S 30 U 158/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 30 U 158/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 120/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 125/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung weiterer Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 7. Februar 2012 hinaus sowie die Gewährung einer Verletztenrente.

Der 1957 geborene, im Bereich Heizung/Sanitär selbstständig tätige Kläger bezieht seit dem 11. Februar 2010 eine volle Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung Hessen. Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht über eine Rehabilitationsmaßnahme im April 2010 gehen als Diagnosen eine vasospastische Angina bei diffuser Koronarsklerose, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie sowie eine Dysthymie bei somatoformer Schmerzstörung und beginnende Polyarthrose hervor.

Der Kläger erlitt am 6. Oktober 2011 einen Arbeitsunfall. Nach eigenen Angaben zerrte er sich den linken Arm, als er beim Wechsel eines Membranausdehnungsgefäßes (13 15 kg) eine Schraube löste, das Gefäß nicht mehr halten konnte und seine Hand mit dem Gefäß nach unten gerissen wurde.

Der daraufhin am 10. Oktober 2011 aufgesuchte H-Arzt Dr. C. erhob als Befund einen Bluterguss am vorderen Ellenbogen und linken Unterarm. Die Beugung und Streckung seien endgradig schmerzhaft. Das Röntgenergebnis des linken Ellenbogens war ohne Befund. Der H-Arzt stellte als Erstdiagnose einen Sehnenabriss. Mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit rechnete er für den 21. Oktober 2011.

Nach der Beurteilung der Kernspintomografie des linken Ellenbogengelenks vom 12. Oktober 2011 bestand der Eindruck einer fast kompletten Ruptur der Bizepssehne. Ferner wurden ein Ödem und ein Bluterguss im Bereich der Sehnenloge festgestellt sowie ein Bluterguss innerhalb des Muskels.

Vom 2. bis zum 18. November 2011 wurde der Kläger sodann stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen behandelt. Bei der Operation mit Exploration der Bizepssehne am 3. November 2011 erwies sich die distale Bizepssehne links jedoch als intakt bei Verdacht auf eine stattgehabte alte Verletzung. Der postoperative Verlauf war verzögert. Nach einer oberflächlichen Wundrötung sei es bei regelrechter Wundheilung zu fortbestehenden Missempfindungen am gesamten Unterarm gekommen. Daraufhin wurde der Kläger am 14. November 2011 neurologisch von Dr. D. untersucht. Dieser stellte die vorläufige Diagnose einer leichtgradigen Nervenläsion (des sensiblen Ramus superficialis nervi radialis und des sensiblen Nervus medianus links) in Höhe des Ellenbogens ohne eindeutiges elektrophysiologisches Korrelat. Der Neurologe erwartete eine Spontanremission.

Aus dem Zwischenbericht des Durchgangsarztes E. über eine Nachuntersuchung am 19. Dezember 2011 geht hervor, dass der Kläger weiterhin über eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung von Sehnen des linken Ellenbogengelenks und ein Taubheitsgefühl des linken Handrückens, welches gelegentlich in Oberarmaußenseite und Unterarm ausstrahle, klagte. Bei der chirurgischen Untersuchung erschien die Kraft für die Beugung zunächst deutlich vermindert. Als der Kläger darauf hingewiesen worden sei, dass dies nicht im Unfallzusammenhang stünde, habe sich die Kraft jedoch besser entfaltet.

Der Kläger stellt sich am 28. Dezember 2011 nochmals in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen vor. Nach dem Bericht klagte er darüber, dass er keine Kraft in der rechten Hand habe. Das Jamar-Dynamometer drückte er links mit "0 kg" und auch rechts unterdurchschnittlich (24 kg). Der Befund im Schnellwechseltest wich allerdings davon ab; hier erreichte der Kläger 30 kg. Die Befunde seien nicht objektivierbar. Die bei dem Kläger bestehende Sensibilitätsstörung hindere den Kläger nicht an einer Kraftaufnahme. Dies werde auch durch den Handkrafttest widerlegt. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß werde nicht verbleiben. Außerdem klagte der Kläger weiterhin über eine handschuhförmige Taubheit und Missempfindungen sowie Temperaturwahrnehmungsstörungen für die gesamte linke Hand. Der Neurologe stellte die vorläufige Diagnose einer diskreten, sensiblen Endastläsion des nervus cutanaeus antebrachii lateralis links. Die Ursache der handschuhförmigen Taubheit sei nicht eindeutig zu klären.

