S 8 KR 340/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 340/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 131/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2015 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin
- ein Bodylift nach Lockwood
- eine Oberschenkelrekonstruktion nach Aly
- eine Bruststraffung mit Prothesen
als Sachleistung zu gewähren.

3. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von 3 postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie beantragte am 15.5.2015 bei der Beklagten die 3 Operationen (Bodylift nach Lockwood, Oberschenkelrekonstruktion nach Aly, Bruststraffung inkl. Prothesen) als Sachleistung. Zur Begründung gab sie an, dass sie aufgrund einer adipositas-chirurgischen Maßnahme den größten Teil ihres Übergewichts verloren habe. Die Haut habe sich jedoch nicht vollständig zurückgebildet. Es würden diverse Hautmantelüberschüsse verbleiben. Es bestünden funktionale Einschränkungen und Reizungen der Haut. Eine adäquate konservative Therapie sei nicht verfügbar. Die Klägerin sei entstellt. Es bestehe ein hoher Leidensdruck. Es wurden Berichte der behandelnden Ärzte vorgelegt. Seitens des Krankenhauses wurde auch die konkrete abzurechnende DRG für die Operationen benannt (vgl. Bl. 14 Verwaltungsakte). Am 22.5.2015 teilte die Beklagte mit, dass sie eine Prüfung des MDK in Auftrag geben werde um die medizinische Notwendigkeit der Eingriffe zu überprüfen. Dafür benötige man eine Fotodokumentation. Die Klägerin wurde um Vorlage gebeten. Mit Schreiben vom 3.6.2015 gab die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) in Auftrag. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 8.6.2015 für den 19.6.2015 zu einer Untersuchung beim MDK eingeladen. Der MDK untersuchte die Klägerin und erstellte am 23.6.2015 ein sozialmedizinisches Gutachten, in dem die Kostenübernahme für die begehrten Operationen nicht empfohlen wurde (vgl. Bl. 23-25 der Verwaltungsakten).

Mit Bescheid vom 23.6.2015 wurde der Antrag der Klägerin auf die begehrten Operationen abgelehnt. Zur Begründung nahm die Beklagte Bezug auf die Ausführungen des MDK.

Die Klägerin legte Widerspruch ein und berief sich auf § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.8.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Beklagte berief sich erneut auf das Gutachten des MDK.

Bereits zuvor, am 6.7.2015, hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Die Klägerin ist der Auffassung des die Voraussetzungen für die Gewährung der 3 begehrten Operationen vorliegen würden. Zumindest greife die Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V. Die Beklagte habe die 5-Wochen-Frist nicht eingehalten. Es würde auch an einer Mitteilung nach § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V fehlen.

Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin
- ein Bodylift nach Lockwood
- eine Oberschenkelrekonstruktion nach Aly
- eine Bruststraffung incl. Prothesen
als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stützt sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und auf die Gutachten des MDK. Die Beklagte meint, dass die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 3a SGB V nicht vorliegen würden. Die Klägerin habe die angeforderte Fotodokumentation nicht vorgelegt. Auf die Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V könne sich die Klägerin berufen. Sie gewähre nur einen Kostenerstattungsanspruch.

In der Zwischenzeit hatte das Bundessozialgericht am 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) über die Auslegung von § 13 Abs. 3a SGB V entschiedenen. Vor diesem Hintergrund wies das Gericht darauf hin, dass die Beklagte die 5-Wochen-Frist nicht eingehalten habe. Die Beklagte vertrat sodann die Auffassung, dass § 13 Abs. 3a SGB V nicht einschlägig sei, da die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Dies habe die Entscheidung verzögert.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

An der Zulässigkeit der Klage bestehen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 30.1.2017 keine Bedenken mehr. Zwar war die zunächst erhobene Feststellungsklage der Klägerin mangels Feststellungsinteresse unzulässig, da die Klägerin ihren behaupteten Sachleistungsanspruch auf Kostenübernahme für 3 postbariatrische Wiederherstellungsoperationen aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen kann. Jedoch hat der Bevollmächtigte der Klägerin inzwischen einen hierauf gerichteten Leistungsantrag und einen Anfechtungsantrag hinsichtlich der Bescheide der Beklagten gestellt und insoweit seine Klage umgestellt. Darauf hat sich die Beklagte in der Sache ohne Widerspruch eingelassen, so dass die Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1, 2 SGG somit zulässig ist, zumal die Klageumstellung auch sachdienlich ist.

