S 2 R 351/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 R 351/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 213/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 141/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1975 geborene Kläger ist von Beruf Schreiner / Tischler. Im Juni 2011 erlitt er einen Bandscheibenvorfall. Nach dessen operativer Versorgung verblieb eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule. Auf Antrag des Klägers bewilligte die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Im Februar / März 2012 wurde zunächst eine Maßnahme zur Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk ( BFW ) C. durchgeführt. Zu deren Abschluss wurde ein Abschlussbericht des Diplom-Psychologen D. vom 23.03.2012 sowie eine arbeitsmedizinische Stellungnahme der Ärztin am BFW C. E. vom 14.03.2012 erstellt. Der Empfehlung in diesen beiden Berichten folgend bewilligte die Beklagte einen Vorkurs im BFW C. Im Anschluss hieran bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13.09.2012 eine Weiterbildung zum Holztechniker, ebenfalls im BFW C., und mit Bescheid vom 20.09.2012 Übergangsgeld. Die Weiterbildung sollte vom 13.09.2012 bis voraussichtlich 31.07.2014 dauern.

Nach erfolgter Anhörung brach die Beklagte die Weiterbildung mit Bescheid vom 05.11.2013 zum 07.11.2013 ab und hob den Bewilligungsbescheid vom 13.09.2012 sowie den Übergangsgeldbescheid vom 20.09.2012 gemäß § 48 SGB X auf. Nach Auswertung des erneut durchgeführten Alkoholtestes habe sich eine Änderung der Verhältnisse ergeben. Die Weiterführung der Weiterbildung erscheine aufgrund des fortgesetzten Alkoholabusus nicht erfolgversprechend, zumal in den schriftlichen Prüfungen nur mangelhafte Leistungen erbracht worden seien. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und trug mit Schreiben vom 15.04.2014 vor, dass er zwar einräume, ein bis zwei Liter Bier pro Tag konsumiert zu haben, dies jedoch nur abends während der Freizeit. Der Unterricht sei hierdurch nicht beeinträchtigt worden. Die durchgeführten CDT – Tests wiesen nur auf einen möglichen Alkoholkonsum hin. Der Test vom 06.06.2013 habe sogar einen CDT – Wert ergeben, der Alkoholkonsum als wenig wahrscheinlich erscheinen lasse. Die mangelhaften schriftlichen Leistungen im zweiten Halbjahr seien nicht auf den Alkoholkonsum, sondern darauf zurückzuführen, dass er einen Leistenbruch erlitten habe und nach erfolgter Operation in der Zeit vom 29.01. – 22.02.2012 nicht am Unterricht habe teilnehmen können. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den Auslegungsgrundsätzen der Rentenversicherungsträger zu den persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rehabilitationsleistungen und zur Mitwirkung der Versicherten könnten Leistungen zur Rehabilitation vorzeitig beendet werden, wenn erkennbar sei, dass der Versicherte zu der erforderlichen Mitwirkung im Rahmen der Leistungen einschließlich der Integration in die Gemeinschaft nicht bereit sei und wenn der Versicherte durch ordnungswidriges Verhalten die Durchführung oder den Erfolg der Rehabilitation behindere oder beeinträchtige. Der Kläger sei mehrfach darauf hingewiesen worden, dass regelmäßiger Alkoholkonsum nicht geduldet werde. Parallel hätten sich aber auch die schriftlichen Leistungen derart verschlechtert, dass mit einem erfolgreichen Abschluss der begonnenen Weiterbildung nicht mehr zu rechnen sei. Somit sei nach dem Erlass des Bescheides vom 13.09.2012 eine wesentliche Änderung eingetreten. Da das Übergangsgeld eine ergänzende Leistung darstelle, die nur in Verbindung mit der Hauptleistung erbracht werde, sei dessen Gewährung ebenfalls zu beenden.

