S 8 KR 732/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 732/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 541/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 04.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2016 und der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2016 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Magenbypass-Operation als Sachleistung zu gewähren.

3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Magenbypass-Operation als Sachleistung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Am 25.10.2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Magenbypass-Operation. Dazu reichte der Kläger bei der Beklagten ein Antragsschreiben des Krankenhauses Sachsenhausen vom 9.7.2013 auf Genehmigung einer laparoskopischen Magen-Bypassoperation bei krankhafter Adipositas ein. Bei dem Kläger liege ein BMI von 36,9 vor. Die Behandlung stelle eine ultima ratio-Behandlung dar. Es komme für die stationäre Behandlung die DRG-Fallpauschale K04A zur Abrechnung. Mit diesem Antragsschreiben wurden verschiedene Atteste der behandelnden Ärzte des Klägers bzw. seiner Ernährungsberater eingereicht.

Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 30.10.2013 darüber, dass von ihm weitere Unterlagen benötigt würden, nämlich
- einen ausgefüllten Versicherten-Fragebogen
- einen psychotherapeutischen Behandlungsbericht
- einen internistischen Befundbericht
- ein Ernährungs- und Gewichtsprotokoll
- und weitere Unterlagen, sofern vorhanden.
Sobald die Unterlagen vorliegen würden, werde man die Unterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zur Verfügung stellen für eine gutachterliche Stellungnahme. Eine Frist zur Vorlage der Unterlagen wurde nicht gesetzt (vgl. Bl. 4 der Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 26.11.2013 teilte die Beklagte mit, dass sie über den Antrag vom 25.11.2013 noch nicht habe entscheiden können. Mangels vorgelegter Unterlagen habe noch kein Gutachten des MDK in Auftrag gegeben werden können. Die Beklagte erinnerte den Kläger an die angeforderten Unterlagen und bat um Vorlage bis zum 18.12.2013 (vgl. Bl. 30 der Verwaltungsakte). Am 18.12.2013 erinnerte die Beklagte nochmal an die angeforderten Unterlagen und bat um Vorlage bis zum 9.1.2014. Der Kläger übersandte dann am 30.12.2013 die noch fehlenden Unterlagen, insbesondere das Ernährungstagebuch und den ausgefüllten Fragebogen (vgl. Bl. 35 bis 55 der Verwaltungsakten). Die Beklagte gab sodann am 3.1.2014 ein Gutachten des MDK in Auftrag. Der MDK forderte von dem Kläger mit Schreiben vom 7.1.2014 zahlreiche weitere Unterlagen an, die der Kläger bis zum 17.1.2014 vorlegen sollte. Der MDK führte dann in der Stellungnahme vom 20.1.2014 aus:

"Aufgrund der nicht vollständig vorliegenden Unterlagen ist aus sozialmedizinischer Sicht nicht zu entscheiden, ob eine medizinische Indikation für die beantragte Maßnahme vorliegt. Eine Empfehlung der Kostenübernahme kann nicht erfolgen. Inwieweit Kontraindikationen für den geplanten Eingriff bzw. behandelbar Grundleiden vorliegen ist den Unterlagen ebenfalls nicht zu entnehmen.

Zu unserer Entlastung schicken wir sämtliche Unterlagen an sie zurück." (vgl. Bl. 59 der Verwaltungsakten)

Daraufhin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 22.1.2014 die fehlenden Unterlagen ohne Fristsetzung an (vgl. Bl. 66 bis 67 der Verwaltungsakten). Die Beklagte erinnerte mit Schreiben vom 5.2.2014, vom 21.2.2014, vom 11.3.2014 an die Übersendung der fehlenden Unterlagen.

Mit Bescheid vom 3.4.2014 erließ die Beklagte dann einen Versagungsbescheid (vgl. Bl. 71 der Verwaltungsakten).

Sodann legte der Kläger in der Zeit vom 15.4.2014 bis zum 15.5.2014 die weiteren angeforderten Unterlagen vor, nämlich ein ärztliches Attest und einen ausgefüllten Fragebogens sowie eine Stellungnahme der Vitos-Klinik (vgl. Bl. 73 bis 80 der Verwaltungsakten).

