S 12 SB 1642/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 1642/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Für Zurückverweisungen nach § 131 Abs. 5 SGG bedarf es – anders als bei der Kostenauferlegung nach § 192 Abs. 4 SGG – nicht der gerichtlichen Feststellung, dass die Behörde außergerichtlich erkennbare und notwendige Ermittlungen unterlassen hat, weil Zurückverweisungen anlässlich von Verpflichtungsklagen beispielsweise auch in Fällen sachdienlich sein können, in denen erstmals im Klageverfahren überhaupt Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens besteht, etwa nachdem das Vorbringen eines Rechtssuchenden erst vor Gericht an Substanz gewonnen hat, oder, weil eine wesentliche Änderung der Sachlage in Form einer erheblichen Besserung oder Verschlimmerung des entscheidungserheblichen Gesundheitszustands hinreichend dargelegt oder von Amts wegen ersichtlich ist.

Eine „erledigungsträchtige“ richterliche Arbeitsweise entspricht dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwendung öffentlicher Mittel aus § 7 Abs. 1 HO BW.

Das Land Baden-Württemberg verlangt seiner Richterschaft eine übermäßig „erledigungsträchtige“ Arbeitsweise ab, weil es sie im Wege der chronischen Unterbesetzung seiner Gerichte und Staatsanwaltschaften systematisch zur Absenkung ihrer Sorgfaltsschwelle – einschließlich der veränderten, auch rechtswidrigen Anwendung des Prozessrechts – zwingt, obgleich das Bundesland hierdurch die richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG, den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und die Wirksamkeit des Rechts als Mittel individueller und kollektiver Konfliktbearbeitung, das heißt: den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG, massiv beschneidet bzw. schlechterdings die Axt an die Wurzeln von Rechtsstaat und Demokratie anlegt und sich schleichend von seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung verabschiedet.
Der Bescheid des Beklagten vom 27.06.2018 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 18.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2019 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Neufeststellungsantrag vom 16.01.2018 für die Zeit ab dessen Eingang beim Beklagten am 21.02.2018 an das Landratsamt Karlsruhe zurückverwiesen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - (SGB IX) sowie über die Zuerkennung des Nachteilsausgleich im Nahverkehr / bei der Kfz-Steuer wegen erheblicher Gehbehinderung (Merkzeichen "G").

Bei der 1986 geborenen Klägerin hatte der Beklagte den Gesamt-GdB mit Bescheid vom 10.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2016 zuletzt mit 20 seit 12.09.2012 unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen festgestellt:

"GdB" Funktionsstörung(en) 20 - Geringe Störung der Konzentration und Aufmerksamkeit - Gefühlsstörung im Gesicht - Migräne 10 - Mit Verformung verheilter Wirbelbruch 10 - Gebrauchseinschränkung der linken Hand 10 - Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks

Die Klägerin beantragte am 21.02.2018 (zum zweiten Mal) die Neufestsetzung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G". Sie teilte dem Beklagten zur Überprüfung ihrer gesundheitlichen Verhältnisse die sie behandelnden Ärzte mit, befreite diese von ihrer Schweigepflicht und legte zur Substantiierung ihrer Gesundheitsstörungen insbesondere einen Entlassungsbericht von der stationären Rehabilitationsbehandlung in den Kliniken Schmieder vom 31.01.2018 vor. Sie gab an, seit mehr als sechs Monaten unter folgenden Funktionsbeeinträchtigungen zu leiden:

- Belastbarkeitsminderung; - Eingeschränkte Gehstrecke: tagesformabhängig ca. 300 Meter, bei längerem Gehen Rollstuhl notwendig; - Kognitive Störung, Vergesslichkeit, Konzentrationsminderung, Vergesslichkeit, Aufmerksamkeitsstörung, PTBS; - Schwindel, Übelkeit, Erbrechen; - Chronische Schmerzen Lendenwirbelsäule; - Chronische Schmerzen rechtes Bein; - Chronische Schmerzen Handgelenk.

Nach medizinischer Ermittlung des Sachverhalts im Wege der Beiziehung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsunterlagen bei den die Klägerin behandelnden Ärzten und bei dem für sie zuständigen Träger der sozialen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie der sozialmedizinischen Auswertung der Aktenlage meinte der Ärztlich Dienst des Beklagten ohne irgendeine Bezugnahme auf die VersMedV oder die VMG oder Ausführungen zur Bildung des Gesamt-GdB, die im beigezogenen Pflegegutachten beschriebene Einschränkung der Mobilität sei aufgrund der zahlreich vorhandenen Befundberichte und ausführlichen Gutachten nicht nachvollziehbar. Eine relevante Gehstörung mit Begründung von Nachteilsausgleichen bestehe nicht. Bedeutsam sei inzwischen eine somatoforme Schmerzstörung, die seit dem 21.02.2018 eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 30 aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertige:

"GdB" Funktionsstörung(en) 30 - Geringe Störung der Konzentration und Aufmerksamkeit - Gefühlsstörung im Gesicht - Migräne - Somatoforme Schmerzstörung 10 - Mit Verformung verheilter Wirbelbruch 10 - Gebrauchseinschränkung der linken Hand 10 - Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks

Dementsprechend setzte der Beklagte mit Bescheid vom 27.06.2018 den GdB (unter gleichzeitiger Aufhebung seines bereits erledigten Bescheides vom 10.11.2015 sowie unter Vernachlässigung des an seiner statt maßgeblichen Widerspruchsbescheids vom 22.03.2016) ab dem 21.02.2018 auf 30 fest. Hiergegen legte die Klägerin am 26.07.2018 im Wesentlichen mit der Begründung Widerspruch ein, der Beklagte habe das Ausmaß ihrer Funktionsstörungen nicht ausreichend berücksichtigt hinsichtlich:

- massiver Schmerzen an Lendenwirbelsäule und rechtem Unterschenkel; - Schwindel; - schweren Aufmerksamkeitsstörungen; - Verkalkung der rechten Achillessehne; - im Dezember 2017 hinzugekommener Taubheitsgefühle am linken Bein bis zum Gesäß; - Rollstuhlnotwendigkeit bzw. fast vollständiger Gehminderung seit März 2018.

