S 14 KR 656/15

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 14 KR 656/15
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außer- gerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Diese tragen ihre Kosten selbst. Der Streitwert wird auf EUR 9.083,89 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung aus einer Betriebsprüfung in Höhe von EUR 9.083,89.

Bei der Klägerin handelt es sich um einen Betrieb für Schiffs- und Industriereinigung. Sie unterhält eine Flotte von Schleppern und Arbeitsbooten, die bei ihren Kunden zum Einsatz kommt. Die Beigeladenen zu 1. bis 5. waren zwischen 2008 und 2010 in unterschiedlichen Tätigkeiten und Zeiträumen für die Klägerin auf deren Schiffen tätig, die Beigeladenen zu 1., 2. und 4. als Kapitäne bzw. Schiffsführer und die Beigeladenen zu 3. und 5. als Steuermann. Sie wurden von der Klägerin beitragsrechtlich als Selbständige behandelt. Im April 2012 führte die Beklagte bei der Klägerin für den Zeitraum 2008 bis 2010 eine Betriebsprüfung durch. Nach entsprechender Anhörung in der Schlussbesprechung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 2012 Beiträge in Höhe von insgesamt EUR 11.640,09 von der Klägerin nach. Die Beigeladenen zu 1. bis 5. seien zu Unrecht als Selbständige eingestuft worden. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) seien Kapitäne und Besatzungsmitglieder von Seeschiffen stets Arbeitnehmer im Sinne des Sozialversicherungsrechts und damit grundsätzlich sozialversicherungspflichtig. Dies betreffe den Beigeladenen zu 1. in den Zeiträumen 15. bis 25. Februar 2010, 28. Februar bis 5. März 2010, 8./9. März 2010, 25./26. März 2010, 29. März bis 1. April 2010, 5. bis 16. April 2010, 28. bis 30. April 2010, 3. und 5. Mai 2010, 9. bis 15. Mai 2010, 18. bis 21. Mai 2010, 26. und 28. Mai, 31. Mai bis 3. Juni 2010, 7. bis 9. Juni 2010, 17./18. Juni 2010, 21. bis 24. Juni 2010, 29. Juni bis 2. Juli 2010, 6. bis 9. Juli 2010, 12. bis 15. Juli 2010, 20. bis 22. Juli 2010, 28. Juli bis 1. August 2010, 2. bis 12. August 2010, 16. und 20. August 2010, 25. August 2010, 31. August bis 7. September 2010, 24./25. September 2010, 10. Oktober bis 11. November 2010, 21. November bis 19. Dezember 2010 und 26. bis 31. Dezember 2010, den Beigeladenen zu 2. in den Zeiträumen 2. bis 15. März 2009, 16./17. Oktober 2009 und 29./30. November 2009, den Beigeladenen zu 3. in der Zeit vom 13. bis 17. April 2010, den Beigeladenen zu 4. in den Zeiträumen vom 12. bis 25. Februar 2010 und vom 30. März bis 8. April 2010 und den Beigeladenen zu 5. in der Zeit vom 28. bis 31. Dezember 2010. Die Beigeladenen zu 1. bis 5. seien von der Klägerin irrtümlich als Selbständige und nicht als Arbeitnehmer eingestuft worden. Es hätten Beiträge entrichtet werden müssen für den Beigeladenen zu 1. als berufsmäßig Beschäftigten, für die Beigeladenen zu 2. und 3. als kurzfristig beschäftige Altersvollrentner, für den Beigeladenen zu 4. als kurzfristig Beschäftigten und für den Beigeladenen zu 5. als kurzfristig beschäftigten Rentner. Für den Beigeladenen zu 1. bestehe Sozialversicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. bis 5. ergebe sich eine Beitragsforderung in Höhe von EUR 9.083,89. Außerdem seien für acht andere Seeleute keine Beiträge zur Seemannskasse entrichtet worden. Daraus ergebe sich eine Beitragsforderung in Höhe von EUR 2.556,20.

