S 8 KR 608/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 608/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 391/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge der Klägerin zur Gesetzlichen Kranken-und Pflegeversicherung im Hinblick auf die Versorgungsbezüge von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) und ob der Klägerin aufgrund zu viel gezahlter Beiträge ein Erstattungsanspruch zusteht.

Die Klägerin war früher abhängig beschäftigt bei der Beklagten. Inzwischen ist sie Rentnerin und bei der Beklagten gesetzlich Krankenversichert und bei der Beigeladenen pflegeversichert. Sie erhält von der Deutschen Rentenversicherung

- seit 1.7.2013 eine Altersrente in Höhe von monatlich 736,50 EUR
- seit 1.7.2013 Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung
in Höhe von monatlich: 103,56 EUR

Die Leistungen der Höherversicherung beruhen auf der früheren Tätigkeit der Klägerin bei der Beklagten. Auf die Leistungen der Deutschen Rentenversicherung werden die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen und abgeführt.

Neben diesen Leistung der Deutschen Rentenversicherung erhält die Klägerin seit dem 1.7.2013 einen Versorgungsbezug der VBL in Höhe von monatlich 216,32 EUR. Die Beklagte meldete der VBL als Zahlstelle die Beitragspflicht. Die VBL zog sodann die Beiträge zur Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus dem Zahlbetrag ab. Später meldete sich die Klägerin bei der Beklagten und teilte mit, dass von dem Zahlbetrag der VBL 103,56 EUR abgezogen würden aufgrund einer Abtretung zu Gunsten der Beklagten (als ihren früheren Arbeitgeber). Für diesen Betrag führe bereits die Deutsche Rentenversicherung Beiträge ab. Die Beiträge dürften sich daher nur aus einem Restrentenanspruch der VBL von 112,76 EUR errechnen. Daher werde jeden Monat ein Betrag in Höhe von 18,17 EUR zu viel abgezogen. Die Klägerin forderte von der Beklagten die Korrektur der Beitragsberechnung und die Rückerstattung der zu viel gezahlten Beiträge.

Es kam dann zu weiterer Korrespondenz zwischen der Klägerin, der Beklagten und der Zahlstelle. Die Beklagte trat in die Prüfung ein. Sie prüfte insbesondere auch die Abtretungserklärung der Klägerin (für den abgetretenen Teil der VBL-Rente in Höhe von 103,56 EUR) und den Ersatzkassentarifvertrag. In der Abtretungserklärung heißt es:

"Hiermit trete ich meine durch die Nachversicherung gemäß § 18 Abs. 6 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung gegen die VBL bei Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Ansprüche in der Höhe an die Deutsche Angestellten-Krankenkasse ab, wie ich Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der als Zusatzversicherung durchgeführten Höherversicherung erhalte. Ich verpflichte mich, Leistungen, welche die VBL trotz des Forderungsübergangs an mich erbringt, an die Deutsche Angestellten-Krankenkasse abzuführen. Weiterhin verpflichte ich mich der Deutschen Angestellten-Krankenkasse den Eintritt des Versicherungsfalles durch Vorlage des Rentenbescheids unverzüglich anzuzeigen. Mit der Einholung von Auskünften durch die Deutsche Angestellten-Krankenkasse bei dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erkläre ich mich einverstanden. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse wird von dieser Einwilligung nur insoweit Gebrauch machen, als dies zur Abwicklung der durch den Forderungsübergang erworbenen Rechte erforderlich ist." (vgl. Bl. 24 der Verwaltungsakte)

In Nr. 20 Ziffer 2 der Anl. 7a zum Ersatzkassentarifvertrag ist diesbezüglich geregelt:

"Der in Nr. 1 Ziffer 2 Abs. 1 genannte Angestellte, der nach Vollendung des 35. Lebensjahres aus den Diensten der Kasse ausscheidet und auch die sonstigen Voraussetzungen nach § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung erfüllt, wird gemäß § 18 Abs. 6 des Gesetzes bei der VBL nachversichert. In diesem Falle gehen die durch die Nachversicherung gegen die VBL bei Eintritt des Versicherungsfalles bestehen Ansprüche des Angestellten in der Höhe auf die Kasse über, wie der Angestellte Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, die sich aus der durchgeführten Höherversicherung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses bei der Kasse ergeben.

