S 40 SF 211/19 E

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
40
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 40 SF 211/19 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Für eine Verzinsung des prozessualen Kostenanspruchs ist kein Raum, wenn der Kostenschuldner den Hauptanspruch vollständig erfüllt und der Kostengläubiger einer dementsprechenden Tilgungsbestimmung nicht widerspricht.

Für die analoge Anwendung von § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist in diesen Fällen kein Raum (aA SG Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 2015 - S 7 SF 374/14 E -, juris).
I. Die Verfahren S 40 SF 211/19 E und S 40 SF 212/19 E werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Erinnerungen der Kläger gegen die Verfügungen des Urkundsbeamten vom 11.04.2019 werden zurückgewiesen.

III. Außergerichtlichen Kosten für das Erinnerungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Verzinsung eines Kostenerstattungsanspruches, nachdem der Erinnerungsgegner (Eg.) als Kostenschuldner alle geltend gemachten Erstattungsansprüche befriedigt hat.

Die Erinnerungsführer (Ef.) führten bei der erkennenden Kammer Klage gegen den Eg., einem Träger der Grundsicherung. In der mündlichen Verhandlung schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach sich der Eg. u. a. verpflichtete, den Ef. drei Fünftel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 21.08.2018 haben die Ef. bei der Kammer die Festsetzung der vom Eg. für das Gerichtsverfahren zu erstattenden Kosten auf 723,50 EUR, die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und die Verzinsung nach § 104 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) beantragt. Mit Schreiben vom 20.09.2018 erkannte der Eg. die geltend gemachten Kosten unverzüglich an und zahlte sie aus. Daraufhin erklärten die Ef. den Antrag bis auf die Festsetzung der Zinsen für erledigt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 11.12.2018 haben die Ef. bei der Kammer die Festsetzung der vom Eg. für das Vorverfahren zu erstattenden Kosten auf 292,74 EUR, die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und die Verzinsung beantragt. Mit Schreiben vom 07.01.2019 erkannte der Eg. die geltend gemachten Kosten unverzüglich teilweise an, machte im übrigen eine Minderung des Anspruchs wegen der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr geltend und zahlte an die Ef. 167,79 EUR aus. Später erklärten die Ef. den Antrag bis auf die Festsetzung der Zinsen für erledigt.

Mit zwei Verfügungen vom 11.04.2019 lehnte der Urkundsbeamten die Kostenfestsetzungsanträge vom 21.08.2018 und 11.12.2018 ab. Hiergegen haben die Ef. am 09.05.2019 Erinnerungen eingelegt, mit denen sie die Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs weiterverfolgen. Der Kammer haben die Akten des Kostenfestsetzungsverfahrens einschließlich des Erinnerungsverfahrens sowie die Akten des sozialgerichtlichen Verfahrens vorgelegen.

II.

1. Die Kammer hat die beiden Erinnerungen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, weil die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten bilden, in Zusammenhang stehen und von vornherein in einer Kostenfestsetzungsantrag hätten geltend gemacht werden können (vgl. § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

2. Die Erinnerungen sind zurückzuweisen, weil sie zwar statthaft, aber unbegründet sind. Die Ef. haben keinen Anspruch auf Festsetzung einer Zinsforderung gegenüber dem Eg.

Zwar ist nach § 197 Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf Antrag auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu verzinsen sind. Hier aber ist in beiden Fällen zu Recht der Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen worden. Denn das Rechtsschutzinteresse an einer gerichtlichen Festsetzung entfällt, wenn der geltend gemacht Kostenerstattungsanspruch unstreitig vom Kostenschuldner vollständig und vorbehaltlos erfüllt worden ist (vgl. Oberlandesgericht [OLG] Düsseldorf, Beschluss vom 11.02.2004 – II-10 WF 23/03 –, juris, RdNr. 2; Giebel in Münchener Kommentar, ZPO, 3. Auflage, § 103 RdNr. 33, § 104 RdNr. 33; Schmidt in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Auflage, § 103 RdNr. 18, § 104 RdNr. 16; Baumbach et al., ZPO, 75. Auflage, § 104 RdNr. 10, Stichwort "Rechtsschutzbedürfnis"). Hier hat der Eg. auf den festzusetzenden Anspruch unverzüglich vollständige Zahlungen geleistet, was die Ef. auch durch ihre Erledigterklärung den Hauptleistungsanspruch betreffend zum Ausdruck gebracht haben.

