S 11 P 2393/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 P 2393/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Keine Anwendung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V im Recht der sozialen Pflegeversicherung
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 5 ab November 2017.

Die am 1949 geborene Klägerin leidet an Morbus Parkinson und einer organischen Halluzinose. Die Beklagte hatte ihr zuletzt Leistungen nach dem Pflegegrad 4 ab Januar 2017 bewilligt.

Die Klägerin beantragte am 21. November 2017 bei der Beklagten die Höherstufung nach Pflegegrad 5. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachten. Die Pflegefachkraft M. gelangte in dem Gutachten vom 28. Februar 2018 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bei der Beurteilung ihrer Pflegebedürftigkeit 78,75 gewichtete Punkte erreiche und damit die Voraussetzungen für den Pflegegrad 4 erreicht seien (Mobilität: 7,5 Punkte; kognitive und kommunikative Fähigkeiten und Ver-haltensweisen und psychische Problemlagen: 15 Punkte; Selbstversorgung: 30 Punkte; Be-wältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforde-rungen und Belastungen: 15 Punkte; Gestaltung des Arbeitslebens und sozialer Kontakte: 11,25 Punkte).

Mit Bescheid vom 01. März 2018 lehnte die Beklagte die Bewilligung eines höheren Pflegegrades deshalb ab. Der Umfang der Selbstständigkeit entspreche weiterhin dem Pflegegrad 4.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte habe verspätet über ihren Antrag entschieden. Daher greife die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a Fünftes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB V). Unabhängig davon bestünden auch in dem MDK-Gutachten Unstimmigkeiten. Auf Seite 5 des Gutachtens werde angegeben, dass die Mindeststundenanzahl von 10 Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tagen in der Woche nicht erreicht werde. Auf Seite 11 werde hingegen aufgeführt, dass der Pflegeaufwand nachvollziehbar bei wenigstens 10 Stunden verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage pro Woche liege. Sie benötige aber an 7 Tagen in der Woche täglich 24 Stunden Betreuung/Versorgung. Bezüglich des Moduls 1 sei ihr auch das Halten einer stabilen Sitzposition selbstständig nicht möglich; lediglich bei einem Stuhl mit Armlehnen sei dies möglich. Bei der Bewertung des Moduls 2 sei es auch nicht zutreffend, dass sie die Fähigkeit habe, größtenteils Risiken und Gefahren zu erkennen oder sich an Gesprächen zu beteiligen. Sie habe auch nicht nur eine seltene nächtliche Unruhe; vielmehr habe sie dies häufig. Zu Unrecht seien auch ihre Ängste mit 0 Punkten bewertet, ebenso ihre verbalen Aggressionen. Auch bei der Selbstversorgung komme es zu Unstimmigkeiten. Aufgrund ihrer körperlichen Ein-schränkung könne sie manche der aufgeführten Tätigkeiten nicht ausüben; sie sei unselbst-ständig. Zudem erledige sie bei der Haushaltsführung nichts selbstständig.

Mit Schreiben vom 22. März 2018 entschuldigte sich die Beklagte bei der Klägerin für die lange Bearbeitungsdauer ihres Antrages auf Höherstufung. Man habe sich zum Ziel gesetzt ihren Antrag innerhalb von 25 Arbeitstagen zu entscheiden. Deshalb habe man sie gerne bis zum 05. Februar 2018 informiert, was leider nicht geschehen sei. Sie erhalte hierfür eine Entschädigung für die Zeit vom 06. Februar bis 01. März 2018 i.H.v. 280,- EUR.

Mit weiterem Schreiben vom 13. April 2018 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie sei mit einer weiteren Begutachtung nicht einverstanden; diese sei nicht erforderlich.

Durch Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des Pflegegrades 5 seien nach den Feststellungen des MDK nicht erfüllt. Eine besondere Bedarfskonstellation (Gebrauchsun-fähigkeit beider Arme und Beine), die aufgrund eines vollständigen Verlustes der Greif-, Steh- und Gehfunktion eine Zuordnung in den Pflegegrad 5 begründen könnte sei ebenfalls nicht gegeben, weil nach sozialmedizinischer Feststellung eine derartige Gebrauchsunfähig-keit beider Arme und beider Beine nicht vorliege, da eine Restbeweglichkeit vorhanden sei, die z.B. die Bedienung eines Joysticks zur Fortbewegung des Rollstuhls ermögliche.