Der Beklagte zog daraufhin eine Auskunft der die Klägerin behandelnden Fachärzte für Orthopädie bzw. Allgemeinmedizin bei. Ohne die Klägerin selbst ambulant sozialmedizinisch zu untersuchen, meinte der Ärztliche Dienst des Beklagten in einer gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage anschließend, aufgrund der Befunde sei die Nutzung des Rollstuhls im Außenbereich nicht nachvollziehbar. Die Dokumentation des Hausarztes beschreibe eine psychosomatische Problematik und Persönlichkeitsakzentuierung. Der Tenor werde aktualisiert und der GdB für den neuropsychiatrischen Organkomplex (leichte kognitive Defizite nach Schädelhirntrauma, Schmerzstörung, psychoreaktive Störung und Neurasthenie) angehoben. Der letzte psychiatrische Befundbericht sei zwei Jahre alt. Im Anschluss an seinen 15-zeiligen Freitext ohne Bezugnahme auf die VersMedV oder die VMG oder Ausführungen zur Bildung des Gesamt-GdB, meinte der Ärztliche Dienst, ein Gesamt-GdB von 30 sei aufgrund folgender Funktionsstörungen nachgewiesen:

"GdB" Funktionsstörung(en) 30 - Folgen nach Schädel-Hirn-Trauma mit kognitiven Defiziten - Gefühlsstörung im Gesicht - Seelische Störung - Somatoforme Schmerzstörung 10 - Verheilter Wirbelbruch - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule 10 - Gebrauchseinschränkung des rechten Beines

Daraufhin hat der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 18.03.2019 dem Widerspruch insofern abgeholfen, als der GdB seit 21.02.2018 sogar 40 betrage, und anschließend den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2019 im Übrigen zurückgewiesen.

Deswegen hat die Klägerin am 08.05.2019 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, eine Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben, ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren zu Art und Ausmaß ihrer krankheitsbedingten Teilhabebeeinträchtigungen wiederholt und vertieft sowie unter Anregung der Beiziehung der sozialgerichtlichen Ermittlungsergebnisse aus dem beim selben Gericht wegen des Pflegegrades anhängigen Parallelverfahrens S 11 P 602/19 auf ihre dortigen Ausführungen Bezug genommen. Die fachkundig vertretene Klägerin beantragt wörtlich:

"Die Bescheide des Beklagten vom 27.06.2018 und 18.03.2019 -in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2019- werden aufgehoben; die Gesundheitsstörungen der Klägerin werden mit einem GdB von (mindestens) 50vH bewertet; der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden (auch zu evtl. Merkzeichen G)."

Das Gericht hat die im Pflegeverfahren eingeholten Sachverständigen Zeugenauskünfte dem Beklagten mit der Bitte um sozialmedizinische Auswertung überlassen. Dieser hat für den Beklagten daraufhin wörtlich u.a. ausgeführt:

"In einem jetzt vorgelegten MDK-Gutachten vom 10.09.2018 wird ausgeführt, dass sich bei der Begutachtung in Art und Umfang nahezu identische Einschränkungen der Selbständigkeit und der Fähigkeiten wie zum Zeitpunkt des Vorgutachtens ergaben. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.06.2018 auf BI. 172 SGBIX-Akte wurde ausgeführt, dass die in dem damals zugrunde gelegten Pflegegutachten beschriebene Einschränkung der Mobilität aufgrund der Aktenlage nicht nachvollziehbar war. In der Auskunft vom 08.07.2019 von Herrn Thimm wird ausgeführt, dass die Einschränkung in der Mobilität nicht ausreichend erfasst sei, es ergäbe sich immer wieder die Notwendigkeit, einen Rollstuhl zu benutzen, wobei diese Ausführungen aber nicht hinreichend nachzuvollziehen sind. Insgesamt ist mit den jetzt vorgelegten und zum Teil bereits aktenkundigen Unterlagen eine wirklich zuverlässige Beurteilung des Gesamtzustandes der Klägerin nicht möglich. Ein durch den MDK erstelltes Pflegegutachten kann natürlich eine ärztliche Begutachtung nicht ersetzen. Um der Klägerin in jedem Fall gerecht zu werden, wird von daher die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vorgeschlagen. Da auch kognitive Störungen anerkannt sind, sollte ein solches Gutachten nach Möglichkeit mit einer testpsychologischen Untersuchung einhergehen."

Die Kammer hat die Beteiligten mit Verfügung vom 17.10.2019 darauf hingewiesen, dass sie nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Klagebegehren, den rechtlichen Beurteilungsgrundlagen und den aktenkundigen sozialmedizinischen Erkenntnissen noch erheblichen Ermittlungsbedarf auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet sehe. Über den geltend gemachten höheren Grad der Behinderung könne das Gericht nicht ohne Weiteres entscheiden. Es verfüge nicht über hinreichend eigene sozialmedizinische Sachkunde. Auch könne es sich nicht auf die aktenkundigen gutachterlichen Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes des Beklagten stützen. Diese ließen keine über vernünftige Zweifel erhabene Überzeugungsbildung zu. Sie seien viel zu kurz bzw. inhaltlich nicht nachvollziehbar. Überdies seien sie ohne eine – in diesem Einzelfall nach Meinung der Kammer unerlässliche – ambulante neurologisch-psychiatrische Untersuchung einschließlich test-psychologischer Untersuchung zu sozialmedizinischen Zwecken ergangen. Die Kammer stütze sich in ihrer Einschätzung auf die überzeugende Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des Beklagten zu den im Gerichtsverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen. Der Ärztliche Dienst des Beklagten werde die erforderliche Begutachtung mitsamt ambulanter Untersuchung mithilfe der von ihm vorzuhaltenden persönlichen und sächlichen Ausstattung schnell und kosteneffizient bewerkstelligen und binnen höchstens sechs Monaten erneut über die Sache entscheiden müssen. Das angerufene Gericht verfüge hingegen über keinen eigenen Ärztlichen Dienst und wäre auf teure, externe und langsamere Gutachter angewiesen. Die Kammer erachte daher die Zurückweisung der Sache an den Beklagten unter Aufhebung seiner angefochtenen Entscheidung für sachdienlich, damit es möglichst schnell und nicht erst in vielen Monaten oder Jahren eine in der Sache zutreffende Entscheidung geben könne (vgl. Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2019, S 12 SB 877/19). Das Gericht habe die Absicht, ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, da die Sache nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt sei.

