S 10 KR 385/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 385/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 29. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten einer bariatrischen Operation in Form des Schlauchmagens in einem zugelassenen Krankenhaus zu übernehmen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, nachdem der Kläger seinen ursprünglichen Feststellungsantrag infolge des Erlasses des Widerspruchsbescheides umgestellt hatte, jetzt um die Kostenübernahme einer bariatrischen Operation (Schlauchmagen) zur Gewichtsreduktion.

Der inzwischen 40-jährige Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert und stellte im Januar 2016, eingegangen bei der Beklagten am 1. Februar 2016, Antrag auf Kostenübernahme eines adipositaschirurgischen Eingriffs in Form des Schlauchmagens zur Behandlung seines Übergewichtes, dass er bei einer Körpergröße von 172 cm mit einem Gewicht von 134,5 kg (BMI 45,3) angab. Er habe bereits mehrere Versuche der Gewichtsabnahme auch mittels Diäten in Eigenregie durchgeführt, die sämtlich erfolglos geblieben seien. Beigefügt hat er eine Reihe von Unterlagen, so ein "Gutachten" des Saunaklinikums Offenbach, indem Professor Doktor C. am 06.01.2016 die medizinische Indikation für die Durchführung der Operation mit Bildung eines Schlauchmagens angesichts des bestehenden Übergewichtes des Grades III sowie fehlender Kontraindikationen befürwortet hatte. Ebenso lag dem ein psychologisches Gutachten der systemischen Psychotherapeutin D. vor, in der diese angesichts der Jugend und der starken Motivation des Klägers eine gute Compliance bestätigt hatte, wie auch eine Teilnahmebestätigung an einer Ernährungsberatung durch Dr. E. vom 28.12.2014 und eine Stellungnahme seines Hausarztes Dr. F. vom 21.12.2015, indem dieser zum einen die extreme Adipositas und zum anderen eine fehlende eigene Möglichkeit zur Gewichtsreduktion bestätigt hat.

Mit Schreiben vom 02.02.2016 bestätigte die Beklagte nicht nur den Eingang des Antrages, sondern forderte den Kläger zur Vervollständigung seines Antrages um Vorlage eines Ernährungs-Tagebuchs über 14 Tage, eines ärztlichen Nachweises über mindestens 6 bis 12-monatige Therapien zur Ernährung, Bewegung und Psyche, sowie einen ausgefüllten Fragebogen zur Adipositaschirurgie. Denn sie wolle den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zur Erstellung eines Gutachtens auffordern. Da der Kläger zunächst nicht reagiert hatte, erinnerte die Beklagte mit Schreiben vom 18.02.2016 daran und forderte erneut – diesmal unter Fristsetzung zum 02.03.2016 – zur Vorlage der erbetenen Unterlagen auf und wies gleichzeitig darauf hin, dass sonst Ablehnung mangels Mitwirkung erfolgen würde. Die Unterlagen (Attest der Endokrinologin Dr. G. vom 26.02.2016, Ernährungstagebuch wie der Fragebogen bezüglich der Kostenübernahme einer bariatrischen Operation wegen Übergewichts) gingen per Fax am 04.03.2017 bei der Beklagten ein, woraufhin diese am 07.03.2016 die Unterlagen an den medizinischen Dienst der Krankenkassen zur Erstellung eines Gutachtens übersandte. Am gleichen Tag wurde der Kläger darüber informiert, dass eine Leistungsentschädigung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist möglich sei, da die zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen erst am 04.03.2016 bei ihr eingegangen seien. Sobald das Gutachten vorliege würde sie den Antrag weiter bearbeiten.