Die Beklagte trat dann wieder in die Prüfung ein, forderte eine weitere Bescheinigung über eine Bewegungstherapie an und gab sodann ein weiteres Gutachten des MDK in Auftrag.

Der MDK kam im Gutachten vom 3.6.2014 zu dem Ergebnis, dass der Kläger zur Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen zunächst eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchführen müsse, um unter einem multimodalen Therapiekonzept eine Gewichtsreduktion und Veränderung des Lebensstils einzuleiten und um ihn an körperliche Aktivitäten heranzuführen. Dies sei Erfolg versprechend (vgl. Bl. 88 der Verwaltungsakten).

Mit Bescheid vom 4.6.2014 lehnte die Beklagte die Übernahme der operativen Maßnahme ab. Sie bezog sich auf das Gutachten des MDK. Am 4.7.2014 legte der Kläger Widerspruch ein. Der Kläger legte zwei ärztliche Stellungnahmen vor, die den Anspruch auf die gewünschte Operation bestätigen sollten.

Die Beklagte gab ein weiteres Gutachten des MDK in Auftrag. In dem Gutachten vom 27.9.2014 blieb der MDK bei seiner Auffassung, dass die Erschöpfung der konservativen Therapie Voraussetzung vor einer chirurgischen Therapie der Adipositas sei (vgl. Bl. 106 der Verwaltungsakten).

Der Kläger hat sodann am 26.11.2014 Klage vom Sozialgericht Darmstadt erhoben. Nachdem die Beklagte am 19.4.2016 einen Widerspruchsbescheid erlassen hatte, stellte der Kläger die Klage von einer Feststellungsklage auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage um.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er sich für sein Klagebegehren auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V berufen könne. Die Beklagte habe die 5-Wochen-Frist nach Antragstellung am 25.10.2013 nicht eingehalten. Die Beklagte sei mit allen medizinischen Einwendungen ausgeschlossen. Darin bestehe der Sanktionscharakter der Norm. Außerdem habe die Beklagte den Kläger auch nicht über die Rechte nach § 13 Abs. 3a SGB V informiert.

Der Kläger beantragt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 04.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2016 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Magenbypass-Operation als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht vorliegen würden. Der Kläger habe die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt. Es liege somit ein hinreichender Grund für die Nicht-Einhaltung der Frist des § 13 Abs. 3a SGB V vor. Der Kläger habe nicht ausreichend mitgewirkt. Eine Sanktionierung der Krankenkasse solle nach der Intention des Gesetzgebers nur dann eintreten, wenn der verspätete Verfahrensablauf im Verantwortungsbereich der Krankenkasse liegt. Es könnten im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V auch nur Leistungen aus dem Leistungskatalog der GKV gewährt werden. Es müsse sich also um eine Leistung handeln, die insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Qualitätsgebot entspricht. Dies sei hier nicht der Fall. Es sei im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V außerdem auch nur Kostenerstattung möglich. Eine Sachleistung könne über § 13 Abs. 3a SGB V nicht begehrt werden. Insoweit verweist die Beklagte auf die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 10.12.2015 (Az. L 1 KR 413/14).

Am 8.3.2016 hat das Bundessozialgericht eine Entscheidung zu der Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V getroffen (Az. B 1 KR 25/15 R).

Am 8.7.2016 erließ die Beklagte nach Anhörung einen Rücknahmebescheid im Hinblick auf die Genehmigungsfiktion. Dies erfolgte "vorsorglich". Die Genehmigungsfiktion sei rechtswidrig. Der Kläger habe ein multimodales Therapiekonzept nicht durchgeführt.

