S 8 KR 756/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Konstanz (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 756/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Handelsübliche Patientenlifter sind nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung als Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, wenn Versicherte vollstationär in Heim gepflegt werden. Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel, wozu auch handelsübliche Lifter gehören, zu sorgen.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Versorgung mit einem Patientenlifter.

Der im Jahr 1951 geborene Kläger lebt seit November 2014 vollstationär im Pflegeheim der Beigeladenen in S. Von der Pflegekasse wurde er ab Mai 2014 in die Pflegestufe II eingestuft (vgl. Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – MDK – vom 05.12.2014), bzw. ab 01.01.2017 in den Pflegegrad 3.

Am 31.08.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für einen Lifter mit Bändern. Beigefügt war eine Verordnung der Allgemeinmedizinerin Dr. W. vom 28.08.2017, in der ihm der Lifter mit Bändern für den Bett-Rollstuhltransport wegen Tetraparese rezeptiert worden war.

Mit Bescheid vom 07.09.2017 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, da der Kläger in einer vollstationären Einrichtung versorgt werde. Der Träger des Heimes habe die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel bereitzustellen. Dies betreffe alle Hilfsmittel, die üblicherweise im Heim für eine adäquate Pflege und Betreuung benötigt würden. Der beantragte Lifter sei vom Heim zur Verfügung zu stellen. Das beantragte Hilfsmittel begründe keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.

Den hiergegen angestrengten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass das Pflegeheim in Singen zwar über zwei verschiedene Lifter verfüge. Beide seien aber für ihn zum Umlagern vom Rollstuhl ins Bett und umgekehrt ungeeignet. Nur mit einem Lifter mit Bändern sei ein Umlagern mit erträglichen Schmerzen möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die vom Kläger beantragte Leistung stelle ein Hilfsmittel zur Durchführung und Unterstützung der Mobilität dar, welches laut der bestehenden Rahmenvereinbarung ausschließlich durch das Heim der Beigeladenen selbst zu erbringen oder auch ggf. auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Heimbewohner anzupassen sei.

Am 04.04.2018 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben. Er führt an, dass das Heim seiner Verpflichtung, die üblicherweise für die Transfers geeigneten Hilfsmittel zu Verfügung zu stellen, durchaus nachgekommen sei. Seine individuelle, besondere Situation durch permanent vorhandenen Schmerzen ließe aber den Einsatz dieser vom Heim gestellten Hilfsmittel nicht zu.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

den Bescheid der Beklagten vom 07.09.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm den verordneten Lifter mit Bändern zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt an, dass der begehrte Lifter ein handelsüblicher Lifter sei und keine Sonderanfertigung und somit vom Heim vorzuhalten sei.

Die Beigeladene argumentiert, dass die von dem Heim zur Verfügung gestellten Lifter für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig seien, während der streitige Lifter ausschließlich für den Kläger erforderlich sei. Ohne den Lifter sei es dem Kläger nicht möglich, seine Behinderung auszugleichen und die allgemeinen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen.

Zum 01.11.2018 wurde das Verfahren von der 12. auf die 8. Kammer übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte genommen.

Entscheidungsgründe:

Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache - wie hier - keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden. Ihre Zustimmung ist hierfür nicht erforderlich (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 105 SGG, Rn. 40).

Die Klage war sachdienlich als Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung einer Sachleistung, nämlich des Lifters mit Bändern auszulegen. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit dem Lifter mit Bändern.

Nach § 33 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind (Satz 1). Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegbetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt (Satz 3).

Versicherte, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit zum selbstständigen Aufstehen, Gehen und Stehen verloren haben, können zur Erhaltung ihrer Mobilität grundsätzlich einen Patientenlifter gemäß § 33 SGB V als Hilfsmittel beanspruchen (vgl. LSG Thüringen, Urteil vom 28.01.2013 - L 6 KR 955/09 -, juris).

Die Anwendung des § 33 SGB V ist grundsätzlich auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger zum Kreis pflegebedürftiger Personen nach §§ 14, 15 SGB XI gehört und der Lifter auch der Erleichterung seiner Pflege dient. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihnen eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Die Pflegekasse ist jedoch nur für die Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln im häuslichen Bereich zuständig (BSG, Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 17/99 R -, juris). Grundsätzlich sind die Krankenkassen zur Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln unabhängig davon verpflichtet, ob sie in einer eigenen Wohnung oder einem Heim leben (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.06.2016 – L 16/1 KR 211/14 –, Rn. 21, juris).

Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet aber dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt. Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen. Die gesetzliche Krankenversicherung hat einem Pflegeheimbewohner nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die nicht der Sphäre der vollstationären Pflege zuzurechnen sind. Das sind im Wesentlichen individuell angepasste Hilfsmittel, die ihrer Natur nach für den einzelnen Versicherten bestimmt und grundsätzlich nur für ihn verwendbar sind (z.B. Brillen, Hörgeräte, Prothesen); sowie Hilfsmittel, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses außerhalb des Pflegeheimes dienen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.06.2016 - a.a.O., Rn. 23).

Daraus folgt vorliegend, dass der begehrte Lifter vom beigeladenen Heimträger bzw. der Einrichtung zur Verfügung zu stellen ist. Er gehört als handelsüblicher Lifter, der keine Sonderanfertigung darstellt, insbesondere nicht zu den individuell angepassten Hilfsmitteln (Brillen, Prothesen), für die stets die Krankenkasse zuständig ist (vgl. LSG Thüringen, Urteil vom 28.01.2013 - L 6 KR 955/09 -, Rn. 24, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.08.2009 - L 11 KR 96/07 -, juris). Ein Patientenlifter dient als Mobilitätshilfe vorrangig der Pflege, er ermöglicht und erleichtert die Grundpflege (LSG Thüringen, Urteil vom 28.01.2013 – a.a.O., LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.08.2009 – a.a.O., LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.06.2016 - a.a.O., Rn. 28). Bei der Verwendung von Patientenlifter steht nicht der Behinderungsausgleich im Vordergrund, sondern die Ermöglichung und Erleichterung von Pflegemaßnahmen.

Ob die von dem Heim bereitgehaltenen Lifter, die nicht für Transfers beim Kläger geeignet sind, üblicherweise für die Transfers geeignetes Hilfsmittel sind, ist vorliegend nicht relevant. Es besteht die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 3, 2. Hs. SGB V). Die Hilfe bei Transfers vom Bett oder Rollstuhl fällt dabei offensichtlich unter den üblichen Pflegebetrieb. Auch bei Personen, bei denen – wie beim Kläger – eine besondere gesundheitliche bzw. behinderungsbedingte Situation vorliegt, hat das Heim den üblichen Pflegebetrieb zu gewährleisten, sei es ggf. durch verstärkten Personaleinsatz oder eben unter Heranziehung von geeigneten Hilfsmitteln.

Ein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Versorgung mit dem begehrten Lifter besteht daher nicht.

Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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