S 9 KR 72/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 72/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Kosten einer neuropsychologischen Behandlung der Klägerin in voller Höhe zu übernehmen hat. Diese Methode ist derzeit nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung.

Die 0000 geborene Klägerin, von Beruf Lehrerin für Mathematik und Sport, ist Mitglied der Beklagten. Im Februar 2000 erlitt sie einen Verkehrsunfall, bei dem sie sich u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma mit akutem Subduralhämatom rechts zuzog. Des weiteren entwickelte sich ein mittlerweile regredientes hirnorganisches Psychosyndrom sowie eine Aphasie. Die Klägerin wurde in der Folgezeit in der Klinik für Neurochirurgische Rehabilitation I in I sowie in der Fachklinik Rhein-Ruhr bis zum 18.05.2000 stationär behandelt. Der behandelnde Facharzt für Neurologie und Nervenheilkunde Dr. C hielt in seiner Bescheinigung vom 01.08.2000 bei fortbestehenden Defiziten mit Gedächtnis-, Erinnerung- und Konzentrationsstörungen die Fortsetzung einer neuropsychologischen Behandlung für erforderlich. Daraufhin beantragte die Klägerin am 18.08.2000 unter Vorlage einer Bescheinigung der Praxisgemeinschaft für ambulante Neuropsychologie, I, Dipl.-Psychologe und Neuropsychologe, E, vom 17.08.2000 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Einheit á 50 Minuten zur ambulanten neuropsychologen Diagnostik und 30 Einheiten á 50 Minuten zur ambulanten neurophysiologischen Behandlung in Höhe von je 190,00 DM. Nach Einholung einer Auskunft von Dr. L vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung - MDK - L2 teilte die Beklagte der Klägerin im Schreiben vom 22.09.2000 u.a. mit, dass es sich bei der ambulanten Neuropsychologie um eine außervertragliche Methode handele, deren Kosten grundsätzlich erst nach Entscheidung durch den "Wissenschaftlichen Beirat" der Bundesärztekammer übernommen werden könnten. Eine entsprechender Antrag der Gesellschaft für Neuropsychologie sei zwischenzeitlich gestellt worden. Gleichwohl sei sie bereit, sich an den Behandlungskosten in Höhe von 120,00 DM pro Sitzung für zunächst maximal 20 Therapieeinheiten zu beteiligen. Hiergegen erhob die Klägern am 18.11.2000 bei der Beklagten Widerspruch und machte geltend, es sei ihr nicht möglich, den Unterschiedsbetrag zu den bewilligten 120,00 DM pro Behandlungseinheit aufzubringen. Auch sei ihr nicht erklärlich, aus welchem Grunde lediglich 20 Therapieeinheiten bewilligt worden seien. Die Klägerin hat mit der Therapie Ende Oktober/Anfang November 2000 begonnen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2001 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Höhe der Kostenübernahme unter Darstellung der gesetzlichen Vorschriften zurück. In den Gründen führte sie u.a. aus: Mangels einer Entscheidung des insoweit zuständigen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen handele es sich bei der ambulanten neuropsychologischen Therapie um eine Behandlungsmethode, die bislang keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden habe, so dass an sich keine Kostenübernahme erfolgen dürfe. Gleichwohl habe sie sich zu einer teilweisen Kostenübernahme entschlossen und sich dabei an den bei Psychotherapie vertraglich festgelegten Kostenübernahmesatz orientiert, wobei sie zusätzlich einen 20-%igen Gerätezuschlag gewährt habe. Eine darüber hinausgehende Kostenübernahme sei nicht möglich.