Der Kläger verwies demgegenüber auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016. Eine Rücknahme der Genehmigungsfiktion sei nicht möglich. Der Kläger legte Widerspruch ein. Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Widerspruch nicht möglich sei, da der Bescheid nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten 4.7.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.4.2016 bzw. die Frage des Eintritts der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V. Auch der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 8.7.2016 ist nach Auffassung der Kammer nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn nach dieser Regelung wird ein neuer Verwaltungsakt dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da mit dem Rücknahmebescheid gerade die Genehmigungsfiktion aufgehoben, also im Sinne des § 96 SGG abgeändert werden sollte. Der Versagungsbescheid der Beklagten vom 3.4.2014 musste von dem Kläger nicht gesondert angefochten werden. Denn ein Versagungsbescheid nach § 66 SGB I wirkt nur begrenzt bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung (vgl. jurisPraxiskommentar, § 66 SGB I, Rn. 29). Außerdem beinhaltet ein Versagungsbescheid keine Entscheidung über den Leistungsanspruch selbst (vgl. jurisPraxiskommentar, § 66 SGB I, Rn. 3). Und schließlich hat die Beklagte den Versagungsbescheid durch den Wiedereintritt in die Leistungsprüfung (nach der Nachholung der Mitwirkungshandlung) und der dann ergangenen Leistungsablehnungsentscheidung den Versagungsbescheid vom 3.4.2014 (konkludent) aufgehoben.

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

An der Zulässigkeit der Klage bestehen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 15.11.2016 keine Bedenken mehr. Zwar war die zunächst erhobene Feststellungsklage des Klägers mangels Feststellungsinteresse unzulässig, da der Kläger seinen behaupteten Sachleistungsanspruch auf Kostenübernahme für eine stationäre Magenbypass-Operationen aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen kann. Jedoch hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 26.4.2016 einen hierauf gerichteten Leistungsantrag und einen Anfechtungsantrag hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 04.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2016 gestellt und insoweit seine Klage umgestellt. Darauf hat sich die Beklagte in der Sache ohne Widerspruch eingelassen, so dass die Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1, 2 SGG somit zulässig ist, zumal die Klageumstellung auch sachdienlich ist.

II.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann sich im vorliegenden Fall mit Erfolg darauf berufen, dass die begehrte Magenbypass-Operation gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als genehmigt gilt. Daher ist die Beklagte verpflichtet, die Magenbypass-Operation als Sachleistung zu gewähren. Die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und daher aufzuheben. Im Einzelnen:

1. Voraussetzung für den Eintritt der Genehmigungsfiktion ist zunächst, dass der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V eröffnet ist. In zeitlicher Hinsicht greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Versicherte ab dem 26.2.2013 stellen. Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift gilt, dass Ansprüche auf unmittelbare Geldleistungen und Ansprüche für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von § 13 Abs. 3a SGB V nicht erfasst sind (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016, Az. B 1 KR 25/15 R).

Des Weiteren sieht der Wortlaut des § 13 Abs. 3a S. 1 bis 7 SGB V hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion vor:

"Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. ( ) Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet."

§ 13 Abs. 3a S. 1 SGB V bestimmt also 2 exakte zeitliche Höchstgrenzen, nämlich die grundsätzlich für die Entscheidung der Krankenkasse geltende 3-Wochen-Frist und abweichend davon eine Frist von 5 Wochen, wenn eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt wird. Die Fristen sind sehr kurz bemessen, gerade im Vergleich zu der 6 Monats-Frist, die § 88 Abs. 1 SGG für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage vorsieht. Diese Entscheidungsfristen gelten nur für das Antragsverfahren, nicht für das Widerspruchsverfahren. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes beginnt sowohl der Lauf der 3-Wochen-Frist als auch der 5-Wochen-Frist mit dem Antragseingang. Die Fristen werden gemäß § 26 Abs. 1, 3 S. 1 SGB X in entsprechender Anwendung der §§ 187 ff. BGB berechnet (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 61, 62).

