B 6 KA 14/02 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 1 KA 115/99
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KA 52/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 14/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Begründung eines Honorarkürzungsbescheides der nach einer statistischen Wirtschaftlichkeitsprüfung ergeht muss bei Vorliegen deutlicher Anhaltspunkte für die Inhomogenität der gebildeten Vergleichsgruppe erkennen lassen dass gleichwohl von einem ungerechtfertigt überhöhten Abrechnungsverhalten des betroffenen Arztes auszugehen ist.
Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Dezember 2001 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei der Neubescheidung des Widerspruchs des Klägers die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. haben die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren je zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Honorarkürzung aus Anlass einer Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Der Kläger war im Quartal II/1996 als Facharzt für Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie (Zusatzbezeichnungen: Handchirurgie, Chirotherapie, Sportmedizin) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Oktober 1996 beantragten die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) und die zu 2. bis 6. beigeladenen Krankenkassen bei dem Prüfungsausschuss ua, für das Quartal II/1996 die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers bei der Nr 10, 11, 17, 18, 42, 44 und 851 ("Teilbudget Gesprächsleistungen") des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) zu überprüfen. Die Anzahl seiner angeforderten, ausschließlich auf die Nr 17 und 18 EBM-Ä entfallenden Punkte belief sich auf 325.800. Seine Fallzahl betrug 1.402 (Fachgruppendurchschnitt 776).

Der Prüfungsausschuss stellte fest, dass der Fallwert des Klägers bei der - vom 1. Januar 1996 an mit 450 Punkten bewerteten - Nr 17 EBM-Ä ("Intensive ärztliche Beratung und Erörterung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohender Erkrankung, ggf unter Einbeziehung von Bezugspersonen und fremdanamnestischen Angaben, Dauer mindestens 15 Minuten") und bei der ebenso bewerteten Nr 18 EBM-Ä ("Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn 10, 11 und 17 bei einer Gesprächsdauer von mehr als 30 Minuten") bei 23,24 DM lag; der Durchschnittswert der Gruppe der ausführenden Chirurgen (= 13,65 DM) wurde damit um 70,26 % überschritten. Der Ausschuss billigte dem Kläger eine Überschreitung des Durchschnitts um 40 % zu und kürzte sein Honorar für den darüber hinausgehenden, unwirtschaftlichen Behandlungsaufwand in Höhe von 4,13 DM je Fall, insgesamt 3.589,96 DM (Bescheid vom 25. Februar 1998).

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger ua geltend, eine statistische Vergleichsprüfung habe sich hier wegen der zu kleinen und inhomogenen Vergleichsgruppe der 15 (von 16) ausführenden Chirurgen (bestehend aus zwei Proktologen, zwei Plastischen Chirurgen, vier Chirotherapeuten, zwei Gefäßchirurgen, sechs Unfall- und Allgemeinchirurgen) und wegen der zu niedrigen Überschreitungstoleranz verboten. Der beklagte Beschwerdeausschuss folgte dem nicht. Der Kläger weise bei Nr 17 EBM-Ä gegenüber den ausführenden Chirurgen - einer ordnungsgemäß gebildeten Vergleichsgruppe - ungerechtfertigt hohe Abrechnungsfrequenzen auf, ohne dass Praxisbesonderheiten vorlägen (Bescheid vom 8. Februar 1999).

Die dagegen erhobene Klage ist in erster Instanz erfolglos geblieben. Bei dem Kläger sei der hohe Ansatz der Nr 17 EBM-Ä auffällig, die nahezu alle Chirurgen der Vergleichsgruppe abgerechnet hätten; Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Einsparungen fehlten (Urteil des Sozialgerichts vom 5. Juli 2000).