Der Beklagte beantragt,

die Anordnung des Ruhens des Verfahrens,

hilfsweise: die Durchführung der mündlichen Verhandlung und

die Klageabweisung.

Er hat der Kammer am 27.06.2019 seine Verwaltungsakte vorgelegt. Er meint, die pauschalen Behauptungen des Gerichts entbehrten jeder Grundlage und seien nur unter dem Aspekt eines möglichst erledigungsträchtigen Vorgehens des Kammervorsitzenden, das unter dem Zeitdruck der gesetzlich vorgeschriebenen 6-Monats-Frist des § 131 Abs. 5 SGG stehe, erklärbar. Das Gericht behaupte überraschend, die Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes zu den im Gerichtsprozess beigezogenen Unterlagen sei unzureichend, ohne darzulegen, welche medizinischen Ausführungen aus welchem Grund bemängelt werden und zu welchen medizinischen Ausführungen ggf. Erklärungsbedarf (wegen fehlender eigener Sachkunde) gesehen werde. Die Kammer versuche einmal mehr, sich ihrem gesetzlichen Auftrag zur Ermittlung des Sachverhalts zu entziehen. Dieser Eindruck werde dadurch untermauert, dass die Kammer die behauptete Begutachtungsnotwendigkeit auf ein erstmals im Klageverfahren vorgelegtes und vorher dem Beklagten in keiner Weise bekanntes Pflegegutachten des MDK vom 10.09.2018 stütze und damit das Ausnahme-Regularium der Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG endgültig ad absurdum führe. Mit dem pauschalen Vorwurf der unzureichenden Sachverhaltsermittlung versuche die Kammer eine Zurückverweisung damit selbst in Fallkonstellationen zu rechtfertigen, in denen durch den neuen Klagevortrag entweder eine Begutachtung erstmals überhaupt sachdienlich erscheint oder erstmals (weitere) aufklärungsbedürftige Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers vorgetragen werden, ohne dass diese Umstände einer Begutachtung im Verwaltungsverfahren (Ermittlungsdefizit) überhaupt (schon) zugänglich gewesen wären. Damit würden dem Beklagten letztlich unzumutbare Ermittlungen ins Blaue hinein als rechtlicher Ermittlungsmaßstab auferlegt, obgleich das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung eben diesen Ermittlungsmaßstab für die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen zu Recht ablehnt. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb der Kammervorsitzende meine, ausschließlich durch eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung (einschließlich testpsychologischer Untersuchung), die der Beklagte durchführen müsse, die Lücken seiner sozialmedizinischen Sachkunde schließen zu können, finde sich damit jedenfalls nicht. Bezüglich der von Seiten des Beklagten bereits in vergleichbaren Fällen der 12. Kammer mehrfach reflexartig mittels Textbausteinen vorgebrachten Argumenten gegen Zurückverweisungsentscheidungen durch Gerichtsbescheid bzw. für die Anordnung des Ruhens des Verfahrens und für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird exemplarisch auf deren erschöpfende Darstellung im Tatbestand des Gerichtsbescheides zum Vorverfahren 12 SB 1588/19 vom 10.10.2019 (veröffentlicht in "juris") Bezug genommen.

Die Klägerin ist der seitens des Gerichts mitgeteilten Absicht, die Sache zur erneuten behördlichen Ermittlung und Entscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid zurückzuweisen, nicht entgegengetreten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und gemäß § 131 Abs. 1 und 5 SGG begründet im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der angegriffenen Entscheidung an den Beklagten zur neuerlichen Prüfung.

Nach § 131 Abs. 5 Satz 1 und 5 SGG kann das Gericht, hält es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten seit Eingang der Behördenakten aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Das gilt nach § 131 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 SGG auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts der hier vorliegenden Art.

Die Frist für die Zurückverweisung ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung am 07.12.2019 noch nicht abgelaufen, weil seit dem erstmaligen Eingang der Verwaltungsakte bei Gericht am 27.06.2019 noch keine sechs Monate verstrichen sind.

Die Kammer sieht noch erheblichen Ermittlungsbedarf, bevor über das Klägerbegehren entschieden werden kann. Das materiell-rechtliche Begehren der Klägerin ist auf die Feststellung eines höheren GdB von mindestens 50 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab dem 21.02.2018 gerichtet. Das Ausmaß der durch sie zu ertragenden Teilhabebeeinträchtigungen ist für die Kammer noch nicht mit dem erforderlichen Beweismaß – dem Vollbeweis – feststellbar, ohne das die vorhandenen Beweismittel ausgeschöpft wären.

Rechtsgrundlage für die Feststellung eines GdB ist § 152 Abs. 1 S 1 SGB IX. Nach dieser Vorschrift stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den Gesamt-GdB fest. Als Gesamt-GdB werden dabei nach § 152 Abs. 1 S 5 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wenn nicht ein niedrigerer Gesamt-GdB als 20 gegeben ist, § 152 Abs. 1 S. 6 SGB IX.

Durch den bis zum 14.01.2015 in der Vorgängervorschrift des § 69 Abs. 1 S 5 SGB IX enthaltenen Verweis auf die im Rahmen des § 30 BVG festgelegten Maßstäbe wurde auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem abgestellt, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden sind. Von diesen Mindestvomhundertsätzen leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (VersMedV) ab, wobei die nähere Ausgestaltung in der Anlage zu § 2 der VersMedV, den sogenannten Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG), erfolgt ist. Als Rechtsverordnung binden sie grundsätzlich sowohl Verwaltung als auch Gerichte.