Am 23.03.2016 stellte der begutachtende Arzt Dr. H. fest, dass keine primäre Indikation zur operativen Gewichtsreduktion im Sinne eines Ultima Ratio gegeben sei, zumal besonders schwere Begleit- und Folgeerkrankungen ebenso wenig vorlägen, wie ein BMI über 50 oder sonstige persönliche psychosoziale Umstände, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellten. Das am 24.03.2016 der Beklagten vorliegende Gutachten nahm diese zum Anlass, mit Bescheid vom 29. März 2016 die Kostenübernahme der gewünschten operativen Maßnahme mit der Begründung abzulehnen, dass nach Ansicht des MDK eine solche aus medizinischer Sicht nicht zu gewähren sei.

Noch bevor die Beklagte über den am 20.04.2016 erhobenen, zunächst jedoch nicht begründeten Widerspruch entscheiden konnte, hatte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 03.05.2016 bereits Klage beim hiesigen Gericht erhoben mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass sein Antrag auf Gewährung einer bariatrischen Operation (Schlauchmagen) vom 01.02.2016 als genehmigt gelte. Im Rahmen dieses Klageverfahrens und nachdem das Gericht im Einvernehmen mit den Beteiligten durch Beschluss vom 5. Oktober 2016 zunächst das Ruhen des Verfahrens angeordnet hatte, hat die Beklagte am 21. Oktober 2016 den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Daraufhin stellte der Kläger am 02.08.2017 vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts den Antrag, das Verfahren fortzusetzen, dem das Gericht am 03.08.2017 gefolgt ist.

Zur Begründung seiner Klage weist er darauf hin, dass sich der Anspruch bereits aus § 13 Abs. 3 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ergebe, der im Rahmen des Patientenrechts des Jahres 2013 mit dem Ziel eingerichtet worden sei, im Interesse der Patienten einen Beschleunigungseffekt zu erzielen. Darin habe der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Einführung neuer und stark verkürzter Fristen weder ein Verantwortungs- noch ein Verschuldensprinzip etabliert. Es komme vielmehr allein darauf an, ob die vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen erfüllt seien, zumal der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt habe, dass Organisationsmängel und Arbeitsüberlastung keine tragfähigen Gründe im Sinne des Gesetzes darstellten. Selbst Verzögerungen im Hause des MDK würden die gesetzlichen Krankenkassen nicht von der Einhaltung der gesetzlich klar normierten Fristen entbinden. Da die gesetzlichen Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion vorlägen und daraus auch ein unmittelbarer Leistungsanspruch abzuleiten sei, sei die Beklagte allein schon deshalb verpflichtet, die Kosten der beantragten bariatrischen Operation in Form des Schlauchmagens zu übernehmen. Denn die gewünschte minimalinvasive Adipositas-chirurgische Maßnahme sei im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung eine grundsätzlich von den gesetzlichen Krankenversicherungen zu erbringende Leistung, bei der der Anspruch des Versicherten lediglich von der medizinischen Indikation abhänge. Diese läge im Übrigen vor, weil angesichts des erheblichen Übergewichtes des Klägers es unwahrscheinlich ist, dass er mittels konservativer Behandlungsmethoden dieses reduzieren könnte, um mögliche Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 29. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer bariatrischen Operation in Form eines Schlauchmagens in einem zugelassenen Krankenhaus zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie vertritt dagegen zum einen die Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion nicht erfüllt seien, ganz abgesehen davon, dass die begehrte Leistung medizinisch nicht notwendig sei und die Genehmigungsfiktion nur solche Leistungen umfassen könne, die auch nach den gesetzlichen Regelungen von der Krankenkasse zu gewähren seien. Dies träfe im Falle des Klägers auf die Durchführung der gewünschten bariatrischen Operation jedoch nicht zu.