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) den Beklagten unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des angefochtenen Bescheides zur Neubescheidung verurteilt. Zwar sei der Kläger zu Recht mit den 16 Chirurgen und Unfallchirurgen verglichen worden; diese Zahl sei für eine statistische Vergleichsprüfung aussagekräftig, zumal ein Nullabrechner unberücksichtigt geblieben sei. Eine Spezialisierung oder Beschränkung auf die in den Zusatzbezeichnungen genannten Tätigkeiten sei nicht belegt, sodass keine engere Vergleichsgruppe habe gebildet werden müssen. Der Beklagte habe trotz vermeintlicher Prüfung der Beratungs- und Gesprächsleistungen bei der Nr 17 und 18 EBM-Ä, die Standardleistungen im Bereich der geprüften Fachgruppe seien, keinen Spartenvergleich, sondern einen Einzelleistungsvergleich vorgenommen; der Kläger habe als Facharzt die den Hausärzten vorbehaltenen Nr 10, 11 EBM-Ä nämlich nicht abrechnen dürfen. Nr 17 EBM-Ä habe er 713-mal bzw in 50,9 % der Fälle abgerechnet (ausführende Chirurgen 28,7 %), Nr 18 EBM-Ä 11-mal bzw in 0,8 % der Fälle (ausführende Ärzte 1,5 %). Für Leistungen nach der Nr 17, 18 EBM-Ä habe er 232,4 Punkte je Fall angefordert (Vergleichsgruppe 136,5). Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Einsparungen lägen nicht vor. Bei Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Prüfungsmaßstäbe könne der Einzelleistungsvergleich bezüglich der Nr 18 EBM-Ä gleichwohl keinen Bestand haben; denn die Vergleichsgruppe habe diese Leistung nur in geringer Zahl erbracht, sodass schon niedrige absolute Überschreitungen zu erheblichen Überschreitungsprozentsätzen führten und ein Einzelleistungsvergleich ausgeschlossen sei. Bei Nr 17 EBM-Ä habe der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis zu niedrig angesetzt. Bei der Prüfung von Einzelleistungen dürfe die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um nur + 40 % nicht bzw nicht ohne ausreichende Begründung als Grenzwert gewählt werden; das Bundessozialgericht (BSG) habe eine Grenzziehung erst bei Überschreitungen von 50 % bzw 100 % für rechtmäßig erachtet. Der Beklagte müsse daher bei der Neubescheidung prüfen, ob die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei Nr 17 EBM-Ä schon unterhalb einer 100 %igen Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts angesetzt werden könne (Urteil vom 13. Dezember 2001).

Mit ihren Revisionen rügen die Beigeladene zu 1. und der Beklagte die fehlerhafte Anwendung der zu § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Rechtsgrundsätze.

Die Beigeladene zu 1. trägt vor: Der Beklagte habe entgegen der Auffassung des LSG eine Spartenprüfung der Beratungs- und Betreuungsleistungen vorgenommen, weil mehrere im EBM-Ä erfasste Leistungen eines Behandlungsbereichs prüfungsmäßig zu einer Sparte zusammengefasst worden seien. Dafür sei ohne Belang, dass nur die Leistungen nach der Nr 17, 18 EBM-Ä geprüft worden seien, weil dies auch bei den zum Vergleich herangezogenen ausführenden Fachkollegen des Klägers der Fall sei. Da er Nr 18 EBM-Ä nur in 0,8 % der Fälle (Vergleichsgruppe 1,5 %) abgerechnet habe, wirke sich der Spartenvergleich sogar zu seinen Gunsten aus. Es gehe hier um Grundleistungen, die weitgehend unabhängig vom individuellen therapeutischen Konzept zum Einsatz kämen und nicht durch andere Leistungen ersetzbar seien. Die bei Nr 17 EBM-Ä mit + 77,35 % erhebliche Abweichung vom Fachgruppendurchschnitt lasse sich nicht mit einem besonderen Patientenklientel, sondern nur dadurch erklären, dass der Kläger die Indikationen wesentlich großzügiger gestellt habe. Das bei + 40 % angesetzte Maß für die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis sei - zumal bei einer Spartenprüfung - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Einzelleistungen vertretbar. Gesonderte Ausführungen zu den Voraussetzungen des Spartenvergleichs und zur 40 %-Grenze habe der Bescheid des Beklagten nicht enthalten müssen, weil es sich um auf der Hand liegende Gesichtspunkte und Umstände gehandelt habe.

