S 35 R 1664/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
35
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 35 R 1664/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Rein tatsächliche Hilfeleistungen, wie die erforderliche Begleitung zum Begutachtungstermin, hat der amtlich bestellte Betreuer grundsätzlich nicht zu erbringen, da derartige Tätigkeiten keinen rechtsfürsorgerischen Charakter haben; sie gehören in der Regel nicht zum Aufgabenkreis des Betreuers. Der Betreuer ist lediglich für die Organisation dieser tatsächlichen Hilfsmaßnahmen verantwortlich, soweit dies erforderlich ist.
2. Die entgegenstehende "Verbindliche Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund" vom Mai 2015, wonach die Begleitung von Betreuten durch Berufsbetreuer zu den gem. §§ 61, 62 SGB I angeordneten Terminen von der pauschlaen Honorierung des § 5 VBVG umfasst sei, widerspricht den §§ 1896 ff. BGB.
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2017 verurteilt, dem Kläger weitere 48,95 EUR als Fahrtkosten und Auslagenersatz zu erstatten.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat dem Kläger 95% von dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Reisekosten sowie Aufwendungsersatz für die Begleitung zur Untersuchung des Klägers im Rahmen einer Begutachtung streitig.

Der 1995 geborene Kläger leidet u.a. an einer geistigen Behinderung vom Grade einer Debilität. Es besteht ferner der Verdacht auf ADHS. Die kognitiven Fähigkeiten sind beeinträchtigt. Für den Kläger ist ein Grad von 80 nach dem Schwerbehindertenrecht anerkannt. Die Merkzeichen "B" und "G" sind anerkannt.

Mit Gutachten vom 18.03.2013 hat die Sachverständige, Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie M., aufgrund Untersuchung des Klägers festgestellt, dass die Einrichtung einer Betreuung für bestimmte Wirkungskreise (insbes. Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Krankenkassen, Renten- und Sozialleistungsträgern) zu empfehlen ist. Nachfolgend wurde durch Beschluss des Amtsgerichts D. vom 03.08.2016 C ... als Mitarbeiter des Vereins "Betreuungsverein e.V." zum Betreuer bestellt. Der Aufgabenkreis umfasst unter anderem die Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Sozialleistungsträgern, Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistungen aller Art, Vermögenssorge und Gesundheitssorge.

Am 07.12.2016 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung und verwies zur Begründung auf ein Gutachten des Amtsärztlichen Dienstes des Arbeitsamts vom 20.09.2016, wonach ein unter dreistündiges Leistungsvermögen bestehe. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Eingliederung in eine Werkstatt für behinderte Menschen lägen vor.

Die Beklagte veranlasste die Begutachtung durch den psychotherapeutisch tätigen Arzt Dr. K. Der Kläger wurde am 21.06.2017 in die Praxisräume des Dr. K. (.straße 25 in.) eingeladen. Er erschien zur Begutachtung in Begleitung der Partnerin J. Dr. K. diagnostizierte: Persönlichkeit unterdurchschnittlicher Intelligenz, allgemeine Retardation der Persönlichkeitsreifung und Artikulationsstörung. Eine Erwerbstätigkeit unter den realen Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes sei lediglich in einem Umfang von unter drei Stunden am Tag vorstellbar. In dem Vordruck zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung hat Dr. K. angekreuzt: Für die Fahrt zur Untersuchung waren erforderlich: Öffentliche Verkehrsmittel/ja, Pkw/nein, eine Begleitperson/ja. Ferner hat Dr. K. auf dem Einladungsschreiben an den Kläger (vom 01.06.2017) die Frage "Ist Begleitperson für Begutachtung gerechtfertigt?" bejaht. Die An- und Rückfahrt des Klägers zur Begutachtung erfolgte in Begleitung des M. S., einem Dienstleister, der entgeltlich unter anderem einem Begleitservice für Menschen mit gewissen Einschränkungen anbietet.

Mit Rentenbescheid vom 18.07.2017 bewilligte die Beklagte befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2017 bis 31.03.2020.