Nachdem die Beklagte die Akte der deutschen Rentenversicherung zur festgestellten Erwerbsminderungsrente beigezogen und ausgewertet hatte, sagte sie den zunächst für den 7. Februar 2012 geplanten Termin in der BG Unfallklinik Ludwigshafen mit Schreiben vom 2. Februar 2012 ab und beendete das Heilverfahren zu diesem Tag.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2012 erkannte die Beklagte eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 28. Dezember 2011 an. Darüber hinaus lehnte die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ab. Abgesehen von der fehlenden Objektivierbarkeit der subjektiven Beschwerdeschilderung sei kein Unfallzusammenhang mehr gegeben. Motorische Störungen hätten bei der Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen am 28. Dezember 2011 nicht festgestellt werden können. Durch die berichtete Sensibilitätsstörung sei die Kraftaufnahme der linken Hand nicht behindert. Da ohnehin nur eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden bestanden habe, sei die Belastungserprobung von zunächst vier Stunden nicht mehr als Arbeitsunfähigkeitszeit anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 lehnte die Beklagte die Zahlung einer Verletztenrente ab, da keine MdE von mindestens 20 v.H. bestehe. Die Verletzung im Ellenbogenbereich links sei weitestgehend folgenlos verheilt.

Gegen beide Bescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 23. Februar 2012 Widerspruch ein.

Am 24. Februar 2012 bewertete der H-Arzt Dr. C. den Kläger als arbeitsfähig. Zu diesem Zeitpunkt fand er noch eine muskuläre Verhärtung im Bereich des körperfernen Bizepsmuskels links.

Ein MRT der Ellenbogenregion links vom 16. April 2012 zeigte die operierte Bizepssehne wieder als durchgehendes Band.

Der Neurologe und Psychiater Dr. F. diagnostizierte am 9. Mai 2012 eine "Nervenschädigung des N. radialis ) medianus und ulnaris links nach Sehnenabriss der distalen Bizepssehne und Sehnennaht". Er sah keinen Hinweis auf eine somatoforme Störung. Er berichtete am 16. August 2012, dass er nach Stimulation des Nervus radialis wieder ein motorisches Summenaktionspotenzial über dem Musculus abductor pollicis longus links erhalten habe. Weiterhin sei kein sensibles Nervenaktionspotenzial des Nervus radialis superficialis ableitbar.

Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2012 zurückgewiesen.

Daraufhin hat der Kläger am 10. September 2012 vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben.