Dagegen erhob die Klägerin am 28. Dezember 2012 Widerspruch. Der Beigeladene zu 1. habe sich selbst um Aufträge bemüht. Für seine Tätigkeit habe er eine Gewerbeanmeldung. 5/6 seiner Einkünfte habe er in der fraglichen Zeit nicht von der Klägerin, sondern aus anderen Tätigkeiten bezogen. Bei der Klägerin sei er lediglich als Springer eingesetzt worden. Er sei nicht weisungsgebunden gewesen und habe sich nur an den erteilten Auftrag halten müssen. Er habe sich seine Arbeitszeit frei einteilen können. Lohnfortzahlungs- oder Urlaubsansprüche habe er nicht gehabt. Er habe auch Aufträge der Klägerin ablehnen können. Aufgrund der ungewissen Auftragslage habe er zudem ein Unternehmerrisiko gehabt. Die Beigeladenen zu 2. bis 5. seien bei der Klägerin als Subunternehmer jeweils nur für wenige Tage tätig gewesen. Ihre Tätigkeit und Arbeitszeit hätten sie frei gestalten können. Sie hätten ihre eigene Arbeitskleidung getragen. Soweit ihnen teilweise Arbeitsort, -beginn, Route und Ziel vorgegeben worden seien, ergebe sich dies aus dem Auftrag und sei nicht als Weisung anzusehen. Die Arbeit sei zum Festpreis erfolgt ohne Zuschläge, Lohnfortzahlung u. a. Weder aus dem Seemannsgesetz noch aus der Kommentierung dazu ergebe sich, dass nur der Kapitän, der auch Eigentümer des Schiffes ist, selbständig ist. Seeleute können nach § 3 Abs. 1 Seearbeitsgesetz auch selbständig sein. Daher sei § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entsprechend geändert worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sozialversicherungspflicht bestehe kraft Gesetzes. § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gehe vom Begriff "Seeleute" aus. Daraus folge, dass Kapitäne und Besatzungsmitglieder, die nicht Eigentümer des befahrenen Schiffes sind, stets abhängig beschäftigt seien.

Dagegen hat die Klägerin am 28. Oktober 2015 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führt sie aus, der Beigeladene zu 2. sei bei seiner Tätigkeit für die Klägerin bereits 76 Jahre alt und Rentner gewesen. Der Beigeladene zu 3. habe ein eigenes Unternehmen und sei auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Weisungsgebundenheit habe nur gegenüber den jeweiligen Kapitänen bestanden, nicht gegenüber der Klägerin. Der Beigeladene zu 4. sei beim Wasser- und Schifffahrtsamt angestellt und nebenbei selbständig für mehrere Auftraggeber tätig gewesen. Er habe auch ein eigenes Schiff besessen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2015 dahin abzuändern, dass lediglich eine Beitragsnachforderung in Höhe von EUR 2.556,20 besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Das Gericht hat die von der streitigen Beitragserhebung betroffenen Seeleute, sowie die BKK Mobil Oil und die Bundesagentur für Arbeit beigeladen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beigeladene zu 7. hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass ihrer Ansicht nach eine Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft im Einzelnen zu erfolgen habe. Es ergäben sich Parallelen zu den Fällen des Straßengüterverkehrs. Danach seien Fahrer ohne eigenes Fahrzeug regelmäßig als Arbeitnehmer einzustufen.

Die Klägerin hat darauf erwidert, dass eine Parallele zu Lkw-Fahrern nicht zu ziehen sei. Die Kapitäne und Offiziere der Seefahrt verfügten über besondere Fähigkeiten und Kenntnisse, die über diejenigen eines Reeders hinausgingen. Daher würden sie typischerweise kaum Anweisungen erhalten. Anders als Lkw-Fahrer könnten sie eigenständig die Aufträge planen und die Heuer verhandeln.