Der Betreuer des Klägers beantragte für diesen mit Schreiben vom 23.06.2017 Reisekostenerstattung anlässlich der medizinischen Untersuchung am 21.06.2017. Er legte eine Rechnung des M. S. vor, der als Fahrkosten geltend machte: 2 x 17 Kilometer á 0,30 EUR = 10,20 EUR. Ferner hat M. S. für die Fahrt und Begleitung des Klägers 2,5 Stunden á 18,90 EUR (= 47,25 EUR), insgesamt 57,45 EUR geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 26.07.2017 hat die Beklagte für 34 Kilometer 0,20 EUR je Kilometer (insgesamt 6,80 EUR) erstattet. Zur Begründung verwies sie auf § 53 SGB IX i.V.m. § 65a SGB I ... Danach würden Fahrkosten für die Benutzung eines Kfz in Höhe von 0,20 EUR je gefahrenen Kilometer erstattet. Bei den geltend gemachten 34 Kilometer Gesamtfahrstrecke entspreche dies einem Betrag von 6,80 EUR. Die geltend gemachten weiteren Kosten in Höhe von 50,65 EUR könnten nicht übernommen werden. Normalerweise hätte der Betreuer den Kläger begleiten müssen. Eine Übertragung an einen Dritten sei nicht zulässig. Die Begleitung des Betreuten zur Begutachtung gehöre zum Aufgabenkreis des Betreuers und werde demnach pauschal abgegolten.

In dem Widerspruch des Klägers vom 15.08.2017 verwies dieser darauf, dass neben den reinen Fahrkosten unter anderem auch die Kosten für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson zu übernehmen seien. Für den Kläger wurde auf das Merkzeichen "B" im Schwerbehindertenausweis verwiesen. Die Ausführungen der Beklagten, dass der Betreuer den Kläger hätten begleiten müssen und zudem eine Übertragung an Dritte nicht zulässig sei, entbehren jeder rechtlichen Grundlage. Vielmehr sei es Aufgabe des Betreuers, wie hier geschehen, die entsprechenden Hilfen zu organisieren.

Die Beklagte hat die verbindliche Entscheidung des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund vom Mai 2014 mit dem Inhalt, dass die Begleitung von Betreuten durch Berufsbetreuern zu den gemäß §§ 61, 62 SGB I angeordneten Terminen von der pauschalen Honorierung des § 5 VBVG umfasst sei, beigezogen. Den Widerspruch hat die Beklagte zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2017) und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 65a SGB I über die bewilligte Leistung in Höhe von 6,80 EUR hinaus bestehe nicht. Die Erstattung von Reisekosten habe in entsprechender Anwendung des § 53 SGB IX zu erfolgen. Laut ärztlicher Feststellung war die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar sowie eine Begleitperson erforderlich. Die Benutzung eines Pkw war dagegen nicht zwingend notwendig. Da der Kläger mit einem Pkw zur Untersuchung angereist war, sei gemäß § 53 SGB IX i.V.m. § 5 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz eine Wegstreckenentschädigung von zurzeit 0,20 EUR je Kilometer zu zahlen. Hinsichtlich der Kosten für die Begleitperson verwies die Beklagte auf die verbindliche Entscheidung des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 2015. Danach werde die Begleitung durch den Betreuer von der pauschalen Honorierung des § 5 VBVG umfasst.

Am 19.12.2017 wurde für den Kläger Klage auf Erstattung von 50,65 EUR erhoben. Zur Begründung wurde für den Kläger vorgetragen, der Betreuer begleite nicht jeden Betreuten zu jedem Termin. Dies sei zeitlich gar nicht machbar. Da die Notwendigkeit der Begleitperson unstreitig sei, seien neben den Fahrkosten auch die Kosten als Aufwendungsersatz zu erstatten, die durch die Begleitung entstanden sind. Als Rechtsgrundlage für seinen Anspruch benennt der Kläger auf Nachfrage § 10 Bundesreisekostengesetz. Auf den richterlichen Hinweis zu § 65a SGB I, wonach die Auslagen notwendig gewesen sein müssen, führt der Kläger aus, dass die reine Begleitung zu einem Untersuchungstermin keine rechtliche Vertretung darstelle. Es bestand kein Bedarf, der in das Aufgabenspektrum eines rechtlichen Betreuers fällt. Der Kläger verweist ferner auf eine Vorgeschichte, wo der Kläger allein unterwegs war, und die begutachtende Ärztin nicht auffinden konnte. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eine Abschrift der Entscheidung des Bayr. LSG vom 17.07.2012 (Az. L 15 SF 29/12) vorgelegt und sich auf die dortigen Ausführungen bezogen. Durch den Betreuer des Klägers wurde ferner erklärt, dass die Lebensgefährtin, die den Kläger zur Untersuchung begleitet hat, selbst unter Betreuung stehe und nicht zuverlässig sei.