Das Gericht hat von Amts wegen ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. G. eingeholt, welches dieser am 30. Juli 2013 erstattete. Danach ergab die klinische Untersuchung eine Druckempfindlichkeit der körperfernen Bizepssehne, deren Muskulatur eine seitendivergente Kontraktion aufwies. Der Ellenbogen zeigte eine freie Beweglichkeit. Hinsichtlich der Armumwendbewegungen bestanden ebenfalls keine funktionellen relevanten Seitendifferenzen. Allerdings war die Handstreckung bei der Handumwendbewegung schmerzhaft. Eine Kraftminderung ließ sich nicht objektivieren. Es bestanden narbige Veränderungen der körperfernen Bizepssehne nach teilweiser Kontinuitätsunterbrechung. Allerdings erklärten diese die von dem Kläger geklagten Beschwerden (Parästhesien, Minderempfindungen und Schmerzausstrahlungen und Beschwerden bei der Handumwendbewegung) nicht vollumfänglich. Es müsse von der anatomischen Rahmenbedingung einer degenerativen Vorschädigung ausgegangen werden. Der Sachverständige stellte als Unfallfolge auf orthopädischem Gebiet eine akute Zerrung des Armes im Sinne einer forcierten Streckung unter Beteiligung des Bizepsmuskels und geringfügiger Beteiligung der körperfernen Bizepssehne fest. Diese habe unter Berücksichtigung des prolongieren Heilungsverlaufes eine Arbeits- und Behandlungsfähigkeit bis zum 7. Februar 2012 bedingt. Die MdE bezüglich der Sehnenverletzung und unter Berücksichtigung der Schädigung des Bizepssehnenmuskels sei mit unter 10 v.H. anzusetzen. Dr. G. regte die Einholung eines neurologischen Gutachtens an.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 20. Mai 2014 schlossen die Beteiligten einen Widerrufsvergleich dahingehend, dass die Beklagte eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 7. Februar 2012 anerkennen und Verletztengeld nachzahlen würde und der Rechtsstreit damit erledigt wäre. Der Vergleich wurde seitens des Klägers fristgerecht widerrufen. Der Kläger legte einen weiteren Befundbericht von dem Neurologen Dr. F. vom 15. Juli 2014 vor. Dieser sieht aufgrund seiner elektroneurographischen Befunde eine Läsion des Nervus radialis superficialis links als objektiviert an. Die übrigen Sensibilitätsstörungen an der Rückseite des Unterarms und der Hand sowie im Bereich der Beugeseite der Hand seien zwar elektroneurografisch nicht zu objektivieren, die Angaben seien jedoch konsistent.

Das Gericht hat von Amts wegen ein neurologisches Sachverständigengutachten bei Dr. H. eingeholt, welches dieser am 10. Juli 2015 erstattete. Danach zeigten sich bei der körperlichen Untersuchung zahlreiche Befunde, die organisch nicht zu erklären seien. So sei die Kraftentwicklung des linken Arms sehr inkonstant gewesen und immer dann besser geworden, wenn dieselbe Funktion gleichzeitig auch auf der Gegenseite geprüft worden sei. Schon aufgrund des klinisch-neurologischen Befunds sei es unwahrscheinlich, dass eine organische Kraftminderung des linken Armes vorliege. Auch in der elektromyografischen Untersuchung ergäben sich keine Hinweise auf eine relevante motorische Nervenschädigung. Man sehe alte neurogene Veränderungen im Daumenballenmuskel links, die aber in derselben Form auch auf der rechten Seite nachzuweisen seien (erhöhte Potenzialamplitude), ferner finde man links grenzwertig hohe Potenziale im Bereich des Musculus brachioradialis. Die hohen Potenziale könnten Hinweis auf eine leichte abgelaufene Schädigung sein, eine aktuelle Funktionsstörung erkläre der Befund ganz sicher nicht. Auch die Gefühlsstörung sei ganz sicher in dem angegebenen Ausmaß nicht organisch bedingt, selbst wenn man eine Schädigung des Nervus radialis superficialis im Anschluss an die Operation und möglicherweise auch eine Schädigung des sensiblen Nervus cutaneus antebrachii lateralis annehmen würde. Ganz sicher nicht als Unfallfolge erklärbar sei die bei der Untersuchung angegebene komplette Taubheit der linken Hand. Es gelinge im Ergebnis nicht, hinsichtlich der angegebenen Sensibilitätsstörung und Kraftminderung einen Unfallzusammenhang nachzuweisen. Es ergäben sich vielmehr viele Hinweise darauf, dass es sich um eine psychogene Störung (unbewusste dissoziative Störung, oder um Aggravation, oder eine bewusste Simulation) handele, die ganz sicher nicht durch ein Trauma im Bereich des Ellenbogens zu erklären sei. Selbst wenn eine Schädigung der genannten Hautnerven (Nervus radialis superficialis und des sensiblen Nervus cutaneus antebrachii lateralis) zu beweisen wäre, wäre die dadurch bedingte MdE mit unter 10 v.H. einzuschätzen. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit seien alleine durch die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet bedingt.