In der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2018 hat die Klägerin klargestellt, dass die Forderung der Beklagten hinsichtlich der Beiträge zur Seemannskasse für die aus dem streitigen Bescheid ersichtlichen acht Mitarbeiter nicht angefochten werde. Die Beklagte hat erklärt, dass sie die Begründung aus den streitigen Bescheiden nicht aufrechterhalte. Unabhängig davon sei der Nachforderungsbescheid aber rechtmäßig. Denn auch die durchzuführende Einzelprüfung ergäbe, dass die Argumente für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. Die Kundenaufträge seien von der Klägerin erteilt und auch als solche abgearbeitet worden. Für die Kunden sei nicht erkennbar gewesen, dass Subunternehmer tätig waren. Es ergebe sich außerdem kein Unterschied zu festangestellten Kapitänen. Die Beigeladenen zu 1. und 4. haben in der mündlichen Verhandlung zu Art, Umfang und Bezahlung ihrer Tätigkeit für die Klägerin Stellung genommen. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls wird verwiesen.

Der Beigeladene zu 2. hat schriftsätzlich angegeben, dass er im Jahr 2009 nur noch sporadisch tätig gewesen sei. Die weiteren Tätigkeiten als Kapitän für eine Reederei seien als sozialversicherungspflichtig behandelt worden. Der Beigeladene zu 1. hat angegeben, dass er 2010 außer für die Klägerin nur für seine Solaranlagenfirma West energy GbR tätig gewesen sei. Der zeitliche Umfang sei nicht so hoch gewesen, da die Firma erst 2009 gegründet worden sei.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen und zusammen mit der Prozessakte zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass die sich aus der stichprobeweisen Betriebsprüfung ergebende Nachforderung insgesamt EUR 11.640,09 beträgt, wovon sich eine Forderung in Höhe von EUR 9.083,89 auf die Beigeladenen zu 1. bis 5. bezieht. Im Rahmen der Betriebsprüfung war die Beklagte als Rentenversicherungsträger gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) befugt und verpflichtet, über die Beitragspflicht der betroffenen Beigeladenen zu entscheiden und die entsprechende Beitragshöhe festzustellen. Denn Personen, die wie der Beigeladene zu 1. in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV stehen, unterliegen der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Die Beigeladenen zu 2. bis 5. waren kurzfristig abhängig Beschäftigte, die nach § 27 Abs. 2 SGB III versicherungsfrei in der Arbeitslosen- und nach § 5 Abs. 2 SGB VI versicherungsfrei in der Rentenversicherung waren. Unstreitig waren die Beigeladenen zu 1. bis 5. versicherungsfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung. Für alle waren Beiträge zur Seemannskasse, die Insolvenzgeldumlage und die Umlage U2 (Mutterschutz) zu zahlen. Die Sozialversicherungspflicht setzt grundsätzlich eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV voraus. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. bis 5. bei der Klägerin vor.

Entgegen der ursprünglichen Ansicht der Beklagten führt nicht bereits § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der Fassung bis 31. Juli 2013 (a. F.) zu einer Sozialversicherungspflicht aller Seeleute. Nach dieser Vorschrift sind Seeleute die Kapitäne und Besatzungsmitglieder von Seeschiffen sowie sonstige Arbeitnehmer, die an Bord von Seeschiffen während der Reise im Rahmen des Schiffsbetriebs beschäftigt sind, mit Ausnahme der Lotsen. Es handelt sich dabei um eine reine Definitionsnorm, aus der sich keine direkte Rechtsfolge hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht ergibt. Die Vorschrift definierte den Begriff "Seeleute" und war damit vor allem für die Zuständigkeit der SeeKK (§ 176 SGB V a. F.), der See-BG (§ 121 Abs. 2, 3 SGB VII a. F.), der Seemannskasse (§ 143 SGB VII a. F.) sowie der Seekasse (§ 131 SGB VI a. F.) von Bedeutung (KassKomm/Seewald, 64. Aufl. 2010, SGB IV § 13 Rn. 1). Eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung der Seeleute folgt auch nicht schon grundsätzlich aus dem zum maßgeblichen Zeitraum noch gültigen Seemannsgesetz in der Fassung bis 31. Juli 2013 (AG Oldenburg/Holstein 8. Mai 2014 – 23 C 981/11). Dieses setzt vielmehr das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses tatbestandlich voraus, definiert aber nicht selbst, wann und unter welchen Umständen von einem solchen Arbeitsverhältnis – in Abgrenzung zu selbständiger Tätigkeit – auszugehen ist (LAG Rheinland-Pfalz 27. Juni 2007, Az. 11 Ta 142/07 = BeckRS 2007, 45673). Maßgeblich ist vielmehr allein § 7 Abs. 1 SGB IV (AG Oldenburg/Holstein, a. a. O.).