Der Angestellte ist verpflichtet, der Kasse zum Nachweis des Forderungsübergangs eine Abtretungserklärung zu erteilen." (vgl. Bl. 30 der Verwaltungsakte)

Mit Bescheid vom 11.5.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Sie teilte mit, dass als Versorgungsbezüge alle mit der gesetzlichen Rente vergleichbaren Einnahmen gelten würden. Dazu würden auch die Leistung der VBL gehören. Nach § 237 S. 1 SGB V unterliege der Versorgungsbezug grundsätzlich in Höhe des Zahlbetrages der Beitragspflicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssten alle Kürzungen des Zahlungsbetrages unberücksichtigt bleiben. Insbesondere Abzweigungsbeträge infolge einer Aufrechnung, Verrechnung, Abtretung oder Pfändung dürften nicht in Abzug gebracht werden bei der Beitragserhebung.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie blieb bei ihrer Auffassung, dass sie einer doppelte Beitragszahlung unterworfen werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Beklagte wiederholte ihre bisherige Auffassung.

Am 28.9.2015 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Die Klägerin meint, dass sie im Hinblick den abgetretenen Teil der "VBL-Rente" doppelt mit Beiträgen belastet werde. In Höhe des Abtretungsbetrages beziehe sie nämlich eine gesetzliche Rente aus einer Höherversicherung aufgrund der Angestelltentätigkeit bei der Beklagten. Diese Auffassung vertrete auch die Deutsche Rentenversicherung. Eine derartige Doppelbelastung von Renten mit Krankenversicherungsbeiträgen stehe europäischem Recht entgegen.

Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 11.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.09.2015 wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den monatlichen Versorgungsbezug von 103,56 Euro nicht zur Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung heranzuziehen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis zum 31.08.2017 einen Betrag in Höhe von 908,50 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen in Ihren Bescheiden. Ergänzend trägt sie vor, dass ihrer Auffassung nach eine Doppelbelastung der Klägerin nicht vorliege. Sie habe nämlich lediglich ein Teil des Anspruchs abgetreten.

Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.

Am 15.2.2016 wurde ein Erörterungstermin durchgeführt. Daraufhin haben die Beteiligten weitere Unterlagen vorgelegt, nämlich der Rentenbescheid der Klägerin und die Anlage 7a zum Ersatzkassentarifvertrag. Außerdem erklärte die Beklagte, dass sie für die Klägerin Beiträge zur VBL bezahlt habe. Dafür habe sie alleine die Versicherungsbeiträge aufgebracht, ebenso wie für die Nachversicherung nach Anlage 7a - Nr. 20 Ziffer 2 des Tarifvertrages.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf den Inhalt der Gerichtsakten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beitragsbescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Erhebung von Beiträgen auf die abgetretenen Leistungen der VBL ist rechtmäßig. Daher hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung von vermeintlich zu viel bezahlten Beiträgen. Es findet entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere keine doppelte Verbeitragung statt. Daher war die Klage abzuweisen.

Im Einzelnen:

1. Die Beitragserhebung der Beklagten ist rechtmäßig.

a) Gemäß § 223 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. § 237 SGB V bestimmt, dass bei versicherungspflichtigen Rentnern beitragspflichtige Einnahmen der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, das Arbeitseinkommen und der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen sind. Die §§ 226 Abs. 2, 228, 229 und 231 SGB V gelten entsprechend. Unter den vergleichbaren Einnahmen im Sinne des § 237 S. 1 Nr. 2 SGB V sind dabei die Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 SGB V zu verstehen (vgl. Kasseler Kommentar, § 237 SGB V, Rn. 4). § 229 SGB V definiert, welche Einnahmen als beitragspflichtige Versorgungsbezüge gelten. Die Vorschrift regelt:

"Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden,
1. Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder aus einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen; außer Betracht bleiben
a) lediglich übergangsweise gewährte Bezüge,
b) unfallbedingte Leistungen und Leistungen der Beschädigtenversorgung,
c) bei einer Unfallversorgung ein Betrag von 20 vom Hundert des Zahlbetrags und
d) bei einer erhöhten Unfallversorgung der Unterschiedsbetrag zum Zahlbetrag der Normalversorgung, mindestens 20 vom Hundert des Zahlbetrags der erhöhten Unfallversorgung,
2. Bezüge aus der Versorgung der Abgeordneten, Parlamentarischen Staatssekretäre und Minister,
3. Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet sind,
4. Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte mit Ausnahme einer Übergangshilfe,
5. Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung; außer Betracht bleiben Leistungen aus Altersvorsorgevermögen im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes."

Für die Beitragsbemessung in der Sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 57 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) diese Regelungen durch Verweisung auf § 229 SGB V entsprechend.

b) Offensichtlich – und auch unstreitig - handelt es sich bei den Bezügen, die die Klägerin von der VBL erhält, um solche Versorgungsbezüge im Sinne des §§ 229 SGB V.

c) Soweit die Klägerin meint, dass nicht der gesamte Zahlbetrag der VBL-Leistung in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialen Pflegeversicherung zu Beitragsbemessung heranzuziehen sei, sondern dass der an die Beklagte abgetretene Teil des "VBL-Bezugs" in Abzug zu bringen sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.

