S 17 SO 638/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 SO 638/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Ausstellung einer Bescheinigung über ihre Hilfebedürftigkeit zur Minderung der privaten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Die 1939 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 02.07.2013 eine Bescheinigung über ihre Einkommensverhältnisse zur Vorlage und Beantragung der Halbierung der Beiträge bei ihrer privaten Krankenversicherung. Dem Antrag fügte sie unter anderem ihren aktuellen Rentenbescheid, aktuelle Kontoauszüge, Nachweise über ihre Miete wie auch über ihre Krankenversicherungsbeiträge bei.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.07.2013 unter Hinweis auf das beigegebene Berechnungsblatt ab. Die Klägerin habe einen sozialhilferechtlichen Bedarf in Höhe von 1.728,00 EUR (Regelsatz: 382,00 EUR, Unterkunftskosten: 658,87 EUR, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge: 687,13 EUR). Das zu berücksichtigende (Renten-)Einkommen in Höhe von 1.848,94 EUR der Klägerin liege über ihrem Bedarf. Durch die Zahlung des vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags entstehe keine Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII).

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.07.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass die Beklagte eine unzutreffende Berechnung vorgenommen habe. So seien die Beiträge zur Hausratversicherung, privaten Haftpflichtversicherung und Sterbeversicherung unberücksichtigt geblieben. Auch die beiden Tilgungsraten – für die Stadtsparkasse Düsseldorf und den Elektroherd – seien als Bedarf anzuerkennen. Ebenfalls habe die Beklagte den Rundfunkbeitrag und die Zuzahlungen für die Krankenkasse und die Medikamente außer Acht gelassen. Dem Widerspruch legte die Klägerin entsprechende Nachweise über ihre Versicherungen bei.

Mit Bescheid vom 22.08.2013 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Das Einkommen sei um die monatlichen Beiträge zur privaten Haftpflicht- und Hausratversicherung zu bereinigen, so dass das anzurechnende Einkommen bei 1825,66 EUR liege. Das Einkommen liege mit 97,66 EUR immer noch über dem sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähigen Bedarf. Die Beiträge für die Sterbeversicherung stellten dagegen keinen sozialhilferechtlichen Bedarf dar. Ebenfalls würden die geltend gemachten Schuldverpflichtungen keine sozialhilferechtliche Berücksichtigung finden können. Schließlich müssten die Kosten für den Rundfunkbeitrag ausgelassen werden, da die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht keine Sozialhilfeleistung darstelle, sondern den Verzicht der jeweiligen Rundfunkanstalt auf Beitragserhebung. Über Anträge auf Befreiung von Rundfunkbeitragspflicht entscheide der Beitragsservice von ARD ZDF Deutschlandradio in eigener Zuständigkeit. Die Kosten für den Eigenanteil nicht erstatteter Leistung der Krankenversicherung Rezepte freier Medikamente seien durch den Regelbedarf bereits gedeckt und stellten keinen zusätzlichen Bedarf im Sinne des SGB XII dar. Hiergegen legte die Klägerin mit Datum vom 27.08.2013 Widerspruch ein.

Die Beklagte gab dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2013 insoweit statt, als bei der Bereinigung des Einkommens zusätzlich die Beiträge für die Sterbeversicherung berücksichtigt wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Auch unter Berücksichtigung des Beitrags zur Sterbeversicherung i.H,v. 4,75 EUR liege der Gesamtbedarf mit 1732,75 EUR immer noch unter dem bereinigten Einkommen i.H.v. 1.825,66 EUR. Die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Bedarfspositionen könnten dagegen sozialhilferechtlich nicht anerkannt werden. Die Gegenüberstellung der Einkünfte mit dem Gesamtbedarf ergebe, dass die Klägerin der Lage sei, ihren notwendigen Lebensunterhalt sicherzustellen.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.11.2013 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Zur Begründung trägt sie vor, dass die Beklagte ihren Bedarf unzutreffend ermittelt hat. So seien die Kosten der Schuldverpflichtung, des Rundfunkbeitrages sowie der Medikamente als Bedarf im Rahmen der Berechnung zu berücksichtigen. Aufgrund ihrer Zahlungsverpflichtungen und der hohen Krankenversicherungsbeiträge verbleibe der Klägerin nur sehr geringer Betrag. So falle es ihr immer schwerer, ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu bezahlen. Die private Krankenversicherung übernehme eine Vielzahl von Leistungen nicht, so dass die Klägerin diese letztlich selbst aufbringen müsse.

Die Klägerin beantragt sinngemäß schriftsätzlich,

1.) die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.07.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 22.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2013 zu verpflichten, ihr eine Bescheinigung über ihre Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII zur Vorlage bei der Krankenversicherung auszustellen. 2.)

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat mit den Beteiligten am 21.03.2016 einen Erörterungstermin durchgeführt, auf dessen Sitzungsprotokoll Bezug genommen wird. Inzwischen liegt eine Berechnung der Beklagten vom 17.05.2016 unter Berücksichtigung der veränderten wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Klägerin vor. Danach ergibt sich ein sozialhilferechtlicher Bedarf in Höhe von 1.722,96 EUR (Regelsatz: 404,00, Kosten der Unterkunft und Heizung: 608,85 EUR, Beitrag Sterbeversicherung: 4,75 EUR, Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag im Normaltarif: 610,31 EUR). Dem steht zu berücksichtigendes Einkommen (Renteneinkommen abzüglich der Beiträge für die Hausrat- und Haftpflichtversicherung) in Höhe von 1.917,03 EUR gegenüber, so dass sich ein Einkommensüberschuss in Höhe von 194,07 EUR ergibt.