Der Kläger vermag sich dem Gutachten von Dr. H. nicht anzuschließen und ist insbesondere der Auffassung, dass durch den Arbeitsunfall ein Morbus Sudeck verursacht worden sei. Er verweist insoweit auf einen weiteren Befundbericht des Neurologen Dr. J. vom 24. September 2015, aus dem als Diagnose ein Komplexes regionales Schmerzsyndrom hervorgeht.

Nach der ergänzenden Stellungnahme von Dr. H. sprächen zahlreiche Argumente gegen ein unfallbedingtes CRPS. So seien einige Diagnosekriterien eines CRPS bei der Untersuchung nicht erfüllt gewesen. Die Befunde bei der Kraftprüfung seien inkonsistent gewesen. Auch der zeitliche Ablauf mit einem Auftreten bzw. Wiederaufflammen vier Jahre nach dem Trauma sei mit der Diagnose eines unfallbedingten CRPS nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus spreche das vorliegende Ausbreitungsmuster gegen ein CRPS und in der medizinischen Fachliteratur werde bereits die Möglichkeit eines CRPS nach Verletzung im Oberarmbereich verneint.

Auf Antrag des Klägers wurde ein weiteres neurologisches Gutachten nach § 109 SGG bei PD Dr. K. eingeholt, welches dieser am 3. Februar 2017 erstattete. Auch danach fanden sich deutliche Hinweise auf nicht oder nicht in dem beklagten Umfang vorhandene Funktionsbeeinträchtigungen. Es fände sich keine Kongruenz der subjektiven anamnestischen Leidensbeschreibung, des subjektiv ausgestalteten Erlebens und der subjektiv wahrgenommenen Funktions- und Fähigkeitsstörungen mit den objektivierbaren klinischen Befunden. Es fänden sich Anhaltspunkte für erhebliche Inkonsistenzen und eine negative Antwortverzerrung und negative Symptomverzerrung mit appelativer Betonung subjektiv erlebter Beschwerden und Symptome. Weder die Beschwerdewahrnehmung noch die Beschwerdeschilderung seien authentisch. Nach dem Gutachten liege durch den Arbeitsunfall lediglich eine ganz blande Gefühlsstörung in Bezug auf den Nervus radialis superficialis und den Nervus cutanaeus antebrachii lateralis vor. Insoweit sei eine geringe sensible Nervenverletzung plausibel. Plausibel wäre eine Besserung im Verlauf. Deutlich werde eine nicht unfallbedingte, schwer somatoform geprägte Ausgestaltung, die sicher nicht organisch bedingt sei und die im Verlauf der fünf Jahre in den Vordergrund getreten sei. Ein sekundärer Krankheitsgewinn sei deutlich erkennbar. Es würden aus neurologischer Sicht keine relevanten geistigen oder seelischen Funktionsbeeinträchtigungen durch die festgestellten Unfallfolgen verursacht. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei aus neurologischer Sicht plausibel für sechs Wochen und die Behandlungsbedürftigkeit für sechs Monate nach dem Unfall. Es bestünde Übereinstimmung mit den gutachterlichen Ausführungen von Dr. G.

Der Kläger legt einen weiteren Befundbericht des Anästhesisten Dr. L. vom 18. April 2017 vor, aus dem die Verdachtsdiagnose CRPS hervorgeht.

Die Beteiligten haben am 20. Juni 2018 einen gerichtlichen Teilvergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte eine arbeitsunfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 7. Februar 2012 anerkennt und diesbezüglich Verletztengeld nachgezahlt wird.

Der Kläger beantragt darüber hinaus,
ihm unter Aufhebung der Bescheide vom 2. und 15. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2012 aufgrund des Arbeitsunfalls vom 6. Oktober 2011 Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 7. Februar 2012 hinaus anzuerkennen und eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte sieht sich durch das Sachverständigengutachten von PD Dr. K. grundsätzlich bestätigt. Allerdings betrachtet die Beklagte den Behandlungsbedürftigkeitszeitraum kritisch vor dem Hintergrund, dass eine unfallfremde, nicht organische, somatoforme Schmerzstörung eingetreten sei. Ein ursächlicher Zusammenhang könne insoweit nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvortrags im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte über die Klage aufgrund des von den Beteiligten jeweils erklärten Einverständnisses hierzu durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) entscheiden.