Zu den nach § 152 Abs. 4 SGB IX in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 7 der Schwerbehinder-tenausweisverordnung (SchwbAwV) festzustellenden Merkmalen gehört das Merkzeichen "G", welches an schwerbehinderte Mensch vergeben wird, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist dabei nach § 229 Abs. 1 S 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Nach Teil D Ziff. 1 b) S 2 der VMG kommt es bei der Prüfung der Frage, ob die in § 229 Abs. 1 S 1 SGB IX genannten Voraussetzungen vorliegen, nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein d. h. alters-unabhängig von nicht behinderten Menschen noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.

Unter Berücksichtigung der sozialgerichtsverfahrensrechtlichen Vorgaben können in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts zur sozialmedizinischem Aufklärung von Amts wegen je nach Einzelfall sachverständige ambulante Untersuchungen und Begutachtungen dann zu veranlassen sein, wenn der Kläger mithilfe fachärztlicher Atteste einerseits das Vorliegen einer Behinderung hinreichend substantiiert hat, andererseits die aktenkundigen Berichte der den Antragsteller behandelnden Mediziner für eine abschließende Beurteilung noch nicht zur Bejahung der für den Vollbeweis erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausreichen, etwa wenn tatsächliche Zweifel fortbestehen, weil in den (Untersuchungs-, Behandlungs- bzw. Entlassungs ) Berichten die für die sozialmedizinische Beurteilung maßgeblichen Befunde entweder gar nicht dokumentiert, nicht hinreichend validiert, unschlüssig, nicht nachvollziehbar, veraltet oder anderweitig unzureichend sind und auch nicht durch die Beiziehung von medizinischen Unterlagen oder Auskünften behandelnder Ärzte beschafft werden können (SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19).

Gemessen an diesen Beurteilungsmaßstäben ist die durch die Klägerin erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage noch nicht spruchreif. Spruchreif wird sie erst sein, wenn nach Ausschöpfung der Aufklärungsmöglichkeiten entweder festgestellt oder nicht feststellbar sein wird, dass der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50 und/oder Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab 21.02.2018 besteht. Bevor hier über das Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigungen der Klägerin abschließend entschieden werden kann, besteht noch erheblicher Ermittlungsbedarf, weil zuvor eine sachverständige ambulante Untersuchung auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zu veranlassen ist durch einen ärztlichen Gutachter, für den die Klägerin nicht Patientin, sondern sozialmedizinische Probandin ist. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG wäre überdies noch die Anhörung eines von ihm benannten Arztes und/oder auf Inanspruchnahme des Fragerechts nach § 116 SGG die Einholung ergänzender Stellungnahmen der gehörten Ärzte durch das angerufene Sozialgericht zu veranlassen. Überdies wäre dem Beklagten bzw. dessen Ärztlichen Dienst zur Wahrung des verfassungskräftigen Anspruchs auf rechtliches Gehör Gelegenheit zur Stellungnahme zu den sozialgerichtlichen Ermittlungsergebnissen einzuräumen.

Im vorliegenden Einzelfall ist der Vollbeweis bezüglich des geltend gemachten Gesamt-Ausmaßes aller Teilhabe-Einschränkungen oder hinsichtlich des beanspruchten Merkzeichens allein durch die aktenkundigen medizinischen Unterlagen und Auswertungen noch nicht erbracht. Es bestehen jedoch hinreichend Anhaltspunkte für das Vorliegen eines GdB von mindestens 50 und einer erheblichen Gehbehinderung aufgrund der substantiierten Vorbringens der Klägerin im Verwaltungs- und Widerspruchs- und Klageverfahren sowie aufgrund der Vorlage bzw. Beiziehung aussagekräftiger Entlassungs- und Befundberichte bzw. Gutachten. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung erforderte hier die Einholung von einem Sachverständigengutachten, weil die insgesamt drei aktenkundigen gutachterlichen Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes des Beklagten sowie die ihnen zugrundeliegenden Berichte über die Gesundheitsstörungen der Klägerin keine abschließende sozialmedizinische Bewertung erlauben. Sie beruhen – erstens – nicht auf einer hinreichend aktuellen, vollständigen, fachlich fundierten, von den Zwängen eines Patientenverhältnisses unabhängigen Anamnese, Befunderhebung, Diagnostizierung und unvoreingenommener Würdigung des bisherigen Therapieverlaufs auf denjenigen medizinischen Fachgebieten, auf denen für den Gesamt-GdB erhebliche Funktionsstörungen vorliegen könnten. Die drei gutachterlichen Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes lassen – zweitens – keine hinreichend nachvollziehbare sozialmedizinische Würdigung erkennen, welche seitens des Gerichts auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfbar wäre.

Weiterer Ermittlungsbedarf besteht zuvörderst im Hinblick auf die sozialmedizinische Bildung des Gesamt-GdB.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Gesamt-GdB gemäß § 152 Abs. 3 S. 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Folglich werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (§ 2 Abs. 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen bestimmt. In einem zweiten Schritt sind diese mit einem Einzel-GdB zu bewerten und den jeweils unter Teil A Ziff. 2 Buchstabe e) der VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen. Innerhalb der Funktionssysteme sind die jeweiligen Einzel-GdB sodann zu einem Teil-GdB zusammen zu fassen. In einem dritten Schritt ist gemäß Teil A Ziff. 3 der VMG dann – in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Teil-GdB – in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle feste Grade angegeben sind.

Gemessen hieran kann die Kammer noch keine abschließende Bewertung des Gesamt-GdB vornehmen. Sie verfügt selbst nicht über hinreichend eigene sozialmedizinische Expertise, um die wechselseitigen Auswirkungen der durch den Beklagten wegen der einzelnen Funktionssysteme als Behinderungen anerkannten Teilhabebeeinträchtigungen des Klägers zu bewerten. Die Kammer kann sich insofern auch nicht auf eine nachvollziehbare und schlüssige sozialmedizinische Auswertung eines hierzu qualifizierten Arztes stützen.

