S 1 U 1157/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1157/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
MdE-Bemessung wegen unfallbedingten Milzverlustes nach Ablauf eines Gesamtvergütungszeitraums
Tenor: Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls nach Ablauf eines Gesamtvergütungszeitraums.

Der 19xx geborene, seit Januar 2012 als Lagerarbeiter beschäftigte Kläger erlitt am 27.05.2016 einen Arbeitsunfall, als er auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte mit seinem Motorroller stürzte. Dabei zog er sich neben einer offenen Ellenbogenwunde, Schulter- und Rippenprellungen links, Schürfwunden der Knöchelregion und des linken Fußes und einer offenen Fingerwunde am rechten Daumen (vgl. Durchgangsarztberichts des Chirurgen Dr. G. vom 27.06.2017) eine zweizeitige Milzruptur zu (vgl. Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. H. vom 30.06.2016). Ab dem Unfalltag befand sich der Kläger deshalb bis zum 04.07.2016 zur stationären Behandlung in der S.-Klinik, B. (S.-Klinik); dort erfolgten am 27.07.2016 die Entfernung der Milz, außerdem die Resektion eines Meckeldivertikels, einer Ausstülpung des Dünndarms vor der Einmündung in den Blinddarm (vgl. Entlassungsbericht vom 07.07.2016). Bei zunächst oberflächlicher Wundheilungsstörung war die Operationswunde bis zum 18.08.2016 reizlos abgeheilt (vgl. Sprechstundenbriefe der S.-Klinik vom 09. und 19.08.2016). Nach einer Arbeits- und Belastungserprobung war der Kläger ab dem 08.11.2016 wieder arbeitsfähig. Bei einer Nachuntersuchung durch Dr. H. im Oktober 2016 gab er nur noch "ab und zu sporadische Schmerzen" an (vgl. Zwischenbericht vom 25.10.2016). Der Chirurg Dr. Sc. diagnostizierte bei einer ambulanten Untersuchung im März 2017 einen "Verwachsungsbauch" (vgl. Durchgangsarztbericht vom 09.03.2017).

Am 06.04.2017 beantragte der Kläger die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen des Arbeitsunfalls. Zur Feststellung von Art und Ausmaß der Unfallfolgen ließ die Beklagte ihn durch den Internisten Dr. K. untersuchen und begutachten. Dieser diagnostizierte als Unfallfolgen einen Zustand nach Milzverlust mit reizloser medianer Laparotomienarbe. Keine Folge des Arbeitsunfalls seien eine Lipase- und Amylase-Erhöhung bei Verdacht auf eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse und ein Zustand nach Entfernung eines Meckelschen Divertikels im Rahmen der unfallbedingten Laparotomie zur Milzentfernung. Die erhöhten Amylase- und Lipasewerte seien mit einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung zu vereinbaren; hierzu passten auch die angegebenen wiederkehrenden Bauchschmerzen. Theoretisch sei zwar auch ein Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen möglich, im Fall des Klägers indes mit hoher Sicherheit auszuschließen, weil bereits vor dem Arbeitsunfall wiederholt erhöhte Lipasewerte dokumentiert seien. Die unfallbedingte MdE bewertete Dr. K. für die Zeit ab dem 07.11. bis zum 31.12.2016 mit 50 v.H., für die Zeit danach bis zum 11.05.2017 mit 20 v.H. und seither mit 20 v.H.

Gestützt auf das Ermittlungsergebnis gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls für die Zeit vom 08.11.2016 bis zum 31.05.2018 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. der Vollrente im Rahmen einer Gesamtvergütung. Als Unfallfolgen berücksichtigte sie dabei

"Verlust der Milz"

(Bescheid vom 07.06.2017).

