S 3 U 1185/95

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 1185/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1538/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 02.02.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1995 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, eine Übergangsleistung gemäß § 3 Abs. 2 BKVO zu zahlen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Der 1960 geborene Kläger war wie Folgt berufstätig: August 1975 bis Januar 1979 Kfz.-Mechanikerlehre bei der Firma C. in C-Stadt; September 1979 bis April 1980 Maschinenarbeiter be der D-AG, D-Stadt; April 1980 bis Juni 1981 Soldat bei der Bundeswehr; Juli 1981 bis Februar 1985 Maschinenführer bei der D-AG; Februar 1985 bis 04.01.1991 Rangierer bei der D-AG; ab 05.01.1991 bis heute Verlader und Multifahrer bei der D-AG.

Unter dem 19.11.1990 teilte Dr. E., Werksarzt der D-AG, der Beklagten folgendes mit: "0.g. Mitarbeiter ist seit Februar 1985 bei uns als Rangierer beschäftigt. Wegen Kniebeschwerden stellte er sich bei einem Orthopäden vor, der eine initiale mediale Gonarthrose beschreibt (Befund s. Anlage). Um das Entstehen einer Berufskrankheit nach 2102 zu verhindern, haben wir ihn als Rangierer als nicht mehr einsatzfähig beurteilt. Ab dem 07.01.1991 wird er im Lager eingestellt, wobei eine Gehaltsminderung eintritt. Wir bitten um entsprechende Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung. Die Entbindung der Schweigepflicht liegt uns vor."

Dr. E. überreichte einen orthopädischen Bericht von Dr. F., A-Stadt, vom 09.04.1990. In diesem heißt es unter anderem: "Herr A. berichtet über Schmerzen im re. Knie von wechselndem Ausmaß beim Fußballspiel und bei schwerer Belastung, oder auch nach schwerer Belastung. Diagnose: Initiale mediale Gonarthrose mit Ligamentose des medialen Kapselbandapparates."

Auf Anfrage teilte Dr. F. der Beklagten folgendes mit: "Der o.g. Patient befindet sich seit 27.06.1986 hier in Behandlung. Nach meinem Erachten handelt es sich bei der Erkrankung nicht um eine meldepflichtige Berufskrankheit. Eine Fotokopie der letzten Arztberichte und die Röntgenbilder übersenden wir Ihnen als Anlage."

Dr. F. überreichte einen orthopädischen Bericht von Dr. G. (Gemeinschaftspraxis Dr. H./Dr. F.) vom 29.08.1990. In diesem heißt es unter anderem: "Besten Dank für die freundliche Überweisung des o.g. Patienten. Die Vorgeschichte darf als bekannt vorausgesetzt werden. Wir verweisen auf unseren Vorbefund vom 09.04.1990. Bis vor ca. 6 Wochen habe Herr A. noch einen Ruheschmerz im rechten Knie gehabt. Dieser wird als leichtes Ziehen angegeben. Seit 6 Wochen sei er allerdings völlig beschwerdefrei. Wie bereits früher beschrieben findet sich lediglich im medialen Tibiaplateaubereich eine leichte vermehrte subchondrale Sklerosierungszone. Ansonsten ist das Kniegelenk ohne wesentlichen pathologischen Veränderungen. Diagnose: Zustand nach medialer Kapsel-Band-Reizung im Kniebereich links. Die leichten subchondralen Sklerosierungszonen sind auf eine vermehrte Überlastung im medialen Gelenkanteil zurückzuführen. Rückschlüsse auf eine in Zukunft deutlich zunehmende Arthrose lassen sich hieraus mit Sicherheit nicht schließen. Unter dem jetzt vorliegenden Befund liegt von orthopädischer Seite her meines Erachtens jetzt keine wesentliche Einschränkung der Belastbarkeit vor. Es lassen sich prognostisch keine Aussagen machen, ob es hier zu einem vorzeitigen Verschleiß kommt. Die jetzige Tätigkeit als Rangierer ist meines Erachtens auch weiterhin zumutbar."

Die Beklagte zog Auskünfte der D-Betriebskrankenkasse vom 08.01.1991 und vom 16.03.1992 bei. Aus diesen ergibt sich, daß der Kläger in der Zeit vom 20.05. bis 30.05.1986 arbeitsunfähig erkrankt war wegen einer Luxation des rechten Knie anläßlich eines Sportunfalles.

