S 7 SB 340/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 SB 340/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderung für Zeiträume vor
Stellung eines erstmaligen, diesbezüglichen Antrags setzt die
Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses und darüber hinaus die
Offenkundigkeit der Schwerbehinderung in der Vergangenheit voraus.

2. Ein besonderes Interesse ergibt sich nicht daraus, dass bei rückwirkend
festgestellter Schwerbehinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres
rückwirkend auch ein Kindergeldanspruch leichter festzustellen ist, weil der
durch § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG begründete Kindergeldanspruch eine
Schwerbehinderung rechtlich nicht voraussetzt, sondern der Schwerbehinderung
insoweit nur Indizwirkung zukommt.

3. Offenkundigkeit liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die
Schwerbehinderung nur durch Einholung eines oder mehrerer fachärztlicher
Gutachten festgestellt werden kann.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 40 rückwirkend für den Zeitraum von Februar 1987 bis Dezember 1996. Der am 14.07.1961 geborene Kläger beantragte erstmals am 16.04.1998 die Feststellung von Behinderungen und des GdB rückwirkend soweit wie möglich. Der Beklagte stellte hierauf zuerst mit Bescheid vom 02.09.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.1999 einen GdB von 50 ab Antragstellung und auf einen Neufeststellungsantrag des Klägers vom 05.05.1999 hin mit Bescheid vom 06.10.1999 und Teilabhilfebescheid vom 23.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2000 einen GdB von 60 ab 05.05.1999 fest. Mit Schreiben vom 22.01.2000 beantragte der Kläger sinngemäß die Überprüfung dieser Bescheide durch den Beklagten und die rückwirkende Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 ab Februar 1987, weil er unter seinen Behinderungen schon seit 1986 leide, er insbesondere im Februar 1987 wegen psychischer Probleme in stationärer Behandlung gewesen sei und er einen Nachweis seiner Schwerbehinderteneigenschaft für die Zeit vor Vollendung seines 27. Lebensjahres benötige, um Kindergeld für sich selbst beziehen zu können. Nachdem der Beklagte zuerst am 16.02.2000 eine Bescheinigung über einen GdB von 60 für die Zeit von 1997 bis 1998 ausgestellt hatte, hob er daraufhin von Amts wegen und gestützt auf § 44 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit Bescheid vom 06.04.2000 sämtliche bisher ergangenen Bescheide einschließlich der Bescheinigung über einen GdB von 60 für die Zeit von 1997 bis 1998 auf und stellte rückwirkend ab 01.01.1997 einen GdB von 60 wegen einer seelischen Störung, eines Schlafapnoe-Syndroms, Durchblutungsstörungen des Herzens, Bluthochdrucks, wiederkehrender Nesselsucht, einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, einer Entleerungsstörung der Harnblase, bronchialer Hyperreagibilität und einer Atembehinderung bei Verengung des Nasengangs beiderseits fest. Dem dagegen mit Schreiben vom 22.04.2000 erhobenen Widerspruch half der Beklagte mit Teilabhilfebescheid vom 21.09.2000 teilweise dahin ab, dass zusätzlich zum Ausgangsbescheid rückwirkend ab April 1990 bis Dezember 1996 wegen einer bereits damals bestehenden seelischen Störung ein GdB von 40 zuerkannt wurde. Ein Widerspruchsbescheid hierzu wurde nicht erlassen. Stattdessen lehnte der Beklagte einerseits einen Antrag des Klägers vom 17.10.2000 auf Erhöhung des GdB wegen weiterer, neu hinzugetretener Behinderungen mit Bescheid vom 24.10.2001 ab und entschied durch einen weiteren Bescheid vom 05.12.2001, dass rückwirkend für die Zeit vor 1997 kein höherer GdB festgestellt werden könne, weil entsprechende Belege nicht mehr zu ermitteln seien. Auf die vom Kläger auch dagegen erhobenen Widersprüche hin erließ der Beklagte einen weiteren Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002, mit dem er beim Kläger ab 01.01.1997 die gleichen Behinderungen wie im Bescheid vom 06.04.2000 mit einem GdB von 60 und zusätzlich für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 wegen einer seelischen Störung einen GdB von 40 feststellte. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2002 wies der Beklagte sodann die Widersprüche gegen die Bescheide vom 24.10.2001 und vom 05.12.2001 unter Bestätigung des Teilabhilfebescheides vom 03.09.2002 zurück, weil für die Zeit ab 1987 kein höherer GdB als 40 feststellbar sei. Der Kläger hat am 19.12.2002 Klage erhoben. Er trägt unter Einbeziehung seiner Ausführungen im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen vor, dass es ihm mit seiner Klage allein darum gehe, dass ein GdB von mindestens 50 für die Zeit vor Vollendung seines 27. Lebensjahres und darüber hinaus festgestellt werde, weil er dann Kindergeld für sich selbst beziehen könne, welches vom zuständigen Arbeitsamt mit der Begründung abgelehnt worden sei, dass sein GdB vor Vollendung des 27. Lebensjahres nicht mindestens 50 betragen habe. Insoweit seien rückwirkend ab Februar 1987 nicht nur seine seelische Störung, sondern auch sein Lendenwirbelsäulensyndrom und sein hyperkinetisches Herzsyndrom einzubeziehen.

Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst, den Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2002 teilweise abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm für den Zeitraum von Februar 1987 bis Dezember 1996 einen höheren Grad der Behinderung als 40, mindestens 50, festzustellen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er macht unter Bezugnahme auf die angegriffenen Bescheide im Wesentlichen geltend, dass der Sachverhalt zutreffend ermittelt und die noch vorhandenen medizinischen Unterlagen sachgerecht ausgewertet worden seien. Ein höherer GdB als 40 könne für den streitigen Zeitraum nicht festgestellt werden. Den Beteiligten wurde jeweils durch Verfügung vom 17.08.2004 Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid Stellung zu nehmen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens waren.

Entscheidungsgründe:
Gemäß § 105 Abs. 1 SGG kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Dabei hat das Gericht das Klagebegehren gemäß § 123 SGG sachdienlich dahin ausgelegt, dass lediglich die Abänderung des Teilabhilfebescheides vom 03.09.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2002 hinsichtlich der Höhe des GdB für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 Klagegegenstand ist. Denn allein streitig ist der Zeitraum von Februar 1987 bis Dezember 1996, so dass es aus Sicht des Klägers genügt, den Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 (in Gestalt des dies nur bestätigenden Widerspruchsbescheides vom 19.11.2002) hinsichtlich der Höhe des GdB von 40 für diesen Zeitraum abzuändern. Dies deshalb, weil der Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 bezüglich des streitigen Zeitraums von Februar 1987 bis Dezember 1996 sämtliche hierzu vorher ergangenen Bescheide (Bescheid vom 06.04.2000, Teilabhilfebescheid vom 21.09.2000 sowie Bescheid vom 05.12.2001) bereits zu Gunsten des Klägers zumindest konkludent abgeändert, d.h. insoweit (teilweise) aufgehoben und den GdB mit 40 neu festgesetzt hat. Mit einer Erhöhung des GdB von 40 auf 50 für den Zeitraum von Februar 1987 bis Dezember 1996 und einer allein dies betreffenden Abänderung des Teilabhilfebescheides vom 03.09.2002 bleibt somit die (Teil-)Aufhebung der Bescheide vom 06.04.2000, 21.09.2000 und 05.12.2001 erhalten und kann mangels Beschwer des Klägers nicht zulässigerweise Klagegegenstand sein. Dem Kläger steht mithin bestandskräftig für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 ein GdB von 40 und für die Zeit ab Januar 1997 ein GdB von 60 zu. Gestritten wird deshalb lediglich um die rückwirkende Feststellung eines höheren GdB als 40 für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996.

I. So gefasst ist die Klage zwar zulässig, aber in der Sache nicht begründet. Der Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2002 ist – soweit hierin die Feststellung eines GdB von mehr als 40 für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 abgelehnt wurde – rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 bereits aus Rechtsgründen keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, ohne dass es hierzu weiterer medizinischer Ermittlungen für den streitigen Zeitraum bedarf. Rechtsgrundlage für die teilweise Abänderung der Bescheide vom 06.04.2000, 21.09.2000 und 05.12.2001 und die Feststellung eines höheren GdB für den streitigen Zeitraum ist nicht § 44 Abs. 2 SGB X, weil die Bescheide vom 06.04.2000, 21.09.2000 und 05.12.2001 jeweils im Rahmen des Abhilfe- bzw. Widerspruchsverfahrens abgeändert wurden und die insbesondere durch den Bescheid vom 06.04.2000 aufgehobenen Bescheide aus den Jahren 1998 und 1999 keine Feststellung hinsichtlich eines GdB für den rückwirkenden Zeitraum von Februar 1987 bis Dezember 1996 enthielten. Über den erstmals konkret gestellten Antrag vom 22.01.2000 auf Feststellung eines GdB für den hier streitigen Zeitraum ab Februar 1987 wurde originär erstmals durch den Teilabhilfebescheid vom 21.09.2000 entschieden und diesem (Erst-)Antrag sowie den darauf folgenden Widersprüchen im Rahmen des Abhilfe- und Widerspruchsverfahrens teilweise abgeholfen, indem zuletzt durch den Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 ein GdB von 40 festgestellt wurde. Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB für den hier streitigen Zeitraum ist deshalb nach dem Inkrafttreten des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – am 01.07.2001 (SGB IX) gemäß Art. 