Angesichts der Tatsache, dass der Kläger die gewünschten Unterlagen erst am 04.03.2016 – nachmittags – ihr vorgelegt habe und ihm noch am gleichen Tag mitgeteilt worden sei, dass eine Entscheidung in der Sache erst nach Gutachtenseingang erfolgen könne, gelte die beantragte Leistung trotz Ablauf der 5-Wochen-Frist nicht als genehmigt. Vielmehr habe sie ohne das MDK-Gutachten keine Entscheidung in der Sache treffen können, weshalb ein hinreichender Grund für die Nichteinhaltung der Frist anzuerkennen sei. Zumal eine taggenauer Angabe des Bestehens eines hinreichenden Grundes nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht gefordert werden könne. Lediglich aufgrund des fehlenden Mitwirkens des Klägers habe die Leistungsentscheidung nicht innerhalb der 5-Wochen-Frist ergehen können.

Im Übrigen greife die Genehmigungsfiktion nicht bei jeglichen Leistungsanträgen, sondern nur dann, wenn sich der Antrag auch auf eine Leistung beziehe, die zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehöre, denn die Vorschrift solle zwar die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren bei den Krankenkassen bezwecken, nicht aber den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ausweiten. Im Übrigen regelten die Vorschriften des § 13 SGB V nur Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Leistungen, die zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenverskassen gehörten. Da es sich dabei um eine enge und abschließende Ausnahmevorschrift handele, könne auch nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 13 Abs. 3 a SGB V einen direkten Leistungsanspruch habe begründen wollen.

Schließlich sei festzustellen, dass entgegen der Ansicht des Klägers die Voraussetzungen für die medizinische Notwendigkeit der beantragten operativen Maßnahme eines Schlauchmagens im Sinne einer Ultima Ratio-Regel nicht erfüllt seien, was auch der MDK in seiner Stellungnahme überzeugend ausgeführt habe.

Bezüglich des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und den Einzelheiten in den erwähnten Unterlagen wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die beide auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2018 waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, nachdem der Kläger nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016 seine Klage umgestellt hat. Die dagegen ursprünglich am 03.05.2016 bei Gericht eingereichte Feststellungsklage war unzulässig, weil – auch im Rahmen des Eintritt der Genehmigungsfiktion – unmittelbarer Anspruch auf Leistung erhoben werden kann, so dass die nur subsidiäre Feststellungsklage keinen Erfolg hätte haben können (§ 55 Abs. 1 SGG). Die Klageänderung war nicht nur sachdienlich, sondern hat den durch Erlass des Widerspruchsbescheides eingetretenen tatsächlichen wie rechtlichen Änderungen Rechnung getragen (§ 99 Abs. 1 SGG), wobei die Beklagte sich im Laufe des Klageverfahrens auch auf die geänderte Klage eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG).

Sie ist auch im Sinne des in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2018 präzisierten Klageantrages begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 29. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016 war aufzuheben, da er sich als rechtswidrig herausstellt. Denn er verletzt den Kläger in seinem auf § 27 Abs.1 Satz 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 4 Fünften Buch Sozialgesetzbuch basierenden Recht, auf stationäre Krankenhausbehandlung, indem sie die beantragten Leistung versagt hat. Darüber hinaus war die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten einer bariatrischen Operation in Form des Schlauchmagens in einem zugelassenen Krankenhaus zu übernehmen.

Der Anspruch ergibt sich bereits aus der eingetretenen Genehmigungsfiktion im Sinne des § 13 Abs. 3 a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V, in der Fassung des Art. 2 Nr. 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten – PatRVerbG - vom 20.02.2013 – BGBl I, 277). Danach gilt die beantragte Leistung nach Ablauf der gesetzlichen Fristen des § 13 Abs. 3 a Satz 1 und 2 SGB V als genehmigt, wenn die zuständige Krankenkasse keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes für deren Nicht-Einhaltung dem Versicherten/der Versicherten erteilt. Dabei hat die Krankenkasse grundsätzlich über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (§ 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V). Wenn die Krankenkasse eine gutachterlicher Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3 a Satz 2 SGB V). Der Medizinische Dienst seinerseits nimmt innerhalb von drei Wochen gutachterlich Stellung (§ 13 Abs. 3 a Satz 4 SGB V). Kann die Krankenkasse diese Fristen nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3 a Satz 5 SGB V).

