S 27 KR 1266/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 KR 1266/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Übernahme von Fahrtkosten zur Dialyse im Aus-land.

Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist Dialysepatient und in S wohn-haft. Da der Kläger blind ist, werden die Fahrtkosten vom Wohnort des Klägers zum MVZ in Remscheid, dem Ort der Dialysebehandlung, mit dem Taxi von der Beklagten über-nommen.

Neben dem Wohnsitz in S besitzt der Kläger ein Ferienhaus in D N1 auf N2. Dort hält er sich häufig auf und sucht dann das dortige nächstgelegene Dialysezentrum in J auf, das allerdings weiter von seinem dortigen Ferienhaus entfernt liegt als sein Haus inS vom MVZ. Auch hierfür hat die Beklagte in der Vergangenheit die tatsächlich angefallenen Fahrtkosten übernommen. Mit Bescheid vom 23.10.2015 teilte die Beklagte dem Kläger erstmalig mit, dass maximal die Fahrtkosten bis zur Höhe der Fahrkosten am Wohnort übernommen werden können. In einem weiteren Schreiben vom 27.10.2015 teilte die Beklagte auf Nachfrage des Klägers mit, dass sich die entsprechende Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 3 der Satzung der Beklagten befinde, wonach höchstens die Kosten erstattet werden, die der Kasse bei Erbringung als Dienst- oder Sachleistung im Inland entstan-den wären, jedoch nicht mehr als die tatsächlichen Kosten.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger sodann die Kostenübernahme für die Dialyse in J für einen Aufenthalt im Mai 2016.

Nach der Rückkehr nach Deutschland beantragte der Kläger die Erstattung der Fahrtkos-ten zur Dialyseeinrichtung in J in Höhe von 1170,00 EUR unter Vorlage der entsprechenden Taxirechnungen.

Mit Bescheid vom 13.07.2016 erstattete die Beklagte dem Kläger für die 18 Fahrten 190,80 EUR. Eine weitere Erstattung lehnte sie ab. Es seien nur die üblicherweise am Woh-nort entstehenden Fahrtkosten zu erstatten. Berücksichtigt werde jeweils die wirtschaft-lichste Fahrstrecke vom jeweiligen Aufenthaltsort zum nächsterreichbaren Behand-lungsort bzw. umgekehrt. Der Kläger widersprach. In den Zeiten, in denen er sich auf N2 aufhalte, sei sein Aufent-haltsort in D N1 und der nächsterreichbare Behandlungort in J sodass die gesamten Fahrtkosten übernommen werden müssten. Sofern die Einschränkung möglicherweise mit § 23 der Satzung der Beklagten begründet werde, sei darauf hinzuweisen, dass diese Regelung nur für die Dialysebehandlung als solche und nicht für die Fahrtkosten gelte. Zudem liege eine Ungleichbehandlung vor, denn Versicherte, die auf dem Land leben und damit weitere Wege zur Dialyse hätten, könnten dann auch im Ausland höhere Fahrkosten erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2016 hat die Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurückgewiesen. Nach § 13 Abs. 4 S. 3 SGB V bestehe bei Inanspruchnahme eines Leistungserbringers in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein Erstattungsanspruch höchstens in Höhe der Vergütung, die die Beklagte bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Dies ergebe sich auch aus § 23 der Satzung der Beklagten, der direkt zwar nur für Behandlungen, analog jedoch auch für Nebenleis-tungen im Zusammenhang mit der Hauptleistung anwendbar sei. Zudem könne sich der Kläger bei der Wahl seines Urlaubsortes an der Lage der Dialyseeinrichtung orientieren. Mit seiner am 07.11.2016 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, dass § 23 der Satzung der Beklagten nicht anwendbar sei, weil diese Regelung sich nur mit der Krankenbehandlung befasse. Zudem habe er bereits vor seiner Erblindung sein Ferienhaus erworben, sodass er nicht wissen konnte, dass die Entfernung zur Dialysestation von Bedeutung sein könne.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich wörtlich, 1. Der Bescheid der Beklagten vom 13.07.2016 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 06.10.2016 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Fahrtkosten für notwendige Dialysebehandlungen in Spanien in der Höhe der tatsächlichen Kosten von 1.170,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an der getroffenen Regelung fest. Das spanische Recht sehe keinen Anspruch auf Fahrtkosten vor. Es bestehe damit nur Anspruch auf die Fahrtkosten, die zwischen dem Wohnort in Deutschland und der Dialyseeinrichtung in Deutschland anfallen wür-den. Das Gericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil angehört, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Antrag des Klägers ist vorliegend dahingehend auszulegen, dass er die Abänderung des Bescheides vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2016 sowie die Verurteilung der Beklagten, zur Zahlung der Fahrtkosten zur ambulanten Be-handlung in Höhe von 979,20 EUR begehrt wird, denn die Beklagte hat auf den Antrag des Klägers bereits eine Zahlung in Höhe von 190,80 EUR übernommen.