Auf Anfrage teilte der Kläger unter dem 14.05.1991 unter anderem mit, daß er seit Januar 1990 Schmerzen im rechten Knie habe; diese seien auf das Auf- und Abspringen von den Waggons in seiner Tätigkeit als Rangierer zurückzuführen.

Auf Anfrage teilte Dr. E., Werksarzt der D-AG, der Beklagten unter dem 12.09.1991 folgendes mit: "Bis etwa Ende Januar 1991 ist o.g. Mitarbeiter noch als Rangierer in 3 Schichten bei der Werkeisenbahn tätig gewesen (Lohngruppe G). Danach wurde er in der Kostenstelle 4016-3 (Transport/Versand) eingesetzt. Er arbeitet hier im Dreischicht-Rhythmus überwiegend als Staplerfahrer (ca. 80 %), gelegentlich als Verteiler (Körbe an Kräne hängen), Vergütung erfolgte in Gruppe F. Der Mitarbeiter gibt spontan an, daß die Beschwerden im Knie nach der Umsetzung deutlich zurückgegangen sind."

Weiter zog die Beklagte die Unterlagen von Dr. J. bei. - In einem Kurzbericht der Orthopädischen Klinik A-Stadt vom 17.05.1986 wird folgende Diagnose gestellt: "Distorsion rechtes Kniegelenk, Prellung rechter Innenknöchel". In einem orthopädischen Bericht von Dr. H., H-Stadt, vom 27.06.1986 heißt es unter anderem: "Herr A. hat sich vor etwa 6 Wochen beim Fußballspielen am rechten Knie verletzt. Bei angewinkeltem Knie habe er einen Preßschlag gegen die Knieinnenseite erhalten, wobei sich das Knie herumgedreht habe. Er könne zwar laufen, beim Training könne er jedoch schmerzhalber nicht gegen den Ball treten. Beruf: Rangierer bei D. Röntgenaufnahmen des rechten Kniegelenkes lassen keine, das Altersausmaß überschreitende, degenerative Veränderungen erkennen. Etwas medialisiert stehende Kniescheibe im Gleitlager. Reizknie rechts (Knieinnenbandreizung)."

