S 16 KR 174/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 KR 174/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid der Beklagten vom 06.05.1998 in der Fassung des Bescheides vom 19.08.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2000 wird insoweit aufgehoben, als dieser die nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten vom 06.04.2001 noch verbleibenden Beitragforderungen mit Ausnahme der Beitragsforderungen für Frau B betrifft. II. Die Beklagte hat die notwendigen entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.

Die Beklagte machte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 06.05.1998 im Ergebnis einer im Zeitraum vom 30.03.1998 bis 02.04.1998 durchgeführten Betriebsprüfung nach § 28p Abs.1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch ( SGB IV ) eine Nachforderung an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 21.102,70 DM geltend.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch vom 20.05.1998.

Die Beklagte half dem Widerspruch daraufhin mit Bescheid vom 19.08.1999 teilweise ab und reduzierte die Nachforderung auf nunmehr 13.729,40 DM.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2000 hat die Beklagte sodann den Widerspruch im übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 22.07.2000, beim Sozialgericht Dresden am 25.07.2000 eingegangen, erhobene Klage der Klägerin.

Mit Schriftsatz vom 06.04.2001 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis hinsichtlich der Rücknahme der aus der Gruppenunfallversicherung resultierenden Beitragsforderung abgegeben, daß die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 04.12.2003 angenommen hat.

Mit Schriftsatz vom 11.09.2003 hat die Klägerin die Klage insoweit zurückgenommen, soweit Beitragsansprüche der Arbeitnehmerin B betroffen sind.

Die Klägerin trägt vor, der hier vorliegende Erlaß eines Summenbeitragsbescheides sei unzulässig, da ohne weiteres eine personenbezogene Feststellung erfolgen konnte. Bereits aus Rechtsgründen sei der Erlaß eines Summenbeitragsbescheides nicht im "gegenseitigen Einvernehmen" möglich. Bei den Beitragszahlungen an die Sozialversicherungsträger handele es sich um öffentlich-rechtliche Ansprüche, die nicht zur Disposition der Beteiligten stünden. Angesichts des Umstandes, daß hiervon Leistungsansprüche der Versicherten betroffen seien, würde sich eine solche Absprache zum Nachteil der Versicherten auswirken. Entsprechend der Regelung in § 32 SGB I seien derartige Absprachen nicht nur auf privatrechtlicher Ebene unzulässig, sondern selbstverständlich auch auf öffentlich-rechtlicher Ebene. Die Stellungnahme des Betriebsprüfers zeige deutlich, daß dieser nicht bereit und nicht willens gewesen sei, überhaupt die Lohnkonten auszuwerten. Vielmehr habe der Betriebsprüfer den – in sozialversicherungsrechtlichen Fragen unkundigen – Vorstandsmitgliedern den Erlaß eines Summenbeitragsbescheides nahe gelegt, um sich die Arbeit zu ersparen und dabei vorgespiegelt, daß die von ihm vorzunehmende Auswertungsarbeit von den Mitarbeitern der Klägerin zu erledigen sei. Die Klägerin lege Wert auf die Feststellung, daß bei ihr alle Lohnkonten und sonstigen Buchungsunterlagen korrekt und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen geführt würden und alle relevanten Vorgänge erfaßt seien. Der Betriebsprüfer habe keine ernsthaften Bemühungen unternommen, die Zahlungen zuzuordnen und insbesondere die Klägerin nicht aufgefordert, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 06.05.1998 in der Fassung des Bescheides vom 19.08.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2000 insoweit aufzuheben, als dieser die nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten vom 06.04.2001 noch verbleibenden Beitragsforderungen mit Ausnahme der Beitragsforderungen für Frau B betrifft.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen zu 12., die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 06.05.1998 in der Fassung des Bescheides vom 19.08.1999 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 27.06.2000 ist, mit Ausnahme der nicht mehr im Streit stehenden Beitragsforderungen für Frau B, bereits deshalb rechtswidrig, da es ihm an einer inhaltlich hinreichenden Bestimmtheit ( § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X ) fehlt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind in einem Bescheid für die Berechnung von Sozialversicherungsbeiträgen zunächst die Versicherten, auf die sich der Bescheid bezieht, eindeutig zu bezeichnen ( vgl. BSGE 59, 235 ). Diesem Erfordernis wird der Bescheid vom 06.05.1998 in der Fassung des Bescheides vom 19.08.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2000, soweit dieser noch im Streit steht, schon deshalb nicht gerecht, da, wie aus der zugehörigen Anlage ersichtlich, insoweit lediglich Feststellungen unter Bezugnahme auf § 28f SGB IV getroffen wurden. Insoweit sind lediglich Gesamtsummen festgestellt worden, ohne daß die erforderlichen individuellen, auf die Person der einzelnen Arbeitnehmer bezogenen Feststellungen der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und der Beitragshöhe getroffen wurden ( vgl. BSGE 37, 114; BSGE 59, 235 ).