Im März 2018 beantragte der Kläger eine erneute Untersuchung und Begutachtung. Hiermit beauftragte die Beklagte den Internisten Dr. Ge. Dieser erhob u.a. eine reizlose mediane Laparotomienarbe, weich eindrückbare Bauchdecken ohne Abwehrspannung und einen umschriebenen Druckschmerz ohne krankhafte Resistenzen, außerdem eine Erhöhung der Pankreasenzyme &945;-Amylase und Lipase. Zusammenfassend führte Dr. Ge. aus, alle Hautverletzungen seien zwischenzeitlich ausheilt; die Prellungen hätten keine überdauernden Beschwerden hinterlassen. Auch der Milzverlust habe bislang zu keinen typischen Komplikationen i.S. einer Sepsis, schwerer Infekte oder eines thromboembolischen Ereignisses geführt. Die vom Kläger weiterhin angegebenen rezidivierenden Oberbauchbeschwerden ließen sich durch den Milzverlust nicht erklären. Bei erneut objektivierten erhöhten Pankreasenzymen sei das Organ sonographisch unauffällig gewesen. Die Oberbauchbeschwerden sehe er klinisch nicht als typische Verwachsungsbeschwerden, könne dies aber mit letzter Sicherheit auch nicht ausschließen. Im Vordergrund stehe die Aufklärung der Pankreasenzymwerte. Die unfallbedingte MdE bewertete Dr. Ge. mit 10 v.H. Daraufhin lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums mit der Begründung ab, die Unfallfolgen rechtfertigten keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß mehr (Bescheid vom 05.07.2018).

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, er sei mit dem Gutachten des Dr. Ge. nicht einverstanden. Dieser habe ihn nicht selbst untersucht, sondern die Untersuchung durch eine Arzthelferin durchführen lassen. Im Übrigen hätten ihm seine behandelnden Ärzte den Zusammenhang zwischen einer Vernarbung als Folge der Milzoperation und den Oberbachbeschwerden bestätigt. Nach Beizug bildgebender Befunde des Radiologischen Zentraums X (Abdomen-CT vom 07.08.2018), des Arztbriefes der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikum Y vom 15.08.2018 und des Arztbriefes des Radiologischen Zentrums vom 07.08.2018, ferner des Vorerkrankungsverzeichnisses der AOK A holte die Beklagte Auskünfte des Allgemeinmediziners Dr. G2 ein. Dieser übersandte Ausdrucke aus seiner Patientendatei seit November 2013 und fügte u.a. den Entlassungsbericht der S.-Klinik vom 15.11.2013 bei. Gestützt auf das Ermittlungsergebnis wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.03.2019).

Deswegen hat der Kläger am 28.03.2019 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er verspüre im Bereich der Operationsnarbe häufig ein Kribbeln und habe wenigstens zwei- bis dreimal wöchentlich ziehende Schmerzen in diesem Bereich. Soweit er zunächst vorgetragen habe, er habe vor dem Unfallereignis derartige Beschwerden nicht gehabt, beruhe dies auf einem Kommunikationsversehen mit seinen Prozessbevollmächtigten. Die Pankreasenzyme seien zuletzt in normalen Bereich gelegen. Die fortbestehenden Schmerzen seien deshalb auf die unfallbedingte Milzentfernung zurückzuführen. Er könne sehr gut zwischen den vorbestehenden Bauchbeschwerden, die sich unter medikamentöser Behandlung gebessert hätten, und den Beschwerden im Bereich der Operationsnarbe unterscheiden; es handle sich hier um ein völlig anderes Beschwerdebild. Insgesamt rechtfertigten die Unfallfolgen weiterhin eine MdE um 20 v.H. der Vollrente.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 05. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31. Mai 2018 hinaus wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. Juni 2016 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der in elektronischer Form geführten Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dem Kläger steht wegen der Folgen des Unfalls vom 27.06.2016 nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums kein Anspruch auf Verletztenrente aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung (mehr) zu.

1. Dass der Kläger am 27.06.2016 auf dem Weg zu seiner versicherten Tätigkeit als Lagerarbeiter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII)) einen Arbeits-(Wege-)unfall (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB VII erlitten hat, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

2. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften des SGB VII und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch u.a. Anspruch auf Geldleistungen in Form von Verletztenrente. Dieser Anspruch setzt – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII) - voraus, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der MdE jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden (§ 62 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Ist nach allgemeinen Erfahrungen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles zu erwarten, dass nur eine Rente in Form der vorläufigen Entschädigung zu zahlen ist, kann der Unfallversicherungsträg die Versicherten nach Abschluss der Heilbehandlung mit einer Gesamtvergütung in Höhe des voraussichtlichen Rentenaufwands abfinden (§ 75 Satz 1 SGB VII). Nach Ablauf des Zeitraums, für den die Gesamtvergütung bestimmt war, wird auf Antrag Rente als vorläufige Entschädigung oder Rente auf unbestimmte Zeit gezahlt, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 75 Satz 2 SGB VII).