Auch der Beklagte meint, dass abweichend von der Ansicht des LSG ein Vergleich der Leistungssparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen", in der alle Ärzte der Vergleichsgruppe nur Nr 17, 18 EBM-Ä abrechnen konnten, im Streit sei. Das BSG habe die Kürzung solcher Leistungsgruppen sogar gebilligt, wenn sie beim geprüften Arzt nur aus 1 bis 2 Leistungen bestanden hätten. Der Kläger überschreite die statistischen Durchschnittswerte hier sowohl in der Leistungssparte (um 70,26 %) als auch bei Nr 17 EBM-Ä (um 77,30 %); die Spartenprüfung wirke sich für ihn damit günstig aus. Bezüglich der Nr 18 EBM-Ä irre das LSG, selbst wenn man von einem Einzelleistungsvergleich ausginge; denn der Vergleich dazu sei nicht etwa ausgeschlossen, weil die Vergleichsgruppe die Nr nur in 1,5 % der Fälle abgerechnet habe. Nr 18 EBM-Ä sei eine nur am Zeitaufwand orientierte, wegen des hohen zeitlichen Mindestaufwandes selten anfallende Zuschlagsziffer, die gleichwohl von vielen Fachgruppenmitgliedern abgerechnet werde. Soweit das BSG bislang eine 5 - 6 %ige Ansatzfrequenz für die statistische Prüfung habe ausreichen lassen, liege darin keine absolute untere Grenze. In Bezug auf die vermeintlich zu erhöhende 40 %-Grenze lasse das LSG unberücksichtigt, dass sich die streitigen Leistungen statistisch nicht negativ auswirken könnten; denn bei diesen typischen Grundleistungen sei die Kostenverteilung sehr homogen und erlaube Grenzwerte von 50 % und weniger. Der hohe Ansatz der streitigen Nrn sei nicht gerechtfertigt, weil das Patientenklientel des Klägers nicht von demjenigen der Vergleichspraxen abweiche. Dem Begründungserfordernis sei Genüge getan, weil auf der Hand liegende Umstände nicht nochmals ausführlich dargelegt werden müssten. Soweit sich der Kläger auf eine ihm günstige Entscheidung des Prüfungsausschusses von 2002 beziehe, sei ihm entgegenzuhalten, dass diese "falsch", aber leider bestandskräftig geworden sei. Inzwischen erbringe er Nr 17 EBM-Ä nur noch sehr selten, obwohl sich seine Patientenschaft kaum verändert habe; daher müsse er im Quartal II/1996 das Maß des Notwendigen überschritten haben.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Dezember 2001 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 5. Juli 2000 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Es sei zu Recht von einem Einzelleistungsvergleich ausgegangen, weil letztlich allein der Ansatz der Nr 17 EBM-Ä beanstandet werde. Die Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen" gebe es für ihn und seine Fachgruppe nicht. Auch die Vergleichsgruppe von 15 Ärzten sei für eine Prüfung nach Durchschnittswerten zu klein. Schon bei Gruppen von weniger als 100 Ärzten müsse darlegt werden, warum die niedrigere Arztzahl ausreiche. Die Arztgruppe der Chirurgen sei zudem nicht hinreichend homogen, weil sie - wie schon dargelegt - neben orthopädischen aus proktologischen, plastischen, chirotherapeutischen und Gefäß-Chirurgen bestehe. Diese Inhomogenität schließe einen Grenzwert zum offensichtlichen Missverhältnis schon bei + 40 % aus. Zum einen habe der überwiegende Teil der Vergleichsgruppe Nr 18 EBM-Ä gar nicht abgerechnet, zum anderen belege eine im Revisionsverfahren vorgelegte Übersicht, dass sechs Chirurgen die Nr 17 EBM-Ä - wie er (der Kläger) - ebenfalls um mehr als 40 % über dem Durchschnitt abgerechnet hätten, während sie bei fünf Chirurgen fast überhaupt nicht in der Abrechnung erscheine und letztere den Fachgruppendurchschnitt exorbitant absenkten. Der rechnerische Fachgruppendurchschnitt habe damit keinen Bezug zum tatsächlichen Abrechnungsverhalten und lasse sich nicht mit der Grundidee der Mittelwertberechnung in Einklang bringen, dass der Großteil der Ärzte darauf bezogen wirtschaftlich behandele. Der Grenzwert von + 40 % reiche ferner nicht aus, um bei einem Einzelleistungsvergleich alle statistischen Unwägbarkeiten zu erfassen; zu Recht nehme die Rechtsprechung hier eine 100 %-Grenze an. Je kleiner der Ausschnitt aus den abgerechneten Gebühren-Nrn sei, desto eher machten sich Abweichungen statistisch bemerkbar. Der niedrige Grenzwert sei zudem nicht - wie erforderlich - besonders begründet worden. Nr 17 EBM-Ä sei nicht einmal eine für die Vergleichsgruppe typische "Grundleistung", weil nicht jeder Chirurg "nachhaltig lebensverändernde oder lebensbedrohliche Erkrankungen" behandele. Die Abrechnungsfrequenz von nur 1,5 % der Fälle bei Nr 18 EBM-Ä sei unrepräsentativ, lasse keine statistische Prüfung zu und schließe auch eine vermengende Prüfung mit Nr 17 EBM-Ä aus. Im Jahre 2002 habe im Übrigen auch der Prüfungsausschuss anerkannt, dass die heterogene Gruppe der Chirurgen für einen statischen Vergleich ungeeignet sei.

Die Beigeladenen zu 2., 6. und 7. schließen sich dem Antrag des Beklagten an.