Die Beklagte veranlaßte eine Begutachtung durch die chirurgische Klinik des Roten-Kreuz-Krankenhauses Kassel. Das aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 29.06.1992 unter dem 10.05.1994 durch Dr. K./Oberarzt Dr. L. erstellte Gutachten führte unter anderem folgendes aus: "Röntgenuntersuchung des rechten Kniegelenkes in 2 Ebenen und Patella tangential (linkes Kniegelenk zum Vergleich): Die Gelenkflächen des Kniegelenkes sind glatt begrenzt. Die Gelenkspalte sind nicht verschmälert. Das laterale Tibiaplateau ist angedeutet wellig konfiguriert. Keine peri- oder intraartikulären Verkalkungen. Auf der Defilè-Aufnahme der Patella sind beide Patellafacetten gleich ausgebildet. Geringfügige Medialisierung der Patella. Der Retropatellarraum ist nicht eingeengt. Die abgebildeten Knochenabschnitte zeigen einen normalen Kalksalzgehalt bei geordneter Knochenbälkchenarchitektur. Radiologisch finden sich identische Befunde an beiden Kniegelenken. C. Beurteilung. Bei Herrn A. besteht ein Zustand nach Kniegelenkbeschwerden, die in dem Zeitraum vom Januar 1990 bis mindestens Dezember 1990, nach ärztlichem Befundbericht (Blat 7 d. BG-Akte) bis Mitte Juli 1991 bestanden haben. Zum Zeitpunkt der Untersuchung ist ein wesentlicher pathologischer Befund nicht zu erheben, insbesondere ergeben sich keinerlei Hinweise auf einen Meniskusschaden. Nach Anzeige des Arbeitgebers von Herrn A. sollen diese Beschwerden auf die Berufskrankheit BK-Nr. 2102 (Meniskusschaden) zurückzuführen sein. Nach der Neufassung der Berufskrankheit Nr. 2102 (berufsbedingter Meniskusschaden) sind zur Anerkennung einer chronischen Meniskusschädigung folgende Voraussetzungen gefordert: 1. Überdurchschnittliche berufsbedingte Kniegelenkbelastung, 2. Andauernde Belastung bei gleichzeitiger Kraftaufwendung, d.h. die Tätigkeit während eines wesentlichen Teils der täglichen Arbeitszeit in einer Dauerzwangshaltung ausgeübt worden sein bzw. es muß sich um eine häufig wiederkehrende Bewegungsbeanspruchung handeln. 3. Mehrjährige berufsbedingte Dauerzwangshaltung oder Bewegungsbeanspruchung (in der Regel mindestens 10 Jahre), 4. Durch eine Gewebeuntersuchung (eventuell auch durch Ultraschallbild) gesicherte Diagnose des Meniskusschadens. Für die Entstehung von Meniskopathien ist eine pathologische Gelenkmechanik erforderlich, bei der Kräfte einwirken, die die mechanische Widerstandsfähigkeit des Meniskusgewebes übersteigen. Dies ist dann der Fall, wenn die Menisken starken Scherkräften ausgesetzt sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Menisken bei extremer Beugung unter Druck festgehalten werden (sog. "Knorrenzange") und gleichzeitig Gelenkbewegungen unter Belastung durch schwere Arbeit erfolgt. Derartige Belastungsformen ergeben sich bei Arbeit in Dauerzwangshaltung, insbesondere Hocken und Knien. Aber auch dynamische Bewegungsabläufe können zu vergleichbaren Situationen führen. Dies ist zum Beipiel der Fall, wenn bei Beuge- und Torsionsbewegungen die Menisken zwischen die Kondylen geraten und dann beim plötzlichen willkürlichen oder auch reflektorischen Muskelkraftverschluß vergleichbaren Scherkräften ausgesetzt sind. Dabei ist entscheidend die häufige Wiederholung dieser Traumatisierung. Aus diesen Gründen ist ein Meniskusschaden zum Beipiel bei Rangierern als Berufskrankheit anerkannt. In der o.g. Meldung des Arbeitgebers über eine Berufskrankheit wird die Rangierer-Tätigkeit des Herrn A. angeführt. Diese Tätigkeit hat Herr A. in der Zeit vom 26.02.85 bis 04.01.91, also 5 Jahre ausgeübt. Mithin hat in diesem Zeitraum eine überdurchschnittliche berufsbedingte Belastung bestanden. Durch ständiges Auf- und Abspringen von den zu rangierenden Waggons und Gehen auf dem unebenen Gleisbett findet ein Bewegungsablauf im o.g. Sinne auf, der einen schädigenden Einfluß auf den Meniskus haben kann. Nach allgemeiner wissenschaftlicher Auffassung sollte diese Bewegungsbeanspruchung in der Regel 10 Jahre bestehen. Im übrigen werden weitere, die Entstehung eines Meniskusschadens eventuell begünstigende Beschäftigungen nicht angegeben, außer daß er regelmäßig an Wochenenden Fußball gepielt habe. Nach den vorliegenden ärztlichen Befundberichten ist von folgenden Diagnosen die Rede: "Initiale Gonarthrose mit Ligamentose des medialen Kapselbandapparates", "Zustand nach medialer Kapsel-Band-Reizung im Kniebereich links "((?) Schreibfehler). Der Verdacht auf einen Meniskusschaden wurde zu keinem Zeitpunkt geäußert. Im Schreiben des werksärztlichen Dienstes der D AG, Werk B-Stadt an die Süddeutsche Metall-BG heißt es: "Um das Entstehen einer Berufskrankheit nach 2102 zu verhindern, haben wir ihn als Rangierer als nicht mehr einsatzfähig beurteilt", d. h. auch von dieser Seite wird nicht das Vorliegen einer Berufskrankheit behauptet, sondern lediglich das "Entstehen einer Berufskrankheit" soll verhindert werden. Daß das rechte Kniegelenk belastbar ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß Herr A. relativ regelmäßig ohne Beschwerden Tennis spielt. Zusammenfassend muß, da zum Zeitpunkt der Untersuchung Beschwerdefreiheit besteht, auch die Belastbarkeit des rechten Beines nicht wesentlich beeinträchtigt ist und die geforderte mehrjährige, in der Regel mindestens 10-jährige überdurchschnittliche Bewegungsbeanspruchung nicht gegeben ist, das Vorliegen einer Berufskrankheit BK-Nr. 2102 (Meniskusschaden) verneint werden."

Auf Anfrage teilte der Kläger der Beklagten unter dem 28.06.1994 unter anderem folgendes mit: "In Erledigung obigen Schreibens teile ich Ihnen mit, daß sich meine Kniebeschwerden gebessert haben, nachdem ich meine Tätigkeit als Rangierer im D-Werk nicht mehr ausführe. Ich bin seitdem und auch voraussichtlich weiter als Staplerfahrer tätig."