Hiergegen richtet sich die am 30.07.2014 erhobene Klage. Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abbruches der Weiterbildung. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus einem möglichen Amtshaftungsanspruch. Er habe finanzielle Nachteile erlitten, nicht nur dadurch, dass ihm das Übergangsgeld entgangen sei, sondern auch weil er in seinem beruflichen Fortkommen behindert worden sei. Ferner auch daraus, dass er beabsichtige, einen neuen Leistungsantrag zu stellen. Wenn die Rechtswidrigkeit des Abbruches der Leistung festgestellt worden sei, ergebe sich bei der Entscheidung über den Neuantrag eine Ermessensreduzierung auf Null. Die Leistung sei dann in jedem Fall zu bewilligen, ohne dass die Vorlage ärztlicher Befunde oder Laborwerte verlangt werden könne. Der Abbruch der Weiterbildung beruhe auf sachfremden Erwägungen, nämlich der Konfliktsituation zwischen ihm und Mitarbeitern des BFW. Er habe sich als engagierter Schüler gezeigt, der den wegen der Arbeitsunfähigkeit versäumten Unterrichtsstoff eigenständig nachgearbeitet habe. Auch habe er es geschafft, die teilweise mangelhaften Leistungen durch gute Mitarbeit auf ein befriedigendes bis ausreichendes Niveau zu verbessern. Er sei jederzeit willens und bereit gewesen, die Weiterbildung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Abbruch der Weiterbildungsmaßnahme zum Holztechniker zum 07.11.2013 rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Abbruch der Weiterbildung sei rechtmäßig gewesen. Einen etwaigen Neuantrag werde sie nach den dann vorliegenden Gegebenheiten prüfen. Die Prognose und darauf aufbauend die Entscheidung über den Neuantrag erfolge dann unter anderem anhand neuer Befundunterlagen und Laborwerte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört.

Die Klage ist unzulässig.

Für den Anfechtungsantrag fehlt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, da der angefochtene Verwaltungsakt erledigt ist. Die gestalterische Wirkung des Abbruches der Maßnahme ist bereits eingetreten. Die Weiterbildungsmaßnahme, deren Bewilligung durch den angefochtenen Verwaltungsakt aufgehoben wurde, ist zwischenzeitlich beendet. Auch wenn der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben würde, könnte der Kläger an dieser Maßnahme nicht mehr teilnehmen.

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist ebenfalls unzulässig. Es fehlt ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Die Fortsetzungsfeststellungsklage bei erledigtem Anfechtungsbegehren richtet sich der Sache nach auf die Feststellung, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erledigung einen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts hat. An dieser Feststellung muss gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG ein berechtigtes Interesse bestehen. Das setzt voraus, dass mit ihr eine Verbesserung der Rechtsstellung des Klägers im Hinblick auf das Interesse verbunden ist, das hinter dem angefochtenen Verwaltungsakt steht (vgl. NK-VwGO/Wolff, § 113 Rdnr. 309 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 26.03.1981, - 3 C 134/79 -, in juris). Als berechtigtes Interesse i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG kommen insbesondere ein Rehabilitationsinteresse (bei entsprechendem Grundrechtsbezug), die Absicht, eine zivilgerichtliche Schadensersatz- oder Entschädigungsklage anzustrengen, und eine konkrete Wiederholungsgefahr in Betracht. Die Absicht, einen etwaigen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch in einem nachfolgenden Zivilprozess geltend machen zu wollen, begründet ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG aber nur dann, wenn die Erledigung nach Klageerhebung eingetreten ist (BVerwG, Urteil vom 20.01.1989, - 8 C 30/87 -, in juris).