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 (BGBl. I 2001, Seiten 1046 ff.) nunmehr § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB IX. Danach erfolgt die Feststellung des Grades der Behinderung durch die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX. Nicht mehr anwendbar sind demgegenüber im vorliegenden Fall die Regelungen des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG), welches am 01.07.2001 durch das SGB IX abgelöst wurde. Zwar hat der Kläger seinen Antrag auf Feststellung des GdB beim Beklagten noch vor Inkrafttreten des SGB IX am 22.01.2000 gestellt. Jedoch handelt es sich bei der vorliegenden Klage um eine Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG, über die grundsätzlich anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 54, Rn. 34, m.w.N.). Die Übergangsvorschrift des Art. 67 Abs. 1 des Gesetzes vom 19.06.2001 (BGBl. I 2001, Seiten 1046 ff.) ist hingegen vorliegend nicht anwendbar, weil mit der Feststellung eines GdB keine Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen im Sinne des § 11 des ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) gewährt werden. Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen gemäß § 11 SGB I sind nur Dienst-, Sach- oder Geldleistungen, nicht aber Statusentscheidungen wie die vorliegend zu treffende, mit der lediglich die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen geschaffen werden (hier zum Beispiel für die Inanspruchnahme von Steuererleichterungen für behinderte Menschen nach dem Einkommensteuergesetz). Der GdB als Statusentscheidung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich nur ab Antrag mit Wirkung für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit, festzustellen. Dies beruht nicht darauf, dass über die erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergangenheit nur schwer Feststellungen zu treffen sind, weil dem dadurch Rechnung getragen wird, dass ein Antragsteller in jedem Fall das Risiko trägt, dass eine ausreichende Sachaufklärung zu seinen Gunsten nicht mehr möglich ist. Vielmehr ist hierfür maßgebend, dass der rechtsgestaltende Status des GdB, insbesondere bei Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, zu zahlreichen Vergünstigungen in unterschiedlichen öffentlichen und privaten Bereichen führt, so dass eine rückwirkende Feststellung jedenfalls eines GdB von 50 mit dem Status eines schwerbehinderten Menschen Auswirkungen auf einen nur schwer zu überschauenden Kreis unbeteiligter Dritter hat. Zu diesen Dritten gehören nicht nur öffentlich-rechtliche Rechtsträger und öffentliche Verkehrsunternehmen, sondern vor allem auch Private, insbesondere Arbeitgeber. Deshalb genügt es nicht, dass durch die rückwirkende Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch noch rückwirkend steuerliche Vorteile in Anspruch genommen werden können. Zwar ist dies aus steuerrechtlicher Sicht durchaus möglich. Jedoch sind Steuervorteile – auch wenn sie Anlass zu einem Feststellungs-, also Statusverfahren gegeben haben – nur eine der möglichen Folgen des feststellenden Verwaltungsaktes über den GdB. Sie prägen das sozialrechtliche Statusverfahren nicht, das auf die Gesamtheit der Berechtigungen und Nachteilsausgleiche von Schwerbehinderten ausgerichtet ist. Die davon abweichend in der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) festgeschriebene beschränkte Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SchwbAwV), trägt lediglich dem Interesse der behinderten Menschen daran Rechnung, dass sie nicht durch die Dauer eines Verwaltungsverfahrens unzumutbar benachteiligt werden. Dies ist unproblematisch, weil sie dann bei allen wesentlichen Belangen bereits auf ein laufendes Verfahren zur Anerkennung hinweisen können. Die weitere Rückwirkung eines Antrags hingegen, wie sie in § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV vorgesehen ist, muss auf offenkundige Fälle beschränkt werden, in denen auch bei Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB X das pflichtgemäße Ermessen die rückwirkende Aufhebung gebieten könnte (vgl. zum Ganzen ausführlich: BSG v. 29.05.1991, Az: 9a/9 RVs 11/89, SozR 3-1300 § 44 Nr. 3; LSG für das Saarland v. 05.11.2002, Az: L 5 B 12/01 SB, zitiert nach JURIS). Die rückwirkende Feststellung eines GdB jedenfalls von 50 für die Zeit vor der ersten diesbezüglichen Antragstellung bei der zuständigen Behörde ist wegen der damit verbundenen rückwirkenden Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch somit nur dann möglich, wenn ein besonderes Interesse gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV an dieser rückwirkenden Feststellung glaubhaft gemacht wird und wenn darüber hinaus die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bereits in dem rückwirkenden Zeitraum, für