Aus diesem Grund hat die Klägerin am 04. Juli 2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr bisheriges Begehren weiter verfolgt. Zur Klagebegründung bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt im Wesentlichen ergänzend vor, das Patientenrechtegesetz habe für alle Leistungen Geltung, weshalb die Ge-nehmigungsfunktion des § 13 Abs. 3 a SGB VI anwendbar sei. Der Gesetzgeber habe keine beantragten Leistungen ausgeschlossen und auch keine Einschränkung auf bestimmte Leis-tungen vorgenommen. Die Erforderlichkeit der von ihr begehrten Leistung folge schon aus der Rechtswirkung der Genehmigungsfunktion.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Die Fachärztin für Neurologie Dr. M. hat ausgeführt, die Klägerin leide an einer schwersten Bewegungseinschränkung, Mobilitätseinschränkung so-wie einer depressiven und kognitiven Beeinträchtigung. Das Ausmaß des Hilfebedarfs könne sie nicht einschätzen. Die Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizinerin S. hat der Ein-schätzung des Hilfebedarfs durch die Beklagte zugestimmt.

Die Klägerin beantragt -sachgerecht gefasst-,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2018 zu verurteilen, ihr auf ihren Antrag vom 21. November 2017 Leistungen nach dem Pflegegrad 5 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Die Beteiligten sind zur Absicht des Gerichts, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist unbe-gründet. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von Pflegeleistungen nach Pflegegrad 5.

Das Gericht hat vorliegend ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschei-den können, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Feststellung des Vorliegens von Pflegebedürftigkeit oder einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung erfolgt gem. § 140 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) jeweils auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechts. Der Erwerb einer Anspruchsberechti-gung auf Leistungen der Pflegeversicherung richtet sich ebenfalls nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht (§ 140 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Da die Klägerin vorlie-gend den Antrag nach dem 31. Dezember 2016 gestellt hat, ist der ab dem 01.01.2017 gel-tende Pflegebedürftigkeitsbegriff maßgeblich.

1. Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung ist § 37 SGB XI. Nach § 36 SGB XI haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bei häuslicher Pflege Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haus-haltsführung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Nach § 37 SGB XI können Pflegebe-dürftige der Pflegegrade 2 bis 5 anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind Personen dann pflegebedürftig, wenn sie gesundheitlich be-dingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind nach § 14 Abs. 2 SGB XI die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien: 1. Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fort-bewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen; 2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Ent-scheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Auffor-derungen, Beteiligen an einem Gespräch; 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffällig-keiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und ande-rer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depres-siver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadä-quate Handlungen; 4. Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerech-tes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Um-gang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Proble-me bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen; 5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten An-forderungen und Belastungen: a) in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deu-tung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel, b) in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßi-ge Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, c) in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesu-che, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie d) in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften; 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontakt-pflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds. Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den oben ge-nannten Bereichen berücksichtigt (§ 14 abs. 3 SGB XI). Nach § 15 Abs. 1 SGB XI erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigun-gen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt, wobei dieses in sechs Module, entsprechend den oben genannten Bereichen, ge-gliedert ist. Die Kriterien der einzelnen Module sind in Kategorien unterteilt, denen Einzel-punkte entsprechend der Anlage 1 zu § 15 SGB XI zugeordnet werden. Die Kategorien stel-len die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchti-gungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar (§ 15 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Die Ein-zelpunkte in den jeweiligen Modulen werden sodann addiert und entsprechend der Anlage 2 zu § 15 SGB XI einem jeweiligen Punktbereich zugeordnet, aus dem sich die gewichteten Punkte ergeben. Insgesamt wird für die Beurteilung des Pflegegrades die Mobilität mit 10 Prozent, die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psy-chische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, die Selbstversorgung mit 40 Prozent, die Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anfor-derungen und Belastungen mit 20 Prozent und die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent gewichtet (§ 15 Abs. 2 Satz 8 SGB XI). Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen: 1. ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 2. ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 3. ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 4. ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 5. ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (§ 15 Abs. 3 Satz 4 SGB XI). Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Vorgaben ist das Gericht nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Versicherten keine gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten beste-hen, die zu einem Gesamtpunktwert von mindestens 90 Punkten führen, und damit die Vo-raussetzungen für die mit der Klage begehrte Einstufung in den Pflegegrad 5 nicht vorliegen. Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf die Feststellungen im MDK-Gutachten vom 28. Februar 2018. Bei der Klägerin besteht seit ca. 2003 ein Morbus Parkinson. Im Verlauf konnte eine zunehmende Mobilitätseinschränkung festgestellt werden. Es entwickel-ten sich zudem kognitive Defizite. Bereits in dem MDK-Gutachten zur Feststellung der Pfle-gebedürftigkeit vom 30. Mai 2016 wurden Konzentrationsschwierigkeiten der Klägerin mit deutlichen Rückzugstendenzen und Interesselosigkeit beschrieben, wie die Pflegefachkraft M. im MDK-Gutachten vom 28. Februar 2018 ausführt. Deshalb bestehen bei der Klägerin gesundheitliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit, die sich auf die Aktivitäten und Fähigkeiten der folgenden Bereiche beziehen: (1) Im