In seiner Stellungnahme vom 24.10.1994 schloß sich der Landesgewerbearzt dem Gutachten der Chirurgischen Klinik des Roten-Kreuz-Krankenhauses Kassel an und verneinte das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Ziffer 2102 der Anlage 1 zur BKVO. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 19.12.1994 führte der Landesgewerbearzt folgendes aus: "Im vorliegenden Erkrankungsfall sind meines Erachtens zum jetzigen Zeitpunkt keine Maßnahmen nach § 3 BeKV erforderlich (Minderverdienst durch innerbetriebliche Umsetzung), da aufgrund der Angaben in der Akte keine Hinweise für eine Erkrankung der Menisken vorlagen, lediglich Beschwerden nach einem Kniegelenkstrauma (Kniegelenksdistorsion). Zwar war die innerbetriebliche Umsetzung meines Erachtens krankheitsbedingt wünschenswert, jedoch mußte nicht das Entstehen einer BK befürchtet werden. Auch wird die außerberufliche kniebelastende Freizeitaktivität (Tennisspielen) problemlos toleriert."

Mit Bescheid vom 02.02.1995 verneinte die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO. Desweiteren verneinte sie einen Anspruch auf Leistungen nach § 3 der BKVO. - Auf die Begründung wird Bezug genommen. Am 15.02.1995 ging der Widerspruch bei der Beklagten ein. Der Kläger ist der Auffassung, daß in seinem Fall die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKVO gerechtfertigt seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Am 10.10.1995 ging die Klage beim Sozialgericht Kassel ein. Mit ihr begehrt der Kläger die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKVO.

Zur Begründung überreichte der Kläger eine Stellungnahme von Dr. E., Werksarzt der D AG vom 22.03.1996. Diese hat folgenden Wortlaut: "Entgegen der Auffassung der Süddeutschen Berufsgenossenschaft sind Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung doch zu gewähren. Im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung als Rangierer am 05.04.1990 beklagte der Mitarbeiter zunehmende Schmerzen im rechten Knie. Drei Jahre vorher habe er einen Sportunfall gehabt. Der Befund eines Fachorthopäden vom 09.04.1990 ergab eine "initiale mediale Gonarthrose mit Ligomentose des medialen Kapselbandapparates". Als betreuender Arbeitsmediziner mußte ich den damals 29-jährigen Mitarbeiter dahingehend beraten, daß bei der allgemein anerkannten, besonderen Belastung der Knie im Rangierberuf er in Zukunft diesen Beruf nicht weiter ausüben sollte, da sonst eine Verschlimmerung seines Kniebefundes zu erwarten ist. Da in der BK 2102 auch insbesondere der Beruf des Rangierarbeiters als gefährdet genannt ist, erklärte ich dem Mitarbeiter, daß es auch darum geht, die Entstehung einer Berufskrankheit zu verhindern, denn es sei nur die Frage der Zeit, bis bei ihm auch ein chronischer Meniskusschaden entstände und klärte ihn auf, daß bei der Berufsgenossenschaft ein Antrag auf § 3-Maßnahmen der Berufskrankheiten-Verordnung gestellt werde, wenn er bei seinem neuen Arbeitseinsatz eine geringere Bezahlung bekäme. Dieser Antrag wurde von der Berufsgenossenschaft mit Schreiben vom 13.02.1996 zu unrecht abgelehnt mit folgenden Begründungen: Es wird festgestellt, daß es sich nicht um eine primäre sondern sekundäre Meniskopathie handelt und deshalb keine Berufskrankheit vorliege und auch nicht entstehen könne und so auch selbstverständlich keine Maßnahmen nach § 3 BK-Verordnung in Betracht kämen. In dem Merkblatt für ärztliche Untersuchung wird aber ausgeführt: Zwar erlaubt der Wortlaut der BK-Nr. 2102 i.d.E. der Änderungsverordnung vom 22.03.88 die Anerkennung eines Meniskusschadens, wenn sich die kniestrapazierende versicherte Tätigkeit auf eine arbeitsunabhängig entstandene Kniegelenksarthrose dergestalt verschlimmernd auswirkt, daß diese ihrerseits (als kausales Bindeglied) einen Meniskusschaden herbeiführt. Anerkannt und berentet wird dann allein die Meniskopathie (BSG Breith. 1989 205). Somit wird deutlich, daß die Aufgabe der Rangiertätigkeit das Ziel hat, die berufliche Tätigkeit nicht ein "kausales Bindeglied zur Entstehung einer Berufskrankheit" werden zu lassen. Im übrigen würde eine anderslautende Auffassung den sinnvollen präventivmedizinischen Ansatz in Frage stellen. Eine Anerkennung als Berufskrankheit wäre dann bei ausgeprägtem Gelenkschaden mit Meniskopathie in späteren Jahren als Folge."