Der Kläger beantragt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 26.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2017 weitere 50,65 EUR als Fahrtkosten und Auslagenersatz zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass § 53 SGB IX anwendbar sei. In Verbindung mit § 5 Bundesreisekostengesetz ergeben sich 0,2 EUR je Kilometer. Für die geltend gemachten 0,3 EUR je Kilometer ergebe sich nach Meinung der Beklagten aus dem Bundesreisekostengesetz keine Rechtsgrundlage. Für die Begleitperson komme keine Kostenerstattung in Betracht. Die Beklagte verweist insoweit wiederholt auf die verbindliche Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund von 2015, wonach die Kosten der Begleitung durch den Betreuer durch § 5 VBVG abgegolten sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der Entscheidungen gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2017 verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, als für die erfolgte Begleitung durch M. S. kein Aufwendungsersatz gezahlt wurde und für die Fahrkosten eine Erstattung nur in Höhe von 0,20 EUR je Kilometer statt der erforderlichen 0,25 EUR je Kilometer erstattet wurden.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Erstattung von Reisekosten ist die Regelung in § 65a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Danach kann ein Versicherter auf Antrag Ersatz seiner notwendigen Auslagen und seines Verdienstausfalls in angemessenem Umfang erhalten, wenn er auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers persönlich erscheint (§ 61 SGB I) oder - wie vorliegend - sich einer ärztlichen Untersuchungsmaßnahme unterzieht (§ 62 SGB I).

Unter den Ersatzanspruch fallen dabei auch Aufwendungen, die dem Versicherten durch eine erforderliche Begleitperson entstehen. Dem Grunde nach sind damit die Kosten einer erforderlichen Begleitung durch Dritte bzw. deren Verdienstausfall als notwendige Auslagen des mitwirkungspflichtigen Versicherten anzusehen (vgl. Sichert in: Hauck/Noftz, SGB I, Stand: Juli 2013, § 65a Rn 11; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Oktober 2013 – L 3 U 151/10 –, Rn. 32, juris)

Die Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten liegen dem Grunde nach vor. Der Kläger ist im Zusammenhang mit seinem gestellten Antrag auf Erwerbsminderungsrente am 21.06.2017 auf Einladung zu einer gutachterlichen Untersuchungsmaßnahme erschienen, so dass er seinen Mitwirkungspflichten i.S.v. § 62 SGB I nachgekommen war.

Eine Begleitperson war auch erforderlich i.S.v. § 65a SGB I ...

Eine Begleitperson für Behinderte ist jedenfalls immer dann erforderlich, wenn durch eine Entscheidung nach § 145 Abs. 2 Nr. 1, § 146 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung) das Merkzeichen "B" anerkannt worden ist (vgl. Lilge, SGB I, 4. Aufl. 2016, § 65 a Aufwendungsersatz, Rn. 10) Dies ist hier der Fall. Für den Kläger ist ein GdB nach dem Schwerbehindertenrecht mit 80 anerkannt. Ferner ist u.a. das Merkzeichen "B" anerkannt. Darüber hinaus hat der Sachverständige im Vordruck der Beklagten die Notwendigkeit einer Begleitperson bestätigt.