Die Regelungen sind auch sachlich wie zeitlich auf den Antrag des Klägers vom 28.01.2016, eingegangen bei der Beklagten am 01.02.2016, anwendbar, da danach nur Ansprüche gegen eine (gesetzliche) Krankenkasse ausgeschlossen sind, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichtet sind (BSGE 121,40; BSG Urteil vom 11.07.2017 – B 1 KR 26/16 R). Denn der Gesetzgeber wollte mit der Genehmigung die Rechte der Patientinnen und Patienten gezielt verbessern und wollte bewusst das Interesse aller Berechtigten an zeitgerechten Entscheidungen der Krankenkasse schützen (vgl. Pressemitteilung des BSG vom 07.11.2017 zu den Revisionsverfahren B 1 KR 15/17 R und B 1 KR 24/17 R).

Unstreitig liegen die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts inzwischen in mehreren Entscheidungen herausgearbeiteten Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion vor (vgl. Urteile 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R, vom 11.07.2017 B 1 KR 1/17 R und B 1 KR 26/16 R sowie vom 07.11.2017 – B 1 KR 15/17 R und B 1 KR 24/17 R, letztere aktuell nur als Pressemitteilung verfügbar). Die beantragte Leistung ist zum einen hinreichend bestimmt, sodass keine Zweifel an einem fiktionsfähigen Antrag bestehen. Der Kläger hat unter Beifügung der ärztlichen Verordnungen der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. J. vom 21.12.2015 und des Adipositaszentrums des Sana Klinikums Offenbach (Dr. K.) vom 06.01.2018 wegen massivem Übergewicht die "chirurgische Behandlung mittels Schlauchmagen" beantragt und dabei ergänzend auf das psychologische Gutachten der Privat-Praxis für Systemische Psychotherapie, Ernährungspsychologie und Mediation von Frau D. vom 12.01.2016 und die Bestätigung des Arztes für Ernährungsmedizin Dr. L. vom 28.12.2015 beigefügt, mit denen der Nachweis seiner persönlichen Bemühungen um Gewichtsreduktion aufgelistet sind. Die von ihm gewünschte minimalinvasive chirurgische Maßnahme der Implantation eines Schlauchmagens durfte der Kläger auch angesichts seiner erheblichen Adipositas (BMI über 45) für erforderlich halten. Außerdem gehört dieser chirurgische Eingriff grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

Schließlich hat die Beklagte den Antrag auch nicht innerhalb der Fristen des § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V beschieden. Der Antrag ist bereits am 28.01.2016 vom Kläger persönlich gestellt worden und - gemäß dem Eingangsstempel der Beklagten auf dem Antrag sowie der Mitteilung der Beklagten an den Kläger vom 02.02.2016 – auch am 01.02.2016 bei der Beklagten eingegangen. Damit erfolgte die erst mit Bescheid vom 29. März 2016 getroffene Entscheidung verspätet, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte mit Schreiben vom 07.03.2016 den MDK um ärztliche Stellungnahme gebeten und den Kläger zeitgleich über die Einschaltung des MDK informiert hatte. Denn auch dann beträgt die Frist bis zur Entscheidung lediglich fünf Wochen nach Antragseingang, die am 29.03.2016 (Erstbescheid) bereits abgelaufen war.

Es mag zwar Gründe gegeben haben, weshalb die Stellungnahme und letztlich die Entscheidung nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen erfolgt waren, jedoch kommt dem schon deshalb keine Bedeutung zu, weil die Beklagte den Kläger zwar über die Einschaltung des MDK informiert hatte und auch angegeben hatte, die von dem Kläger erwartete Entscheidung nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen erfolgen konnte (§ 13 Abs. 3 a Satz 2 SGBV), jedoch hat sie dem Kläger keine datumsgenaue Mitteilung darüber gegeben, bis zu welchem Tag sie gedenke zu entscheiden. Denn nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Anforderungen an eine solche Mitteilung muss dies mit einem taggenauen Datum verbunden sein, bis zu dem mit einer Entscheidung zu rechnen sei (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R). Dies erfüllte die Mitteilung vom 07.03.2016 – unstreitig – nicht.