Die Klägerin hat am 21.05.2001 durch ihre Prozessbevollmächtigten Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf volle Kostenübernahme weiter verfolgt. Sie macht geltend: Es sei ihr nicht zuzumuten, einen Eigenanteil in Höhe von 70,00 DM pro Sitzung zu tragen, zumal die Notwendigkeit dieser Behandlung nachgewiesen sei. Bei dem in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 190,00 DM pro Sitzung handele es sich um einen angemessenen und üblichen Kostensatz je Behandlungseinheit, so dass die Beklagte zur Erstattung dieses Betrages verpflichtet sei. Andere Krankenkasse hätten die Behandlung überdies zu diesem Betrag pro Sitzung übernommen. In einer Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropsychologie e.V. werde zudem bestätigt, dass es sich bei dieser Art der Behandlung um eine Behandlungsform handele, die sehr aufwendig sei, was sich sowohl auf den Zeitfaktor als auch auf die technische Ausstattung einer solchen Praxis beziehe. Vor diesem Hintergrund sei die angebotene Erstattung nicht angemessen. Die Klägerin verweist hierzu auf die Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropsychologie e.V. vom 26.03.2001 in einem Parallelstreitverfahren, wonach die klinische Neuropsychologie seit dem 08.06.2000 ein anerkanntes wissenschaftliches Verfahren im Sinne des Psychotherapeutengesetzes sei und damit für Dipl.-Psychologen eine relevante berufsrechtliche Anerkennung erfahren habe. Für die Abrechnung ambulanter neuropsychologischer Therapie existiere dagegen noch kein Einheitlicher Bewertungsmaßstab - EWM - seitens der Krankenkassen. Auch habe die ambulante neuropsychologische Therapie bisher noch keinen Eingang in die Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ - gefunden. Die Honorierung richte sich bei ambulanter Leistungserbringung vielfach nach den Empfehlungen der Gesellschaft für Neuropsychologie, wobei zu berücksichtigen sei, dass für die Durchführung neuropsychologischer Untersuchungen und Behandlungen eine technische Ausstattung benötigt werde, so z. B. computergestützte Verfahren sowie eine Videoausstattung, die deutlich über die einer psychotherapeutisch ausgerichteten Praxis hinausgehe. Insoweit sei ein Behandlungssatz von 154 bis 168,00 DM pro neuropsychologischer Behandlungseinheit zu veranschlagen. Aus einer ebenfalls vorgelegten Stellungnahme des Fachausschusses der Ersatzkassen aus Januar 1998 geht hervor, dass nach positiver Beurteilung durch den MDK maximal 25 Behandlungseinheiten zu je 120,00 DM bewilligt werden können.

Die Klägern beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 22.09.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2001 zu verurteilen, die Kosten für die ambulante neuropsychologische Therapie in vollem Umfang zu übernehmen bzw. zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verbleibt demgegenüber bei ihrer bisher vertretenen Rechtsauffassung. Sie trägt vor: Bei der ambulanten Neuropsychologie handele es sich bislang um eine noch nicht anerkannte Methode. In den neuen ab dem 01.07.2001 geltenden Heilmittel-Richtlinien sei unter Ergotherapie auch eine neuropsychologisch orientierte Behandlung aufgeführt, so dass der Klägerin angeraten werde, mit ihrem Behandler abzuklären, ob die Behandlung auf dieser Grundlage durchgeführt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich vorgelegen haben, und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - zulässige Klage ist nicht begründet.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es mit den angefochtenen Bescheiden abgelehnt hat, der Klägerin die ihr im Zusammenhang mit der Durchführung der neuropsychologischen Therapie entstandenen Kosten in vollem Umfang zu erstatten. Die Klägerin ist hierdurch nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S 1 SGG beschwert, denn die Entscheidung der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat unter keinem ersichtlichen rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erstattung der vollen Kosten für die Durchführung der neuropsychologischen Therapie in Höhe von 150,00 DM pro Sitzungseinheit. Insoweit kann nicht unterstellt werden, dass die streitbefangene Behandlung bislang in der Kassenärztlichen Versorgung nicht anerkannt und deshalb grundsätzlich nicht zu den von einer gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehört. Der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch setzt indessen voraus, dass ein entsprechender Sachleistungsanspruch besteht. Nach dem das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung beherrschenden Sachleistungsprinzip, § 2 Abs. 2 SGB V, haben die Versicherten gegen ihre Krankenkasse, soweit das Gesetz oder zulässigerweise die Satzung nicht ausdrücklich Ansprüche auf Geldleistungen vorsehen, keinen Anspruch auf Kostenersatz für selbstbeschaffte Leistungen.