Vollständig ist die Zahlung deshalb, weil sie nur den Hauptleistungsanspruch tilgt. Zwar wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet, § 367 Abs. 1 BGB. Dies führt in aller Regel zu getilgten Zinsen, aber einer noch offenen – und damit festsetzungsfähigen – Hauptforderung (vgl. Sozialgericht [SG] Dresden, 29. Mai 2015 – S 25 SF 106/15 E – unveröffentlicht). Allerdings ist § 367 Abs. 1 BGB dispositiv; sie schließt eine Bestimmungsrecht des Schuldners nicht aus, dem der Gläubiger aber sein Ablehnungsrecht nach Abs. 2 der Vorschrift entgegensetzen kann (Wenzel in Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 367, RdNrn. 1, 3). Nimmt der Gläubiger die Zahlung gleichwohl an, liegt hierin sein konkludentes Einverständnis, das zu einer von § 367 Abs. 1 BGB abweichenden Tilgungsreihenfolge führt (Zeiss in Soergel, BGB, 12. Auflage, § 367 RdNr. 2; für beides: Pfeiffer in Prütting et al., BGB, 7. Auflage, § 367 RdNr. 6). So liegen die Dinge aber hier: Der Eg. hat vor den Zahlungen erklärt, dass er die jeweils geltend gemachten Kosten in Höhe von 723,50 EUR und 167,79 EUR anerkennt und zahlt; damit hat er eine explizite, von § 367 Abs. 1 BGB abweichende Tilgungsbestimmung getroffen. Die Ef. haben hingegen die Zahlung entgegengenommen und nicht von ihrem Ablehnungsrecht nach § 367 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht.

Auf dem Hintergrund dieses Wahlrechts des Gläubigers besteht kein Bedarf für eine Festsetzung nur zu den als Nebenforderung zu qualifizierenden (vgl. hierzu Grundmann in Münchener Kommentar, BGB, a.a.O., § 246 RdNr. 10 mit weiteren Nachweisen) Zinsen (andere Ansicht SG Frankfurt/Main, Beschluss vom 12.5.2015 – S 7 SF 374/14 E –, juris, RdNr. 20). Denn das Gesetz sieht eine Verzinsung nur für "die festgesetzten Kosten" vor (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2005 – I-10 W 81/05 –, juris, RdNr. 3). Ein Verfahren nur zur isolierten Festsetzung von Zinsen erscheint hingegen systemfremd (vgl. Entscheidungsbesprechung zum o. g. Beschluss des SG Frankfurt durch Hansens in RVGReport 2015 389, 391), weil das Verfahren nicht mehr zu seinem ursprünglichen Zweck, nämlich zur Festsetzung von Kosten, sondern nur um seiner selbst Willen, nämlich der Begründung eines Zinsanspruchs ausgelöst würde, wofür angesichts der oben skizzierten Lösung kein Bedarf besteht.

Anderes gebietet auch nicht die vom SG Frankfurt/Main vermutete (SG Frankfurt/Main, Beschluss vom 12.5.2015 – S 7 SF 374/14 E –, a.a.O., RdNr. 23ff.) planwidrige Regelungslücke. Denn Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift auf einen von ihr nicht geregelten Sachverhalt ist, dass der allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes eine solche Erweiterung ihres Regelungskreises auf den ungeregelten Sachverhalt gebietet (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 1905/02 –, juris, RdNrn. 30, 46; Beschluss vom 07.07.2009 – 1 BvR 1164/07 –, juris, RdNrn. 124ff.). Ein solches Gleichbehandlungsgebot besteht aber nicht. Denn mit der Verzinsung eines nicht oder verspätet erfüllten Anspruches wird der Zweck verfolgt, die hierdurch verursachte Bereicherung des Schuldners zu hindern und den Schaden des Gläubigers zu mindern (Grundmann in Münchener Kommentar, BGB, a.a.O., RdNr. 11; Teichmann in Soergel, a.a.O, § 246 RdNrn. 2f. unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs). Hier hat der Beklagte aber den Kostenerstattungsanspruch aber in der letztlich begehrten Höhe sofort anerkannt und hätte dies womöglich auch in dem – zumindest im Gerichtsbezirk meist praktizierten – außergerichtlichen Festsetzungsverfahren getan. Dieses Verhalten ist aber – auch unter Schadensminderungsaspekten – nicht vergleichbar mit dem eines Kostenschuldners, der mit nicht durchgreifenden Einwänden einen berechtigten Erstattungsanspruch abwehrt und den Kostengläubiger in ein zeitaufwendiges gerichtliches Festsetzungsverfahren zwingt.

3. Die Kostenentscheidung (zu deren Notwendigkeit vgl. statt aller SG Frankfurt, Beschluss vom 21.01.2016 – S 7 SF 369/14 E – juris RdNr. 7) beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Entscheidungen sind endgültig, § 197 Abs. 2 SGG (vgl. Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17.04.2013 – L 8 AS 277/13 B KO, juris RdNrn. 7ff.).
Rechtskraft
Aus
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