Modul Mobilität besteht ein Hilfebedarf aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchti-gungen, den die Beklagte mit 7,5 gewichteten Punkten zutreffend berücksichtigt hat. Soweit die Klägerin bestreitet, dass ihr das Halten einer stabilen Sitzposition nicht möglich sei, vermag sich das Gericht davon nach den erhobenen Befunden durch die Pflegefachkraft M. nicht zu überzeugen. Maßgeblich ist bei der Einschätzung der Mobilität nach der Beurtei-lungsrichtlinie des GKV-Spitzenverbandes nämlich, ob die Person in der Lage ist, ohne per-sonelle Unterstützung eine Körperhaltung einzunehmen/zu wechseln und sich fortzubewe-gen. Ausweislich des von Frau M. erhobenen Befundes war die Klägerin in der Lage, am Esstisch auf einem Stuhl mit Armlehnen ohne Hilfe zu sitzen. Deshalb hat sie diesbezüglich zutreffend eine Selbstständigkeit der Klägerin bejaht. Soweit die Klägerin vorträgt, ein Sit-zen sei ihr nur auf einem Stuhl mit Armlehnen möglich, ändert dies an der rechtlichen Beur-teilung nichts. Denn es kommt auf die Notwendigkeit einer personellen Unterstützung an und nicht darauf, ob das Sitzen durch eine Erleichterung in Form einer Armlehne ermöglicht oder unterstützt wird. Kann der Pflegebedürftige die Verrichtung unter Benutzung eines Hilfsmittels ausführen, so gilt er in diesem Punkt als selbstständig (vgl. We-ber/Brünner/Philipp in: Pflegereform 2017 in der juristischen Praxis, Seite 11, Rn. 35). Überwiegend selbstständig wäre das Halten einer stabilen Sitzposition erst, wenn die Kläge-rin sich selbstständig nur kurz in der Sitzposition halten könnte, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte gegeben sind. Im Hinblick auf die weiteren Fähigkeiten im Bereich der Mobi-lität besteht kein Anhalt für einen höheren Punktwert; dahingehendes hat auch die Klägerin nicht vorgetragen. So ist bei dem Positionswechsel im Bett zutreffend eine überwiegende Unselbstständigkeit berücksichtigt, denn hier bedarf die Klägerin insbesondere Hilfe beim Aufstehen aus liegender Position sowie beim Positionswechsel im Bett. Überwiegend selbst-ständig sind hingegen das Umsetzen und das Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs möglich. Hierbei ist berücksichtigt, dass die Klägerin sich innerhalb der Wohnung nur mit Rollator bewegen kann. Auch das Treppen steigen ist erschwert und nur mit Anhalten am Handlauf und personeller Unterstützung möglich, weshalb eine überwiegende Unselbststän-digkeit vorliegt und bei der Punktebewertung berücksichtigt ist. (2) Im Modul 2 Kognitive und kommunikative Fähigkeiten sieht auch das Gericht einen Punktewert von 11,25 (gewichtete Punkte) als angemessen an. Hierbei bezieht sich die Ein-schätzung ausschließlich auf die kognitiven Funktionen und Aktivitäten. Zu beurteilen sind lediglich Aspekte wie Erkennen, Entscheiden oder Steuern. Die Fähigkeit, Risiken und Ge-fahren zu erkennen, ist zutreffend im MDK-Gutachten als größtenteils vorhanden bewertet. Hierbei ist insbesondere von Relevanz, ob innerhäuslich im vertrauten Wohnumfeld Risiken (Gefahren wie Strom- und Feuerquellen, Barrieren und Hindernisse) erkannt werden kön-nen. Die Klägerin zeigte sich bei der Begutachtung im häuslichen Umfeld orientiert, aber zeitlich und situativ unscharf orientiert. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin auch Risi-ken und Gefahren in ihrer Wohnumgebung als solche nicht erkennen kann (Fähigkeit in ge-ringem Maße vorhanden nach der Beurteilungsrichtlinie 4.2.8 des GKV-Spitzenverbandes), liegen nicht vor. Im Hinblick auf die weiteren Fähigkeiten der Klägerin bestehen nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen keine Anhaltspunkte für eine zu geringe Bewer-tung. Dahingehendes hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Selbst wenn bei dem Modul 2 weitere Einzelpunkte mehr gewichtete Punkte begründen würden, würde dies zu keiner an-deren rechtlichen Gesamtbewertung führen. Denn es sind bereits 15 gewichtete Punkte für die gemeinsame Betrachtung mit Modul 3 vergeben, was bereits der höchsten Gesamtpunkt-zahl von 15 entspricht. Denn die Module 2 und 3 fließen mit 15 % in die Gesamtbewertung ein, was 15 der maximal erreichbaren Gesamtpunkte von 100 entspricht. Daher ist es auch nicht mehr entscheidungserheblich, ob die Klägerin, wie von ihr vorgetragen, im Modul 3 an einer häufigen und nicht nur seltenen nächtlichen Unruhe leidet. Ebenso verhält es sich mit der Steuerung ihres Verhaltens und der Bewertung, ob nach 4.3 der Beurteilungsrichtlinie die Ängste oder aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen zutreffend bewertet sind. Für das Modul 2 und 3 ist bereits der höchst mögliche Punktewert anerkannt. (3) Im Modul 4 Selbstversorgung sind für das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit zutreffend 30 gewichtete Punkte anerkannt. Es kommt hier im Wesentlichen darauf an, in welchem Aus-maß eine Pflegeperson benötigt wird. Soweit die Klägerin lediglich pauschal