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhoben worden (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Teilweise wurde der Rechtstreit bereits durch den gerichtlichen Teilvergleich erledigt. Die darüber hinaus weiterverfolgte Klage ist in der Sache jedoch unbegründet.

Zwar liegt mit dem Unfall vom 6. Oktober 2011 ein Versicherungsfall in Form eines Arbeitsunfalles nach § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) als Grundvoraussetzung der geltend gemachten Ansprüche auf Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente gegen die Beklagte unstreitig vor.

Allerdings ist die seitens der Beklagten als Folge des Arbeitsunfalls vom 3. Februar 2011 anerkannte Verletzung im Ellenbogenbereich links – auch unter Berücksichtigung einer möglicherweise eingetretenen Schädigung des sensiblen Nervus radialis superficialis links und des sensiblen Nervus cutaneus antebrachii lateralis – bis zum 7. Februar 2012 im Wesentlichen folgenlos ausgeheilt und begründet weder einen Anspruch auf weitere Heilbehandlungsleistungen nach § 26 Abs. 1 SGB VII oder auf weiteres Verletztengeld gemäß § 46 SGB VII über den 7. Februar 2012 hinaus, noch auf Verletztenrente nach § 56 SGB VII gegen die Beklagte.

Gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, bei denen ein Versicherungsfall gegeben ist, dem Grunde nach Anspruch auf Heilbehandlung. Insoweit hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln u.a. den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).

Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII u.a. erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitseinkommen hatten.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Während Unfallereignis und Gesundheitsschaden mit dem Vollbeweis bewiesen werden müssen, genügt für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (Anerkennung als Unfallfolge) ebenso wie für die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und länger andauernden Unfallfolgen nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 10. Juni 1955 - 10 RV 390/54 - und vom 14. Juli 1955 - 8 RV 177/54 -; seither ständige Rspr.) ein Ursachenzusammenhang. Für dessen Anerkennung ist zwar noch nicht die bloße Möglichkeit, aber schon eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 19. März 1986 – 9a RVi 2/84 –) ausreichend. Diese ist erreicht, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände nach der herrschenden medizinisch- wissenschaftlichen Lehrmeinung den für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründen ein so deutliches Übergewicht zukommt, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (vgl. BSG, Urteile vom 2. Juni 1959 – 2 RU 158/56 – zu § 542 RVO a.F., 2. Februar 1977 – 8 RU 66/77 – und vom 27. Oktober 1989 – 9 RV 40/88 –). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 10. Juni 1955 - 10 RV 390/54 –).

Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten unter Berücksichtigung des Teilvergleiches rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die erkennende Kammer stützt sich insoweit auf die ausführlichen, überzeugenden und miteinander im Einklang stehenden gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. G. auf orthopädischem sowie Dr. H. und PD Dr. K. auf neurologischem Fachgebiet.

Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. G. sieht es die erkennende Kammer als erwiesen an, dass der Kläger durch den Arbeitsunfall vom 6. Oktober 2011 im Wesentlichen eine Zerrung des Ellbogengelenks unter Beteiligung des Bizepsmuskels und geringfügiger Beteiligung der körperfernen Bizepssehne erlitten hat. Diese Verletzung begründete nach Darstellung des Sachverständigen aufgrund des verzögerten Heilungsverlaufs eine unfallbedingte Behandlungsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis zum 7. Februar 2012. Zu diesem Zeitpunkt endete auch die Behandlung zu Lasten der Beklagten. Ab diesem Zeitpunkt ist nach den Ausführungen von Dr. G. – an deren Richtigkeit für die erkennende Kammer kein Anlass zu Zweifeln besteht – von einer im Wesentlichen folgenlosen Ausheilung der orthopädischen Unfallfolgen auszugehen, so dass insoweit weder ein Anspruch auf weitere unfallbedingte Heilbehandlung noch auf Verletztengeld besteht.