Auch war die insoweit gewählte Verfahrensweise des Erlasses eines Beitragssummenbescheides ( § 28f Abs. 2 SGB IV ) offensichtlich nicht zulässig.

Gemäß § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV ist insoweit zunächst Voraussetzung, daß der Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und dadurch die Versicherung zu der Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Hierfür sind jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Verwaltungsakte der Beklagten sind diesbezügliche Feststellungen nicht zu entnehmen. Insbesondere ist eine Anforderung der betreffenden Unterlagen durch die Beklagte bzw. den Betriebsprüfer offensichtlich nicht erfolgt. Somit muß davon ausgegangen werden, daß die erforderlichen Feststellungen nach Anforderung der diesbezüglichen Unterlagen durch die Beklagte getroffen werden könnten, so daß schon von daher für eine Anwendung des § 28f Abs. 2 SGB IV kein Raum bleibt.

Des weiteren sind ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand Arbeitsentgelt nicht einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann ( § 28f Abs. 2 S. 2 SGB IV, vgl. auch Urteil des BSG vom 07.02.2002, Az. B 12 KR 12/01 R ), zumal die streitigen Mankogelder erfaßt sind und damit einzelnen Mitarbeitern zugeordnet werden können sowie hinsichtlich der Abschlußgebühren bei den Bausparverträgen die betreffenden Mitarbeiter bereits in dem vom Betriebsprüfer zugrunde gelegten Schreiben der Klägerin an das Finanzamt Löbau vom 26.09.1995 namentlich aufgeführt sind. Folglich scheidet auch insoweit eine Anwendung des § 28f Abs. 2 SGB IV aus.

Schließlich ist § 28f Abs. 2 SGB IV auch nicht aufgrund des nach der Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 10.08.1998 ( Bl. 72 – 73 der Verwaltungsakte ) erzielten "gegenseitigen Einvernehmens" über die Erstellung von Summenbescheiden anwendbar. Zwar ist die betreffende Vereinbarung nicht bereits entsprechend § 32 SGB I nichtig, da § 32 nur für privatrechtliche Vereinbarungen gilt, während für öffentlichrechtliche ausschließlich die Bestimmungen der §§ 53ff SGB X gelten ( vgl. Kasseler Kommentar, § 32 SGB I Rn. 3 ). Jedoch ist zum einen diese Vereinbarung bereits mangels Schriftform ( § 56 SGB X ) unwirksam. Zum anderen steht der Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung bereits Sinn und Zweck der Regelung des § 28f Abs. 2 SGB IV entgegen, da hiervon Leistungsansprüche der Versicherten ( wie z.B. Rentenansprüche ) betroffen sind, die nicht zur Disposition der Beteiligten stehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGGÄndG vom 17. August 2001 ( BGBl. I S. 2144 ) am 02.01.2002 maßgeblichen Fassung, die in allen Streitigkeiten, die vor dem 02.01.2002 rechtshängig geworden sind, fortgilt ( Art. 17 Abs. 1 des 6. SGGÄndG; vgl. Urteile des BSG vom 30.01.2002, Az. B 6 KA 12/01 R und vom 23.07.2002, Az. B 3 KR 63/01 R ). -
Rechtskraft
Aus
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