Die MdE richtet sich im Unfallversicherungsrecht nach dem Umfang der sich aus der Beein-trächtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Ar-beitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. dem sogenannten allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 sowie Ricke in Kasseler Kommentar, Stand August 2019, § 56 SGB VII, Rdnr. 16). Damit kommt es auf den bisherigen Beruf oder die bisher berufliche Tätigkeit - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII) abgesehen - nicht an (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2 und Breithaupt 2010, 31 bis 37). Bei der Festsetzung der unfallbedingten MdE sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Interesse der Gleichbehandlung aller Versicherter die im unfallrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Regel- oder Normalsätze als Anhaltspunkte unter Einbeziehung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beachten (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 15, 22, 23, 27 und 28 sowie vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R- (juris)). Die MdE-Bewertung enthält weder ein Ermessen noch eine exakte Berechnung, sondern eine nur zu Annäherungswerten kommende Schätzung im Sinne einer Tatsachenfeststellung (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Zur Mitwirkung ist regelmäßig ein fachkundiger Arzt berufen. Da aber die Höhe der MdE letztlich eine Rechtsfrage betrifft, sind die Gerichte und die Unfallversicherungsträger nicht an seine Schätzung gebunden (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 und SozR 3-2200 § 581 Nr. 8); vielmehr haben sie die MdE aus der aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens gewonnenen Überzeugung in eigener Verantwortung zu prüfen und ggf. zu korrigieren (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2, vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - und vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - (jeweils juris)).

3. Orientiert an diesen Rechtsgrundlagen und Beurteilungsmaßstäben hat der Kläger vorliegend nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums, d.h. seit dem 01.06.2018, keinen Anspruch auf Verletztenrente aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.06.2016. Denn der als Unfallfolge allein zu berücksichtigende Verlust der Milz rechtfertigt keine MdE in rentenberechtigenden Ausmaß, sondern nur eine solche um 10 v.H. Dies entnimmt die Kammer den wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen des Dr. Ge., dessen Gutachten sie im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff. der Zivilprozessordnung; hierzu auch BSG vom 30.03.2017 – B 2 U 181/16 B -, Rn. 9 m.w.N. und vom 07.05.2019 – B 2 U 25/17 R -, Rn. 14 (jeweils juris)) verwertet. Die Einschätzung der unfallbedingten MdE durch Dr. Ge. entspricht unfallmedizinischen und unfallrechtlichen Bewertungsgrundsätzen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 1033 und Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 14. Aufl. 2019, Seite 282). Mit dieser MdE sind die Auswirkungen des Organverlustes nach Ablauf des ersten Jahres nach der Organentfernung ausreichend berücksichtigt. Die funktionelle Bedeutung der Milz liegt in der Regulation des blutbildenden Gewebes und in der Immunabwehr. Nach dem Verlust der Milz werden diese Funktionen teilweise von anderen Bereichen des Immunsystems übernommen. Jedoch bleibt die Menge von Immunglobulinen, die wesentlich die Immunität gegen bakterielle Infektionen vermittelt, dauerhaft erniedrigt. Hieraus ergibt sich bei entsprechenden Belastungssituationen ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Post-Splenektomie-Sepsis. Auch das Risiko für eine spätere Infektion bleibt lebenslang erhöht (vgl. zum Ganzen Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. und Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, a.a.O.). Wie Dr. Ge. allerdings auch insoweit überzeugend dargelegt hat, hat der unfallbedingte Milzverlust beim Kläger bislang zu keinen typischen Komplikationen geführt; weder ist es zu einer Sepsis noch zu schweren Infekten gekommen. Auch ein thromboembolisches Ereignis ist bislang nicht eingetreten.