die Unrichtig-keit der Punktebewertung angreift, begründet dies keinen Anhalt für eine höhere Bewertung. Vielmehr sind die Aktivitäten, wie Duschen, Waschen, Körperpflege, An- und Auskleiden des Körpers sowie das mundgerechte Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken bereits mit der Abstufung "überwiegend unselbstständig" berücksichtigt. Dies begegnet kei-nen rechtlichen Bedenken, denn die Klägerin benötigt nach den Feststellungen im MDK-Gutachten bei diesen Aktivitäten Hilfe. Ebenso benötigt sie Hilfe beim Richten der Kleidung und bei der Körperhygiene. Jedoch besteht kein Anhalt, dass sie hierbei bereits "unselbst-ständig" i.S.d. Beurteilungsrichtlinie ist, denn die Klägerin ist bei den aufgeführten Aktivitä-ten jedenfalls zu einem geringen Anteil in der Lage, etwas selbstständig durchzuführen. Beim Essen wird sie je nach Tagesform und Konsistenz der Speise unterstützt. Die Getränke müs-sen eingeschenkt werden, wohingegen das Trinken ihr selbstständig gelingt. Daher ist dies-bezüglich zutreffend eine "überwiegende Selbstständigkeit" berücksichtigt. (4) Anhaltspunkte für eine höhere Gewichtung der Module 5 und 6 liegen nach dem Ergeb-nis der medizinischen Ermittlungen nicht vor. Die Klägerin hat diesbezüglich auch nichts dargetan. (5) Soweit die Klägerin schließlich die Fähigkeiten in dem Bereich Haushaltsführung als zu niedrig bewertet ansieht, führt dies bereits zu keiner abweichenden Hilfebedarfseinschät-zung. Denn nach § 14 Abs. 3 SGB XI sind Beeinträchtigungen, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, bereits bei den Kriterien in den 6 Bereichen/Modulen berücksichtigt. (6) Danach hat die Pflegefachkraft Michel unter Berücksichtigung der sich gem. § 15 SGB XI ergebenden Überführung des Summenwertes pro Modul und unter Berücksichtigung der jeweiligen Gewichtung der Module zutreffend einen Gesamtpunktewert von 78,75 Punkten errechnet. Damit liegen schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähig-keiten vor, die einem Pflegegrad 4 entsprechen. 2. Im Übrigen vermag die Klägerin entgegen ihrer Ansicht auch keinen Anspruch auf die Gewährung des Pflegegrades 5 aufgrund einer Genehmigungsfunktion haben. So kann sie sich gerade nicht wirksam auf den von ihr herangezogenen § 13 Abs. 3 a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) stützen. Gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V hat die Kran-kenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wo-chen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbe-sondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), ein-geholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als geneh-migt, § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V. Diese Fiktion findet jedoch vorliegend keine Anwen-dung. Bei dieser Norm handelt es sich um eine Vorschrift, die lediglich im Bereich des Krankenversicherungsrecht Anwendung findet. Umfasst sind nur solche Konstellationen, in denen der Versicherte bei seiner Krankenkasse eine Leistung beantragt. Etwaige Ansprüche oder Rechtsfolgen gegenüber der Pflegeversicherung sind damit gerade nicht erfasst. Denn es handelt sich dabei nicht um eine gesetzliche Regelung, die für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches Anwendung findet. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, wäre die Norm einerseits systematisch nicht im Bereich des SGB V verortet worden. Zudem wäre der Wortlaut der Norm anders gefasst worden. Es findet sich auch keine vergleichbare Regelung im Bereich des Pflegeversicherungsrecht. Dort hat der Gesetzgeber vielmehr in § 18 Abs. 3 Sätze 2 und 7 SGB XI geregelt, dass der antragstellenden Person spätestens 25 Arbeitstage nach Antragseingang, jedoch unverzüglich nach Vorliegen des Gutachtens bei der Pflegekas-se, der Bescheid schriftlich mitgeteilt wird. Wenn der Bescheid über den Antrag nicht inner-halb von fünf Wochen nach Eingang des Antrages ergeht oder nicht einer der in § 18 Abs. 3 SGB XI genannten verkürzten Bearbeitungsfristen eingehalten wird, hat die Pflegekasse nach Fristablauf für jeden Tag Verzögerung 70,- EUR an die antragstellende Person zu zahlen. Eine Genehmigungsfiktion ist vom Gesetzgeber in das SGB XI hingegen nicht mitaufge-nommen worden. Nach dem gesetzgeberischen Willen soll mit der Sanktionsregelung im SGB XI die Situation der Antragsteller verbessert und die Pflegekassen dazu angehalten werden, die Bescheide fristgerecht zu erteilen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/93269, Be-gründung des Gesetzesentwurfes zum Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, Seite 37). Danach hat der Gesetzgeber im Bereich des SGB XI lediglich eine Sanktionierung in Form einer finanzi-ellen Entschädigung und gerade keine Genehmigungsfiktion regeln wollen. 3. Aus diesen Gründen konnte die Klage keinen Erfolg haben. II. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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