Die Auslagen sind notwendig i.S.d. § 65a Abs. 1 SGB I, wenn sie für den Antragsteller oder Leistungsberechtigten bei der Wahrnehmung seiner Verpflichtungen zwangsläufig anfallen, d.h. objektiv unvermeidbar sind, um der Mitwirkungspflicht nachzukommen(vgl. Lilge, SGB I, 4. Aufl. 2016, § 65 a Aufwendungsersatz, Rn. 10). Dabei ist auf die Konkretisierung der Mitwirkung durch das Verlangen des Leistungsträgers zu achten, so dass (zusätzlicher) Aufwand für nicht verlangte Mitwirkungsalternativen ungeachtet nachträglicher Anerkennung der weiteren Mitwirkung als notwendig nicht erstattungsfähig ist. Schließlich knüpft die Notwendigkeit an die Situation des Mitwirkungspflichtigen an, etwa insoweit, als er angesichts seines Gesundheitszustands auf eine Begleitperson angewiesen ist, für die bei ihm Aufwendungen angefallen sind, oder wenn seine berufliche Situation eine Vertretung erfordert, soweit nicht der Verdienstausfall zum Tragen kommt. Kosten für die ihrerseits notwendige Vertretung der notwendigen Begleitperson oder deren Verdienstausfall sind notwendige Auslagen des Mitwirkungspflichtigen.

Hier könnte der Notwendigkeit entgegenstehen, dass die Lebenspartnerin den Kläger ohnehin zu Begutachtung begleitet hat. Hierzu hat aber der Betreuer des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass die Lebensgefährtin selbst unter Betreuung steht. Eine sinnvolle Begleitung, die sicherstellt, dass der Kläger pünktlich zum Untersuchungstermin in Dresden erscheint, kann von ihr somit nicht erwartet werden.

Die Notwendigkeit einer Begleitung durch eine geeignete (dritte) Person ist durch den Gesundheitszustand des Klägers (geistige Behinderung vom Grade einer Debilität, Merkzeichen "B") hinreichend belegt.

Entgegen der Annahme der Beklagten war auch die Übertragung der Begleitung auf M. S. rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte verkennt insoweit den Aufgabenkreis der rechtlichen Betreuung nach dem zweiten Titel des Vierten Buches des BGB.

Es handelt sich bei der Betreuertätigkeit um eine rechtsfürsorgerische Tätigkeit. Sie stellt gemäß § 1902 BGB eine bürgerlich-rechtlich geregelte gesetzliche Vertretung dar und umfasst gemäß § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Eine persönlich-tatsächliche, über das rechtsfürsorgerische hinausgehende Hilfeleistung ist davon nicht umfasst (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht - Bayer. ObLG -, Beschluss vom 17.02.1998, Az.: 3Z BR 333/97; Bayr. LSG, Beschluss vom 17. Juli 2012 – L 15 SF 29/12 –, Rn. 16, juris).

Rein tatsächliche Hilfeleistungen wie die hier erforderliche Begleitung zum Begutachtungstermin hat der Betreuer grundsätzlich nicht zu erbringen, da derartige Tätigkeiten keinen rechtsfürsorgerischen Charakter haben; sie gehören in der Regel nicht zum Aufgabenkreis des Betreuers. Der Betreuer ist lediglich für die Organisation dieser tatsächlichen Hilfsmaßnahmen verantwortlich, soweit dies erforderlich ist (vgl. Bayer. ObLG, Beschluss vom 09.10.2002, Az.: 3Z BR 146/02). Die Rechtsprechung hat daher beispielsweise die Begleitung bei Einkäufen (vgl. Bayer. ObLG, Beschluss vom 17.11.1998, Az.: 3Z BR 268/98) und zu Arztbesuchen (vgl. Landgericht - LG - Koblenz, Beschluss vom 06.10.1997, Az.: 2 T 648/97; LG Mainz, Beschluss vom 19.05.1999, Az.: 8 T 124/99) nicht dem Aufgabenkreis des Betreuers zugerechnet (vgl. Bayr. LSG, Beschluss vom 17. Juli 2012 – L 15 SF 29/12 –, Rn. 17, juris).