Die vom Kläger geltend gemachten Oberbauchbeschwerden sind demgegenüber nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den unfallbedingten Milzverlust zurückzuführen. Denn nach den ebenfalls urkundenbeweislich verwerteten Eintragungen im Vorerkrankungsverzeichnis seiner Krankenkasse, der AOK A, stand der Kläger bereits im März 2008 und im August 2010, mithin zeitlich deutlich vor dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis, wegen Bauchschmerzen bei Dr. G2 in ärztlicher Behandlung. Auch zwischen 2013 und 2016 fanden dort wiederholt ambulante ärztliche Behandlungen des Klägers wegen Bauchbeschwerden bzw. Bauchschmerzen statt, im November 2013 auch eine stationäre Behandlung in der S.-Klinik. Dies entnimmt das erkennende Gericht dem aktenkundigen Ausdruck aus der Patientendatei des Dr. G2 und dem Entlassungsbericht der S.-Klinik vom 15.11.2013. Auch diese Unterlagen verwertet es im Wege des Urkundenbeweises. Dabei kann insbesondere nicht unberücksichtigt bleiben, dass die letzte ambulante Behandlung des Klägers wegen Oberbauchbeschwerden bei Dr. G2 noch am 19.05.2016, mithin zeitlich unmittelbar vor dem Arbeitsunfallereignis, stattgefunden hat. Gegenüber den Ärzten der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Y gab der Kläger bei der ambulanten Untersuchung am 15.08.2018 ebenfalls bereits seit 2014 bestehende Mittelbauchbeschwerden an, wie sich aus dem dortigen Arztbrief vom selben Tag ergibt. Die Klinikärzte ordneten diese Beschwerden als "unspezifisch", d.h. uncharakteristisch bzw. untypisch (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch Online, Stichwort "unspezifisch") ein. Demgegenüber hat Dr. G2 bei den seit dem 07.07.2017 stattgefundenen ambulanten Behandlungen des Klägers die Operationsnarbe jeweils als "reizlos" befundet. Dies stimmt mit den von Dr. K. und Dr. Ge. und Dr. H. schon im Oktober 2016 erhobenen Befunden überein. Vor diesem Hintergrund erachtet es die Kammer als ausgeschlossen, jedenfalls aber nicht als wahrscheinlich, dass die vom Kläger angeführten Schmerzen ihre Ursache in der operationsbedingten Laparotomienarbe oder Verwachsungen nach unfallbedingter Milzentfernung haben.

Schon Dr. K. hat in seinem Gutachten vom Mai 2017 überdies auf erhöhte Amylase- und Lipasewerte hingewiesen, die zu der angegebenen Schmerzsymptomatik i.S. rezidivierender Bauchschmerzen – hier konkret: Aufgrund einer auch von Dr. G2 als Gesundheitsstörung diagnostizierten rezidivierenden Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die bereits vor dem Arbeitsunfallereignis vorgelegen hat – passen. Bei der Untersuchung und Begutachtung durch Dr. Ge. zeigten sich mit 124 U/l bzw. 288 U/l nahezu identisch erhöhte Amylase- und Lipasewerte wie bei der Untersuchung und Gutachtung durch Dr. K. (125 U/l bzw. 270 U/l). Dr. Ge. hat in diesem Zusammenhang außerdem zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Oberbauchbeschwerden des Klägers durch den Milzverlust selbst nicht erklären lassen und diese auch keine typischen Verwachsungsbeschwerden sind. Dies erachtet die Kammer nach eigener kritischer Würdigung mit Blick auf die aktenkundige medizinische Vorgeschichte des Klägers nachvollziehbar und überzeugend. Soweit Dr. Ge. einen ursächlichen Zusammenhang der Bauchbeschwerden mit Verwachsungsbeschwerden als "in letzter Sicherheit nicht ausgeschlossen" erachtet, begründet dies allenfalls die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs, nicht jedoch – wie erforderlich - dessen Wahrscheinlichkeit.

Gleiches gilt für die Äußerungen der Ärzte des Universitätsklinikums Y im Arztbrief vom 15.08.2018. Soweit diese die angegebenen Schmerzen als "unspezifisch" erachten und deshalb als nicht Pankreasassoziiert, sondern "a.e." von einer Aggravierung durch postoperative innere Narben eines vorbestehenden unklaren abdominellen Schmerzzustandes ausgehen, lässt sich auch hieraus keine Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem unfallbedingten Verlust der Milz begründen. Ungeachtet dessen waren auch bei den dort durchgeführten Laboruntersuchungen die Amylase- und Lipasewerte deutlich oberhalb des jeweiligen Referenzbereiches erhöht (90 U/l bzw. 219 U/l).

Da mithin die Oberbauchbeschwerden des Klägers keine weitere Unfallfolge darstellen, haben diese auch keinen Einfluss auf die Höhe der unfallbedingten MdE für die Zeit ab dem 01.06.2018.

Zu weiterer Beweiserhebung von Amts wegen (§ 103, S. 1, erster HS SGG) sah sich die Kammer auch mit Blick auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 02.10.2019 nicht gedrängt, weil sie den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufgrund der aktenkundigen medizinischen Unterlagen, insbesondere der Gutachten der Dres. K. und Ge. und der Auskünfte des Dr. G2, für geklärt erachtet.

4. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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