S 6 R 482/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 482/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 654/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit ab 1.1.2009.

Die Klägerin ist 1965 geboren und Architektin. Sie war seit 1.9.2002 bis Ende des Sommersemesters 2008 bei der TU B-Stadt als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Architektur am Lehrstuhl für Entwerfen und Hochbaukonstruktion tätig. Das Tätigkeitsfeld umfasste u.a. Lehrtätigkeit, Mitwirkung bei Semesterarbeiten und Übungen sowie die Durchführung von Vorlesungen. Seit 1.1.2009 ist die Klägerin als Sachbearbeiterin für Hochbau- und Sanierungsarbeiten tätig. Ihr Aufgabenfeld umfasst die selbständige baufachliche Betreuung von Baumaßnahmen, die Wahrnehmung von Bauherren- und Projektleitungsaufgaben, die Ermittlung des Baubedarfs und die selbständige Erarbeitung von Entwurfs- und Baugenehmigungsplanungen. In der Zeit vom 28.5.2002 bis 31.3.2012 (anders Bl. 36 VA: bis 12.9.2011) war die Klägerin Pflichtmitglied in der Architektenkammer Hessens und des Versorgungswerkes der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Seit 1.4.2012 (anders Bl. 36 VA: seit 13.9.2011) ist die Klägerin freiwilliges Mitglied des Versorgungswerks der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. In der Zeit vom 1.4.2012 bis 30.10.2012 war die Klägerin nicht Mitglied einer Architektenkammer. Aufgrund ihres Antrags vom 18.7.2012 wurde die Klägerin zum 31.10.2012 Kammermitglied in der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Sie ist dort bis heute Kammermitglied. Durch den Wechsel der Klägerin zur Architektenkammer Rheinland-Pfalz unterlag die Klägerin dem Grunde nach der Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Architektenversorgung. In der Bescheinigung des Versorgungswerks der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen vom 24.6.2015 heißt es, die freiwillige Mitgliedschaft in dem Versorgungswerk Nordrhein-Westfalen ersetze die dem Grunde nach bestehende Pflichtmitgliedschaft in der Bayrischen Architektenversorgung.

Am 29.10.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Tätigkeit als Architektin bei der TU B-Stadt seit 1.9.2002.

Mit Bescheid vom 18.12.2002 wurde die Klägerin ab 1.9.2002 von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung befreit. Im Wortlaut des Bescheids vom 18.12.2002 heißt es: "Auf Ihren Antrag werden Sie von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit.

Eingang des Befreiungsantrags: 29.10.2002
Art der berufsständischen Beschäftigung bzw. Tätigkeit: Architektin
Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der Versicherungspflicht: 1.9.2002
Beginn der Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und der Berufskammer: 1.6.2002
Versorgungseinrichtung: Versorgungswerk der Architektenkammer NRW Postfach 321245, 40427 Düsseldorf
Beginn der Befreiung: 1.9.2002.
Die Befreiung gilt für die obengenannte und weitere berufsspezifische Beschäftigungen/Tätigkeiten, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer besteht ..." Es folgt die Rechtsbehelfsbelehrung. Unter "Hinweise" heißt es in dem Bescheid: "Die Befreiung ist tätigkeits- und nicht personenbezogen ... Die BfA hat die Befreiung aufzuheben, wenn die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und damit auch in der Versorgungseinrichtung endet. Sie sind daher verpflichtet, der BfA die Umstände anzuzeigen, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung führen".

Durch ein Schreiben des Versorgungswerks der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen vom 2.5.2012 an die Beklagte wurde dieser mitgeteilt, die Mitgliedschaft der Klägerin im Versorgungswerk habe zum 31.3.2012 geendet. Eine Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer bestehe ebenfalls nicht mehr. Somit seien die Voraussetzungen für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungs-Pflicht entfallen. Man bitte um Aufhebung des Befreiungsbescheids.

Mit Bescheid der Beklagten vom 15.5.2012 wurde die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 SGB X mit Wirkung zum 31.3.2012 aufgehoben, da die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin zu der Versorgungseinrichtung beendet wurde und die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer geendet habe. Der Bescheid vom 18.2.2002 sei damit ungültig. Einen Zugangsnachweis für diesen Bescheid gibt es nicht.

Mit Schreiben vom 5.12.2014 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Bestätigung, dass die Befreiung vom 18.2.2002 noch gültig sei. Sie wies darauf hin, seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses bei der TU B-Stadt im September 2002 sei sie immer als Architektin tätig gewesen und habe immer die gleiche berufsspezifische Tätigkeit ausgeübt.

