S 5 AL 1/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AL 1/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 28.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2003 verurteilt, dem Kläger die ihm zustehende Alhi auch ab dem 18.09.2003 ohne Abzug wegen verspäteter Meldung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagten werden die Kosten des Klägers auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung der Arbeitslosenhilfe wegen verspäteter Meldung.

Der 1958 geborene Kläger siedelte 1997 nach Deutschland über und bezog anschließend mit Unterbrechungen durch jeweils kurzzeitige Arbeitsverhältnisse Leistungen von der Beklagten, zuletzt Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Zum 29.07.2003 meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, da er einen Arbeitsvertrag mit der Firma Q abschloss, die eine gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betreibt.

Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages führte der Kläger Arbeiten als Schweißer aus, wobei das zum 29.07.2003 beginnende Arbeitsverhältnis befristet war bis zum 29.08.2003 unter Hinweis in dem Vertrag, dass es sich um eine einmalige Befristung handele.

Unter dem 29.08.2003 schloss der Kläger mit der Firma Q eine Zusatzvereinbarung zu dem Arbeitsvertrag, die eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 16.09.2003 vorsah. Mit Schreiben vom 15.09.2003 teilte die Firma Q dem Kläger mit, aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 16.09.2003 sei der Kläger verpflichtet, sich gem. § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) unverzüglich persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, da sonst die Minderung des Arbeitslosengeldes drohe.

Am 18.09.2003 meldete der Kläger sich arbeitssuchend und beantragte wiederum die Gewährung von Alhi.

Mit Bescheid vom 28.10.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab dem 18.09.2003 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 455,00 EURO und Leistungsgruppe C mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 197,19 EURO abzüglich eines Minderungsbetrages in Höhe von insgesamt 1.050,00 EURO, der in Höhe eines Abzuges von der täglichen Leistung in Höhe von 14,08 EURO einzubehalten sei. Die auf § 140 i. V. m. § 37 b SGB III gestützte Entscheidung begründete die Beklagte im Rahmen eines Begleitschreibens vom 27.10.2003 damit, dass der Kläger sich nicht rechtzeitig nach Kenntnis von der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses arbeitssuchend gemeldet habe. Er hätte sich am 05.08.2003 arbeitssuchend melden müssen. Tatsächlich habe er sich erst am 18.09.2003 gemeldet.

Hiergegen legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, er habe am 05.08.2003 noch nicht wissen können, dass er ab dem 17.09.2003 arbeitslos sein werde. Noch am Freitag, dem 12.09.2003 habe der Leiter der zuständigen Abteilung des Arbeitgebers, der Zeuge B, ihm mitgeteilt, Herr B suche weiterhin eine Arbeit für ihn und werde sich melden. Der Anregung von Herrn B folgend, habe er sich sodann zu Hause aufgehalten, um den Anruf des Arbeitgebers abzuwarten. Am 17.09.2003 habe ihn dann das Schreiben der Firma Q erreicht, welches vom 15.09.2003 datiert sei und in dem er erstmals darauf hingewiesen worden sei, es bestehe eine Verpflichtung, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden.

Dies habe er dann auch getan und sei am 17.09.2003 bei dem Arbeitsamt vorstellig geworden. Er habe den Antrag ausgefüllt am 18.09.2003 wieder abgegeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe am 29.07.2003 einen vom 29.07.2003 bis zum 29.08.2003 befristeten Arbeitsvertrag unterschrieben, so dass er am Tag der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages vom Beendigungszeitpunkt Kenntnis erlangt habe. Der Verpflichtung zur persönlichen Arbeitssuchendmeldung hätte der Kläger damit bis spätestens zum 05.08.2003 nachkommen müssen. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Arbeitsverhältnis am 29.08.2003 bis zum 16.09.2003 verlängert worden sei. Denn bei Bekanntgabe der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 16.09.2003 hätte sich der Kläger ebenfalls wieder unverzüglich spätestens am 05.09.2003 melden müssen, da ihm das neue Ende des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen sei.

Nach § 140 Satz 3 SGB III sei die Minderung auf maximal 30 Tage zu begrenzen, es ergebe sich daher ein Minderungsbetrag von 1.050,00 EURO.

