S 17 SO 303/19 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 SO 303/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der von der Antragstellerin am 19.07.2019 gestellte Eilantrag,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr 1.717,78 EUR für Vorhänge / Verdunkelung zu zahlen, hilfsweise Hotelkosten zu übernehmen,

hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu-lässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig er-scheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsver-hältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene materiell-rechtliche Ansprüche ableitet. Maßgeblich sind grundsätzlich die Erfolgsaussichten der Hauptsache (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 12. Aufl., 2017, § 86b Rn. 27 ff.). Ein Anordnungsgrund ist nur gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist. Voraussetzung hierfür ist das Vorlie-gen einer gegenwärtigen Notlage, die eine unverzügliche Entscheidung als unabweis-bar erscheinen lässt. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund aller-dings nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr zwischen beiden eine Wechsel-beziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zuneh-mender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruchs. Es ist zunächst schon ungeklärt und nicht glaubhaft gemacht, ob die Antragstellerin wirklich neue Vorhänge für Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer benötigt, oder ob sie aus ih-rer alten Wohnung noch über Vorhänge oder Rollos verfügt, die sie auch in der neuen Wohnung nutzen kann. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sie möglicherweise ei-nen Anspruch auf Erstaustattung nach § 42 Nr. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetz-buch Zwölftes Buch (SGB XII) oder auf ein Darlehen nach § 42 Nr. 5 i.V.m. § 37 Abs. 1 SGB XII haben könnte, so besteht ein solcher Anspruch jedenfalls nicht ihn Höhe der geltend gemachten Kosten für Gardinen / Rollos vom Raumausstatter. Denn der von der Klägerin geforderte Betrag übersteigt das im Sozialhilferecht Angemessene bei weitem. Nach der Rechtsprechung des BSG sind pauschale Geldbeträge für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten und für Bekleidung so zu bemessen, dass der Hilfebedürftige mit dem gewährten Betrag einfache und grundlegende Wohn-bedürfnisse in vollem Umfang befriedigen bzw. sich in menschenwürdiger Weise kleiden kann. Er kann grundsätzlich auch auf den Kauf von gebrauchten Artikeln verwiesen werden; dies verstößt nicht gegen die Menschenwürde, zumal der Kauf in "Secondhand-Läden" in weiten Bevölkerungskreisen allgemein üblich ist (vgl. Blüggel in: Schle-gel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 31 SGB XII, Rn. 66 f. m.w.N.). Für die voll-ständige Erstausstattung eines Ein-Personenhaushaltes hat die Antragsgegnerin in ihrer internen Richtlinie vom 15.05.2017 (im Internet abzurufen unter: https://www.leverkusen.de/vv/forms/4/ KDU Verfuegung Bedarfe fuer Unterkunft und Heizung 150517.pdf) als Pauschal-betrag 1.500 EUR vorgesehen. Von diesem Betrag sind sämtliche Möbel, Küchengeräte und Haushaltsgegenstände zu finanzieren. Es ist offensichtlich, dass Kosten für Vor-hänge in Höhe von 1.717,78 EUR hierzu nicht in einem angemessenen Verhältnis ste-hen. Weitere Recherche im Internet ergibt, dass beispielsweise bei Ikea Ab- und Ver-dunklungsvorhänge oder Rollos für das Schlafzimmer der Klägerin inklusive Aufhän-gung je nach Fenster maß für einen Betrag zwischen 40 und 100 EUR zu bekommen sein dürften. Sofern überhaupt ein Anspruch der Klägerin auf Erstausstattung oder ein Darlehen für Vorhänge / Rollos in ihrer neuen Wohnung besteht, wird dieser Anspruch keinesfalls in der be antragten Höhe, sondern nur in einem Bruchteil hiervon bestehen. Dies mag in der Hauptsache geklärt werden.

Denn es besteht jedenfalls kein Anordnungsgrund. Es ist nicht ersichtlich, dass die An-tragstellerin sich in einer existenziellen Notlage befände, die eine unverzügliche Ent-scheidung im gerichtlichen Eilverfahren als unabweisbar erscheinen ließe. Es ist nicht erkennbar, warum die Antragstellerin nicht entweder günstige Vorhänge / Rollos zu-nächst selbst anschafft oder, wenn ihr dies tatsächlich nicht möglich sein sollte, hierfür in angemessener Höhe ein Darlehen bei der Antragsgegnerin beantragt. Alternativ kann die Antragsstellerin auch die Bescheidung ihres Antrags vom 28.06.2019 auf Übernah-me von Kosten für Vorhänge / Rollos im Rahmen der Erstausstattung abwarten. Hierfür bietet es sich an, zunächst einen Ortstermin mit dem Außendienst der Beklagten zu ver-einbaren, um abzuklären, in welchem Umfang hier Unterstützung notwendig und ange-messen ist. Es ist zumindest denkbar, dass die aus der alten Wohnung vorhanden Vor-hänge für die neue Wohnung nicht (auch nicht teilweise) brauchbar sind. Es ist jedoch nicht glaubhaft gemacht, warum der Antragstellerin ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar sein soll. Insbesondere sind auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt worden, aus denen sich ergibt, dass eine unmittelbare Gesund-heitsgefährdung der Antragstellerin bestehen oder ernsthaft drohen würde. Die zwi-schenzeitlich für einige Tage zugegebenermaßen unerträglich hohen Temperaturen in den letzten Wochen haben nicht nur die Antragstellerin getroffen. Es ist nicht erkennbar, warum sie nicht, wie andere Stadtbewohner auch, sich bei diesen Temperaturen mit den üblichen Maßnahmen behelfen kann und konnte, wie z.B. nachts lüften, ggfs. feuchte Laken vor die Fenster hängen, Ventilatoren, vorübergehende Anbringung von Sonnen-licht reflektierenden Folien (Rettungsdecken gold/silber zum Preis von ca. 1 EUR das Stück), tagsüber Aufenthalt außerhalb der Wohnung in klimatisierten öffentlichen Räu-men etc.

Die oben stehenden Ausführungen gelten auch für den Hilfsantrag auf Übernahme von Hotelkosten. Es ist weder glaubhaft gemacht, dass die Wohnung der Antragstellerin tat-sächlich unbewohnbar wäre, noch dass ein Anordnungsgrund aufgrund einer konkreten Gesundheitsgefährdung besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 Satz 1, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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