Demzufolge ist die Beklagte ihren Pflichten aus § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V nicht nachgekommen und hat insbesondere die darin enthaltenen Fristen nicht eingehalten und darüber hinaus auch dem Kläger nicht ordnungsgemäß unter Benennung eines genauen Datums der Entscheidung die Gründe der Verzögerung mitgeteilt (§ 13 Abs. 3 a Satz 5 SGB V), so dass die beantragte und im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auch zulässige Leistung (chirurgische Adipositas-Operation mittels Schlauchmagen) als genehmigt gilt (§ 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V), so dass der Kläger einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf deren Erbringung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (ärztliche Verordnung eines Vertragsarztes, Behandlung in einem zur Behandlung von "Kassenpatienten" zugelassenen Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V) hat und nicht nur auf Erstattung der ihm möglicherweise durch die eigene bereits erfolgte Inanspruchnahme der Leistung entstandenen Kosten (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R mit weiteren Nachweisen).

Unabhängig davon hat der Kläger auch deshalb einen Anspruch auf Kostenübernahme der adipositas-chirurgischen Maßnahme zur Behebung seines krankhaften Übergewichts in Form der Implantation eines Schlauchmagens, weil es sich um eine notwendige Krankenhausbehandlung handelt. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, wobei diese auch die Krankenhausbehandlung umfasst (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 5 SGB V). Krankenhausbehandlung selbst wird dabei vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant in einem zugelassenen Krankenhaus gewährt, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege zu erreichen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Sie umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrages alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinischen Versorgung des Versicherten im Krankenhaus notwendig ist, insbesondere die ärztliche Behandlung (§ 29 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Damit setzt die Krankenbehandlung zunächst das Vorliegen einer Krankheit voraus. Auch wenn nicht unstrittig ist, ob ein Übergewicht allein eine Krankheit in diesem Sinne darstellt (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.02.2007 - L 24 KR 247/06; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.06.2006 - L 5 KR 53/06; Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 03.11.2005 - L 5 KR 173/04; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2009 - L 9 KR 11/08 und vom 22.02.2007 - L 24 KR 247/06; SG Dortmund, Urteile vom 22.07.2008 - S 44 KR 92/07 und vom 31.08.2010 - S 40 KR 313/07), besteht in der medizinischen Wissenschaft Einigkeit darüber, dass jedenfalls eine massive Adipositas (Übergewicht) mit einem Body-Mass-Index (BMI) von wenigstens 30 eine behandlungsbedürftige Krankheit darstellt (vgl. SG Darmstadt, Urteile vom 14.11.2012 - S 10 KR 309/10 und vom 11.02.2015 – S 10 KR 91/14; SG Kassel, Urteil vom 30.10.2013 - S 12 KR 198/12 mit weiteren Nachweisen). Deshalb ist in diesen Fällen eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich, da andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerscheinungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislaufkrankheiten, Atemwegserkrankungen, gastrointestinale Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates oder gar die Gefahr der Entwicklung bösartiger Neubildungen besteht (vgl. etwa: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.2004 - L 11 KR 1627/04 mit weiteren Nachweisen). Angesichts des bei dem Kläger dokumentierten Übergewichts (BMI 45,3 kg/m² laut Feststellung des Prof. Dr. K., Leiter des Adipositaszentrums des Sana-Klinikums 06.01.2016, und eigene Angabe des Klägers vom 28.01.2016) sowie der bereits eingetretenen sekundären Krankheiten (Hyopercholesterinämie gemäß Bericht des Sana-Klinikums sowie der von der Hausärztin Dr. J. übermittelten Labordaten) liegt auch nach Einschätzung der Beklagten eine behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V vor, weshalb die Beklagte dem Kläger auch zwingend die Durchführung von gewichtsreduzierenden Maßnahmen, hier allerdings vorrangig einer Ernährungsberatung bzw. eine mehrmonatigen multimodularen Therapie empfiehlt und lediglich die von dem Kläger gewünschte adipositas-chirurgische Maßnahme (auch Schlauchmagen) als nicht notwendig erachtet.