2. Im vorliegenden Fall sind alle Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V zum Eintritt der Genehmigungsfiktion für die Magenbypass-Operation erfüllt. Im Einzelnen:

a) Der sachliche und zeitliche Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ist hier eröffnet, da der Kläger seinen Antrag auf die gewünschte Magenbypass-Operation erst am 25.10.2013, somit nach dem 26.2.29013, gestellt hat. Außerdem geht es dem Kläger weder um eine unmittelbare Geldleistung noch um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, sondern um die Bewilligung einer bestimmten stationären Krankenhausbehandlung.

b) Die vom Kläger begehrte Sachleistung einer Magenbypass-Operation gilt im vorliegenden Fall auch im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als genehmigt. Denn die Beklagte hat im vorliegenden Fall die Fristen des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht eingehalten und dies dem Kläger auch nicht schriftlich im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V mitgeteilt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen der Kammer:

(1) Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 13 Abs. 3a SGB V sind in weiten Teilen in der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Literatur umstritten. Das Bundessozialgericht hat zur Auslegung von § 13 Abs. 3a S. 1, 5, 6 SGB V in dem Urteil vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) nunmehr insbesondere ausgeführt:

"Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V) ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V) und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V) vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, tag genau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Diesen Ausführungen des Bundessozialgerichts schließt sich die Kammer an.

(2) Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Beklagte weder die 3 Wochen-Frist noch die 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V eingehalten hat.

Der Kläger stellte seinen Antrag auf die Magenbypass-Operation nämlich am Freitag den 25.10.2013. Die Frist von 3 Wochen ist dabei im vorliegenden Fall maßgeblich, weil die Beklagte weder unverzüglich noch innerhalb der 3-Wochen-Frist eine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des § 13 Abs. 3a s. 2 SGB V in Auftrag gegeben hat und demnach den Kläger darüber auch nicht unterrichtet hat. Dass die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 30.10.2013 darüber unterrichtet hat, dass man beabsichtige eine gutachterliche Stellungnahme einzuholen, wenn der Kläger weitere Unterlagen vorlegt, reicht zur Verlängerung der 3-Wochen-Frist auf 5 Wochen nicht aus, da eine gutachterliche Stellungnahme des MDK "tatsächlich erfolgt" und der versicherte darüber unterrichtet werden muss. Dafür sprechen die gesetzgeberischen Ziele der Beschleunigung und der Transparenz. Denn die Gesetzesmaterialien heben hervor, dass den Leistungsberechtigten durch die Unterrichtung Klarheit darüber verschafft werden soll, ob die 3-Wochen Frist oder die 5-Wochen-Frist gilt (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 63.2; BT-Drs. 17/10488, S. 32).

Das Bundessozialgericht hat Urteil vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) dazu ausgeführt:

"Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von 3 Wochen aber annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt."

Die 3-Wochen-Frist endete im vorliegenden Fall am Freitag den 15.11.2013. Die Beklagte entschied aber erst später, nämlich im April bzw. im Juli 2014.

Soweit die Beklagte vorträgt, dass sie aufgrund der fehlenden Unterlagen des Klägers gar nicht habe innerhalb der Fristen des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V entscheiden könne, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Es wäre der Beklagten durchaus möglich gewesen fristgerecht den Antrag des Klägers abzulehnen oder einen Versagungsbescheid zu erlassen, was sie schließlich im April 2014 auch verspätet getan hat. Die verzögerte Entscheidung lag somit nach Auffassung der Kammer auch durchaus im Verantwortungsbereich der beklagten Krankenkasse.

(3) Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Beklagte auch die 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht eingehalten hat. Selbst wenn man also vertreten wollte, dass hier die 5-Wochen-Frist gilt, würde dies am Ergebnis nichts ändern. Die 5 Wochen-Frist wäre am 29.11.2013 abgelaufen. Die Beklagte entschied aber erst später, nämlich im April bzw. im Juli 2014.

(4) Die Beklagte kann sich nach Auffassung der Kammer auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ein hinreichender Grund, nämlich die fehlende Mitwirkung des Klägers, vorgelegen habe, der die Überschreitung der 3-Wochen-Frist (oder der 5-Wochen-Frist) rechtfertige und somit der Genehmigungsfiktion entgegenstehe.