Hat sich das Begehren schon vorher erledigt, muss die Amtshaftungsklage sogleich beim zuständigen Zivilgericht erhoben werden. Dieses hat die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidung bzw. das Bestehen eines Anspruchs des Klägers auf Aufhebung des Verwaltungsaktes als Vorfrage zu prüfen; einen Rechtsanspruch auf die Entscheidung von Vorfragen durch das sachnähere Gericht gibt es nicht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2016 – L 5 KA 1783/13 –, Rn. 30, juris, mit weiteren Nachweisen). Eine konkrete Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Behörde bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen einen gleichartigen Verwaltungsakt erlassen wird. Die Gefahr muss hinreichend konkret sein; sie besteht, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit eine derartige Situation eintreten wird. Einige Wahrscheinlichkeit erfordert nicht, dass mehr dafür als dagegen spricht. Dass eine solche Situation nicht auszuschließen ist, reicht aber nicht aus (Keller in Meyer-Ladewig, § 131 SGG, Rdnr. 10b).

Davon ausgehend liegt ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG hier nicht vor, weshalb die Forstsetzungsfeststellungsklage des Klägers unzulässig ist. Mit der - auch nicht weiter konkretisierten - Absicht, einen pauschal behaupteten Schaden infolge der Aufhebung der Bewilligung in einem nachfolgenden Amtshaftungsprozess geltend machen zu wollen (zum Erfordernis konkreter Angaben zum behaupteten Schaden bzw. zur Schadenshöhe und dazu, dass der entsprechende Zivilprozess mit Sicherheit zu erwarten oder (jedenfalls) ernsthaft beabsichtigt ist, etwa OVG Münster, Beschluss vom 23.01.2003, - 13 A 4859/00 -; vgl. auch etwa BSG; Urteil vom 02.09.2009, - B 6 KA 44/08 R -, beide in juris) - ist das berechtigte Interesse gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG schon deshalb nicht zu begründen, weil Erledigung hier schon vor Erhebung der Klage eingetreten ist. Auch eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht nicht. Es besteht keine hinreichend konkrete Gefahr, dass eine gleichartige Situation, in der die Beklagte die Bewilligung einer Weiterbildungsmaßnahme erneut aufheben würde, nochmals eintritt. Dies gilt unabhängig davon, ob man den sachlichen Grund für die Beendigung der Maßnahme - mit dem Kläger in einem Konflikt mit Mitarbeitern des BFW sieht oder - mit der Beklagten – in Alkoholmissbrauch und schlechten Leistungen. In beiden Fällen handelt es sich um Sachverhalte, die sich in konkreten Lebenssituationen auf spezifische Weise entwickelt haben. Für die Annahme, dass eine im Wesentlichen gleiche Situation nochmals eintritt, besteht kein Anhalt. Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abbruches der Maßnahme in der konkreten Situation am 05.11.2013 hätte keine Bedeutung für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines etwaigen erneuten Abbruches einer anderen Maßnahme, da jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalles der Beurteilung zugrunde zu legen sind. Der Kläger macht dies auch nicht geltend.

Er stützt das berechtigte Interesse vielmehr auf die Überlegung, dass sich bei Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abbruches der bereits bewilligten Weiterbildung ein Anspruch auf Bewilligung einer neuen Maßnahme ergäbe. Dies trifft jedoch nicht zu. Über den neuen Antrag ist nach den im Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag bestehenden Verhältnissen zu entscheiden. Auch bei Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abbruches der ersten Weiterbildung wäre die Beklagte nicht berechtigt, eine zweite Weiterbildung zu bewilligen, wenn im Zeitpunkt der Bewilligung die gesetzlichen Voraussetzungen nicht ( mehr ) vorliegen. Hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen. Auch die Frage, ob bei Entscheidung über einen Neuantrag aktuelle Laborwerte angefordert werden dürfen, hängt nicht von der Klärung der Rechtswidrigkeit des Abbruches der ersten Weiterbildung ab. Die Erforderlichkeit dieser Werte ergibt sich bereits aus dem Bericht des Diplom-Psychologen D. vom 23.03.2012, der die vom Kläger angestrebte Weiterbildung zum Holztechniker befürwortet hat, aber zugleich einen Vorkurs und auch die Beobachtung des Alkoholkonsums als erforderlich angesehen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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