Mit Bescheid der Beklagten vom 4.9.2015 wurde die Klägerin vom Eingang ihres Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Beklagten (5.12.2014) an von der Versicherungspflicht befreit, da die Befreiung nicht innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer beantragt wurde. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie sei davon ausgegangen, dass die Befreiung von 2002 weitergelte. Sie habe den Bescheid vom 15.5.2012 nie erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.8.2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Mit dem Widerspruch begehre die Klägerin die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Zeit ab 1.1.2009. Die Befreiung für die Zeit vor dem 5.12.2014 sei nicht zulässig. Der Befreiungsbeginn sei gesetzlich geregelt, er richte sich nach § 6 Abs. 4 SGB VI. Die Befreiung wirkt vom kumulativen Vorliegen der Voraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten danach beantragt werde, sonst vom Antragseingang an. Die Befreiung sei jedoch erst am 5.12.2014 beantragt worden. Ein Vertrauensschutz dergestalt, dass für die bereits vor dem 1.11.2012 aufgenommene Beschäftigung bis zum Beginn der Befreiung keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen sind, könne bei einer Unterbrechung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer nicht gewährt werden.

Am 23.9.2016 hat die Klägerin Klage vor dem SG Darmstadt erhoben. Sie trägt vor, sie habe den Bescheid vom 15.5.2012 nicht erhalten. Die Beklagte habe den Zugang nicht nachgewiesen. Die Klägerin habe zudem während der gesamten Zeit bei der TU B-Stadt als Architektin gearbeitet und zwar mit der Verpflichtung, Mitglied einer Architektenkammer zu sein. Es habe kein Arbeitgeberwechsel stattgefunden. Es sei aufgrund der Kontinuität der Beschäftigung kein neuer Befreiungsantrag nötig gewesen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 04.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2016 aufzuheben und die Klägerin ab dem 01.01.2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage war abzuweisen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2016 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis 4.12.2014.

Von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG werden befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Die Befreiung wirkt nach § 6 Abs. 4 S. 1 SGB VI vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.

Eine Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für die streitgegenständliche Zeit vom 1.1.2009 bis 4.12.2014 scheitert daran, dass die Klägerin den Befreiungsantrag erst am 5.12.2014 gestellt hat. Die Befreiungsvoraussetzungen für die seit 1.1.2009 ausgeübte Tätigkeit lagen seit 31.10.2012 wieder vor. Der Antrag wurde damit nicht binnen 3 Monaten ab Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gestellt, so dass eine Befreiung erst ab Antragseingang ausgesprochen werden konnte.

Ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich auch nicht aus der Regelungswirkung des Bescheids vom 18.12.2002.

Dagegen spricht nicht der Bescheid vom 15.5.2012 (Aufhebungsbescheid bzgl. des Bescheids vom 18.12.2002). Denn es ist nicht nachgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 15.5.2012 der Klägerin zugegangen ist. Nach § 37 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nach S. 3 nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Zwar ist der Bescheid in der Akte mit einem Vermerk versehen, dass er per Einschreiben abgeschickt ist. Die Klägerin hat jedoch mitgeteilt, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Sie hat darauf verwiesen, jahrelang habe ein Stalker sie verfolgt, sie vermute, dass er auch ihre Post entwendet habe. Die Verwaltungsakte enthält mehrere Hinweise auf weitere Schreiben, die die Klägerin nicht erhalten hat (der Bescheid vom 18.12.2002 ging der Klägerin erst nicht zu, 4 VA, auch ein Schreiben der Universität Kassel an die Klägerin scheint diese nicht erhalten zu haben, 26 VA). Auch hätte die Klägerin wohl kaum mit Datum vom 6.12.2014 an die Beklagte mit der Bitte um Bestätigung der Gültigkeit des Bescheids vom 18.2.2002 geschrieben, wenn ihr vorher ein Aufhebungsbescheid zugegangen wäre, gegen den sie im Übrigen bei Erhalt in Anbetracht ihres späteren prozessualen Verhaltens vermutlich Widerspruch eingelegt hätte. Bestehen damit Zweifel am Zugang des Bescheids vom 15.5.2012 bei der Klägerin, hat die Behörde den Zugang nachzuweisen. Einen Zugangsnachweis hat die Beklagte jedoch, wie sie mit Schriftsatz vom 25.7.2017 eingeräumt hat, nicht.

Der Bescheid vom 18.12.2002 hat sich auch nicht dadurch erledigt, dass zwischenzeitlich die Befreiungsvoraussetzungen insofern entfallen sind, als die Klägerin vom 1.4.2012 bis 30.10.2012 nicht Pflichtmitglied in einer Architektenkammer war. Nach § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der Bescheid vom 18.12.2002 ist nicht aufgehoben worden (s. oben). Er ist auch nicht erledigt. Durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sich ein Verwaltungsakt, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist. Der Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen berührt ohne Aufhebungsbescheid nicht die regelnde Wirkung des Verfügungssatzes (Befreiung von der Versicherungspflicht). Hierfür spricht auch der Wortlaut der Hinweise im Bescheid vom 18.12.2002, wo es heißt: "Die BfA hat die Befreiung aufzuheben, wenn die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und damit auch in der Versorgungseinrichtung endet". Ein entsprechender Aufhebungsbescheid ist nicht wirksam geworden. Die Befreiung von der Versicherungspflicht ist auch durch den Wegfall der Kammermitgliedschaft nicht unmöglich geworden.