Zunächst ist nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich, dass der Kläger im Hinblick auf die 3-Wochen-Frist bzw. bis zum Ablauf der 3-Wochen-Frist seinen Mitwirkungspflichten verletzt hat. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Kläger die Unterlagen, diese mit Schreiben vom 30.11.2013 angefordert hatte, zunächst nicht vorgelegt hat. Jedoch hatte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30.10.2013 gerade keine Frist zur Vorlage der Unterlagen gesetzt. Außerdem hat der weitere Verlauf des Verfahrens gezeigt, dass es überflüssig war, dass die Beklagte vor der Beauftragung des MDK überhaupt Unterlagen des Klägers anfordert. Denn der MDK hat nach seiner Beauftragung im Januar 2014 umgehend ein Schreiben an den Kläger geschickt, mit dem darüber hinaus noch weitere Unterlagen angefordert worden sind. Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Vorgehensweise der Beklagten im vorliegenden Fall dem Gebot des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V, eine "zügige" Bearbeitung zu gewährleisten, im vorliegenden Fall nicht entsprochen hat. Die Beklagte hätte umgehend nach Antragseingang den MDK beauftragen können und der MDK hätte dann die erforderlichen medizinischen Unterlagen angefordert. Dem ist die Beklagte jedoch nicht gerecht geworden. Bereits aus diesem Grunde ist der Einwand der Beklagten nicht überzeugend.

Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass das Vorliegen eines hinreichenden Grundes für eine verspätete Entscheidung, nicht ausreichend ist, um den Eintritt der Genehmigungsfiktion über die 3-Wochen-Frist bzw. die 5-Wochen-Frist hinauszuschieben. Vielmehr sieht § 13 Abs. 3a S. 5, 6 SGB V vor, dass die Krankenkasse dem Leistungsberechtigten
- rechtzeitig und
- schriftlich und
- unter Darlegung der Gründe
mitteilen muss, dass sie die Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht einhalten kann. Dazu hat das Bundessozialgericht in Entscheidung vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) ergänzend ausgeführt:

"Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, tag genau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Diesen Anforderungen ist die Beklagte - unabhängig von der Frage, ob ein hinreichender Grund vorgelegen hat - nicht gerecht geworden. Die Beklagte hat nämlich dem Kläger nicht mitgeteilt, dass sie die 3-Wochen-Frist oder die 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht einhalten kann. Dazu findet sich in sämtlichen Schreiben der Beklagten kein Wort. Des Weiteren hat die Beklagte vor Ablauf der 3-Wochen-Frist in keinster Weise darauf hingewiesen, dass sich die 3-Wochen-Frist (oder die 5-Wochen-Frist) durch die fehlende Vorlage von medizinischen Unterlagen verlängern könnte. Von einer rechtzeitigen Mitteilung im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V kann daher keine Rede sein. Und schließlich hat die Beklagte nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine prognostizierte, tag genau Dauer angegeben, für die der Eintritt der Genehmigungsfiktion herausgeschoben wird. Daran fehlt es vollends. Im Ergebnis ist die Genehmigungsfiktion im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 6 SGBV somit auch deshalb nach 3 Wochen eingetreten, weil es an einer rechtzeitigen schriftlichen Mitteilung im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 5 SGBV fehlt. Gleiches würde im Übrigen auch dann gelten, wenn man hier von der Maßgeblichkeit der 5-Wochen-Frist ausgehen wollte. Auch dann würde es an einer rechtzeitigen schriftlichen Mitteilung im dargestellten Sinne von § 13 Abs. 3a S. 5 SGBV fehlen. Denn auch vor Ablauf der 5-Wochen-Frist hat die Beklagte dem Kläger nicht mitgeteilt, dass sie die 5 Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht einhalten kann und ebenso wenig hat die Beklagte im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts tag genau angegeben, für wie lange sich der Eintritt der Genehmigungsfiktion herausschiebt. Zu all dem findet sich nämlich in dem Schreiben der Beklagten vom 26.11.2013 (vgl. Bl. 30 der Verwaltungsakte), dass als einziges noch rechtzeitig im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V sein könnte, kein Wort. Die bloße Fristsetzung, dass die medizinischen Unterlagen nunmehr bis zum 18.12.2013 vorgelegt werden sollen, wird den dargestellten Anforderungen nicht gerecht.