II.

Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin kann sich im vorliegenden Fall mit Erfolg darauf berufen, dass die begehrten 3 postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als genehmigt gelten. Daher ist die Beklagte verpflichtet, die 3 postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung zu gewähren. Die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten sind aufzuheben.

Im Einzelnen:

1. Voraussetzung für den Eintritt der Genehmigungsfiktion ist zunächst, dass der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V eröffnet ist. In zeitlicher Hinsicht greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Versicherte ab dem 26.2.2013 stellen. Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift gilt, dass Ansprüche auf unmittelbare Geldleistungen und Ansprüche für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von § 13 Abs. 3a SGB V nicht erfasst sind (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016, Az. B 1 KR 25/15 R).

Des Weiteren sieht der Wortlaut des § 13 Abs. 3a S. 1 bis 7 SGB V hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion vor:

"Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. ( ) Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet."

§ 13 Abs. 3a S. 1 SGB V bestimmt also 2 exakte zeitliche Höchstgrenzen, nämlich die grundsätzlich für die Entscheidung der Krankenkasse geltende 3-Wochen-Frist und abweichend davon eine Frist von 5 Wochen, wenn eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt wird. Die Fristen sind sehr kurz bemessen, gerade im Vergleich zu der 6 Monats-Frist, die § 88 Abs. 1 SGG für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage vorsieht. Diese Entscheidungsfristen gelten nur für das Antragsverfahren, nicht für das Widerspruchsverfahren. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes beginnt sowohl der Lauf der 3-Wochen-Frist als auch der 5-Wochen-Frist mit dem Antragseingang. Die Fristen werden gemäß § 26 Abs. 1, 3 S. 1 SGB X in entsprechender Anwendung der §§ 187 ff. BGB berechnet (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 61, 62).

2. Im vorliegenden Fall sind alle Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V zum Eintritt der Genehmigungsfiktion für die 3 postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen erfüllt.

Im Einzelnen:

a) Der sachliche und zeitliche Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ist hier eröffnet, da die Klägerin ihren Antrag auf die gewünschte 3 postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen erst am 15.5.2015, somit nach dem 26.2.2013, gestellt hat. Außerdem geht es der Klägerin weder um eine unmittelbare Geldleistung noch um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, sondern um die Bewilligung einer bestimmten stationären Krankenhausbehandlung.

b) Die von der Klägerin begehrten Sachleistungen der 3 postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen gelten im vorliegenden Fall auch im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als genehmigt. Denn die Beklagte hat im vorliegenden Fall die Fristen des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht eingehalten und dies der Klägerin auch nicht schriftlich im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V mitgeteilt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen der Kammer:

(1) Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 13 Abs. 3a SGB V sind in weiten Teilen in der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Literatur umstritten. Das Bundessozialgericht hat zur Auslegung von § 13 Abs. 3a S. 1, 5, 6 SGB V in dem Urteil vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) nunmehr insbesondere ausgeführt:

"Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V) ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V) und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V) vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Diesen Ausführungen des Bundessozialgerichts schließt sich die Kammer an.

(2) Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Beklagte die 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht eingehalten hat.

Die Klägerin stellte ihren Antrag auf die 3 postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen nämlich am Freitag den 15.5.2015. Die Frist von 5 Wochen ist dabei im vorliegenden Fall maßgeblich, weil die Beklagte ein Gutachten des MDK im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 2 SGB V in Auftrag gegeben hatte, jedoch der Klägerin nicht im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V rechtzeitig schriftlich unter Darlegung der Gründe mitgeteilt hat, dass sie die Fristen nach § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht einhalten kann. Dies hätte die Beklagte jedoch für eine Verlängerung der 5 Wochen-Frist tun müssen. Dafür sprechen die gesetzgeberischen Ziele der Beschleunigung und der Transparenz (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 63.2; BT-Drs. 17/10488, S. 32).

Das Bundessozialgericht hat Urteil vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) dazu ausgeführt:

"Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Daran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch gerade. Die 5-Wochen-Frist endete im vorliegenden Fall am Freitag den 19.6.2015. Die Beklagte entschied aber erst später, nämlich Dienstag den 23.6.2015.