Die Regelungswirkung des Befreiungsbescheids vom 18.12.2002 bezieht sich jedoch nicht auf die von der Klägerin seit 1.1.2009 ausgeübte Tätigkeit. Denn die Regelungswirkung eines Befreiungsbescheids betrifft nur die Beschäftigung, für die die Befreiung beantragt wurde (BSG, BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 12 R 3/11 R –, BSGE 112, 108-116, SozR 4-2600 § 6 Nr 9; BSG, Urteil vom 22.3.2018, B 5 RE 5/16 R). Dem entspricht der Hinweis in dem Bescheid vom 18.12.2002, die Befreiung sei ausschließlich tätigkeits-, nicht personenbezogen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Formulierung in dem Bescheid vom 18.12.2002 "die Befreiung gilt für die obengenannte und weitere berufsspezifische Beschäftigungen/Tätigkeiten". Das BSG führt hierzu in einer aktuellen Entscheidung (BSG, Urteil vom 22.3.2018, B 5 RE 5/16 R) an: "Ob die Voraussetzungen für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen, kann der Rentenversicherungsträger nur anhand einer konkreten Beschäftigung und deren Ausgestaltung prüfen. Nicht jede Beschäftigung eines Apothekers oder Angehörigen eines sonstigen verkammerten Berufs muss gemessen an den jeweils einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen auch wirklich die Ausübung einer pharmazeutischen oder sonstigen verkammerten Tätigkeit sein. Dies ist nicht der Fall, wenn der Betroffene eine berufsfremde Tätigkeit ausübt. Ebenso wenig kann eine Befreiung ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht und daher versicherungsfrei ist (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 oder § 8a i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Abgesehen davon wird derjenige, der als Beschäftigter einen Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung stellt, im Zeitpunkt der Antragstellung zumindest im Regelfall nicht wissen, ob er seine aktuelle Beschäftigung aufgeben und insbesondere in demselben Beruf eine Folgebeschäftigung aufnehmen wird. Auch aus diesem Grund kann sich ein Befreiungsantrag nur auf die gegenwärtige Beschäftigung beziehen". Die Befreiung von der Versicherungspflicht wurde von der Klägerin für die Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin beantragt, denn sie beantragte die Befreiung ab dem 1.9.2002. Ab 1.9.2002 war sie nach dem Schreiben der TU B-Stadt vom 15.10.2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Die Klägerin hat aber ab 1.1.2009 eine andere Beschäftigung beim selben Arbeitgeber aufgenommen. Auch bei jeder wesentlichen Änderung im Tätigkeitsfeld bei dem bisherigen Arbeitgeber ist ein neues Befreiungsverfahren durchzuführen (Handbuch Betrieb und Personal, 220. Lieferung 2018, 2013, Rn. 21). Eine wesentliche Änderung im Tätigkeitsbereich der Klägerin ist ab 1.1.2009 erfolgt. Während die erste Tätigkeit durch die Arbeit in Forschung und Lehre geprägt war, ist die Klägerin seit 1.1.2009 als Sachbearbeiterin für Hochbau- und Sanierungsmaßnahmen tätig. Es handelt sich hierbei dem Stellenprofil vom 16.12.2008 nach um eine praktisch ausgerichtete Tätigkeit, bei der Forschung keinen Schwerpunkt bildet. Auch eine Tätigkeit in der Lehre ist in ihrem Stellenprofil nicht mehr vorgesehen. Dass die Klägerin wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen Wissen, das sie während der Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin erworben hat, bei ihrer jetzigen Tätigkeit einsetzt, führt nicht dazu, dass die Kammer die jetzige Tätigkeit als dieselbe wie die vorige Tätigkeit ansieht. Denn mit dieser Begründung wäre jede nach einer Lehre oder einem Studium aufgenommene Beschäftigung identisch mit der vorhergehenden, da bei jeder Beschäftigung zuvor erworbenes Wissen eingesetzt wird. Dass die Klägerin nicht wusste, dass für die Tätigkeit ab 1.1.2009 ein neues Befreiungsverfahren durchgeführt werden musste, ändert an den gesetzlichen Vorschriften nichts.

Auch eine Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 5 SGB VI für die ab 1.1.2009 aufgenommene Beschäftigung scheidet aus. Die Befreiung erstreckt sich nach § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Schon der Anknüpfungspunkt für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI fehlt im Fall der Klägerin, denn ihr ist für eine andere Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum keine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erteilt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Zulässigkeit der Berufung auf §§ 143, 144 SGG.
Rechtskraft
Aus
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