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist die Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für die Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beschäftigter ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und damit die Unterordnung unter das vor allem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassende Weisungsrecht des Arbeitgebers. Die Beschäftigung setzt eine fremdbezogene Tätigkeit voraus, die Dienstleistung muss also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung eines Betriebes aufgehen. Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit ist demgegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und -zeit zu bestimmen.

Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG 24. Jan. 2007 – B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7) zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Allerdings geben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag, wenn sie von dem vertraglichen Willen der Beteiligen abweichen (vgl. BSG, a. a. O.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Unstreitig wollten sowohl die Beigeladenen zu 1. bis 5. als auch die Klägerin keine abhängige Beschäftigung, sondern eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin vereinbaren. Entsprechende Verträge wurden jeweils telefonisch getroffen. Die tatsächlichen Verhältnisse sprechen allerdings deutlich für eine abhängige Beschäftigung.

Die Kriterien für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung anhand aller Umstände des Einzelfalles gegeneinander abzuwägen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Die insoweit von der Beklagten vorgenommene Abwägung ist nicht zu beanstanden. Die Merkmale einer abhängigen und damit (im oben dargestellten Rahmen) sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung überwiegen.

Für eine Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. bis 5. spricht lediglich die Tatsache, dass die Beigeladenen die einzelnen Arbeitsaufträge der Klägerin auch ablehnen und dass sie auch für andere Auftraggeber tätig werden konnten. In der Praxis erwies sich letzteres jedoch als nur theoretische Möglichkeit. Der Beigeladene zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2018 zwar zunächst angegeben, dass er auch für andere Reedereien als Kapitän tätig gewesen sei. Auf die Anforderung von Nachweisen hin hat er jedoch nunmehr eingeräumt, dass er im streitigen Zeitraum als Kapitän nur für die Klägerin tätig war. Daneben arbeitete er in einem gänzlich anderen Bereich, nämlich für seine Solaranlagenbaufirma. Der Beigeladene zu 2. hat angegeben, im Jahr 2009 als Altersrentner nur noch sporadisch gearbeitet zu haben. Neben den Aufträgen für die Klägerin war er zwar auch für andere Reedereien tätig. Jedoch wurden diese Beschäftigungsverhältnisse als sozialversicherungspflichtig behandelt. Die Beigeladenen zu 3. und 5. haben sich zur Sache nicht geäußert. Dass sie tatsächlich auch für andere Auftraggeber tätig waren, ist nicht belegt. Beide waren in der fraglichen Zeit bereits Rentner und für die Klägerin in geringem Umfang als Steuermann tätig. Daran ändert auch der von der Klägerin vorgetragene Umstand nichts, dass der Auftrag nicht dem Beigeladenen zu 3. erteilt worden sein soll, sondern dessen Firma, einer in Malta eingetragenen Limited. Denn offensichtlich war die Erbringung der Arbeit als höchstpersönliche Leistung vereinbart worden. Der Beigeladene zu 4. war lediglich in zwei Einsätzen für die Klägerin tätig. Zu dieser Zeit war er grundsätzlich selbständig tätig mit einem eigenen Lotsenbeförderungsboot in der Flensburger Förde. Nur weil er diese Tätigkeit wetterbedingt kurzzeitig nicht ausüben konnte, nahm er die beiden Aufträge der Klägerin an. Für andere Auftraggeber war er nicht tätig. Damit stellt sich für keinen der Beigeladenen die Situation so dar, dass dieselbe Arbeit wie für die Klägerin im gleichen Zeitraum auch für andere Auftraggeber verrichtet wurde. Zudem schließt die Tatsache, dass der Betroffene für mehrere Auftraggeber tätig ist, eine Beschäftigung auch nicht grundsätzlich aus (Schleswig-Holsteinisches LSG, 25. März 2009 - L 5 KR 28/07).