Zwar ist die Bewertung des GdB nicht die vordringliche Aufgabe des medizinischen Sachverständigen. Wenn es indessen darum geht, alle Behinderungsmomente in einer Gesamtschau unter Beachtung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander einzuschätzen sind ärztliche Meinungsäußerungen jedoch unerlässlich. Ihnen kommt zwar bei der GdB-Schätzung keine bindende Wirkung zu; sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage (Fortführung von BSG, 27.01.1987, 9a RVs 53/85), so auch hier.

Im Fall der Klägerin kann sich die Kammer insbesondere nicht auf die im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen stützen. Sie enthalten zwar die Nennung eines "Gesamt-GdB" sowie eine Auflistung verschiedener (Einzel- oder Teil-?) "GdB". Es fehlen jedoch jeweils erschöpfende Ausführungen über die Bildung des Gesamt-GdB unter Anwendung der oben zitierten Vorgaben. Die gutachterlichen Stellungnahmen sagen letztlich viel zu wenig darüber aus, wie sich alle festgestellten Behinderungen im Zusammenwirken zueinander funktional auswirken. Hierzu hätte es in Anbetracht von Anzahl, Art und Ausmaß der erheblichen Gesundheitsstörungen bzw. Teilhabebeeinträchtigungen überzeugender sozialmedizinischer Ausführungen bedurft. Insbesondere ist für den sozialmedizinischen Laien nicht ersichtlich, wie sich im Fall der Klägerin das Zusammentreffen einer wohl schwerwiegenden somatoformen Schmerzstörung aus dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" mit leichteren Teilhabestörungen aufgrund organisch bedingter Schmerzen in den Funktionssystemen "Rumpf", "Obere Gliedmaßen" bzw. "Untere Gliedmaßen" auswirkt. Die Kammer weiß nicht, ob hier insofern jeweils Überschneidungen oder wechselseitige Verstärkungen vorliegen.

Überdies steht im vorliegenden Einzelfall einer abschließenden Bewertung des Gesamt-GdB auch entgegen, dass die Kammer schon die vom Ärztlichen Dienst des Beklagten denknotwendig vor dem Gesamt-GdB gebildeten und später zusammengefassten "GdB" teilweise nicht nachvollziehen kann. Für die Kammer ist in den gutachterlichen Stellungnahmen hinsichtlich sämtlicher Einzel-Funktionsstörungen bereits nicht erkennbar, anhand welcher konkreten Beurteilungsmaßstäbe die einzelnen, durch den Ärztlichen Dienst als nachgewiesen angesehenen Funktionsstörungen bewertet wurden. Es fehlt insofern zunächst jeweils eine Bezugnahme auf VersMedV bzw. VMG. In Unkenntnis der konkret heranzuziehenden Beurteilungsmaßstäbe vermag die Kammer erst recht nicht mit einer dermaßen hohen Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass dahingehend keine vernünftigen Zweifel mehr geboten wären, inwieweit diesbezügliche Beurteilungsspielräume bestehen bzw. auszuschöpfen sind.

Die Klage wäre außerdem – in Bezug auf GdB und Merkzeichen – selbst dann nicht spruchreif, wenn sich die Kammer die sozialmedizinische Kompetenz anmaßte, allein mithilfe der rudimentären Tabellen und Bemerkungen des Ärztlichen Dienstes des Beklagten sowie unter Heranziehung des für den medizinischen Laien nicht selbstverständlichen Wortlauts der VMG selbst (Einzel-, Teil- bzw. Gesamt-) GdB zu bestimmen, weil in tatsächlicher Hinsicht zu starke Zweifel über Art und Ausmaß der Behinderungen der Klägerin verblieben.

Zur Überzeugung der Kammer reichen in diesem Einzelfall die durch die Klägerin vorgelegten und die durch den Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen für eine abschließende Beurteilung noch nicht zur Bejahung der für den Vollbeweis erforderlichen Wahrscheinlichkeit aus, da Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die für die sozialmedizinische Beurteilung maßgeblichen Befunde darin nach unzureichender Validierung und zudem unvollständig dokumentiert worden sind und zudem nicht (mehr) den hier maßgeblichen Zeitraum abdecken. Ebenso wenig wird unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände allein durch die Beiziehung medizinischer Unterlagen bzw. Auskünfte seitens der behandelnden Ärzte eine hinreichende Beweismittellage erreicht werden können.

Im Einzelfall kann absehbar sein, dass allein die Einholung von Auskünften der Behandler unzureichend wäre, um umfassende, aktuelle und hinreichend objektivierte medizinische Befunde, anamnestische Angaben, fachärztliche Diagnosen und Therapieverläufe als sozialmedizinisch maßgebliche Anknüpfungstatsachen zu erheben bzw. eine schlüssige und nachvollziehbare Bewertung der strittigen Gesamt-Teilhabebeeinträchtigung zu ermöglichen, denn unter Umständen unterscheiden sich die Untersuchungsziele, -methoden und -ergebnisse in Abhängigkeit davon, ob eine Person entweder zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken oder zum Zwecke der sozialmedizinischen Beurteilung ärztlich untersucht wird (SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19).

Bei lebensnaher Betrachtung sind im Zuge der Auswertung der Angaben behandelnder Ärzte Zweifel geboten, ob und ggfs. inwiefern die Belastbarkeit ihrer Befundberichte, Diagnosen und sozialmedizinischen Einschätzungen unter legitimen Eigeninteressen sowie Ansprüchen ihrer Patienten leidet. Eine über vernünftige Zweifel regelmäßig erhabene Richtigkeit jeglicher Angaben seitens behandelnder Ärzte kann nicht für jeden Einzelfall unterstellt werden. Vielmehr ist bei deren Auswertung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass medizinische Behandler bei der Dokumentation ihrer Untersuchungen und Therapien sowie bei der Auskunft-Erteilung gegenüber Behörden und Gerichten einen wahren Drahtseilakt meistern müssen (SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19). Den nach alldem noch zu veranlassenden Begutachtungen selbst muss zur Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeiten bzw. Abrundung der Aktenlage in der Regel eine Beiziehung medizinischer Auskünfte seitens der von der Klägerin zur Untersuchung und Behandlung seiner Gesundheitsstörungen in Anspruch genommenen Mediziner vorausgehen (vgl. SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19).

Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren sowie des Inhalts des von Amts wegen beigezogenen medizinischen Unterlagen ist in diesem Einzelfall die ernsthafte Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass das Merkzeichen anzuerkennen und der Gesamt-GdB höher zu bewerten sein könnte, als der Beklagte außergerichtlich festgestellt hat. Bereits eine Gegenüberstellung der im Fall der Klägerin vom Beklagten als nachgewiesen angesehenen Funktionsstörungen mit den diesbezüglich aktenkundigen medizinischen Unterlagen zeigt, dass eine der Amtsermittlungspflicht und dem (Voll-) Beweismaß genügende Sachaufklärung erfordert, zur sozialmedizinischen Bewertung der Einzel- bzw. Teil-GdB auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet eine sozialmedizinisch motivierte Untersuchung und Begutachtungen durchführen zu lassen, weil andernfalls die für die sozialmedizinische Beurteilung maßgeblichen Befunde ohne Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnismittel für die tatrichterliche Überzeugungsbildung unzureichend blieben.

Bei der Annahme dieses weiteren Ermittlungsbedarfs stützt sich die Kammer auf die drei sozialmedizinisch besonders fachkundigen Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes des Beklagten aus dem Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren. Dieser hat im Klageverfahren nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt, dass es nach dem Inhalt der beiden MDK-Pflegegutachten seiner Meinung einer ambulanten gutachterlichen Untersuchung von Amts wegen bedürfe, um der Klägerin gerecht zu werden, weil die darin dokumentierten Sachverhalte aufgrund der fehlenden ärztlichen Qualifikation der Untersuchungsperson noch nicht dem Vollbeweis genügen. Nicht anders waren die beiden außergerichtlichen Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes des Beklagten (zum Gesamt-GdB und zum begehrten Nachteilsausgleich) im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren zu verstehen, soweit darin jeweils ausdrücklich ausgeführt worden ist, dass die verwaltungsaktenkundigen Unterlagen noch nicht hinreichend "nachvollziehbar" seien. Sinngemäß gab der Ärztliche Dienst mit allen drei Stellungnahmen jeweils zu verstehen, dass Einiges dafür spricht, dass die gesetzes- und verordnungskräftigen Voraussetzungen für die Begehren der Klägerin aufgrund der in den medizinischen Unterlagen dokumentierten Anknüpfungstatsachen zwar grundsätzlich sozialmedizinisch durchaus zu bejahen sein könnten, dass der Vollbeweis aber bislang daran scheitere, dass noch keine umfassende und sozialmedizinisch fachkundige Befund- und Anamneseerhebung bzw. -auswertung erfolgt ist.

Soweit der Beklagte zur Rechtsverteidigung trotz dieser Ausführungen meint, die Behauptungen des Gerichts in der Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid entbehrten jeder Grundlage, übersieht er den in der gerichtlichen Hinweisverfügung und im Tatbestand dieser Entscheidung wörtlich wiedergegebenen Inhalt der unmissverständlichen Einschätzung des Ärztlichen Dienstes des Beklagten, welcher die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen kontinuierlich bejaht hat. Das Gleiche gilt, soweit der Beklagte moniert, das Gericht behaupte überraschend, die Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes zu den im Gerichtsprozess beigezogenen Unterlagen sei unzureichend, ohne darzulegen, welche medizinischen Ausführungen aus welchem Grund bemängelt werden und zu welchen medizinischen Ausführungen ggf. Erklärungsbedarf (wegen fehlender eigener Sachkunde) gesehen werde, denn der Ärztliche Dienst des Beklagten selbst hält seine Entscheidung ausdrücklich für unzureichend und fordert deswegen weitere Sachaufklärung von Amts wegen. Es liegt auf der Hand, dass den (Berufs- und Ehrenamtlichen) Richtern der 12. Kammer die sozialmedizinische Expertise und Ausstattung fehlen, um im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die fehlende neurologisch-psychiatrische Hauptuntersuchung nebst testpsychologischer Zusatzuntersuchung nachzuholen, welche der Ärztliche Dienst des Beklagten zurecht verlangt.

Soweit der Beklagte meint, die Hinweise des Gerichts in der Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid seien zu pauschal, hält die Kammer die wörtliche Wiedergabe der vom Beklagten außer Acht gelassenen, streitentscheidenden Einschätzung seines Ärztlichen Dienstes und dessen rechtliche Bewertung auf insgesamt zwei weiteren DIN-A4 Seiten und unter ergänzendem Hinweis auf die veröffentlichte Entscheidungsbegründung in einem einschlägigen Vorverfahren (SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19) für ausführlich (genug).

