeit. Im Falle der Klägerin seien keine für die Wartezeit anrechenbaren Zeiten vorhanden. Die Klägerin sei auch nicht zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen berechtigt, da sie nicht die Voraussetzungen des § 17 a Fremdrentengesetz (FRG) in der Fassung des Rentenreformgesetzes erfülle bzw. keine Hinterbliebene einer solchen Person sei. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Tätigkeit das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt. Die Kriterien für ein Be-schäftigungsverhältnis entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes seien nicht erfüllt.

Diese Entscheidung bestätigte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.1999.

Dagegen richtet sich die am 24.11.1999 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Begeh-ren weiter verfolgt. Zunächst hat sie angegeben, in der Zeit von 1942 bis 1994 im T1-Shop und von 1944 bis 1945 in der Korbflechterei des Ghettos S1 gearbeitet zu haben. Es habe sich um eine freigewählte Arbeit gehandelt, für die sie mit Zloty entlohnt worden sei. Im Laufe des Verfahrens hat die Kläger Ihren Vortrag dahingehend geändert, dass sie Anfang November 1940 ihre Tätigkeit im T1-Shop aufgenommen habe. Nachdem die Beklage mit Bescheid vom 03.02.2003 den Rentenantrag der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Be-schäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) mit der Begründung abgelehnt hatte, im Zeitraum August 1942 bis Anfang 1994 habe es sich nicht um ein Ghetto S1 sondern um ein Zwangsarbeitslager gehandelt, hat die Klägerin ihren Vortrag gestützt durch Zeugenaus-sagen (L G) dahingehend geändert, dass sie bei Ghettoeröffnung als Hilfsschwester im Krankenhaus gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Klägerin niemand erschienen. Die Kammer ist von dem Antrag ausgegangen, den die Klägerin zuletzt schriftsätzlich vorgetragen hat.

Danach beantragt die Klägerin,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.12.1998 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 21.10.1999 und des Bescheides vom 03.02.2003 zu verurtei-len, der Klägerin Beitragszeiten zur deutschen Rentenversicherung anzuerkennen für eine Tätigkeit im Ghetto S1von Anfang 1940 bis September 1942 und die entspre-chenden Rentenzahlung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der angefochtene Bescheid der Sach- und Rechtslage ent-spreche.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsät-ze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen. Insbesondere gilt dies für die beigezogene Entschädigungsakte. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin im Jahre 1950 im Rahmen einer eidesstaatlichen Versicherung an-gegeben hat, im Ghetto S1in der Zeit vom 01.11.1940 bis 01.05.1942 gelebt zu haben. Anschließend habe sie sich im Arbeitslager S1 befunden. Sie hat weiter angegeben, anfangs zwangsweise in der Schneiderei und später in der Bürstenbinderei gearbei-tet zu haben. Im Arbeitslager Radom habe sie dann in der Korbflechterei arbeiten müssen. Entsprechende Angaben wurden von einer Zeugin A bestätigt. Die die Klä-gerin betreffenden Akten lagen im Termin vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Obwohl im Termin zur mündlichen Verhandlung für die Klägerin niemand erschienen ist, konnte die Kammer verhandeln und entscheiden, da die Klägerin in der ord-nungsgemäß bekanntgegebenen Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewie-sen worden ist.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung.

Gem. § 35 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) haben Versicherte Anspruch auf Al-tersrente, wenn sie u. a. die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die Wartezeiterfüllung ist geregelt in §§ 55 ff SGB VI. Die Klägerin verfügt über keine Zeiten, die auf die War-tezeiterfüllung anzurechnen wären. Im Hinblick auf denkbare Ansprüche nach dem Fremdrentengesetz nimmt die Kam-mer gem. § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführun-gen im Bescheid vom 21.12.1998 Bezug, denen sie sich nach eigener Prüfung an-schließt.

Auch unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG ergibt sich keine andere Bewertung. Die Kammer geht insoweit davon aus, dass der Bescheid vom 03.02.2003 Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

Gem. § 1 ZRBG gilt das Gesetz für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn 1) die Beschäftigung a) aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, b) gegen Entgelt ausgeübt wurde und 2. das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich be-setzt oder diesem eigegliedert war. Unter Anwendung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischem Unrechts in der Sozialversicherung reicht es, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen glaubhaft gemacht worden sind. Letzteres ist jedoch nicht erfüllt. Soweit die Klägerin eine Beschäftigung in einem Ghetto für die Zeit von Anfang 1940 bis Ende Februar 1941 geltend macht, scheitert ein Anspruch bereits daran, dass zu diesem Zeitpunkt in S1 kein Ghetto bestand. Im Internet veröffentlichten Forschungs-ergebnissen (www. Keom.de-denkmal-suche) hat die Kammer entnommen, dass das Ghetto S1 erst am 01.03.1941 eröffnet wurde. Vorliegenden Zeiten fallen somit nicht unter das ZRBG. Die Glaubhaftmachung der Beschäftigung scheitert im Übrigen an den widersprüchli-chen Angaben der Klägerin. Ihren ursprünglichen Rentenantrag hat die Klägerin mit behaupteten Beschäftigungen in der Zeit von 1942 bis 1944 begründet. Demgegen-über hatte sie im Entschädigungsverfahren entsprechende Tätigkeiten von November 1940 bis Mai 1942 behauptet. Hat die Klägerin ursprünglich von einer Tätigkeit im T1-Shop berichtet, so hat sie späterhin sich auf eine Tätigkeit als Hilfsschwester in einem Krankenhaus berufen. Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass seit der behaupteten Beschäftigung eine sehr lange Zeit verstrichen ist und die Erinnerung an diese Zeit sicherlich nicht leicht fällt, so können ihr jedoch keine weiteren Beweiserleichterun-gen zu Gute kommen. Die Kammer geht davon aus, dass der Vortrag der Klägerin zu wechselnd ist, als dass er zur Glaubhaftmachung einer Beschäftigung im erforderli-chen Umfang ausreichen würde. Der beigebrachten Zeugenaussagen misst die Kammer keine entscheidende Bedeutung bei, da der dort geschilderte Sachverhalt vorher durch die Klägerin nie in der Weise behauptet wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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