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 02.02.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1995 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, eine Übergangsleistung gemäß § 3 Abs. 2 BKVO zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie unter anderem aus: "haben wir den Schriftsatz der Gegenseite vom 01.04.1996 sowie die Stellungnahme des Herrn Dr. E. vom 22.03.1996 zur Kenntnis genommen. Wir vermögen auch weiterhin nicht zu erkennen, aus welchen Gründen hier Maßnahmen im Rahmen des § 3 erforderlich sein sollen. Nach dem Gutachten des Herrn Prof. Dr. M. vom 10.05.1994 war zum Zeitpunkt der dortigen Untersuchung ein wesentlicher pathologischer Befund nicht zu erheben, insbesondere kein Hinweis auf einen Meniskusschaden. Insofern kann es auch bei fehlendem pathologischem Befund nicht zu einer richtunggebenden Verschlimmerung kommen. In diesem Zusammenhang verweisen wir nochmals auf die Berichte der behandelnden Orthopäden (Blatt 2, 7), die zunächst eine initiale mediale Gonarthrose diagnostiziert hatten, später jedoch nur noch einen Zustand nach medialer Kapselbandreizung im Kniebereich links beschreiben. In seinem Bericht (Blatt 7) führt Herr Dr. G. bereits aus, daß die Tätigkeit als Rangierer weiterhin zumutbar ist. Insofern bestand also zum damaligen Zeitpunkt keine Veranlassung zu der dann durchgeführten Umsetzung im Rahmen des § 3. Unseres Erachtens bestehen keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, daß die bei dem Kläger bestehenden krankhaften Kniegelenksveränderungen nach medizinischen Erkenntnissen und Erfahrungen mit Wahrscheinlichkeit zu einer Berufskrankheit führen würden. Angesichts der von dem Kläger im Jahre 1986 erlittenen Knieverletzung, bei der es auch zu einer Kapselbandläsion gekommen war, ist für die Zukunft eher zu erwarten, daß sich hieraus eine sekundäre Meniskopathie entwickelt, als zu erwarten ist, daß es durch berufliche Einwirkungen zu einer sekundären Meniskopathie kommen wird. Mit dem Grade der "Wahrscheinlichkeit" kann eine Prognose im letztgenannten Sinne jedenfalls nicht gestellt werden. Einer solchen Wahrscheinlichkeit, bzw. Gewißheit über den weiteren Verlauf bedürfte es hier jedoch."

Im Termin vom 22.10.1996 wurde der Facharzt für Arbeitsmedizin und Facharzt für Innere Medizin, hauptberuflich Werksarzt beim D-Werk, Dr. E. als sachverständiger Zeuge gehört. Er führte zur Sache folgendes aus: "Bei der beginnenden Gonarthrose ist die belastende Tätigkeit als Rangierer zu unterlassen, da sonst eine Verschlimmerung der Gonarthrose zu erwarten gewesen wäre und sich infolge eine Meniskopathie wohl entwickelt hätte. Die Herausnahme aus dem Rangierdienst hat somit eine Verschlimmerung des Krankheitsbefundes verhindert und somit auch das Entstehen einer Berufskrankheit verhindert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben sowie an sich statthaft. Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten waren aufzuheben, da sie mit der Sach- und Rechtslage nicht im Einklang standen.

Nach § 3 Abs. 1 der BKVO hat der Träger der Unfallversicherung, wenn für einen Versicherten die Gefahr besteht, daß eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln dieser Gefahr entgegenzuwirken. - Nach Abs. 2 a.a.0 hat der Träger der Unfallversicherung, wenn der Versicherte die Tätigkeit einstellt, weil die Gefahr für ihn nicht zu beseitigen ist, ihm zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren.

Voraussetzung für einen Anspruch auf eine Übergangsleistung nach 3 Abs. 2 BKVO ist mithin: 1. Konkrete Gefahr des Entstehens usw. einer Berufskrankheit für den Versicherten, die mit allen geeigneten Mitteln vom Unfallversicherungsträger nicht zu beseitigen ist, 2. Aufgabe der gefährdeten Tätigkeit rechtlich wesentlich wegen der drohenden Berufskrankheit, 3. Das Vorliegen eines Minderverdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile, die rechtlich wesentlich auf die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zurückzuführen sind.