Auch ein Anspruch auf eine Verletztenrente besteht im Anschluss an dieses Sachverständigengutachten mangels rentenberechtigender MdE nicht.

Die Bemessung einer unfallbedingten MdE richtet sich nach dem Umfang der körperlichen bzw. geistigen Beeinträchtigungen des Versicherten durch die Art der Unfallfolgen und den Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens. Zu berücksichtigen sind die Gesamtumstände des Einzelfalles. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeiten des Verletzten auswirken, sind zwar nicht verbindlich, bilden aber eine wichtige und unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen kann, in welchem Umfang die körperlichen bzw. geistigen Fähigkeiten des Versicherten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend, aber als Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis heranzuziehen sind. Die Entscheidung der Frage, in welchem Grad die Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch Unfallfolgen gemindert ist, ist eine unter Berücksichtigung dieser Erkenntnis zu treffende Feststellung, die das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft.

Es bestehen für die erkennende Kammer keine Anhaltspunkte, an der MdE-Bewertung des Sachverständigen Dr. G. mit unter 10 v.H. zu zweifeln, da die Unfallverletzung im Wesentlichen folgenlos ausgeheilt ist.

Es kann im Ergebnis dahin gestellt bleiben, ob darüber hinaus – wie von den neurologischen Sachverständigen Dr. H. und PD Dr. K. für möglich gehalten – Schädigungen des sensiblen Nervus radialis superficialis links und des sensiblen Nervus cutaneus antebrachii lateralis links als Unfallfolge auf neurologischem Gebiet anzuerkennen sind. Denn selbst wenn eine unfallbedingte Schädigung dieser genannten Hautnerven bestehen sollte, würde dies nach den Ausführungen von Dr. H. keinen Leistungsanspruch begründen, der über die durch die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet bedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit hinausginge. Auch die hierdurch bedingte MdE wäre nach Darstellung des Sachverständigen Dr. H. mit unter 10 v.H. einzuschätzen, so dass sich selbst unter Berücksichtigung der orthopädischen Unfallfolge keine rentenberechtigende Gesamt-MdE ergäbe. Soweit der Sachverständige PD Dr. K. eine rund einen Monat über die anerkannte Behandlungsbedürftigkeit hinausgehende Behandlungsbedürftigkeit für erforderlich gehalten hat, vermag sich die erkennende Kammer dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Der Sachverständige schätzte die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sogar lediglich auf sechs Wochen ein und lieferte keine Begründung für eine wesentlich längere unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit. Es spricht viel dafür, dass eine längere Behandlungsbedürftigkeit allenfalls aufgrund unfallunabhängiger Erkrankungen gegeben war. Denn der Sachverständige hat ebenfalls eine unfallfremde, nicht organische, somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert.

Weitere Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet haben beide neurologischen Sachverständigen nicht festgestellt. Insbesondere ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (complex regional pain syndrome, CRPS) sieht die erkennende Kammer als nicht mit dem insoweit erforderlichen Vollbeweis erwiesen an.