Mit Schreiben vom 16.06.2016 sind die Beteiligten über die Absicht des Gerichts, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, in Kenntnis gesetzt worden. Sie haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Streitsache konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 08.07.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 22.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2013, mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin abgelehnt hat.

Die Klägerin wehrt sich dagegen mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 56 SGG). Diese ist statthaft, da die Klägerin mit der Ausstellung der Bescheinigung den Erlass eines Verwaltungsakts im Sinne des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) begehrt.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 08.07.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 22.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Ausstellung der beantragten Bescheinigung.

Nach § 152 Abs. 4 Satz 1 Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG) ist die Hilfebedürftigkeit vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch auf Antrag des Versicherten zu prüfen und zu bescheinigen, wenn allein durch die Zahlung des Beitrags nach Absatz 3 Satz 1 oder 3 Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuches entsteht. Für die Dauer der Hilfebedürftigkeit mindert sich der Beitrag dann um die Hälfte. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 152 Abs. 4 Satz 1 VAG nicht, weil sie über bedarfsausschließendes, einzusetzendes Einkommen gemäß § 82 SGB XII verfügt, mithin nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB XII ist.

Die Beklagte hat die Hilfebedürftigkeit der Klägerin im Sinne des § 19 i.V.m. §§ 82, 90 SGB XII unter Berücksichtigung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu Recht abgelehnt. Dass der Klägerin zur Verfügung stehende Einkommen übersteigt ihren sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf. Eine sozialhilferechtliche Bedürftigkeit nach dem SGB XII liegt nicht vor.

Die Beklagte hat das Einkommen der Klägerin zunächst ordnungsgemäß ermittelt. Das Einkommen wurde von der Beklagten um die tatsächlichen Beiträge zur Hausrat- und Haftpflichtversicherung bereinigt, ohne dass die Beklagte eine Kürzung auf die – aus ihrer Sicht – angemessenen Beiträge vorgenommen hat. Auch den sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf der Klägerin hat die Beklagte zutreffend ermittelt. Der sozialhilferechtlich anzuerkennende Bedarf ergibt sich aus dem Regelsatz, den Kosten der Unterkunft und Heizung, dem Beitrag zur Sterbeversicherung und dem Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag.

Die von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Schuldverpflichtungen (Rate an die Stadtsparkasse E: 126,03 EUR und Rate für neuen Elektroherd: 22,85 EUR) stellen keinen sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf dar. Eine Schuldenübernahme ist im Rahmen des Sozialhilferechtes – außer in den Fällen des 36 SGB XII – ausgeschlossen. Entsprechende Zahlungsverpflichtungen können wie auch die Kosten für Telefon und Internetanschluss (43,01 EUR) nicht als zusätzlicher Bedarf des Leistungsempfängers Berücksichtigung finden.

Die von der Klägerin geltend gemachten Rundfunkbeiträge waren ebenfalls nicht als besondere Bedarfsposition in die Bedarfsberechnung mit einzubeziehen. Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII werden auf Antrag von der Rundfunkbeitragspflicht befreit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV). Personen, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, weil ihr Einkommen die Bedarfsgrenze knapp übersteigt, können eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als besonderer Härtefall nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV beantragen. Voraussetzung ist, dass die Überschreitung geringer als die Höhe des Rundfunkbeitrages ist. Erst im Falle einer festgestellten bzw. nur knapp überschrittenen Sozialhilfebedürftigkeit wird eine Rundfunkbefreiung von der zuständigen Stelle erteilt. Die Möglichkeit den Rundfunkbeitrag als zusätzlichen Bedarfsposten bei der sozialhilferechtlichen Bedarfsberechnung zu berücksichtigen, ist dagegen nicht vorgesehen und wurde von der Beklagten zu Recht abgelehnt. Eine Umgehung der engen Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV würde jedoch vorliegen, wenn die Rundfunkbeiträge bereits bei der Feststellung der sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit Berücksichtigung finden würden.

Auch konnte der Eigenanteil nicht erstatteter Leistungen der Krankenversicherung und Rezepte freier Medikamente nicht als weiterer Bedarf anerkannt werden. Soweit die Beklagte hier darauf hingewiesen hat, dass entsprechende Zuzahlungen bereits durch den Regelbedarf gedeckt werden, ist dem zuzustimmen. Kosten der Gesundheitspflege gehören nach §§ 5, 6 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) zu den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben und sind deshalb von dem Regelsatz umfasst. Ein entsprechender Bedarf ist vom Hilfeempfänger aus dem Regelsatz i.S.d. § 27a SGB XII – notfalls durch Ansparungen – aufzubringen. Für gesetzlich krankenversicherte Leistungsempfänger wird ein darüber hinausgehender Anspruch auf Übernahme von Zuzahlungen und Praxisgebühren abgelehnt (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2010 – B 8 SO 7/09 R –, juris, Rn. 25). Der Leistungsumfang für privat krankenversicherte Sozialhilfeempfänger kann nicht über den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen (LSG NRW, Beschluss vom 24.11.2014 – L 9 SO 329/12 –, juris, Rn. 36). Somit können diese Bedarfspositionen nicht als zusätzlicher Bedarf Berücksichtigung finden. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Klägerin in ihrer dem Gericht vorgelegten Berechnung, in welche sie diese Bedarfe einbezogen hat, zu einem – wenn auch im Vergleich zur Beklagten geringerem – Einkommensüberschuss kommt (vgl. Bl. 54 GA).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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