Nach § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V ist der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge im Sinne von § 229 Abs. 1 SGB V, also der auszuzahlende Bruttobetrag der Versorgungsbezüge, für die Beiträgen heranzuziehen (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 229 SGB V, Rn. 57). Durch Aufrechnung, Abtretung, Verpfändung oder Pfändung einbehaltene Beträge sind entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht abzuziehen (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 229 SGB V, Rn. 57). Insoweit nimmt die Kammer auf die folgenden Ausführungen im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.6.2014 (Az. L 11 KR 4214/13) Bezug und macht sich diese zu Eigen:

"Wird der Anspruch auf den Auszahlungsbetrag ganz oder zum Teil abgetreten, ändert dies nichts an dem beitragspflichtigen Zahlbetrag (BSG 17.03.2010, B 12 KR 4/09; LSG Baden-Württemberg 05.06.2012, L 5 KR 3041/11; 22.01.2010, L 4 KR 4887/08). Dies gilt auch für die Abtretung im Rahmen des schuldrechtlichen Zugewinnausgleichs. Der nach § 237 Satz 1 Nr 2 SGB V maßgebende Zahlbetrag der Versorgungsbezüge wird durch eine Abtretung des Anspruchs auf einen Teil der Kapitalauszahlung nicht gemindert."

Dies gilt auch im vorliegenden Fall.

d) Auch im Übrigen vermag die Argumentation der Klägerin nicht zu überzeugen. Insbesondere liegt keine "doppelte" Verbeitragung ihrer abgetretenen Versorgungsbezüge vor. Denn die Klägerin erhielt folgende Renten- bzw. Versorgungsbezüge ab dem 1.7.2013:

1. Altersrente der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 736,50 EUR

2. Steigerungsbeträge der Deutschen Rentenversicherung aus der Höherversicherung durch den Arbeitgeber bis zum Jahre 1989 in Höhe von monatlich: 103,56 EUR

3. abgetretener Versorgungsbezug der VBL als Leistung durch den Arbeitgeber aufgrund der Nachversicherung nach 1989 in Höhe von monatlich: 103,56 EUR

4. nicht abgetretener "Rest-"Versorgungsbezug der VBL in Höhe von monatlich: 112,76 EUR

Vor diesem Hintergrund ist für die Kammer nicht erkennbar, dass die Versorgungsbezüge bzw. Renten der Klägerin doppelt verbeitragt werden. Vielmehr verhält sich der Sachverhalt so, dass die Klägerin lediglich die dargestellten 4 differenzierbare Renten bzw. Versorgungsbezüge erhält, die alle für sich einmal zur Beitragsbemessung in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung herangezogen werden und von denen lediglich 2 Teilbezüge (nämlich die Höherversicherungsleistung und der abgetretene Versorgungsbezug der VBL) die gleiche Höhe im Hinblick auf den Zahlbetrag aufweisen. Letzteres führt jedoch nicht zu einer doppelten Beitragserhebung. Vielmehr wird jeder der dargestellten Teilbezüge nur einmal zur Beitragsberechnung herangezogen.

Das ein Teilbetrag davon, nämlich der abgetretener Versorgungsbezug der VBL, nicht an die Klägerin ausgezahlt wird, weil sie diesen Anspruch eben an die Beklagte abgetreten hat, führt ebenfalls nicht zu einer doppelten Beitragserhebung, sondern lediglich zur Erhebung eines Beitrages auf ein abgetretener Leistung. Aus den bereits dargestellten Grundsätzen ändert die Abtretung aber gerade nichts an der Beitragsbemessung.

Insofern geht die Argumentation der Klägerin fehl. Insbesondere ist weder ein Verstoß gegen Verfassungsrecht noch gegen Europarecht zu erkennen. Argumente dafür werden auch nicht vorgetragen.

e) Im Ergebnis bleibt es dabei, dass die Beitragsbescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.

2. Vor dem dargelegten Hintergrund ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht bezahlten Beiträgen haben könnte.

Rechtsgrundlage dafür wäre § 26 Abs. 2 SGB IV. Danach sind zwar zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Hier ist der Fall der Klägerin aber gerade so gelagert, dass die von der Beklagten erhobene Beiträgen aus den dargelegten Gründen nicht zu Unrecht entrichtet wurden.

3. Aus den dargelegten Gründen ist die Klage abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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