Soweit die Beigeladenen zu 1. bis 5. bezogen auf die streitige Tätigkeit ein Gewerbe angemeldet hatten, ist dies kein Indiz für die Selbständigkeit. Gewerbeanmeldungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (LSG Stuttgart 19. Juli 2012 – L 11 R 1789/12 ER-B). Gleiches gilt für den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Dieser ist lediglich die Konsequenz der Tatsache, dass die Beteiligten beabsichtigten, eine selbständige Tätigkeit zu vereinbaren. Die sozialversicherungsrechtlichen Rechtsfolgen einer Beschäftigung ergeben sich allerdings aus dem Gesetz und sind nicht abdingbar. Auch die Vorenthaltung der gesetzlichen Arbeitnehmerrechte wie Urlaubsanspruch oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, macht den Beschäftigten daher nicht zum Unternehmer (vgl. LSG Baden-Württemberg 30. Juni 2014 – L 5 R 3157/13).

Demgegenüber spricht für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, dass die Beigeladenen zu 1. bis 5. Arbeiten ausführten, die sich von einer vergleichbaren Arbeitnehmertätigkeit nicht wesentlich unterscheiden (vgl. Sächsisches LSG 17. Mai 2011 – L 5 R 368/09). Sie waren in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Die abhängige Beschäftigung setzt eine fremdbezogene Tätigkeit voraus. Die Dienstleistung muss also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung eines Betriebes aufgehen. Dies hat vor allem bei der Verrichtung von Diensten höherer Art Bedeutung und bei solchen Tätigkeiten, die weitgehend eigenverantwortlich ausgeübt werden. Hier wandelt sich die Weisungs-unterworfenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit, um in eine funktionsgerecht dienende Teilnahme am fremdvorgegebenen Arbeitsprozess (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG v. 25. März 2009 – L 5 KR 28/07 und 26. April 2006 – L 5 KR 37/05). So liegt der Fall hier. Es bestand in hohem Maße eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Wenn eine von einem Dienstleister einem Kunden geschuldete (Teil-)Leistung erbracht wird und dabei die Einrichtungen und Betriebsmittel des Dienstleisters genutzt werden und arbeitsteilig mit dem vorhandenen Personal in vorgegebenen Strukturen zusammengearbeitet wird, ist in der Regel die Tätigkeit in prägender Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb des Dienstleisters eingegliedert (BSG 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R). Die Beigeladenen zu 1. bis 5. waren ausschließlich auf Schiffen der Klägerin tätig. Die Mannschaft an Bord, mit der sie zusammenarbeiteten, bestand aus Mitarbeitern der Klägerin. Abgearbeitet wurden jeweils Einsätze, die die Klägerin für ihre Kunden in deren Auftrag erbrachte. Dabei waren die beigeladenen Seeleute für diese Kunden nicht als Selbständige erkennbar, sondern mussten wie Mitarbeiter der Klägerin wahrgenommen werden. Die Abwicklung der Aufträge und die Bezahlung erfolgte ausschließlich zwischen der Klägerin und ihren Kunden. Die Beigeladenen zu 1. bis 5. traten insoweit nicht in Erscheinung. Sie erstellten eine Rechnung nur gegenüber der Klägerin. Die Kunden nahmen sie lediglich als Schiffsbesatzung der Klägerin wahr. Sie waren damit in eine von anderer Seite vorgegebene Ordnung eingegliedert, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet wird. Im arbeitsrechtlichen Sinne betreibt die Klägerin ein Dienstleistungsunternehmen, das die Dienstleistung spezieller Transport- und Bauarbeiten auf See am Markt anbietet und mit den von ihr eingesetzten Seeleuten und Arbeitern als eigenes Geschäft für eigene Rechnung ausübt. In diesen Dienstleistungsbereich waren die Beigeladenen zu 1. bis 5. eingegliedert, indem sie die Kundenaufträge für die Klägerin abarbeiteten.