Die grundsätzlich zur Erbringung von Sachleistungen verpflichteten Krankenkassen sind nur dann berechtigt, einem Versicherten Aufwendungen zu erstatten, wenn dies ausdrücklich krankenversicherungsrechtlich geregelt ist, § 13 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 2 SGB V. Auf eine solche Regelung kann die Klägerin ihr Erstattungsbegehren indessen nicht mit Erfolg stützen. Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind einem Versicherten ausnahmsweise Kosten zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und der Versicherte die Leistung deshalb selbst beschafft hat, soweit die Leistung notwendig war. Insoweit wandelt sich der ursprünglich gegebene Anspruch auf die Sachleistung "Krankenbehandlung" im Sinne des § 27 SGB V nach Erbringung der Leistung in einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V um, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu denjenigen Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Naturalleistungen zu erbringen sind, § 2 Abs. 1 S 1 SGB V. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems einzustehen haben. (vgl. hierzu: Urteil des BSG vom 16.09.1997, Az: 1 RK 28/95) Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift lassen eine Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch ein etwaiges Systemversagen verursacht ist.

Diejenigen Voraussetzungen, die nach Maßgabe der in § 13 Abs. 3 SGB V getroffenen Regelungen ausnahmsweise einen Kostenerstattungsanspruch begründen, können im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt werden. Zum einen handelt es sich bei der streitbefangenen Behandlung nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Von einer Notfallbehandlung kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Art der eingetretenen gesundheitlichen Störung sofortiges ärztliches Handeln erfordert und es dem Versicherten im Hinblick auf die Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht zugemutet werden kann, sich sofort zur Verfügung stehende nichtkassen- oder nichtvertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten entgehen zu lassen, um sich in die Behandlung eines Kassenarztes oder eines Vertragsbehandlers zu begeben, deren Hilfe vielleicht zu spät käme. Eine solche Fallkonstellation kann z. B. bei einer lebensbedrohlichen Verletzung auftreten.

Von einer vergleichbaren Situation ist im Hinblick auf die bei der Klägerin vorliegenden Gedächtnis-, Erinnerungs- und Konzentrationsstörungen nicht auszugehen. Insoweit hat die Klägerin nicht dartun können, dass wegen der beschriebenen Gefahr im Verzuge und der besonderen Dringlichkeit einer sofortigen Intervention gerade die ambulante Behandlung mittels der neurologischen Psychotherapie unaufschiebbar war.

Zum anderen hat die Beklagte die von der Klägerin begehrte Leistung nicht zu Unrecht verweigert, so dass sie hierdurch gezwungen war, sich die Behandlung auf eigene Kosten zu verschaffen. Der insoweit begehrten vollen Kostenerstattung steht, was die Behandlung in der Zeit ab Ende Oktober 2000 bis zum 19.04.2001 (Datum des Widerspruchsbescheides) anbelangt, bereits der Umstand entgegen, dass die Klägerin den vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Da sie ihren Anspruch auf § 13 Abs. 3 SGB V stützt, muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (bei Alternative 1: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Alternative 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil der Versicherten (Kostenlast) ein Kausalzusammenhang bestehen, ohne den die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist. (vgl. hierzu: Entscheidungen des BSG Band 79, 125 ff.) Dies bedeutet zunächst, dass die Krankenkasse nur für solche Leistungen aufzukommen hat, die sie auch bei rechtzeitiger bzw. ordnungsgemäßer Bereitstellung der geschuldeten Leistung hätte gewähren müssen. Des weiteren folgt hieraus, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit sie nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war, nur zu ersetzen sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hat. Ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden demzufolge immer dann aus, wenn sich Versicherte die streitige Behandlung aufgrund eines privaten Behandlungsvertrages selbst beschafft haben, ohne sich zuvor mit der Krankenkasse in Verbindung zu setzen und deren endgültige Entscheidung abzuwarten.

Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen. Den Krankenkassen muss mithin zur Vermeidung von Missbräuchen vorab die Prüfung ermöglicht werden, ob die beanspruchte Behandlung im Rahmen des vertragsärztlichen Versorgungssystems bereitgestellt werden kann, und, falls dies nicht möglich ist, ob sie zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, insbesondere den Anforderungen der Geeignetheit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung genügt. Die Versicherten sind deshalb vor Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Systems gehalten, sich an ihre Krankenkasse zu wenden und die Leistungsgewährung zu beantragen. Sie dürfen der Entscheidung der Krankenkasse insbesondere nicht dadurch vorgreifen, dass sie die erstrebte Behandlung zunächst privat durchführen lassen und die erforderliche Prüfung in das Verfahren der Kostenerstattung verlagern. Bereits der Wortlaut der vorgenannten Vorschrift zeigt, dass das Gesetz von dem Erfordernis einer vorherigen Einschaltung der Krankenkasse ausgeht, denn die zu ersetzenden Kosten müssen "dadurch" entstanden sein, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Erst die endgültige Weigerung der Krankenkasse gibt dem Versicherten im Einzelfall das Recht, sich die benötigte Behandlung selbst zu beschaffen und die Erstattung der dafür aufgewendeten Kosten zu verlangen, soweit die Leistung notwendig war. Bei einem anderen Verständnis hätte es der differenzierenden Regelung mit der Unterscheidung zwischen unaufschiebbaren und sonstigen Leistungen nicht bedurft. Zwar hat das BSG zum früheren Recht der Reichsversicherungsordnung die Auffassung vertreten, der Versicherte brauche die Leistung dann nicht vorher zu beantragen, wenn von vornherein feststehe, dass die Beklagte sie ihm verweigern werde. Diese Rechtsprechung kann für das geltende Recht jedoch nicht übernommen werden. Der jetzige eindeutige Gesetzeswortlaut lässt eine solche Ausnahme nicht mehr zu. Demzufolge scheidet eine Kostenerstattung für die Zeit vor der endgültigen Leistungsablehnung mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2001 bereits von vornherein aus. (vgl. hierzu: Urteil des BSG vom 11.10.1994, Az: 1 RK 26/92; Urteil vom 24.09.1996, Az: 1 RK 33/95; Urteil vom 06.02.1997, Az: 3 RK 9/96; Urteil vom 10.02.1993, Az: 1 RK 31/92 sowie Beschluss vom 15.04.1997, Az: 1 BK 31/96) Das Gericht hält die vorstehend dargelegten Grundsätze für zutreffend. Die Klägerin hat zwar die Kostenübernahme vor Durchführung der Behandlung bei der Beklagten beantragt, sie hat aber mit der Behandlung bereits begonnen, ohne die Erteilung des Widerspruchsbescheides abzuwarten. Insoweit sind die ihr bis April 2001 entstandenen Kosten aufgrund ihrer eigenen Entscheidung über den frühzeitigen Behandlungsbeginn entstanden und nicht etwa dadurch, dass die Beklagte die beantragte Leistung teilweise abgelehnt hat. Eine solche Verfahrensweise begründet keinen Ausnahmefall, in dem die Rechtsprechung eine Umwandlung eines Sachleistungsanspruchs in einen Kostenerstattungsanspruch zulässt.

Auch im übrigen sind die Voraussetzungen für eine volle Kostenerstattung nicht erfüllt. Dem steht entgegen, dass es sich bei der neuropsychologischen Therapie um eine in der kassenärztlichen Versorgung bislang nicht anerkannte Behandlungsmethode handelt, die deshalb im Grundsatz nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Vertragsleistungen gehört. Die Klägerin hat als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen außerhalb des kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgungssystems, sondern nur auf Inanspruchnahme der im Rahmen des für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Sachleistungsprinzips zur Verfügung gestellten Leistungen von Vertragsärzten und zugelassenen Leistungserbringern im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung. (vgl. hierzu: Urteil des BSG vom 10.05.1995, Az: 1 RK 14/94)

Die Kostenerstattung stellt eine bedeutende Ausnahme vom Sachleistungsprinzip als einem Strukturelement der sozialen Krankenversicherung dar. Die Möglichkeit der Privatbehandlung auf eigene Kosten mit nachfolgender Kostenerstattung war und ist dem System der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung fremd. Derjenige Versicherte, der einen privaten Behandlungsvertrag mit einem Arzt oder einem sonstigen Behandler abschließt, muss sich deshalb auch hinsichtlich der Kostentragung wie ein Privatpatient behandeln lassen. Da Vertragsleistungen von Vertragsärzten und Vertragsbehandlern ohne weitere zusätzliche Vereinbarungen zwischen Arzt/Behandler und Patient gegen Vorlage des Berechtigungsausweises bzw. aufgrund entsprechender Verordnung erbracht werden, ist den Versicherten in solchen Fällen auch bewusst, dass die begehrte Leistung nicht Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung ist. Die Beklagte ist demzufolge aus dem zwischen ihr und der Klägerin bestehenden Versicherungsverhältnis nicht verpflichtet, die von der Klägerin in Anspruch genommenen Leistungen des Dipl.-Psychologen I als Sachleistungen zu erbringen. Welche Behandlung, durch welchen Personenkreis, in welcher Einrichtung die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse zu gewähren verpflichtet ist, richtet sich nach den geltenden gesetzlichen Vorschriften und der hierzu ergangenen Rechtsprechung.

Nach § 27 Abs. 1 S 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zur kassenärztlichen Versorgung gehört die hier streitige Methode ausdrücklich nicht. Vielmehr handelt es sich bei der neuropsychologischen Therapie um eine in der Kassenärztlichen Versorgung bislang nicht anerkannte Behandlungsmethode, die deshalb nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Vertragsleistungen gehört und infolgedessen auch nicht Bestandteil des Sachleistungsanspruchs sein kann.

Die Anwendung von sog Außenseiterheilmethoden und neuen Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist aber erst dann zulässig, wenn der zuständige Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und/oder therapeutischen Nutzens der neuen Methode, die notwendige Qualifikation der sie anwendenden Ärzte und die apparativen Anforderungen abgegeben hat. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschließt gem. § 135 Abs. 1 iVm § 92 Abs. 1 S 2 Nr. 1 und Nr. 6 SGB V in Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und/oder therapeutischen Nutzens einer neuen Methode bzw. eines Heilmittels nach Überprüfung gem. den hierfür erlassenen BUB-Richtlinien. Diese Überprüfung hat das Ziel festzustellen, ob eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode das Stadium von Wissenschaft, Forschung und Erprobung verlassen hat und als allgemein anerkanntes gesichertes medizinisches Verfahren in die ambulante vertragsärztliche Versorgung übernommen werden kann oder nicht. Der jeweils zuständige Arbeitsausschuss nimmt auf Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen dazu Stellung, ob die für die Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese Stellungnahmen sind gem. § 23 Abs. 2 S 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte von den Ärzten und den Krankenkassen zu beachten.

Hat der vorgenannte Ausschuss - wie im vorliegenden Fall - zur Frage des Einsatzes der streitigen Methode noch keine Stellungnahme abgegeben, so hat der Arzt gegenüber der Krankenkasse grundsätzlich die Pflicht, eine solche Behandlungsmethode nicht anzuwenden und die Krankenkasse ist im Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung verpflichtet, gegenüber den Versicherten eine solche Behandlungsmethode als Sachleistung abzulehnen. Eine Therapie mittels der streitigen Methode gehört demzufolge nicht zu den von den gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten Leistungen. Dies ergibt sich aus § 135 SGB V iVm den Vorschriften der BUB-Richtlinien.

Wie das BSG in seinen Urteilen vom 16.09.1997 (Az: 1 RK 28/95; 1 RK 17/95; 1 RK 14/97; 1 RK 30/95 und 1 RK 32/95), in denen es um die Frage der Kostenerstattung bei Anwendung von Therapieverfahren ging, die bislang nicht zum allgemein akzeptierten Standard der medizinischen Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, zutreffend ausgeführt hat, wird durch § 135 SGB V ebenso wie durch andere kassenärztliche Vorschriften, die bestimmte Arten von Behandlungen aus der vertragsärztlichen Versorgung ausschließen oder ihre Anwendung an besondere Bedingungen knüpfen, zugleich der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen festgelegt. Das BSG hat die Verbindlichkeit dieser Richtlinien ausdrücklich bestätigt; sie haben demzufolge die Qualität von Rechtsnormen und regeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung den Umfang und die Modalitäten der Krankenbehandlung mit bindender Wirkung sowohl für die behandelnden Vertragsärzte als auch für die Versicherten. Darf ein Arzt eine Behandlungsmethode nicht als Kassenleistung abrechnen, weil sie in Richtlinien entweder ausgeschlossen oder nicht empfohlen ist, gehört sie auch nicht zur Behandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V die der Versicherte als Sachleistung oder ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 13 SGB V im Wege der Kostenerstattung beanspruchen kann.

Seine noch im Urteil vom 05.07.1995 (Az: 1 RK 6/95) vertretene Ansicht, ein Kostenerstattungsanspruch könne bestehen, wenn eine neue Methode sich auch ohne Anerkennung durch den Bundesausschuss als generell zweckmäßig erwiesen habe, hat das BSG in seinen Urteilen vom 16.09.1997 nicht aufrecht erhalten. Insoweit kann auch nicht mehr auf den Erfolg im Einzelfall abgestellt werden. Im Falle des Fehlens einer Anerkennung durch den Bundesausschuss ist deshalb jede Abrechnung von nicht anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen.

Die ärztliche Behandlung wird im Rahmen des für die Beklagte nach § 72 SGB V verbindlichen Arzt-/Ersatzkassenvertrages - EKV - gewährt. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung als Sachleistung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung übertragen worden. Durch den EKV ist eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet. Die Klägerin hat demgemäss nach § 27 i.V.m. § 28 SGB V Anspruch auf Kostenübernahme nur im Rahmen des für die Beklagte verbindlichen EKV, der zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. geschlossen worden ist. Danach sind Vertragsleistungen nur diejenigen Leistungen, die in den Gebührentarifen dieses Vertrages aufgeführt sind. Für die hier streitige Behandlung finden sich indessen keine entsprechenden Gebührenregelungen, so dass deren Abrechnungsfähigkeit bereits aus diesem Grunde entfällt.

Wenn eine Beklagte in Absprache mit anderen gesetzlichen Krankenversicherungsträgern gleichwohl übereingekommen ist, sich an den Kosten der ambulanten neuropsychologischen Therapie zu beteiligten, so geschieht dies ohne gesetzliche Grundlage und ohne Anerkennung einer diesbezüglichen Rechtspflicht. Soweit die Ersatzkassen sich auf einen Erstattungssatz in Anlehnung an die GOÄ-Positionen 881 und 882 (Verhaltenstherapie als Einzelbehandlung, je Sitzung von mindestens 50 km) in Höhe von 120,00 DM unter Berücksichtigung des erhöhten Aufwandes für die apparative Ausstattung geeinigt haben, ist diese Verfahrensweise nicht zu beanstanden. Hierdurch wird dem Umstand, dass der Behandlungssatz für Leistungen der ambulanten Neuropsychologie nach Aussage der Gesellschaft5 für Neuropsychologie etwa 10 bis 20 % über dem derzeit geltenden Behandlungssatz für eine Psychotherapieeinheit von mindestens 50-minütiger Behandlungsdauer liegt, hinreichend Rechnung getragen. Eine Rechtsgrundlage, aufgrund derer die Beklagte zu einer höheren oder vollen Kostenübernahme verpflichtet sein könnte, ist bei dieser Sachlage nicht erkennbar.

Die Erbringung ergänzender Leistungen zur Rehabilitation steht gem. § 43 SGB V im Ermessen der Beklagten. Wenn die Ersatzkassen sich hinsichtlich einer in der ambulanten Versorgung bislang nicht anerkannten Behandlungsmethode auf eine Kostenbeteiligung geeinigt haben, die den überwiegenden Teil der Kosten deckt, so liegt darin kein Ermessensfehlgebrauch. dies gilt auch dann, wenn dem Versicherten ein erheblicher Eigenanteil an den Kosten verbleibt. Demgegenüber vermag auch eine volle Kostenübernahme in Höhe der geforderten 190,00 DM pro Therapieeinheit, auf die die Klägerin hingewiesen hat, den geltend gemachten Anspruch nicht zu begründen. Das Handeln anderer Krankenkassen kann der Beklagten im System der gegliederten Sozialversicherung nicht entgegengehalten werden. (vgl. hierzu: Urteil des LSG NR vom 10.01.199, Az.: L 11 51/88)

Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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