Die Beigeladene zu 2. hält die Auffassung des LSG für nicht zutreffend. Der Beklagte habe bezogen auf die ausführenden Ärzte einen Spartenvergleich für fachgruppentypische Leistungen durchgeführt, der trotz der geringen Zahl der Vergleichspraxen aussagekräftig sei. Eine engere Vergleichsgruppe habe nicht gebildet werden müssen. Die bei + 40 % über dem Fachgruppendurchschnitt angesetzte Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis sei ermessensfehlerfrei. Auch bei unterschiedlichen Ausrichtungen der einzelnen Praxen gebe es stets chirurgische Krankheitsbilder, die den Ansatz der Leistungen Nr 17 und 18 EBM-Ä erforderlich machten.

II

Die zulässigen Revisionen des beklagten Beschwerdeausschusses und der zu 1. beigeladenen KÄV haben in der Sache keinen Erfolg. Lediglich klarstellend ist im Urteilstenor zum Ausdruck gebracht worden, dass der Beklagte bei der Neubescheidung des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid über die Wirtschaftlichkeitsprüfung für das Quartal II/1996 die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat.

Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Bescheid des Beklagten rechtswidrig und aufzuheben war, weil er keine hinreichende Begründung für die vorgenommene Kürzungsmaßnahme enthält.

Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V in der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode (stRspr, vgl zB BSGE 84, 85, 86 = SozR 3-2500 § 106 Nr 47 S 250; SozR aaO Nr 51 S 272; SozR aaO Nr 55 S 306). Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe - bzw mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 49 S 257; SozR aaO Nr 50 S 263 f; SozR aaO Nr 55 S 306). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, dh, ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (stRspr, vgl zuletzt Urteile des Senats vom 11. Dezember 2002 - B 6 KA 1/02 R = SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319 sowie vom 21. Mai 2003 - B 6 KA 32/02 R (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen)).

Die arztbezogene Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten ist nicht nur hinsichtlich des - hier im streitigen Quartal II/1996 gegenüber der Fachgruppe ebenfalls erhöhten - Gesamtfallwerts zulässig. Unter der Voraussetzung einer hinreichenden Vergleichbarkeit kann sich die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit auch auf den Ansatz einzelner Leistungspositionen bzw - wie im vorliegenden Fall geschehen - mehrerer zu Leistungssparten zusammengefasster Leistungspositionen der Bewertungsmaßstäbe beziehen (so schon BSGE 71, 194, 196 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15 S 88; BSGE 74, 70, 71 = SozR aaO § 106 Nr 23 S 124; SozR aaO Nr 55 S 306 mwN).

Entgegen der Auffassung des LSG hat der Beklagte bei dem Kläger im Quartal II/1996 nicht einen statistischen Einzelleistungsvergleich vorgenommen. Er hat vielmehr zwei Leistungspositionen - Nr 17 und 18 EBM-Ä - zu einer Leistungssparte ("Teilbudget Gesprächsleistungen") zusammengefasst und die Abrechnungswerte des Klägers mit denjenigen der Gruppe der Chirurgen verglichen. Eine derartige Spartenbildung ist allgemein unter der Voraussetzung einer gewissen Sachnähe der untersuchten Leistungen zueinander rechtmäßig; sie konnte hier auch nicht zu einer Verkürzung der Rechte des Klägers führen. Obwohl Nr 18 EBM-Ä (wegen der den Hausärzten vorbehaltenen Bezugs-Nr 10, 11 EBM-Ä) bei den Chirurgen auch nur hinsichtlich der Nr 17 EBM-Ä bedeutsam ist, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass deshalb im Ergebnis eine statistische Einzelleistungsprüfung nur bei der - letztlich allein hinsichtlich der Überschreitungen beanstandeten - Nr 17 EBM-Ä vorgenommen worden wäre. Denn zum einen ist - wie die Revisionsführer dargelegt haben - durch die gemeinsame Prüfung der Nr 17 und 18 EBM-Ä der Überschreitungssatz, der bei der isolierten Betrachtung der Nr 17 EBM-Ä + 77,3 % betragen hätte, wegen der unterdurchschnittlichen Abrechnungsfrequenz des Klägers bei Nr 18 EBM-Ä (0,8 % der Fälle - Vergleichsgruppe 1,5 % der Fälle) auf + 70,26 % gesunken. Darüber hinaus kann die zusammengefasste statistische Vergleichsprüfung von zwei EBM-Ä-Nrn nicht bewirken, dass damit die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit zum Nachteil des Betroffenen absinken. Mittels der Bildung einer nur aus zwei Leistungspositionen bestehenden Leistungssparte lässt sich insbesondere die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis nicht an wesentlich anderer Stelle ziehen als bei einem reinen Einzelleistungsvergleich.