Soweit der Beklagte mutmaßt, die Behauptungen des Gerichts in seiner Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid seien nur unter dem Aspekt eines möglichst erledigungsträchtigen Vorgehens des Kammervorsitzenden erklärbar, ist diese Darstellung aus den oben dargelegten Gründen – erstens – folgefehlerhaft. Sie ist – zweitens – falsch, weil der von der Kammer betriebene Begründungsaufwand bei Zurückverweisungsentscheidungen wesentlich größer ist als es bei Sachentscheidungen in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts allgemein üblich, worauf der Beklagte im Hinblick auf die vermeintliche "Schwierigkeit" ihrer Entscheidungen nicht zuletzt auch (hier) rekurriert, indem er auf eine 31-seitige Entscheidungsbegründung der Kammer in einem Vorerfahren abhebt. Die Darstellung des Beklagten ist – drittens – unrichtig, weil die herkömmliche alternative Fallbearbeitungsweise unter gerichtlicher Nachholung der vom Beklagten systematisch unterlassenen sozialmedizinischen Ermittlungen in ca. ¾ aller Rechtsstreitigkeiten in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts am Sozialgericht Karlsruhe zu einer Erledigung ohne eine – für den Berufsrichter arbeitsaufwendige – gerichtlichen Entscheidung(sbegründung nebst Tatbestandsformulierung) führt, weshalb die vom Beklagten gewohnte und gewünschte gerichtliche Amtsermittlung evidenter Maßen "erledigungsträchtiger" ist als die richterarbeitsintensive Prüfung des Sach- und Streitstandes jedes Einzelfalls durch die Kammer, zumal der Anspruch auf rechtliches Gehör des Beklagten der Kammer bei Zurückweisungsentscheidungen zusätzlich eine Auseinandersetzung mit dem ausufernden und teilweise rechtsmissbräuchlichem Vorbringen des Beklagten anlässlich der Ankündigung von Zurückverweisungsentscheidungen abverlangt (vgl. SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19; SG Karlsruhe, 10.10.2019, S 12 SB 1588/19). Viertens entspräche eine "erledigungsträchtige" richterliche Arbeitsweise dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwendung öffentlicher Mittel aus § 7 Abs. 1 HO BW und wäre demnach nicht per sé zu beanstanden. Fünftens ist es treuwidrig, wenn just die Verwaltung des Beklagten eine "erledigungsträchtige" Arbeitsweise moniert, obgleich das Land Baden-Württemberg selbst seiner Richterschaft eine übermäßig "erledigungsträchtige" Arbeitsweise abverlangt, weil es sie im Wege der chronischen Unterbesetzung seiner Gerichte und Staatsanwaltschaften systematisch zur Absenkung ihrer Sorgfaltsschwelle – einschließlich der veränderten, teils rechtswidrigen Anwendung des Prozessrechts – zwingt, obgleich das Bundesland hierdurch die richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG, den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und die Wirksamkeit des Rechts als Mittel individueller und kollektiver Konfliktbearbeitung, das heißt: den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG, massiv beschneidet (vgl. Carsten Schütz, Die Richtgeschwindigkeit der Justiz, NRV-Info Baden Württemberg, 02/2018, S. 3 ff., https://www.neuerichter.de/fileadmin/user upload/lv baden-wuerttemberg/NRV-Landesinfo 18 -02.pdf; vgl. Schilling, Die dunkle Seite des Mondes, NRV-Info Baden Württemberg, 02/2018, S. 17 ff., https://www.neuerichter.de/fileadmin/user upload/lv baden-wuerttemberg/NRV-Landesinfo 18 -02.pdf; vgl. Bleckmann, Mitbestimmung sieht anders aus , NRV-Info Baden Württemberg, 02/2018, S. 9 ff., https://www.neuerichter.de/fileadmin/user upload/lv baden-wuerttemberg/NRV-Landesinfo 18-02.pdf, Beer, Jeden Tag widerstehen, NRV-Info Baden Württemberg, 02/2018, S. 3 ff., https://www.neuerichter.de/fileadmin/user upload/lv baden-wuerttemberg/NRV-Landesinfo 18-02.pdf; jeweils mit weiteren Nennungen) bzw. schlechter-dings die Axt an die Wurzeln von Rechtsstaat und Demokratie anlegt (vgl. Verfassungsrichter Peter Müller, "Müssen Aushöhlung des Rechtsstaats verhindern!", FOCUS Online, 29. Juli 2019, https://www.focus.de /politik/gerichte-in-deutschland/gastbeitrag-fuer-focus-online-verfassungsrichter-peter-mueller-justiz-gut-aufgestellt-aber-es-drohen-grosse-gefahren id 1097 2378.html) und sich schleichend von seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung verabschiedet.

Soweit der Beklagte meint, die Kammer versuche einmal mehr, sich ihrem gesetzlichen Auftrag zur Ermittlung des Sachverhalts zu entziehen, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Kammer einmal mehr den Beklagten verurteilt, seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts nachzukommen, weil der Klägerin ohne die Zurückverweisung zwei Tatsacheninstanzen verloren gingen und sie unangemessen lange auf den Abschluss der ihr bereits jetzt seit fast zwei Jahren zustehenden sozialmedizinischen Ermittlungen warten müsste (vgl. SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19).

Soweit der Beklagte meint, der Eindruck, die Kammer wolle die Amtsermittlungspflicht unterlaufen, werde dadurch untermauert, dass sie die behauptete Begutachtungsnotwendigkeit auf ein erstmals im Klageverfahren vorgelegtes und vorher dem Beklagten in keiner Weise bekanntes Pflegegutachten des MDK vom 10.09.2018 stütze und damit das Ausnahme-Regularium der Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG endgültig ad absurdum führe, kann sich die Kammer dieser Argumentation sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen nicht anschließen. In tatsächlicher Hinsicht hat der Ärztliche Dienst des Beklagten ausgeführt, dass sich "bei der Begutachtung am 10.09.2018 in Art und Umfang nahezu identische Einschränkungen der Selbständigkeit und der Fähigkeiten wie zum Zeitpunkt des Vorgutachtens ergaben" und damit Ermittlungen aus denselben Gründen für erforderlich gehalten wie schon im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Sie unterblieben außergerichtlich offenkundig nur, weil der Beklagte die Beiziehung des bereits bei Erlass des hier angefochtenen Widerspruchsbescheides fast sieben Monate alten neueren Pflegegutachtens amtsermittlungswidrig unterlassen hatte und die im hiesigen Einzelfall nötigen ambulanten Untersuchungen zu Begutachtungszwecken infolge seiner rechtswidrigen und diskriminierenden Einsparungen der für seine Aufgabenerledigung unerlässlichen sächlichen, räumlichen und persönlichen Mittel prinzipiell nicht durführen kann bzw. will, weil ihm die Verwirklichung der bundesgesetzlichen Ansprüche von Menschen mit Behinderung schlechterdings nicht wichtig genug ist (vgl. SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19). Zweitens nimmt der Beklagte anscheinend an, Zurückverweisungsentscheidungen hätten irgendeinen Sanktionscharakter. Dies ist nicht der Fall. Für Zurückverweisungen nach § 131 Abs. 5 SGG bedarf es – anders als bei der Kostenauferlegung nach § 192 Abs. 4 SGG – nicht der gerichtlichen Feststellung, dass die Behörde außergerichtlich erkennbare und notwendige Ermittlungen unterlassen hat, weil Zurückverweisungen anlässlich von Verpflichtungsklagen beispielsweise auch sachdienlich sein können, etwa wenn erstmals im Klageverfahren überhaupt Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens besteht, nachdem das Vorbringen eines Rechtssuchenden erst vor Gericht an Substanz gewonnen hat, oder weil eine wesentliche Änderung der Sachlage in Form einer erheblichen Besserung oder Verschlimmerung des entscheidungserheblichen Gesundheitszustands hinreichend dargelegt oder von Amts wegen ersichtlich ist.