Soweit die Beklagte vorträgt, dass sie aufgrund der fehlenden Unterlagen (der Fotodokumentation) der Klägerin gar nicht habe innerhalb der Fristen des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V entscheiden könne, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Denn einerseits kommt es darauf in rechtlicher Hinsicht gar nicht an, da die Beklagte keine Mitteilung an die Klägerin nach § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V vorgenommen hat, so dass allein deshalb die 5-Wochen-Frist maßgeblich bleibt. Und andererseits ist nicht nachvollziehbar, wieso es der Beklagten nicht möglich gewesen sein soll, den Antrag der Klägerin fristgerecht abzulehnen.

(3) Die Beklagte kann sich nach Auffassung der Kammer auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ein hinreichender Grund, nämlich die fehlende Mitwirkung der Klägerin, vorgelegen habe, der die Überschreitung der 5-Wochen-Frist rechtfertige und somit der Genehmigungsfiktion entgegenstehe.

Zunächst ist nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten verletzt hat. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass sie die Fotodokumentation mit e-mail vom 22.5.2015 angefordert hatte, die von der Klägerin zunächst nicht vorgelegt wurde. Jedoch hatte die Beklagte der Klägerin mit e-mail vom 22.5.2015 gerade keine Frist zur Vorlage der Unterlagen gesetzt. Außerdem hat der weitere Verlauf des Verfahrens – wie bereits dargelegt - gezeigt, dass es überflüssig war, dass die Beklagte vor der Beauftragung des MDK überhaupt eine Fotodokumentation anforderte. Denn der MDK hat nach seiner Beauftragung eine persönliche Begutachtung der Klägerin durchgeführt. Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Vorgehensweise der Beklagten im vorliegenden Fall dem Gebot des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V, eine "zügige" Bearbeitung zu gewährleisten, hier nicht entsprochen hat. Die Beklagte hätte umgehend nach Antragseingang den MDK beauftragen können und eine persönliche Begutachtung anregen können. Dem ist die Beklagte jedoch nicht gerecht geworden. Bereits aus diesem Grunde ist der Einwand der Beklagten nicht überzeugend.

Darüber hinaus weist das Gericht noch einmal darauf hin, dass das Vorliegen eines hinreichenden Grundes für eine verspätete Entscheidung, nicht ausreichend ist, um den Eintritt der Genehmigungsfiktion über die 5-Wochen-Frist hinauszuschieben. Vielmehr sieht § 13 Abs. 3a S. 5, 6 SGB V vor, dass die Krankenkasse dem Leistungsberechtigten - rechtzeitig und - schriftlich und - unter Darlegung der Gründe mitteilen muss, dass sie die Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht einhalten kann. Dazu hat das Bundessozialgericht in Entscheidung vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) ergänzend ausgeführt:

"Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Diesen Anforderungen ist die Beklagte - unabhängig von der Frage, ob ein hinreichender Grund vorgelegen hat - nicht gerecht geworden. Die Beklagte hat nämlich der Klägerin nicht mitgeteilt, dass sie die 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht einhalten kann. Dazu findet sich in sämtlichen Schreiben der Beklagten kein Wort. Des Weiteren hat die Beklagte vor Ablauf der 5-Wochen-Frist in keinster Weise darauf hingewiesen, dass sich die 5-Wochen-Frist hier verlängern könnte. Von einer rechtzeitigen Mitteilung im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V kann daher keine Rede sein. Und schließlich hat die Beklagte nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine prognostizierte, taggenau Dauer angegeben, für die der Eintritt der Genehmigungsfiktion herausgeschoben wird. Daran fehlt es vollends. Im Ergebnis ist die Genehmigungsfiktion im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 6 SGBV somit auch deshalb nach 5 Wochen eingetreten, weil es an einer rechtzeitigen schriftlichen Mitteilung im Sinne von § 13 Abs. 3a S. 5 SGBV fehlt.

c) Auch die weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion liegen hier vor.

Insbesondere hat die Klägerin einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt, der genehmigungsfähig ist. Dazu hat das Bundessozialgericht in Entscheidung vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) ausgeführt:

"Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG ( ) normierten Grundsätzen ( ...) gilt "eine beantragte Genehmigung ( ) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt ( ), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen ( ). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist ( ). So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig."

Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Der Antrag der Klägerin war hinreichend bestimmt und damit genehmigungsfähig. Aus dem Antrag geht hervor, dass sie wegen Gewichtsverlust nach einer adipositas-chirurgischen Maßnahme 3 postbariatrische Wiederherstellungsoperationen begehrt, für die sie insbesondere einen ausführlichen Arztbericht des Krankenhauses vorgelegt hat, aus dem sogar hervorgeht, welche DRG für die stationäre Behandlung abgerechnet werden soll.

Mehr kann nach Auffassung der Kammer für einen genehmigungsfähigen Antrag nicht gefordert werden.

d) Schließlich sind die vom der Klägerin als Sachleistung begehrten Operationen auch Leistungen, die die Klägerin im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016 für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Dazu hat das Bundessozialgericht in Entscheidung vom 8.3.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) ausgeführt:

"Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. (.) Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. ( ) Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Die Klägerin darf die begehrten Operationen – nach dem hier anzulegenden subjektiven Maßstab (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016, Az. B 1 KR 25/15 R) - aufgrund der fachlichen Befürwortung durch das Krankenhaus für erforderlich halten. Die Leistungen liegen auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung. Vielmehr handelt es sich um Leistungen, die das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht, worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat. Ob hier tatsächlich die "medizinischen" Voraussetzungen für die begehrten Operationen vorliegen oder ob die Auffassung des MDK zutreffend ist, vermag die Kammer ohne sachverständige Hilfe nicht zu beurteilen. Darauf kommt es aber auch gar nicht an, da die Genehmigungsfiktion nach dem Willen des Gesetzgebers nur dadurch eintreten soll, dass die Krankenkasse – wie im vorliegenden Fall - die Fristen und die Mitteilungspflichten des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhält. Anhaltspunkte für ein mißbräuchliches Verhalten der Klägerin liegen nicht vor.

Vor diesem Hintergrund – bzw. vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – vermag auch der Einwand der Beklagten nicht zu überzeugen, dass im vorliegenden Einzelfall die Voraussetzungen für die Operationen nicht vorliegen würden, wie der MDK festgestellt habe. Denn darauf kann sich die Beklagte hier im Rahmen der Genehmigungsfiktion nicht berufen. Darauf kommt es nämlich für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach den gesetzlichen Vorgaben gerade nicht an, solang die Leistungen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung liegen oder missbräuchlich sind, was hier jedoch nicht der Fall ist. Dass bei dieser Gesetzeslage bzw. unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Versicherte aufgrund der Genehmigungsfiktion Leistungen erhalten, die sie möglicherweise ansonsten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes oder des Qualitätsgebotes nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bekommen würden, ist der vom Gesetzgeber vorgesehen "Genehmigungsfiktion" des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V bzw. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts immanent, und kann dem Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht entgegen gehalten werden, solange nicht die Offensichtlichkeits- oder Missbrauchsschwelle überschritten wird (vgl. dazu auch: jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 13 SGB V, Rn. 71.3).

e) Im Ergebnis ist nach Auffassung der Kammer die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V eingetreten, so dass die Klägerin die begehrten 3 postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung von der Beklagten beanspruchen kann.

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten tritt die Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V auch nicht nur im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruches ein. Diese Rechtsauffassung der Beklagten ist zwar mit guten Gründen vertretbar. Jedoch hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts sich in der Entscheidung vom 8.3.2016 – obwohl es nur über einen Kostenerstattungsanspruch zu entscheiden hatte – auch schon dazu geäußert, ob § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V einen Sachleistungsanspruch vermitteln kann. Dazu heißt es im Urteil des Bundessozialgerichts wörtlich:

"Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1)."

Dem schließt sich die Kammer nunmehr an. Somit kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V auch einen Sachleistungsanspruch vermitteln, den die Klägerin im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren auch einklagen kann. Sie muss sich nicht darauf verweisen lassen, das Risiko einer Selbstbeschaffung auf eigene Kosten zunächst einzugehen, um dann anschließend auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zu klagen.

4. Im Ergebnis war die Beklagte aus den dargelegten Gründen antragsgemäß zu verurteilen und der Bescheid der Beklagten vom 23.6.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.8.2015 war aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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