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ihm sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst am 17.09.2003 bekannt geworden. Bis dahin habe die Verlängerung eines befristeten Vertrages im Raum gestanden, so dass ein weiteres Zuwarten seinerseits gerechtfertigt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2003 zu verurteilen, die ihm zustehende Alhi auch ab dem 18.09.2003 ohne Abzug wegen verspäteter Meldung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn B als Zeugen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 02.08.2004 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und der den Kläger betreffenden Leistungsakten der Beklagten.

Diese Akten haben vorgelegen und sind in ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Alhi ohne Minderung.

Der Kläger hat unstreitig Anspruch auf Alhi für die Zeit ab dem 18.09.2003 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 455,00 EURO und Leistungsgruppe C. Daraus leitet sich nach der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2003 ein wöchentlicher Leistungssatz von 197,19 EURO ab. Der Kläger hat Anspruch auf ungeminderte Auszahlung des vollen Leistungssatzes nach Maßgabe der Leistungsentgeltverordnung in der jeweils geltenden Fassung.

Die Voraussetzungen für eine Minderung wegen verspäteter Meldung gem. § 140 SGB III in der ab dem 01.07.2003 geltenden Fassung liegen nicht vor.

Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich nach dieser Vorschrift das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Eine sich nach § 140 Satz 1 SGB III auswirkende Pflichtverletzung des Klägers liegt nicht vor, so dass dahingestellt bleiben kann, ob diese Bestimmung überhaupt auf die hier streitbefangene Alhi anzuwenden ist (hieran zweifelnd: LSG NW, Beschluss vom 13.12.2004, Az.: L 12 B 132/04 AL).

Nach § 37 b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden. Unverzüglich bedeutet "ohne schuldhaftes zögern" (vgl. nur Gagel: SGB III, § 37 b Rdnr. 15). Daraus folgt, dass eine Verletzung der in § 37 b SGB III normierten Obliegenheit nur dann angenommen werden kann, wenn die verspätete Meldung schuldhaft, also zumindest fahrlässig herbeigeführt wurde.

Nach § 37 b Satz 2 SGB III hat die Meldung im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen.

Wann die Meldung im Falle des befristeten Arbeitsverhältnisses spätestens zu erfolgen hat, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Es ist daher bereits fraglich, ob ein Verschulden des Arbeitslosen im Falle von befristeten Arbeitsverhältnissen nicht deshalb schon von vornherein entfällt, weil sich aus § 37 b SGB III nicht hinreichend klar ergibt, wann die Meldung spätestens zu erfolgen hat (so etwa Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 26.07.2004, Az.: S 33 AL 127/04).

Selbst wenn man dies jedoch anders beurteilen würde, ergäbe sich vorliegend keine Pflichtverletzung des Klägers, die die Minderung des Anspruches auf Alhi rechtfertigen könnte, denn schon nach seinem Wortlaut stellt § 37 b auf die Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Sichere Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger aber erst am 17.09.2003 durch das Schreiben der Firma Q vom 15.09.2003 erlangt. Denn wie bereits die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 29.08.2003 zeigt, stand der Kläger mit seinem Arbeitgeber in fortdauernden Verhandlungen über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Nach den überzeugenden und glaubhaften Aussagen des Zeugen B konnte sich der Kläger zudem berechtigte Hoffnung darauf machen, dass das Arbeitsverhältnis über den 16.09.2003 hinaus andauern würde. Der Zeuge hat den Kläger als korrekten und zuverlässigen Mitarbeiter kennengelernt, dessen fachliche Qualitäten geschätzt wurden. Zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses kam es abgesehen von sprachlichen Schwierigkeiten daher nur deshalb, weil es bei der Firma Q zu einem Auftragseinbruch kam, der auch die Freisetzung anderer Arbeitnehmer erforderte. Bei dieser Sachlage kann kein Verschulden angenommen werden, wenn sich der Kläger in der berechtigten Hoffnung auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in weitere Verhandlungen mit dem Arbeitgeber begibt und sich zunächst nicht arbeitssuchend meldet. Denn aus der Sicht des Klägers machte es keinen Sinn, sich der Beklagten als arbeitssuchend zur Verfügung zu stellen, solange noch konkrete Verhandlungen über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geführt wurden und der Kläger sich berechtigte Hoffnungen darauf machen konnte, dass es zu einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kommen würde.

Nachdem der Kläger am 17.09.2003 davon erfuhr, dass es nicht zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses kommen würde, meldete er sich noch am Folgetag arbeitssuchend, so dass auch insoweit nicht von einer schuldhaften Verzögerung ausgegangen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtgesetz.
Rechtskraft
Aus
Saved