Der Beklagte meint schließlich zu Unrecht, ihm würden unzumutbare Ermittlungen "ins Blaue hinein" auferlegt. Die Kammer hält hingegen sozialmedizinische Ermittlungen nur dann für angezeigt, wenn der Kläger mithilfe fachärztlicher Atteste einerseits das Vorliegen einer Behinderung hinreichend substantiiert hat, andererseits die aktenkundigen Berichte der den Antragsteller behandelnden Mediziner für eine abschließende Beurteilung noch nicht zur Bejahung der für den Vollbeweis erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausreichen, etwa wenn tatsächliche Zweifel fortbestehen, weil in den (Untersuchungs-, Behandlungs- bzw. Entlassungs ) Berichten und ggfs. beigezogenen Gutachten die für die sozialmedizinische Beurteilung maßgeblichen Befunde entweder gar nicht dokumentiert, nicht hinreichend validiert, unschlüssig, nicht nachvollziehbar, veraltet oder anderweitig unzureichend sind und auch nicht durch die Beiziehung von medizinischen Unterlagen oder Auskünften behandelnder Ärzte beschafft werden können (SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19), was der Ärztliche Dienst des Beklagten im vorliegenden Fall in jedem Verfahrensstadium angenommen hat, ohne jemals von der Sachbearbeitung des Beklagten gehört zu werden, s.o.

Bereits die Einholung eines einzigen Sachverständigengutachtens ist nach Art und Umfang "erheblich" im Sinne des § 131 Abs. 5 SGG (SG Karlsruhe, 10.10.2019, S 12 SB 1588/19; Landessozialgericht Baden-Württemberg, 20.10.2015, L 11 R 2841/15).

Die Kammer hält es auch für sachdienlich, die Sache an den Beklagte zurückzuweisen. Die Entscheidung zur Zurückweisung nach § 131 Abs. 5 SGG steht im Ermessen des Gerichts. Es muss deshalb prüfen, ob es sich im Einzelfall zu einer Zurückweisung an die Behörde entschließt oder stattdessen die unterlassene Sachverhaltsaufklärung selbst nachholt und die Sache spruchreif macht. Nach Meinung der 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe ist das diesbezügliche Entschließungsermessen des Gerichts wegen des fortbestehenden systematischen weiterhin auf Null reduziert. Jedenfalls im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Karlsruhe sind in allen Streitigkeiten des Schwerbehindertenrechts, in denen im Einzelfall nach Art und Umfang noch als erheblich anzusehende sozialmedizinische Ermittlungen über Art und Ausmaß behinderungsbedingter Teilhabeeinschränkungen nötig sind, bevor in der Sache entschieden werden kann, bis zur Beseitigung des langjährigen, diskriminierenden und rechtsstaatswidrigen Ermittlungsdefizits der Landesversorgungsverwaltung die Eignung, die Erforderlichkeit und die Sachdienlichkeit der Zurückverweisung an den Beklagten im Sinne des § 131 Abs. 5 SGG zu bejahen, weil die Zurückverweisung dem öffentlichen Interesse an einer verfassungsmäßigen Verwaltung, dem Interesse beider Beteiligten an der Beschleunigung des Verfahrens und dem pekuniären Interesse des Beklagten an einem möglichst niedrigen Kostenaufwand dienen (SG Karlsruhe, 29.07.2019, S 12 SB 877/19). Irgendwelche Gründe, aus denen eine Zurückweisung im vorliegenden Einzelfall nicht sachdienlich bzw. nicht ermessensgerecht sein sollte, sind weder zur Überzeugung der Kammer vorgetragen noch von Amts wegen ersichtlich. Bezüglich der von Seiten des Beklagten auch in diesem Verfahren mittels Textbaustein pauschal vorgebrachten Zweifeln an der Sachdienlichkeit von Zurückweisungen wird exemplarisch auf die erschöpfenden Ausführungen der Kammer im Gerichtsbescheid zum Vorverfahren 12 SB 1588/19 vom 10.10.2019 (veröffentlicht in "juris") Bezug genommen.

2. Der vom Beklagten wiederholt per Textbaustein begründete Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGG als unzulässig verworfen, weil ein Antrag gegen eine Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht statthaft ist (und überdies selbst gegen diesen Gerichtsbescheid nicht statthaft ist, weil gegen ihn die Berufung gegeben ist, da eine solche nach § 143 SGG auch zulässig gewesen wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte, denn eine Berufung hätte der keiner Zulassung bedurft, vgl. § 144 Abs. 1 SGG).

3. Der vom Beklagten ebenfalls wiederholt per Textbaustein begründete Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens wird als unzulässig verworfen, weil er zur vollen tatrichterlichen Überzeugung der Kammer in rechtsmissbräuchlicher Weise zum Zwecke der Verschleppung des Verfahrens über die Sechs-Monats-Frist für Zurückverweisungen aus § 131 Abs. 5 SGG gestellt worden ist. Zur Begründung wird ebenfalls auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid zum Vorverfahren 12 SB 1588/19 vom 10.10.2019 (veröffentlicht in "juris") verwiesen.

4. Das Gericht entscheidet über all dies nach vorangegangener Anhörung der Beteiligten gemäß §§ 105, 3 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter und ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Bezüglich der insofern wiederholt mittels Textbaustein vorgebrachten Einwendungen gegen das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Entscheidungsform in Fällen der vorliegenden Art sowie wegen der Ausübung des gerichtlichen Entschließungs-ermessens wird ebenfalls exemplarisch auf die in jeder Hinsicht übertragbaren und bereits erschöpfenden Ausführungen der Kammer im Gerichtsbescheid zum Vorverfahren 12 SB 1588/19 vom 10.10.2019 (veröffentlicht in "juris") Bezug genommen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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