S 33 KA 393/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
33
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 393/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 07.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 28.10.2015 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honoraranforderung der Klägerin für das Quartal I/2015.

Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft, der ein hausärztlich tätiger Facharzt für Innere Medizin und eine Fachärztin für Allgemeinmedizin, beide zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen in F, angehören. Im streitgegenständlichen Quartal hatte die Klägerin in 16 Behandlungsfällen neben palliativmedizinischen Leistungen (Gebührenordnungspositionen 03370 bis 03373 EBM sowie Symbolnummern 91110, 92102, 92110, 92114 und 92115) auch Leistungen zur Früherkennung abgerechnet. Die Beklagte berichtigte die Honoraranforderung der Klägerin mit Bescheid vom 07.07.2015 dahin, dass die von der Klägerin in diesen Fällen angesetzten Leistungen zur Früherkennung nach den Gebührenordnungspositionen 01732, 01745, 01746 sowie 32880 EBM mit der Begründung gestrichen wurden, die Zielrichtung von Früherkennungsuntersuchungen könne bei Palliativpatienten nicht mehr erreicht werden.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie geltend machte, weder im EBM noch in den Palliativverträgen sei der parallele Ansatz der Früherkennungsuntersuchungen ausgeschlossen. Auch nach Auskunft der KBV bestehe ein solcher Ausschluss nicht und ihn gebe es auch in anderen KV-Bereichen nicht. Der entsprechende Beschluss des Vorstands der Beklagten sei erst nach Einreichung der Abrechnung im Mai 2015 in KVNo-Aktuell veröffentlicht worden. Der Ansatz sei in jedem Einzelfall medizinisch begründet gewesen. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2015 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ziele der Früherkennung stünden denen der palliativen Versorgung gegenüber. Beide Versorgungsformen schlössen sich aus. Vor diesem Hintergrund habe der Vorstand der KV Nordrhein beschlossen, dass Früherkennungsleistungen neben Palliativleistungen nicht abrechnungsfähig seien.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen wird, der Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig, da der substantiierte Vortrag der Klägerin keinen Eingang in die Entscheidung gefunden und die Beklagte die vorgetragenen Aspekte nicht berücksichtigt habe. Dem selbst verfassten Beschluss des Vorstands der Beklagten über einen Abrechnungsausschluss fehle eine Rechtsgrundlage. Abrechnungsgrundlage sei der EBM und der Vorstand einer KV könne nicht per Beschluss individuelle Abrechnungsregelungen für den KV-Bereich erlassen. Vor allem aber komme es auf die Regularien im Leistungserbringungs- und Abrechnungszeitraum an. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Beschluss des Vorstands der Beklagten nicht veröffentlicht und damit bekannt gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 07.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die gestrichenen Leistungen der Früherkennung nachzuvergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, der Nebeneinanderausschluss von Früherkennungsleistungen einerseits und Leistungen der Palliativversorgung andererseits ergebe sich schon aus den unterschiedlichen Zielrichtungen. Die Veröffentlichung hierzu habe ausschließlich der Klarstellung gedient.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil dieser nicht rechtmäßig ist. Die Beklagte war nicht befugt, die von der Klägerin neben Leistungen der Palliativversorgung in Ansatz gebrachten Leistungen der Früherkennung im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung zu streichen.

Die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honoraranforderungen besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur Urteile vom 22.03.2006 – B 6 KA 76/04 R – und vom 08.12.2010 – B 6 KA 33/09 R -) vorrangig im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, erfasst aber auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat, wie bei der Abrechnung fachfremder oder qualitativ mangelhafter Leistungen, bei Leistungen nicht genehmigter Assistenten oder bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten wie auch bei der Leistungserbringung unter missbräuchlicher Nutzung von Organisationsformen. Eine derartige Fallgestaltung steht vorliegend indes nicht zur Diskussion, denn die Nichtbeachtung etwa eines in der Gebührenordnung oder anderenorts normierten Abrechnungsausschlusses ist nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist insoweit insbesondere auch, dass der gesetzliche Anspruch der Versicherten auf Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten weder abhängig von dem Erhalt eines wie auch immer definierten Gesundheitszustandes ist, noch durch das Überschreiten von Altersgrenzen begrenzt wird. Dass der im Mai 2015 in KVNo-Aktuell veröffentlichte Beschluss des Vorstands der Beklagten zu einem Ausschluss der Nebeneinanderberechnung von Früherkennungs- und Palliativleistungen mangels einer dahingehenden Kompetenzzuweisung keine eigenständige rechtliche Grundlage für eine Berichtigung darzustellen vermag, entspricht ersichtlich auch der Einschätzung der Beklagten, die wesentlich darauf verweist, die Veröffentlichung habe ausschließlich der Klarstellung gedient.

Die der Begründung des angefochtenen Bescheids wie auch dem - wohl allenfalls als Interpretationshilfe zu verstehenden - Beschluss des Vorstands der Beklagten zugrunde liegenden und im Ansatz durchaus nachvollziehbaren Überlegungen zielen vielmehr offenkundig auf Zweifel an der medizinischen Sinnhaftigkeit der Erbringung von Leistungen der Früherkennung neben solchen der Palliativversorgung ab, vergleichbar der Erbringung kurativer Leistungen ohne entsprechende Indikation. Kennzeichnend für die Erbringung nicht indizierter oder medizinisch eines Sinns entbehrender Leistungen ist indes nicht eine Nichtbeachtung von Gebührenordnungsbestimmungen oder eine sonstige zur sachlich-rechnerischen Berichtigung berechtigende Fallgestaltung, sondern vielmehr eine unwirtschaftliche Leistungserbringung. Zur Korrektur einer Honoraranforderung wegen unwirtschaftlicher Leistungen und zum Ausspruch einer entsprechenden Kürzung des Honorars sind jedoch ausschließlich die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung und nicht die Kassenärztlichen Vereinigungen befugt. Insoweit ist höchstrichterlich geklärt, dass die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung zwar im Rahmen einer Randzuständigkeit in geringem Umfang auch Honorarberichtigungen vornehmen können, umgekehrt ist die Kassenärztliche Vereinigung allerdings generell nicht - also auch nicht im Rahmen einer Rand- bzw Annexzuständigkeit – berechtigt, aus Anlass von sachlich-rechnerischen Honorarberichtigungen die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung eines Vertragsarztes zu prüfen (BSG, Urteil vom 27.04.2005 – B 6 KA 39/04 R -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.

Einen Anlass, die gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossene Berufung zuzulassen, hat die Kammer nicht gesehen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt im Hinblick darauf, dass die Abgrenzung der Befugnisse der Entscheidungsträger im Verfahren der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Honorarabrechnung einerseits und der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung andererseits höchstrichterlich geklärt ist, sowie mit Rücksicht darauf, dass eine über Einzelfälle hinausgehende Bedeutung der Frage der Abrechnungsfähigkeit von Leistungen der Früherkennung neben solchen der Palliativversorgung weder ersichtlich noch von den Beteiligten vorgetragen worden ist, nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved