S 4 U 197/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 197/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 32/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung der Parkinsonerkrankung des Klägers als Berufskrankheit - BK - (der Gruppen 11 bzw. 13 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - bzw. als "Quasi-BK" nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch - SGB VII -).

Der 1961 geborene Kläger war in der Zeit vom 1.6.1987 an in der landwirtschaftlichen Abteilung der C-Stadter Bank, D-Stadt, später C-Stadter E. GmbH sowie nun firmierend als F. GmbH, beschäftigt. In den Jahren 1994 bis 2004 gehörte es zu seinem Arbeitsbereich, Pflanzenschutzmittel für einige Landwirte auszubringen. Nach seinen Angaben habe er ca. 900-1000 ha Fläche jährlich mit den unterschiedlichsten Pflanzenschutzmitteln in verschiedenen Mengen bearbeitet, was einen Zeitaufwand von ca. 300 Arbeitsstunden jährlich ausgemacht habe. Mit dem Auftreten der ersten Parkinson-Symptome im Jahr 2004 gab er diesen Bereich seiner Arbeitstätigkeit am 29.6.2004 auf.

Mit Schreiben vom 9.11.2006 zeigte Dr. G. den Verdacht einer BK bei der Beklagten an. Er führte aus, dass bei dem Kläger ein Parkinson-Syndrom mit erheblichem Tremor bestehe und sich im Blut ein stark erhöhter Kobaltwert gefunden habe, was eine BK vermuten lasse. In der Folge zog die Beklagte einen Befundbericht der den Kläger behandelnden Paracelsus Elena-Klinik Kassel bei. Sie beauftragte den Präventionsdienst mit der Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen bei der F. GmbH. Im Bericht des Präventionsdienstes (Dr. H. vom 5.4.2007) wurde ausgeführt, dass, falls im vorliegenden Fall seitens der Arbeitsmedizin davon ausgegangen werden könne, dass ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung des Klägers und der Exposition gegenüber den ausgebrachten Pestiziden bestehe, dann auch vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Erkrankung des Klägers auszugehen sei. Daraufhin holte die Beklagte von Dr. Dipl. Psych. J. ein neurologisches Gutachten ein (Gutachten vom 4.9.2007). Er stellte bei dem Kläger die Diagnose eines tremordominanten Parkinson-Syndroms. Zur Frage des Zusammenhangs des Ausbringens von Pflanzenschutz- und Düngemitteln und der Erkrankung des Klägers führte der Sachverständige aus, dass anzunehmen sei, dass der Kläger trotz der vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen toxischen Dämpfen ausgesetzt gewesen sei. Es bestehe die Möglichkeit, dass eine langjährige Exposition gegenüber Pestiziden und Insektiziden als Auslöser und/oder Triggerfaktor für eine Parkinson-Erkrankung anzusehen sei. Ein wesentlicher kausaler Zusammenhang sei aber bisher wissenschaftlich noch nicht bewiesen. Beurteilt nach dem heutigen Stand der Wissenschaft seien die Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK nicht erfüllt. Derzeit gebe es keinerlei Messgrößen, diagnostische Kriterien oder Grenzwerte, mit deren Hilfe, der Zusammenhang zwischen Exposition von Pflanzenschutzmitteln und einer Parkinsonerkrankung zu verifizieren sei. Der beim Kläger festgestellte erhöhte Kobaltwert stehe allerdings nicht im Zusammenhang mit Parkinson-Erkrankungen.

Die Beklagte zog aus einem vergleichbaren Fall ein medizinisches Gutachten von Prof. Dr. K. bei, der dort zu dem Ergebnis kam, dass die Parkinsonerkrankung eines Landwirtes wesentlich kausal durch die von ihm verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittel verursacht worden sei; in diesem Fall wurde eine Quasi-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt. Prof. Dr. Dipl. Psych J. nahm hierzu Stellung und führte aus, dass es immer noch an Studien mangele, die eine Dosis-Wirkung-Beziehung eines bestimmten Stoffes in Bezug auf stärkere Ausprägung der Krankheitssymptome, nachweisen. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Exposition des Klägers gegenüber Pestiziden und Insektiziden als Auslöser und/oder Triggerfaktor für die Parkinson-Erkrankung anzusehen sei. Eines der Hauptprobleme bestehe jedoch darin, dass es bisher keine eindeutigen diagnostischen Methoden gebe, den idiopathischen Parkinson (Morbus Parkinson) von anderen ähnlichen Parkinson-Erkrankungen zu unterscheiden. Derzeit sei bei dem Kläger weiterhin von einem idiopathischen Parkinson auszugehen, der immerhin mit einer Prävalenz von 100-200/100.000 Einwohner in Deutschland auftrete und somit eine der häufigsten neurologischen Krankheitsbilder darstelle.

Mit Bescheid vom 15.5.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK der Gruppe 11 und 13 der Anlage 1 zur BKV sowie nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Es seien weder die medizinischen noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der vorgenannten BKen gegeben.

Hiergegen legte der Kläger ohne nähere Begründung Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. 10. 2008 zurückwies.

Hiergegen wiederum hat der Kläger am 6.11.2008 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Er hat eine Auflistung der von ihm im Auftrag seines Arbeitgebers mit Schädlingsbekämpfungsmitteln im Jahr 2003 gespritzten Flächen eingereicht.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - hat das Gericht Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens beauftragt (Gutachten vom 15.1.2010). Der Gutachter kommt zu folgendem Ergebnis: Der zeitliche Verlauf der Parkinsonerkrankung des Klägers sei mit einer toxischen Genese, d.h. einer Mitverursachung durch die Pflanzenschutzmittelexposition, zwar vereinbar, nicht aber beweisend dafür. Entscheidend für die Beurteilung der Zusammenhangsfrage sei die Höhe der individuellen Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln. In den Fällen, in denen die Beklagte das Parkinson-Syndrom nach einer beruflichen Pflanzenschutzmittelexposition gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt habe, sei die Exposition der Landwirte deutlich größer gewesen als im vorliegenden Fall. Ob auch eine relativ niedrige Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln hinreichend sein könne, ein Parkinson-Syndrom zumindest wesentlich mit zu verursachen, lasse sich derzeit nicht beantworten; an entsprechenden Studien fehle es. Die Manganbelastung des Klägers sei wahrscheinlich sehr gering gewesen, so dass eine Anerkennung des Parkinson-Syndroms als BK nach Nr. 1105 nicht in Betracht komme. Da in der BK-Liste weder das Parkinson-Syndrom als eigenständige Erkrankung aufgeführt noch eine Mischexposition als entsprechende Einwirkung angesehen werde, scheide bereits aus diesem Grund eine Anerkennung nach § 9 Abs. 1 SGB VII aus. Eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII liege nicht vor, da es an der erforderlichen hohen Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln fehle.

Der Kläger reichte weitere Unterlagen zu seiner Pflanzenschutzmittelexposition ein, woraufhin das Gericht eine Stellungnahme von Prof. Dr. K. dazu veranlasst hat, was eine "hohe" Exposition ist. Präzise Expositionsangaben sollte seines Erachtens der Präventionsdienst der Beklagten recherchieren, prüfen und bewerten, da er als Arzt dies nicht leisten könne. Der Kläger legte weitere Unterlagen zu den verwendeten Chemikalien vor. Die Beklagte ließ vom Präventionsdienst weitere Ermittlungen - unter Einbeziehung des Klägers – und Bewertungen durchführen (Bericht vom 23.12. 2010). Daraufhin hat das Gericht eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. K. vom 2.4.2011 eingeholt. Auch darin bestätigt der Gutachter, dass von einer kausalen Verursachung der Parkinson-Erkrankung durch die Pflanzenschutzmittelexposition nicht ausgegangen werden könne.

Sodann hat das Gericht auf Antrag des Klägers Prof. Dr. L. mit der Erstellung eines (weiteren) Gutachtens nach Aktenlage gemäß § 109 SGG beauftragt. Dieser Sachverständige hat nach Akteneinsicht unter dem 31.5.2012 ein nur kurzes Gutachten erstellt und sich darin vollumfänglich dem Gutachten des Prof. Dr. K. angeschlossen.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, dass die Schadstoffbelastung in der Kabine des Traktors erheblich gewesen sei und dies in den Gutachten nicht ausreichend berücksichtigt worden sei.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 15.5.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2008 aufzuheben und die Parkinsonerkrankung des Klägers als Berufskrankheit im Sinne der Gruppen 11 bzw. 13 der Anlage 1 zur BKV,
hilfsweise
als Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII (Quasi-Berufskrankheit) anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie sieht sich durch das Ergebnis der Gutachten in ihrer Auffassung bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der gerichtlicherseits eingeholten Gutachten die dem Gericht vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) zulässig, jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 15.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder Anspruch auf Feststellung einer BK der Gruppen 11 und 13 der Anlage 1 zur BKV noch auf Feststellung einer Quasi-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII.

1. Rechtsgrundlage für die Anerkennung einer BK ist § 9 Abs. 1 SGB VII. Danach sind BK Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereichen beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.

Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BKen im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernstliche Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG aaO).

2. Zur Überzeugung der Kammer ist hier weder das Vorliegen einer Listen-BK, noch einer Quasi-BK anzunehmen. Hierbei stützt sich das Gericht maßgeblich auf das im gerichtlichen Verfahren nach § 109 SGG von Prof. Dr. K. eingeholte medizinischen Gutachten. Dieses ist sorgfältig erstellt, schlüssig und nachvollziehbar. Es wird zudem gestützt durch das von Prof. L. - ebenfalls nach § 109 SGG - erstellte Gutachten. Beide Gutachter sind sich in ihrer Beurteilung einig.

a) Zur Anerkennung einer BK der Gruppe 11 und 13 fehlt es an einer entsprechenden "Einwirkung", also Exposition des Klägers. Hinsichtlich der BK 1105 (Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen) liegen keine arbeitstechnischen Ermittlungen vor. Grundsätzlich ist nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung eine Manganexposition zwar duchaus geeignet, eine neurologisches Krankheitsbild ähnlich einem Parkinsonsyndrom hervorzurufen (so Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seite 1228). Prof. Dr. K. kommt nach Bewertung der ihm vorliegenden Unterlagen jedoch zu dem Schluss, dass der Kläger nur einer geringen Manganbelastung ausgesetzt war. Das vom Kläger zum Ansetzen der Pflanzenschutzmittel genutzte "Bittersalz mircotop" enthielt lediglich 1 % Prozent wasserlösliches Mangan. Das Abfüllen, das stets nur eine kurze Zeit in Anspruch nahm und nur eine geringe Staubentwicklung bedingte, ließ nur eine relativ geringe Manganbelastung des Klägers erkennen. Der Sachverständige kommt daher zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Manganbelastung sehr wahrscheinlich nicht hinreichend war, eine BK zu verursachen.

b) Im Weiteren ergeben sich aus den Gruppen 11 und 13 der BKV keine weiteren Noxen, denen der Kläger während seiner Arbeitstätigkeit ausgesetzt war. Die von ihm ausgebrachten Pestizide und Insektizide, denen gegenüber er exponiert war, finden sich nicht in der BK-Liste. Ebenso ist dort auch nicht eine Parkinson-Erkrankung als BK ausdrücklich benannt.

c) Im vorliegenden Fall kommt auch keine Anerkennung der Parkinson-Erkrankung des Klägers als Quasi-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII in Betracht.

Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer Wie-BK bei einem Versicherten sind (1.) das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, (3.) nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-BK im Einzelfall beim konkreten Versicherten. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) enthält diese Vorschrift keine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-BK anzuerkennen wäre (vgl. BSGE 44, 90 = SozR 2200 § 551 Nr. 9; BSGE 79, 250 = 3-2200 § 551 Nr. 9, zuletzt Urteil des BSG vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R -, zitiert nach juris).

Zu den aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 SGB VII ableitbaren allgemeinen Voraussetzungen für das Tatbestandsmerkmal "Bezeichnung einer Krankheit als BK" gehört eine versicherte Tätigkeit, durch die bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind. Diese Einwirkungen müssen darüber hinaus eine Krankheit nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft verursacht haben.

Es ist in Literatur und Rechtsprechung dem Grunde nach unstreitig, dass die generelle Ursächlichkeit/Geeignetheit der Einwirkung wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen muss, damit eine Krankheit als BK anerkannt werden kann. Dies setzt normalerweise voraus, dass der Nachweis anhand statistisch relevanter Zahlen für eine Vielzahl von Geschehensabläufen erfolgt. Die Feststellung, dass eine Krankheit in einer bestimmten beruflich exponierten Personengruppe erheblich häufiger auftritt als in der übrigen Bevölkerung - so genannte Gruppentypik -, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine lange zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um mit Sicherheit daraus schließen zu können, dass die Ursache der Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (vgl. BVerfG SozR 2200 § 551 Nr. 11; BSGE 59, 295, 298; Römer in Hauck, SGB VII, Kommentar, Stand: 8/2012, K § 9 Rn 39; ferner insbesondere Schmitt, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl 2009 § 9 Rn 13).

Im vorliegenden Fall legt Prof. Dr. K. nachvollziehbar dar, dass nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen die medizinischen Voraussetzungen für die Anwendung des § 9 Abs. 2 SGB VII bei einer hohen beruflichen Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln gegeben sind. Es gibt also durchaus Erkenntnisse in der Wissenschaft dergestalt, dass die Personengruppen, die aufgrund ihrer Tätigkeit Pflanzenschutzmittel ausgesetzt sind, also in erster Linie Landwirte, einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an einer Parkinson-Erkrankung zu erkranken. Für den Fall des Klägers gilt dies jedoch nicht, da dabei ihm nicht die erforderliche "hohe" Exposition nachzuweisen ist. Dem Sachverständigen sind drei Fälle von Landwirten bekannt gewesen, für die nach einer beruflichen Pflanzenschutzmittelexposition eine Quasi-BK anerkannt wurde. Alle drei Landwirte waren jedoch einer deutlich höheren Exposition von Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt als der Kläger. Dass auch relativ niedrige Exposition von Pflanzenschutzmitteln ausreichend sein können, ein Parkinson-Syndrom zumindest wesentlich mit zu verursachen, ist wissenschaftlich nicht gesichert. Der Sachverständige Prof. Dr. K. führt nachvollziehbar aus, dass es an entsprechenden Studien mangelt und die Datenlage widersprüchlich ist. Nach den arbeitstechnischen Ermittlungen, die unter Mitwirkung des Klägers von der Beklagten sehr ausführlich und gründlich vorgenommen wurden, wurde festgestellt, dass der Kläger einen den vorgenannten Fällen vergleichbaren hohen Exposition nicht ausgesetzt war. Denn er trug Schutzkleidung einschließlich spezieller Handschuhe und brachte die Pflanzenschutzmittel mittels eines Traktors mit einer geschlossenen Kabine aus. Ein ursächlicher oder mitursächlicher Zusammenhang zwischen der Pflanzenschutzmittelexposition des Klägers und seinem Parkinsonsyndrom ist daher nicht wahrscheinlich zu machen. Zwar schließt der Sachverständige die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges nicht aus, weist aber deutlich darauf hin, dass der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand einen Ursachenzusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich macht.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einwendet, dass die Traktorkabine "undicht" gewesen sei bzw. die Außenluft ungefiltert in die Traktorkabine gesaugt worden und die Innenluft daher regelmäßig mit Pflanzenschutzmittel kontaminiert gewesen sei, führt dies unter Berücksichtigung der von Prof. Dr. K. hierzu ergänzend abgegebenen Stellungnahme vom 2.4.2011 zu keinem anderen Ergebnis. Hierin setzt sich der Sachverständige überaus ausführlich mit den verschiedenen Möglichkeiten der Kontamination mit Pflanzenschutzmitteln auseinander. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger beim Ansetzen der Pflanzenschutzmittel aufgrund seiner Schutzkleidung vergleichsweise gut geschützt gewesen ist, auch wenn er erheblich größere Volumina an Spritzmitteln angesetzt habe als andere Landwirte. Im Vergleich zu anderen Landwirten spritzte der Kläger pro Jahr nämlich ungefähr zehnmal so lange. Allerdings geschah das Ausbringen von Pflanzenschutzmittel nicht im unmittelbaren Kontakt mit dem Mittel, sondern von einem Traktor aus - wenn auch wie vorgetragen wurde - mit undichter Kabine. Demgegenüber stellt der Sachverständige die größere Expositionen und schwerwiegendere Gesundheitsgefahren mit sich bringende Möglichkeit heraus, Pflanzenschutzmittel per Rückenspritze auszubringen bzw. von offenen Traktoren aus zu verspritzen. Auch fehle es in anderen Fällen häufig an Schutzkleidung in bzw. an der Vornahme von Schutzmaßnahmen wie z.B. Handschuhe. Der Abgleich dieser verschiedenen Varianten führt laut Prof. Dr. K. dazu, dass jedenfalls eine "hohe" Exposition beim Kläger nicht gegeben sein kann. Einen präzisen Grenzwert für die Höhe der Exposition stellt Prof. Dr. K. zwar nicht auf; er sieht es jedoch gleichwohl als gesichert an, dass vorliegend keinesfalls eine hohe Exposition vorgelegen haben kann. Hierbei äußert sich der Sachverständige deutlich dazu, dass vorliegend nicht einmal ein Grenzfall zu einer "hohen" Exposition gegeben war.

Was die Exposition der Stoffe Maneteb, Rotenon sowie Paraquat betrifft, führt Prof Dr. K. aus, dass hinsichtlich dieser Stoffe durchaus eine hinreichende toxikologische Plausibilität vorliege. Eine ausreichende Schadstoffexposition liegt jedoch nicht vor. Denn aus dem vom Kläger ausgefüllten Fragebogen vom 8.12.2010 geht hervor, dass er lediglich Umgang Maneb - und dies auch nur sehr selten - gehabt habe.

Für Mykotoxine ist nach Aussage Prof Dr. K. eine Parkinsonauslösende Wirkung nicht wahrscheinlich zu machen.

Das weitere, nach § 109 SGG eingeholte Gutachten von Prof. Dr. L. stützt das Gutachten von Prof. K. voll umfänglich. Der Sachverständige Prof. Dr. L. verzichtet sogar auf die Erstellung eines eigenen Gutachtens, da er den Ausführungen des Vorgutachters in allen wesentlichen Punkten folgt. Dies gilt insbesondere auch für die von Prof. Dr. K. als jedenfalls nicht "hoch" angenommene Exposition des Klägers.

d) Aufgrund dieser eindeutigen Gutachtenlage ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen von § 9 Abs. 2 SGB VII nicht vorliegen, da eine Ursächlichkeit der Noxen, denen der Kläger ausgesetzt war, aufgrund nicht ausreichender Intensität der Schadstoff-Exposition nach aktuellen ärztlich-wissenschaftlichen Erkenntnissen für die Parkinson-Erkrankung nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.

Nach alledem war die Klage daher insgesamt abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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