Nach der S1-Leitlinie zum CRPS und der aktuellen Literatur ist das CRPS ein posttraumatisches Schmerzsyndrom einer Extremität, bei dem die Schmerzen im Vergleich zum erwarteten Heilungsverlauf unangemessen stark sind, wobei ursächlich vorwiegend somatische Faktoren sind. Diese Diskrepanz zwischen auslösender Verletzung und Ausmaß der Schmerzsymptomatik ist charakteristisch für ein CRPS. Auch scheinbare Bagatellverletzungen können ein CRPS auslösen. Die Diagnose CRPS ist eine klinische Diagnose. Deshalb sind die Anamneseerhebung, die klinisch-orthopädische und neurologische Untersuchung die entscheidenden Schritte. Es gilt nach der Leitlinie, dass die dokumentierten Befunde wichtiger sind als die subjektiven Beschwerden (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Juni 2016 – L 3 U 238/12 – m.w.N.). Die Symptome müssen in der Regel auch außerhalb der Traumastelle auftreten und sind nicht auf das Innervationsgebiet eines peripheren Nerven oder einer Nervenwurzel beschränkt. Maßgebliche diagnostische Grundlage für ein CRPS bilden die sog. "Budapester Konsensus-Kriterien". Danach muss zunächst ein anhaltender Schmerz, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärt wird bestehen. Darüber hinaus muss aus den 4 Kategorien Sensorik (Hyperästhesie und/oder Allodynie), Vasomotorik (Asymmetrie der Hauttemperatur und/oder Änderung bzw. Asymmetrie der Hautfarbe), Sudumotorik/ Ödem (Ödem und/oder Änderung bzw. Asymmetrie der Schweißproduktion) und Motorik/Trophik (reduzierte Beweglichkeit und/oder motorische Dysfunktion (Schwäche, Tremor, Dystonie) und/oder Veränderungen der Trophik (Haare, Nägel, Haut)) in der Anamnese mindestens von einem Symptom aus 3 der 4 Kategorien berichtet und zum Zeitpunkt der Untersuchung mindestens 1 Symptom aus 2 der 4 Kategorien nachgewiesen werden (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017 Ziff. 5.7.2.1, S. 231 und Ziff. 8.1.3.1, S. 398).

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Januar 2016 sind von den Diagnosekriterien eines CRPS weder eine Hautverfärbung oder eine signifikante Temperaturdifferenz, noch ein Ödem oder eine Störung der Schweißsekretion bei der Untersuchung feststellbar gewesen. Da nach den Ausführungen des Sachverständigen unfallbedingte CRPS-Symptome im Allgemeinen innerhalb von wenigen Tagen bis maximal 2 Wochen nach dem Trauma auftreten, spricht auch das vorliegend geschilderte Auftreten bzw. Wiederaufflammen vier Jahre nach dem Trauma ebenfalls gegen ein unfallbedingtes CRPS. Darüber hinaus breitet sich ein CRPS nach Darstellung des Sachverständigen nie zentrifugal in die Peripherie, sondern immer aus der Peripherie hin zum Rumpf aus, so dass auch das vorliegende Ausbreitungsmuster gegen ein CRPS spricht. Das Gericht schließt sich diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen von Dr. H. an, die zudem im Ergebnis ebenfalls von dem seitens des Klägers selbst gewählten Sachverständigen PD Dr. K. bestätigt werden, der gleichfalls kein CRPS als Unfallfolge festgestellt hat.

Vielmehr ergaben sich in der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. H. zahlreiche Befunde, die nach dessen Auffassung organisch nicht zu erklären sind. Nach seinem Gutachten bestehen viele Hinweise auf eine unfallunabhängige psychogene Störung (unbewusste dissoziative Störung, oder um Aggravation, oder eine bewusste Simulation). Dies deckt sich im Ergebnis auch mit den noch deutlicheren Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. K. Auch dieser hat mit ausführlicher Begründung erhebliche Diskrepanzen zwischen der subjektiven Beschwerdewahrnehmung und den objektivierbaren klinischen Befunden festgestellt. Danach finden sich Anhaltspunkte für erhebliche Inkonsistenzen und eine negative Antwortverzerrung und negative Symptomverzerrung mit appelativer Betonung subjektiv erlebter Beschwerden und Symptome. Ein sekundärer Krankheitsgewinn war seiner Auffassung nach deutlich erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Zwar hat der Kläger im Rahmen des Teilvergleiches zu einem geringen Anteil obsiegt. Dies rechtfertigt im vorliegenden Fall jedoch keine Kostenquote. Die Beteiligten haben zudem weder im ursprünglichen widerrufenen Vergleich noch in dem später tatsächlich geschlossenen Teilvergleich eine Kostenquote geregelt.
Rechtskraft
Aus
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