Denn nach § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V müssen die Leistungen - gerade auch solche der Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V - ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können daher einerseits Versicherte nicht beanspruchen und andererseits dürfen die Leistungserbringer solche nicht bewirken und schließlich dürfen die Krankenkassen auch solche nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Angesichts dieser zwingenden Vorgaben geht die Rechtsprechung im Allgemeinen davon aus, dass auch deshalb Behandlungsmaßnahmen, die in ein an sich gesundes Organ eingreifen, in der Regel von der Krankenbehandlung ausgeschlossen sind. Daher kommen Maßnahmen im Bereich des (gesunden) Magens, die mittelbar auf die Reduzierung der Adipositas abzielen (Verfahren der bariatrischen Chirurgie, wie vorliegend der Einsatz eines Magenbypasses) nur als "Ultima Ratio" in Betracht und bedürfen zu ihrer Durchführung einer speziellen Rechtfertigung. Deshalb sind sie nur bei Patienten angesagt, die eine Reihe weiterer Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen. Dazu hat die - inzwischen gefestigte - Rechtsprechung, insbesondere des Bundessozialgerichts (vgl. etwa BSG, Urteile vom 19.02.2003 - B 1 KR 2/02 R, vom 06.10.1999 - B 1 KR 13/97), folgende Grundsätze entwickelt:

- Die Adipositas muss so gravierend sein, dass ihr Krankheitswerte zukommen, wovon bei einem BMI von mindestens 40 stets auszugehen ist. Dagegen kann dies bei einem BMI von 35 bis unter 40 nur dann angenommen werden, wenn bereits erhebliche Begleiterscheinungen vorliegen.
- Die konservativen Behandlungsmaßnahmen müssen erschöpft sein. Davon kann aus gegangen werden, wenn der Versicherte über einen längeren Zeitraum (sechs bis zwölf Monate) an einem ärztlich überwachten bzw. koordinierten multimodularen Therapiekonzept, welches unter anderem Diätmaßnahmen, Ernährungsschulungen, Bewegungs- und Psychotherapie umfasst, erfolglos teilgenommen hat.
- Eine auseichende Motivation des Versicherten gegeben ist, sein Gewicht zu reduzieren.
- Das Operationsrisiko muss - angesichts weiterer im konkreten Fall gegebener Erkrankungen - tolerabel sein.
- Es darf keine manifeste psychische Erkrankung für die Entwicklung des Übergewichts ursächlich sein bzw. den Erfolg der Maßnahme gefährden.
- Es muss die Möglichkeit der lebenslangen medizinischen Nachbetreuung sichergestellt sein.

Unter Anwendung dieser Grundsätze, die sich auch die erkennende Kammer zu eigen gemacht hat (vgl. etwa Urteile vom 14.11.2012 - S 10 KR 39/10, vom 11.02.2015 S 10 KR 91/14 – noch nicht rechtskräftig, wegen eingelegter Berufung beim Hessischen Landessozialgericht = L 1 KR 116/15 - und vom 29.06.2016 (?)) und weiterhin macht, steht dem Kläger - ausnahmsweise - ein Anspruch auf die gewünschte minimalinvasive adipositas-chirurgische Maßnahme in Form eines Schlauchmagens, gefolgt von einer biliopankreatischen Diversion mit Duodenal Switch zu; auch wenn er selbst noch nicht an einem über sechs bis zwölf Monate laufenden ärztlich geleiteten multimodalen Therapiekonzept - zumal erfolglos - teilgenommen hat. Denn die besonderen Umstände im Falle des Klägers rechtfertigen eine Ausnahmesituation, bei der diese Voraussetzung entbehrlich ist. Denn für den Fall (auch) einer adipositas-chirurgischen Maßnahme, wie hier einer zweizeitigen Maßnahme, bedeutet dies, dass die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken der zu erwartenden Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2013 - B 1 KR 1/02 R und die hiesige Kammer bereits in den Urteilen vom 26.09.2007 - S 10 KR 360/06 und vom 14.12.2005 - S 10 KR 530/03 sowie das diese Entscheidung bestätigende Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12.12.2006 - L 8 KR 55/06).