den die Feststellung begehrt wird, offenkundig war. Beides liegt hier nicht vor. Ein besonderes Interesse im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Gewährung von Kindergeld an den Kläger als steuerlicher Vorteil nach den vorgelegten Bescheiden des zuständigen Arbeitsamtes deshalb abgelehnt wurde, weil dem Kläger nach den bisherigen Feststellungen des Beklagten bei Vollendung des 27. Lebensjahres am 14.07.1988 nur ein GdB von 40 und nicht 50 zustand. Denn – und so hat es das zuständige Arbeitsamt in den vorgelegten Bescheiden auch ausgeführt – die Gewährung des Kindergeldes hängt nicht davon ab, ob ein GdB von 50 vorliegt, sondern davon, ob der Betroffene wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und dass diese Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes – EStG –). Der festgestellte GdB kann insofern zwar als Nachweis einer Behinderung dienen. Jedoch genügt auch ein GdB von 30 in Verbindung mit der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX (vgl. Glanegger in Schmidt, EstG, 21. Auflage 2002, § 32 Rn. 50 sowie Einkommmenssteuer-Richtlinien 1999 bzw. 2003, R 180d). Deshalb mag zwar ein GdB von 50 eine Indizwirkung für die Feststellung des Umfangs der Behinderung im kindergeldrechtlichen Sinne und die dort nötige Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der Behinderung und der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt haben. Rechtliche Voraussetzung für einen Kindergeldanspruch ist er aber nicht, zumal der Behinderungsbegriff des EStG nicht identisch mit dem GdB des SGB IX ist (vgl. hierzu ausführlich: Seewald/Felix, Kindergeldrecht, Stand: 12/98, § 63 EStG, Rn. 292 ff.). Es obliegt deshalb den für die Kindergeldgewährung zuständigen Behörden, die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs ggf. rückwirkend zu prüfen, nicht aber den Versorgungsbehörden mittels Feststellung des GdB. Dies gilt ganz besonders angesichts der beschriebenen, mit einer rückwirkenden Feststellung eines GdB von 50 verbundenen Probleme, so dass sich das besondere Interesse im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV auf diese Weise nicht begründen lässt. Darüber hinaus war die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch im hier streitigen Zeitraum beim Kläger nicht offenkundig. Wann die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch offenkundig im oben genannten Sinne ist, hat das BSG bisher offen gelassen. Nach dem Landessozialgericht für das Saarland ist die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch jedenfalls dann nicht offenkundig, wenn der GdB nur durch Einholung eines oder mehrerer fachärztlicher Gutachten unter Berücksichtigung und Würdigung sämtlicher vorhandener medizinischer Unterlagen festgestellt werden kann (LSG für das Saarland v. 05.11.2002, Az: L 5 B 12/01 SB, zitiert nach JURIS). Dies hält das Gericht für überzeugend, weil dann für betroffene Dritte ohne medizinische Kenntnisse erst recht nicht mehr ersichtlich ist, ob eine Schwerbehinderung besteht oder nicht und sie deshalb durch die rückwirkende Feststellung in unzumutbarer Weise betroffen werden könnten. Dem folgend waren die Behinderungen des Klägers im streitigen Zeitraum nicht offenkundig geeignet einen GdB von 50 zu rechtfertigen. Denn ob die seelische Störung des Klägers in Verbindung mit gegebenenfalls weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen GdB von 50 bereits ab 1987 rechtfertigte, ließe sich auch hier nur durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens, welches die vorhandenen medizinischen Unterlagen auswertet, feststellen. Insbesondere die beim Kläger im Vordergrund stehende seelische Störung in Form eines ängstlich-depressiven Syndroms mit vegetativer Symptomatik (vgl. u.a. Blatt 303 des beigezogenen Verwaltungsvorgangs) tritt naturgemäß nicht für jeden Dritten offen zu Tage und verlangt in Bewertung und Würdigung kompetenten psychiatrischen Sachverstand. Ob unabhängig davon für die Beurteilung der Offenkundigkeit der entsprechende Prüfungsmaßstab der Arbeitsgerichtsbarkeit im Rahmen der Kündigungsschutzprozesse herangezogen werden kann, weil es zumindest auch um den Schutz der durch eine eventuelle rückwirkende Feststellung betroffenen Arbeitgeber geht, kann vorliegend dahinstehen. Denn die dort als offenkundig angesehenen Behinderungen mit einem GdB von 50 liegen hier ebenfalls nicht vor (vgl. zu den in diesem Sinne offenkundigen Behinderungen: Steinbrück in GK-SchwbG, 2. Aufl. 2000, § 15 Rn. 62).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. -
Rechtskraft
Aus
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