Nur im Einzelfall kann bspw. die Begleitung des Betreuten zu einem wichtigen ärztlichen Termin erforderlich werden, wenn nur so die ärztliche Behandlung sichergestellt werden kann (vgl. Heitmann, jurisPR-FamR 1/2004 Anm. 5, zu Bayer. ObLG, Beschluss vom 09.10.2002, Az.: 3Z BR 146/02). Die Begleitung des Klägers zur Begutachtung durch den Betreuer war im vorliegenden Fall nicht erforderlich, um die Begutachtung sicher zu stellen. Erforderlich war die Begleitung des Klägers bei der Hin- und Rückfahrt, damit dieser den Ort der Praxis findet und den Termin pünktlich wahrnimmt. Dabei handelt es sich nicht um eine der Aufgaben, die der Betreuer im Rahmen seiner Rechtsfürsorge zu erbringen hat.

Die Begleitung des Betreuten zur Begutachtung gehört mithin nicht zum Aufgabenkreis des Betreuers und ist auch nicht pauschal abgegolten. Die Beauftragung eines Dritten (hier: des M. S.) ist auch nicht unzulässig. Die anfallenden Kosten sind entsprechend zu erstatten.

Dem Berufsbetreuer ist derjenige Zeitaufwand zu vergüten, den er zur Erfüllung seiner Aufgaben in den ihm übertragenen Aufgabenkreisen entfaltet hat und für erforderlich halten durfte. Der Betreuer fungiert nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 1901, 1902 BGB im Rahmen seiner Aufgabenkreise als gesetzlicher Vertreter und handelt hierbei grundsätzlich eigenverantwortlich und selbständig. Er kann die persönliche rechtliche (!) Betreuung nicht pauschal auf Dritte übertragen (vgl. § 1897 Abs. 1 BGB). Allerdings darf er (auch im Rahmen der rechtlichen Betreuung) andere Personen als untergeordnete "Hilfskraft" einsetzen (vgl. Damrau/ Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1899 BGB, Rn. 27; Bienwald, a.a.O.; Jürgens, a.a.O.; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1899 Rn. 27; BayObLG BtPrax 2000, 214/215; LG Stuttgart BtPrax 1999, 200; LG Frankfurt/Oder FamRZ 1999, 1221). Im vorliegenden Fall handelte es sich bei der Übertragung der Begleitung auf M. S. nicht um die Übertragung rechtlicher Angelegenheiten, sondern um einen untergeordneten Hilfsdienst. Die Übertragung auf M. S. war somit möglich und auch rechtlich zulässig.

Dem steht auch nicht die "Verbindliche Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund" vom Mai 2015 entgegen. Es handelt sich um die Erfüllung einer Grundsatz- und Querschnittsaufgabe der Deutschen Rentenversicherung i.S.v. § 138 SGB VI. Grundsatzentscheidungen nach § 138 SGB VI sind weder Gesetz im formellen Sinn noch Rechtsverordnung oder Satzung und auch nicht eine Allgemeinverfügung, sondern letztlich "untergesetzliche Normen eigener Art" wie dies der Gesetzgeber selbst bezeichnet (BT-Drs. 15/3564, S. 69; vgl. Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 138 SGB VI). Die Grundsätze nach § 138 SGB VI sind als "untergesetzliche Normen eigener Art" in der Normenhierarchie nachrangig gegenüber bundes- und landesrechtlichen Regelungen. Die Grundsätze sollen der Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung dienen, binden aber die Gerichte nicht. Sie führen nach Auffassung der Kammer auch nicht zu einer Selbstbindung der Verwaltung dergestalt, dass im Rahmen der Ermessensausübung keine andere Entscheidung getroffen werden könnte.

Die "verbindliche" Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom Mai 2015, wonach die Begleitung von Betreuten durch Berufsbetreuern zu den gemäß §§ 61, 62 SGB I angeordneten Terminen von der pauschalen Honorierung des § 5 VBVG umfasst sei, ist in offensichtlicher Unkenntnis der Rechtslage der §§ 1896 ff. BGB ergangen (s.o.). Sie ist rechtlich nicht haltbar und war deshalb weder für die Beklagte, noch für das Gericht maßgebend.