Zu Gunsten des Klägers ist nämlich zu berücksichtigen, dass dessen Adipositas bereits seit vielen Jahren besteht, er in den letzten Jahren immer wieder - wenn auch erfolglos - auf Eigeninitiative hin Bemühungen unternommen hat (vgl. Aufzählung von Prof. Dr. K. in seiner befürwortenden Stellungnahme vom 06.01.2016), sein Körpergewicht zu reduzieren. Erfolge waren jedoch nicht festzustellen. Deshalb wird auch in der S-3-Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" bereits im Juni 2010 unter Abschnitt 3.2 Unterpunkt 4 Primäre Indikation festgehalten:

"Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden; die Indikation hierzu ist durch einen in der Adipositaschirurgie qualifizierten Arzt und einen bariatrischen Chirurgen gemeinsam zu stellen. Damit hat die Leitlinienkommission ein weiteres Beurteilungskriterium nach eingehender Diskussion präzisierend in diese Leitlinie aufgenommen, nämlich der Begriff der geringen Erfolgsaussicht" (Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin).

Dabei hat das Hessische Landessozialgericht nicht nur in seiner Entscheidung vom 22.05.2014 (L 8 KR 7/11) auf diese Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften abgestellt, da diese eine systematisch entwickelte Hilfe für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen darstellt. Auch wenn diese nicht rechtlich bindend sind, gibt sie doch wichtige Entscheidungshilfen, zumal sie auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf in der Praxis bewährten Verfahren beruht. "Die Klassifizierung als S-3-Leitlinie bringt zum Ausdruck, dass diese auf der Grundlage einer formellen oder systematischen Evidenzrecherche erstellt wurde und alle Elemente einer systematischen Entwicklung (Logik-, Entscheidungs- und Outformanalyse, Bewertung klinischer Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung) beinhaltet" (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.05.2014 - L 8 KR 7/11). Im Übrigen ist zu beachten, dass die Erfolgsaussichten einer rein konservativen Therapie mit dem Ausmaß der Adipositas in einer Wechselbeziehung steht, weshalb etwa beim Vorliegen einer vergleichsweise geringen Adipositas an die Durchführung einer vorherigen konservativen Therapie strengere Anforderungen zu stellen sind, als - wie im vorliegenden Fall - bei einem BMI von 50 und mehr. Daher ist es angemessen, wenigstens in Sonderfällen, in denen der BMI im oberen Bereich liegt und den Wert von 40 deutlich überschreitet, eine Magenverkleinerungsoperation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten Therapiekonzept entsprachen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.05.2014 - L 8 KR 7/11; SG Mannheim, Urteil vom 17.01.2014 - S 9 KR 491/12).