Sobald die Seeleute einen Auftrag von der Klägerin übernahmen, war ihnen dadurch der Ort und zum Teil auch die Art der Arbeit sowie die Arbeitszeit faktisch vorgegeben. Denn mit dem Auftrag an den Kapitän bzw. Steuermann stand auch die jeweils für den Kunden der Klägerin zu erledigende Aufgabe fest, seien es Reparatur- oder Transportaufträge, Eisbrechen oder Sicherheitsübungen. Dass die Beigeladenen zu 1. bis 5. im Rahmen der Erledigung dieser Aufgaben weitgehend eigenständig handelten, liegt in der hohen Qualität und Verantwortlichkeit ihrer Tätigkeit begründet. Auch aus Sicherheitsaspekten heraus müssen letztlich die relevanten Entscheidungen über das Schiff (z. B. ob bei einer bestimmten Wetterlage gefahren werden kann oder nicht) dem Kapitän obliegen. Dies betrifft ebenso festangestellte Kapitäne, bzw. Schiffsführer und ändert nichts an der rechtlichen Bewertung.

Als weiterer gewichtiger Aspekt ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen zu 1. bis 5. kein unternehmerisches Risiko trugen, keine Eigenwerbung betrieben und damit nicht am Markt auftraten. Es muss bei Selbständigen ein Wagnis bestehen, dass über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen (vgl. LSG NRW 10. Dez. 2009 – L 16 R 5/08). Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses Risiko deshalb erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen aus der Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und oder eigene Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen (vgl. LSG NRW 11. Nov. 2005 – L 13 R 112/05). Ein besonderes unternehmerisches Risiko der Beigeladenen zu 1. bis 5. ist mangels Kapital- oder Personaleinsatzes nicht ersichtlich. Die Bezahlung erfolgte als festgelegte Tagessatz-vergütung. Eigene Mitarbeiter beschäftigten die Beigeladenen nicht. Sie verfügten auch nicht über eine eigene Betriebsstätte und setzten damit weder persönliche noch sächliche Mittel mit der Gefahr des finanziellen Verlustes ein (vgl. BSG 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge Beilage 2008, 333). Aus dem alleinigen Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Aufträge (vgl. BSG 18. Nov. 2015 – B 12 KR 16/13 R).

Damit überwiegen in der Gesamtbetrachtung deutlich die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien.

Aus der zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. bis 5. vereinbarten Honorarhöhe lässt sich vorliegend nach Auffassung des Gerichts kein Indiz für oder gegen eine selbständige bzw. abhängige Beschäftigung ableiten. Vereinbart wurde nach Aussage der Klägerin der jeweils "übliche" Tages- oder Stundensatz. Dieser entsprach bei Berücksichtigung des für angestellte Seeleute üblichen Freizeitausgleichs in etwa dem Bruttogehalt der angestellten Seeleute. Beispielshaft sei dazu angeführt der ausweislich der vorliegenden Rechnungen mit dem Beigeladenen zu 1. vereinbarte Tagessatz von EUR 320,-, aus dem sich für 15 Tage bei Berücksichtigung eines üblichen Freizeitausgleichs im Verhältnis 1:1 ein monatliches Honorar in Höhe von EUR 4.800,- zuzüglich km-Geld ergibt. Dies entspricht in etwa dem monatlichen Bruttogehalt, das die Klägerin nach eigenen Angaben den angestellten Kapitänen zahlt. Die Vereinbarung eines besonders hohen Entgelts zur Ermöglichung einer umfassenden privaten Absicherung ist damit nicht erkennbar. Im Übrigen wäre dieses Indiz lediglich als Ausdruck des Parteiwillens zu werten. Dem Willen der Vertragsparteien kommt nach der Rechtsprechung des BSG jedoch generell nur dann überhaupt eine potentielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (BSG 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R), was vorliegend nicht der Fall ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Es entspricht nicht der Billigkeit, den Beteiligten auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese insbesondere Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 63 Gerichtskostengesetz und ergibt sich aus der streitigen Beitragsforderung der Beklagten.

Richterin am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
Saved