c) Auch die weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion liegen hier vor. Insbesondere hat der Kläger einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt, der genehmigungsfähig ist. Dazu hat das Bundessozialgericht in Entscheidung vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) ausgeführt:

"Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG ( ) normierten Grundsätzen ( ...) gilt "eine beantragte Genehmigung ( ...) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt ( ...), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen ( ...). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist ( ...). So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Der Antrag des Klägers war hinreichend bestimmt und damit genehmigungsfähig. Aus dem Antrag geht hervor, dass er wegen krankhafter Adipositas eine Magenbypass-Operation begehrt, für die er einen ausführlichen Arztbericht des Krankenhauses Sachsenhausen vom 9.7.2013 vorgelegt hat, aus dem sogar hervorgeht, dass für die stationäre Behandlung die DRG-Fallpauschale K04A abgerechnet werden soll.

Mehr kann nach Auffassung der Kammer für einen genehmigungsfähigen Antrag nicht gefordert werden.

d) Schließlich ist die vom Kläger als Sachleistung begehrte Magenbypass-Operation auch eine Leistung, die der Kläger im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016 für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Dazu hat das Bundessozialgericht in Entscheidung vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) ausgeführt:

"Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. (.) Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. ( ) Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Der Kläger darf die begehrte Magenbypass-Operation – nach dem hier anzulegenden subjektiven Maßstab (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016, Az. B 1 KR 25/15 R) - aufgrund der fachlichen Befürwortung durch das Krankenhaus Sachsenhausen für erforderlich halten. Die Leistung liegt auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung. Vielmehr handelt es sich um eine Leistung, die das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht, worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat. Ob hier tatsächlich die "medizinischen" Voraussetzungen für eine Magenbypass-Operation vorliegen oder ob die Auffassung des MDK zutreffend ist, vermag die Kammer ohne sachverständige Hilfe nicht zu beurteilen. Darauf kommt es aber auch gar nicht an, da die Genehmigungsfiktion nach dem Willen des Gesetzgebers nur dadurch eintreten soll, dass die Krankenkasse – wie im vorliegenden Fall - die Fristen und die Mitteilungspflichten des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhält. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten des Klägers liegen nicht vor.

Vor diesem Hintergrund – bzw. vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – vermag auch der Einwand der Beklagten nicht zu überzeugen, dass im vorliegenden Einzelfall die Voraussetzungen für eine Magenbypass-Operation nicht vorliegen würden, wie der MDK festgestellt habe. Denn darauf kann sich die Beklagte hier im Rahmen der Genehmigungsfiktion nicht berufen. Darauf kommt es nämlich für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach den gesetzlichen Vorgaben gerade nicht an, solang die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt oder missbräuchlich ist, was hier jedoch nicht der Fall ist. Dass bei dieser Gesetzeslage bzw. unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Versicherte aufgrund der Genehmigungsfiktion Leistungen erhalten, die sie möglicherweise ansonsten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes oder des Qualitätsgebotes nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bekommen würden, ist der vom Gesetzgeber vorgesehen "Genehmigungsfiktion" des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V bzw. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts immanent, und kann dem Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht entgegen gehalten werden, solange nicht die Offensichtlichkeits- oder Missbrauchsschwelle überschritten wird (vgl. dazu auch: jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 71.3).

e) Im Ergebnis ist nach Auffassung der Kammer die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V eingetreten, so dass der Kläger die begehrte Magenbypass-Operation als Sachleistung von der Beklagten beanspruchen kann.