Unter Berücksichtigung dieser konkretisierten Vorgaben ist festzustellen, dass der Kläger zum einen unter einer Adipositas mit einem BMI von über 45 kg/m², verschiedenen schwerwiegenden Nebenwirkungen (insbesondere auch an einer Hypercholesterinämie) leidet, über eine mehr als ausreichende Motivation zur Gewichtsreduktion verfügt (vgl. "Psychologisches Gutachten" von Frau D. vom 12.01.2016), das Operationsrisiko dennoch tolerabel ist (vgl. Stellungnahme des Sana-Klinikums Offenbach vom 06.01.2016) und andererseits keine manifeste psychiatrische Krankheit als Kontraindikation gegeben ist (Ärztliche Stellungnahme Sana-Klinikum Offenbach, Adipositaszentrum vom 07.06.2016, Befundbericht M. vom 01.06.2016, Befundbericht des Hausarztes Dr. F. vom 01.06.2016). Zudem bietet insbesondere das von dem Kläger zwecks Operation aufgesuchte Krankenhaus "Sana Klinikum Offenbach" die Möglichkeit einer auch längerfristig angelegten Nachsorge. Im Übrigen hegt die Kammer keine Bedenken, den Angaben des Klägers über ein seit vielen Jahren bestehendes Übergewicht, die eingeleiteten erfolglosen Therapieversuche, auch mittels Diät Glauben zu schenken.

Soweit die Beklagte dagegen darauf verweist, dass der Kläger (noch) nicht an einem zumal 6 bis 12 Monate andauernden - gezielten Ernährungs- und Bewegungsprogramm zur Gewichtsreduzierung teilgenommen habe, insbesondere noch kein unter ärztlicher Leitung durchzuführendes Bewegungstraining absolviert habe, muss dem bereits entgegen gehalten werden, dass dem Kläger solche Maßnahmen von der Beklagten nicht angeboten wurden. Hinsichtlich des Bewegungstrainings dürfte es schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Kläger angesichts der bescheinigten Neben-Diagnosen, insbesondere der nachgewiesenen metabolischen Syndrome (Insulinresistenz, Hyperinsulinämie, arterielle Hypertonie, Hyperurikämie und ausgeprägter Hypertriglyceridämie) nur über ein eingeschränktes Bewegungsprofil verfügt (Sana Klinikum Offenbach vom 07.06.2016).

Schließlich belegt die interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur "Prävention und Therapie der Adipositas" der Deutschen Adipositasgesellschaft in Zusammenarbeit mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (Version 2.0 vom April 2014), dass eine chirurgische Therapie auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden kann, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt. Wobei dies vor allem bei besonderer Schwere von Begleit- und Folgeerkrankungen der Adipositas (hier: erhebliche Kniegelenksarthrose mit inzwischen beidseitiger TEP, erheblichem Bluthochdruck und einem inzwischen insulinpflichtigen Diabetes mellitus) aber auch bereits bei einem BMI von über 50 kg/m² angenommen wird, oder auch schon bei sonstigen persönlichen psychosozialen Umständen, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen, gegeben ist (Prävention und Therapie der Adipositas Punkt 5.45 vom April 2014). Ob deshalb auch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits immer schon beim Vorliegen eines BMI über 50 kg/m² auch ohne vorherige erfolglose präoperative konservative Therapie ein Anspruch auf adipositas-chirurgische Maßnahmen zur Gewichtsreduktion besteht, kann die Kammer hier offen lassen, da im Falle des Klägers eine Summe aller eine Ausnahmesituation begründenden Umstände zusammentreffen. Deshalb ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger als Sachleistung die gewünschte zweizeitige adipositas-chirurgische Maßnahme zur Gewichtsreduktion zu gewähren.

Da sich der Bescheid der Beklagten vom 29. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016, mit dem die gewünschte operative Gewichtsreduktion mittels Schlauchmagens abgelehnt worden war, damit sowohl wegen Eintritts der Genehmigungsfiktion wie auch wegen des unabhängig davon bestehenden Anspruchs auch die gewünschte adipositas-chirurgische Maßnahme als rechtswidrig erweist, war dieser aufzuheben und die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, dem Kläger die gewünschte adipositas-chirurgische Maßnahme in Form eines Schlauchmagenbypasses als Sachleistung zu gewähren, wobei dies auf ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus zu beschränken war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei die Kammer davon ausgeht, dass die ausgesprochene Beschränkung auf ein zugelassenes Krankenhaus gegenüber dem Klageziel keine Bedeutung beizumessen war.
Rechtskraft
Aus
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