Dem Gesetzeswortlaut in § 65a Abs. 1 SGB I folgend "kann" der Versicherte Ersatz der ihm durch seine Mitwirkungspflichten entstandenen notwendigen Auslagen auf Antrag erhalten. Das hiermit dem Leistungsträger eingeräumte Ermessen bezieht sich nach ganz überwiegender Meinung nur auf das "Ob" einer Erstattung und nicht auf deren Höhe (vgl Lilge, SGB I, 3. Aufl, § 65a Rn 24; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl, § 65a Rn 5 f. ). Die Beklagte hat hier den Erstattungsanspruch dem Grunde nach anerkannt, wie sich aus dem bewilligenden Bescheid vom 26.07.2017 ergibt. Sie hat damit anerkannt, dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist, und die ihm dadurch entstandenen Aufwendungen "in angemessenem Umfang" zu erstatten sind (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Oktober 2013 – L 3 U 151/10 –, Rn. 33, juris)

Bei der "Angemessenheit" i.S. des § 65a Abs. 1 SGB I handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dessen Inhalt ist mittels Auslegung zu konkretisieren, wobei die von dem jeweiligen Leistungsträger vorgenommene Konkretisierung der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle unterliegt (st. Rspr; vgl. u.a. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 44/12 R – juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Oktober 2013 – L 3 U 151/10 –, Rn. 34, juris)

Vorliegend hat die Beklagte zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs in § 65a Abs 1 SGB I (Reisekostenerstattung "in angemessenem Umfang") auf § 53 SGB IX (in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung) abgestellt. Für die Kammer war nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte auf § 53 SGB IX (a.F.) abgestellt hat, da es sich nicht um Reisekosten im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe i.S.v. § 4 SGB IX (a.F.) handelt.

In der Rechtsprechung wird teilweise vertreten, dass zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs in § 65a Abs. 1 SGB I auf eine individuelle Prüfung der Kosten abzustellen ist, die dem Versicherten durch die Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten aus den §§ 61, 62 SGB I tatsächlich entstanden sind. Dabei können aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität die Vorgaben des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) pauschalierend herangezogen werden (vgl. z.B. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.10.2013, Az. L 3 U 151/10 in juris). Dafür spricht schließlich auch § 21 Abs. 3 Satz 4 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), wonach Zeugen und Sachverständige im Verwaltungsverfahren ebenfalls nach den Vorgaben des JVEG zu vergüten sind.

Da in § 65a SGB I keine Verweisung auf das Teilhaberecht und damit auf § 53 SGB IX (a.F.) geregelt ist, hält es die Kammer ebenfalls für gerechtfertigt, zur Höhe der Kostenerstattung auf das JVEG abzustellen.

Unter Anwendung des JVEG ergibt sich ein Fahrkostenersatz von 0,25 EUR je gefahrenem Kilometer (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG). Hieraus errechnen sich für die gefahrenen 34 Kilometer 8,50 EUR.

Darüber hinaus sind auch die Kosten, die durch die Begleitung durch M. Schneider entstanden sind, in voller Höhe zu erstatten (s.o.).

Es sind mithin neben den angemessenen Fahrkosten von 8,50 EUR weitere Auslagen in Höhe von 47,25 EUR, insgesamt somit 55,75 EUR zu erstatten.

Abzüglich der bereits erstatteten 6,80 EUR verbleiben 48,95 EUR, die von der Beklagten noch zu zahlen sind.

Im Übrigen, soweit der Kläger eine Kilometerpauschale von 0,30 EUR pro Kilometer geltend gemacht hat, war die Klage abzuweisen. Der erhöhte Kostenerstattungssatz von 0,30 EUR nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundesreisekostengesetz ist hier bereits deshalb nicht zu erstatten, weil der Sachverständige im Zusammenhang mit der Begutachtung angegeben hat, dass öffentliche Verkehrsmittel möglich und zumutbar gewesen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den überwiegenden Erfolg der Klage.

Die Berufung ist nicht Kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Da die Rechtsache nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung hat, wurde die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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