Der Bescheid der Beklagten vom 13.07.2016 in der Fassung des Widerspruchsbeschei-des vom 06.10.2016 beschwert den Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 SGG. Diese Bescheide sind rechtmäßig, weil die Beklagte die Kostenerstattung für Fahrten zur Dialysebehand-lung im Ausland (Spanien) zu Recht auf die Kosten beschränkt hat, die bei einer Be-handlung im Inland anfielen. Dies folgt aus §§ 60 Abs. 1 Sätze 1 und 3, 61 Satz 1 Fünf-tes Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. §§ 3 Abs. 2, 8 der Krankentransport-Richtlinien. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambu-lanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsa-me Bundesausschuss (GBA) in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat. Hierzu hat der GBA in § 8 i.V.m der Anlage 2 der Krankentransport-Richtlinien eine Regelung getroffen, wonach u.a. Fahrten zur Dialysebehandlung in der Regel einen Ausnahmefall begründen. Ausweislich der Beschlussbegründung zur Krankentransport-Richtlinie handelt es sich bei den Fahrten zur Dialysebehandlung um planbare Fahrten mit demselben Fahrziel. Ferner steht die Fahrkostenübernahme nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter der Voraussetzung, dass die Fahrkosten im Zusammen-hang mit einer Leistung der Krankenkasse entstehen, die wiederum aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig ist. Aus zwingenden medizinischen Gründen not-wendig sind in der Regel nur die Fahrstrecken vom jeweiligen Aufenthaltsort zur nächst erreichbaren Behandlungsmöglichkeit, wenn nicht ein durchschlagender Grund für eine andere Fahrstrecke gegeben ist. Maßgebend ist als Ausgangspunkt der Fahrt also der Ort, an dem sich die Notwendigkeit des Transportes ergibt (Baier in Krauskopf, 97. EL November 2017, § 60 SGB V Rn. 7). Zielort der Rückfahrt, welche ebenfalls notwendige Fahrt im Sinne des § 60 SGB V ist, ist in der Regel die Wohnung des Versicherten (Baier in: Krauskopf, § 60 Abs. 1 SGB V, Rn. 7). Auch nach § 3 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinie sind nur die Fahrten auf dem direkten Weg zwischen dem jeweiligen Aufent-haltsort des Versicherten und der na&776;chst erreichbaren geeigneten Behandlungs-mo&776;glichkeit notwendig. Der bestimmungsgemäße Leistungsort befindet sich ferner grund-sätzlich im Inland; er richtet sich nach den für die einzelne Leistung geltenden Vorschrif-ten und nach § 12 SGB V (Wirtschaftlichkeitsgebot) (Waßer in: Juris-PK-Waßer, 3. Aufla-ge 2016, § 60 SGB V, Rn. 42; vgl. auch Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Be-schluss vom 19.07.2017, AZ: L 5 KR 99/17 B ER Rn. 13 nach juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Beschränkung der Erstattung der im Ausland anfallenden Fahrkosten auf die Höhe der im Inland entstehenden Kosten nicht zu bean-standen. Aus medizinischen Gründen zwingend erforderlich ist nur die Fahrstrecke im Inland von der Wohnung des Kläger bis zur nächstgelegenen Dialysestelle und zurück, nicht jedoch die (weitere) Fahrstrecke im Ausland. Für diese (längeren) Wegstrecken be-steht kein wichtiger Grund und die Wohnung des Klägers in S ist der Ort, an dem sich die Notwendigkeit des Transports ergibt. Der Kläger hält sich aus freien Stücken ze pruch für Versicherte, die einen anderen Leistungserbringer im EU-Ausland in Anspruch nehmen, auf die Vergütung beschränkt, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte sowie die entsprechende Regelung in § 23 Abs. 3 der Satzung der Beklagten. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass besondere Arten der Urlaubsführung wie z.B. die Nutzung der eigenen Ferienwohnung oder des eigenen Wohnmobils be-sondere Arten der Urlaubsgestaltung darstellen, die nicht dem Aufgabenbereich der ge-setzlichen Krankenversicherung unterliegen (BSG, Urteil vom 26.06.1990, AZ. 3 RK 26/88; BSG, Urteil vom 06.02.1997, AZ: 3 RK 3/96). Schließlich besteht auch nach Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 kein An-spruch, denn das Recht des zuständigen spanischen Trägers sieht keine Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung vor.

Auch die frühere Praxis der Beklagten die Fahrtkosten zur Dialyse in voller Höhe zu übernehmen, führt nicht dazu, dass nach wie vor ein Anspruch des Klägers auf Über-nahme der Fahrtkosten besteht. Die Beklagte hat die Fahrtkosten immer nur für einen bestimmten Zeitraum bewilligt (beispielsweise Aufenthalt vom 05.09.2015-17.10.2015 im Bescheid vom 23.10.2015), sodass es einer Aufhebungsentscheidung nach §§ 44 ff. Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht bedurfte. Schließlich ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Ge-setz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzie-rung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschie-de von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behand-lung rechtfertigen (BVerfGE 112, 50, 67). Differenzierungen ohne hinreichenden sachli-chen Grund sind verboten (BSG, Urteil vom 19.09.2007, AZ: B 1 A 4/06 R Rn. 26 mwN.). Eine derartige Differenzierung ist vorliegend nicht ersichtlich, denn der Gesetzgeber er-öffnet allen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung bei Vorliegen der Voraus-setzungen des § 60 SGB V iVm. der Krankentransport-Richtlinie die Übernahme der Fahrtkosten zur nächsterreichbaren, geeigneten Behandlungsstätte. Es ist auch keine Benachteiligung wegen der Blindheit ersichtlich. Soweit der Kläger vorträgt, dass er we-gen seiner Erblindung auf einen Wohnsitz in der Stadt angewiesen sei, ist zu berück-sichtigen, dass auch "sehende" Stadtbewohner nur die Kosten für die regelmäßig "kürze-re" Anfahrt zur Dialyse erstatten verlangen können. Dass Versicherte, deren notwendige Fahrstrecke im Inland größer ist, ggf. auch eine höhere Fahrstrecke im Ausland erstattet bekommen können, ändert an dieser Wertung nichts. Auslandsaufenthalte sind grund-sätzlich als kurzfristige Ausnahmesituationen zu bewerten, die keiner eigenständigen Regelung bedürfen. Zur Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes erscheint es daher ausreichend, die Regelung für Auslandsaufenthalte an die Regelung im Inland zu knüp-fen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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