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten tritt die Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V auch nicht nur im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruches ein. Diese Rechtsauffassung der Beklagten ist zwar mit guten Gründen vertretbar und insoweit verweist die Beklagte auch in nachvollziehbarer Weise auf eine Entscheidung des 1. Senates des Hessischen Landessozialgerichts. Jedoch hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts sich in der Entscheidung vom 8.3.2016 – obwohl es nur über einen Kostenerstattungsanspruch zu entscheiden hatte – auch schon dazu geäußert, ob § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V einen Sachleistungsanspruch vermitteln kann. Dazu heißt es im Urteil des Bundessozialgerichts wörtlich:

"Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1)."

Dem schließt sich die Kammer nunmehr an. Somit kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V auch einen Sachleistungsanspruch vermitteln, den der Kläger im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren auch einklagen kann. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, das Risiko einer Selbstbeschaffung auf eigene Kosten zunächst einzugehen, um dann anschließend auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zu klagen.

4. Die Kammer ist schließlich auch davon überzeugt, dass die eingetretene Genehmigungsfiktion für die im Streit stehende Magenbypass-Operation nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Insbesondere die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Genehmigungsfiktion nach § 45 SGB X liegen nicht vor. § 45 Abs. 1 SGB X sieht nämlich vor, dass ein Verwaltungsakt, soweit er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigenden Verwaltungsakt) und rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden darf. § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X sieht dabei als Einschränkung vor, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte die erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (vgl. § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X). Außerdem handelt es sich bei § 45 Abs. 1 SGB X um eine Ermessensvorschrift ("darf"). Für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung muss der Verwaltungsträger das Ermessen überhaupt betätigt haben und es entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens ausüben. Die Gerichte haben diese Entscheidung auf Ermessensfehler, wie etwa einen Ermessensnichtgebrauch, einen Ermessensfehlgebrauch oder eine Ermessensüberschreitung zu überprüfen. Im Rahmen von § 45 Abs. 1 SGB X muss der Rücknahmebescheid erkennen lassen, dass das Ermessen ausgeübt wurde und welche Aspekte in das Ermessen eingestellt wurden (vgl. jurisPraxiskommentar, § 45 SGB X, Rn. 120). Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Genehmigungsfiktion nach § 45 Abs. 1 SGB X liegen hier jedoch nicht vor. Zunächst ist die eingetretene Genehmigungsfiktion nicht rechtswidrig im Sinne von § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X. Denn aus den dargelegten Gründen liegen hier die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion vor. Diese kann die Beklagte nicht unter Berufung auf das Ergebnis eines MDK-Gutachtens aushebeln. Solange die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion vorliegen, kann sie auch nicht nach § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen werden. Hinzu kommt, dass für die Kammer auch nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte eine fehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen hat. Die Beklagte hat in ihrem Rücknahmebescheid vom 8.7.2016 nämlich in keinster Weise erkennen lassen, dass das Ermessen ausgeübt wurde und welche Aspekte in das Ermessen eingestellt wurden. Es finden sich lediglich Ausführungen zu der Frage, ob sich der Kläger gemäß § 45 Abs. 2 S. 1, 2 SGB X auf Vertrauensschutz berufen kann und ob das Vertrauen des Klägers in die Genehmigungsfiktion unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Dies ist jedoch nicht die gebotene Ermessensausübung im Sinne von § 45 Abs. 1 SGB X. Vielmehr sprechen die weitere Ausführungen im Rücknahmebescheid der Beklagten vom 8.7.2016 dafür, dass gerade kein Ermessen ausgeübt wurde, da es ausdrücklich heißt, dass die Rücknahme der fingierten Genehmigung zu erfolgen "hat". Daher ist der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 8.7.2016 gleich aus mehreren Gründen aufzuheben.

Es ist auch kein Anhaltspunkt ersichtlich, dass die Genehmigungsfiktion widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Insbesondere sind keine geänderten Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts entfallen lassen könnten.

5. Im Ergebnis war die Beklagte aus den dargelegten Gründen antragsgemäß zu verurteilen und der Bescheid der Beklagten vom 04.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2016 und der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2016 waren aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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