Nach den Aufkünften von Dr. E., Werksarzt der D-AG, ist der Kläger aufgrund des orthopädischen Befundberichtes von Dr. F. vom 09.04.1990 wegen seiner Kniebeschwerden im Januar 1991 aus dem Rangierdienst herausgenommen und in den Transport und Versand umgesetzt worden, wo er zur Zeit als Verlader und Multifahrer tätig ist. Nach den Angaben des Klägers und des Werksarztes ist diese Umsetzung mit einer Gehaltsminderung verbunden gewesen.

Die Kammer ist aufgrund des Akteninhalts - insbesondere die überzeugenden Ausführungen von Dr. E. - der Auffassung, daß die Herausnahme des Klägers aus dem kniebelastenden Rangierdienst erforderlich war, um eine Verschlimmerung der auf einen Sportunfall aus 1986 zurückzuführenden Gonarthrose durch die Tätigkeit als Rangierer und damit das Entstehen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO zu verhindern. Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bekanntmachung des BMA vom 11.10.1989, BABl 2/1990) muß im Berufsleben mit einer überdurchschnittlichen Belastung der Kniegelenke unter anderem bei Rangierarbeitern gerechnet werden. Nach dem Urteil des BSG vom 07.06.1988 (Az.: 8/5aRKnU-4/87, Breithaupt 1989/205) ist ein Meniskusschaden auch dann eine Berufskrankheit, wenn die gefährdende Tätigkeit sie nur mittelbar über die Verschlimmerung einer berufsunabhängigen Arthrose verursacht hat. - Wie Eingangs bereits ausgeführt ist Voraussetzung für den Anspruch auf eine Übergangsleistung unter anderem eine konkrete Gefahr des Entstehens einer Berufskrankheit für den Versicherten, die mit allen geeigneten Mitteln vom Unfallversicherungsträger nicht zu beseitigen ist. Nach der Rechtsprechung des BSG (siehe unter anderem Urteil vom 25.10.1989 - 2 RU 57/88 -) liegt eine Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 BKVO vor, wenn das Risiko einer Schädigung für den Versicherten über den Grad hinausgeht, der bei anderen Versicherten bei einer vergleichbaren Beschäftigung besteht. Insoweit genügt nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 22.03.1983 (2 RU 22/81) bereits die "statistisch erhöhte Möglichkeit" des Entstehens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit. Der Gefahrbegriff des § 3 BKVO verlangt nicht die Wahrscheinlichkeit, daß die Schädigung bei einer Weiterbeschäftigung in absehbarer Zeit eintreten wird. Es genügt vielmehr, daß im Einzelfall das Schädigungsrisiko nicht unerheblich über jenes hinausgeht, welches zur Aufnahme der Erkrankung in die Liste der Anlage 1 zur BKVO geführt hat. - Eine solche statistisch erhöhte Möglichkeit liegt im vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts vor. Der Kläger hat sich während seiner Tätigkeit als Rangierer bei einem Sportunfall im Jahre 1986 eine Distorsion des rechten Kniegelenks zugezogen. Diese berufsunabhängige Verletzung hatte in der Folgezeit die Ausbildung einer leichten Gonarthrose zur Folge. Diese führte dann im Januar 1991 aufgrund des orthopädischen Berichtes von Dr. F. vom 09.04.1990 zur Herausnahme des Klägers aus dem kniebelastenden Rangierdienst. Das Gericht ist mit Dr. E. der Auffassung, daß bei der beginnenden Gonarthrose die belastende Tätigkeit als Rangierer zu unterlassen ist, da sonst eine Verschlimmerung der Gonarthrose zu erwarten wäre und sich hieraus wohl eine Meniskopathie entwickelt hätte. Das Vorliegen eines geeigneten Vorschadens im Zusammenwirken mit der kniebelastenden Tätigkeit als Rangierer ist nach Auffassung des Gerichts geeignet, im vorliegenden Fall eine statistisch erhöhte Möglichkeit Für das Entstehen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO anzunehmen. Da der Kläger die gefährdende Tätigkeit wegen der drohenden Berufskrankheit aufgegeben hat und ihm hierdurch wirtschaftliche Nachteile entstanden sind, war die Beklagte dem Grunde nach zur Zahlung einer Übergangsleistung gemäß § 3 Abs. 2 BKVO zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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