Auf der Grundlage der vom Beklagten gegebenen Begründung des Honorarkürzungsbescheides ist nicht erkennbar, dass die Vergleichsgruppe der Chirurgen hinsichtlich der gekürzten Leistungen so homogen ist, dass ein statistischer Vergleich durchzuführen war. Jede behördliche Entscheidung muss im Interesse des effektiven Rechtsschutzes der davon Betroffenen eine Begründung enthalten (§ 35 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch). Daher ist es erforderlich, dass auch die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung in dem zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens ergehenden Bescheid derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - infolge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen der Gremien eingeschränkten - sozialgerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe im Einzelfall erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139 mwN; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl 2001, § 35 RdNr 7 mwN). Die Anforderungen an die Darlegungen und Berechnungen dürfen zwar nicht überspannt werden, zumal sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten (vgl BSGE 74, 70, 75 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 128 f); die Ausführungen müssen jedoch erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die getroffene Kürzungsmaßnahme beruht (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225; Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 313). Diesen Anforderungen wird der Bescheid des Beklagten nicht gerecht.

Zwar ist, wovon der Beklagte zu Recht ausgeht, die Durchführung des Spartenvergleichs nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Arztgruppe der Chirurgen die vom Vergleich mitumfasste Leistung Nr 18 EBM-Ä nur in 1,5 % der Behandlungsfälle abgerechnet hat. Dem gegenüber haben die Ärzte der Vergleichsgruppe, die die ebenfalls in den Spartenvergleich einbezogene Leistung Nr 17 EBM-Ä abgerechnet haben, dies in 28,7 % der Behandlungsfälle getan. Im Rahmen eines Spartenvergleichs kommt es nicht darauf an, dass die ausführenden Ärzte alle von ihm erfassten Leistungen in einer gewissen Mindesthäufigkeit erbringen und abrechnen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Leistungssparte für die Vergleichsgruppe insgesamt typische Leistungen enthält. Das ist hier der Fall. Im streitbefangenen Quartal rechneten 15 von 16 Ärzten der Fachgruppe die Grundleistung Nr 17 EBM-Ä in 28,7 % aller Behandlungsfälle ab. Dass die Zuschlagsleistung Nr 18 EBM-Ä nur in 1,5 % der Fälle abgerechnet wurde, findet ua darin seine Begründung, dass sie zusätzliche Voraussetzungen, nämlich eine Gesprächsdauer von mehr als 30 Minuten, erfordert. Dies steht einer gehäuften Abrechnung von vornherein entgegen. Der geringe Prozentsatz der abgerechneten Leistungen nach Nr 18 EBM-Ä führt mithin nicht dazu, dass diese Leistung im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht berücksichtigt werden darf (vgl im Einzelnen das Urteil vom heutigen Tage in der Sache B 6 KA 45/03 R (zu Nr 18 EBM-Ä)).

Auf Grund der vom Beklagten getroffenen Feststellungen lassen sich jedoch lediglich zufällig erhöhte statistische Vergleichswerte zu Lasten des Klägers bei den Nrn 17, 18 EBM-Ä nicht ausschließen. Die ermittelten Durchschnittswert-Überschreitungen können nämlich Konsequenz der kleinen inhomogenen Vergleichsgruppe und ihrer sich daher möglicherweise irregulär auswirkenden Zusammensetzung sein. Eine Gesamtschau der Einzelumstände des Vergleichs deutet nicht darauf hin, dass die Vergleichsbasis noch ein ungefähr richtiges Prüfungsergebnis ermöglichte.

Das Recht der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nach statistischen Grundsätzen beruht auf der Vorstellung, dass die überwiegende Mehrheit der Vergleichsgruppe der Ärzte wirtschaftlich behandelt, dass die dabei gewonnenen Durchschnittswerte also maßgebliches methodisches Kriterium zum Nachweis der Unwirtschaftlichkeit bei dem betroffenen Arzt sein können (vgl schon BSG SozR 2200 § 368n Nr 3 S 11). Diese Grundannahme ist dann erschüttert, wenn die Basis des Vergleichs so unsicher ist, dass auf Grund von Zufällen und Unwägbarkeiten im ärztlichen Abrechnungsverhalten der Vergleichsgruppe die Gefahr besteht, keine aussagekräftigen Ergebnisse mehr gewinnen zu können. Solches ist insbesondere zu besorgen, wenn ein extrem unterschiedliches individuelles Abrechnungsverhalten in der Vergleichsgruppe nur noch rein rechnerisch zu einem statistisch-mathematischen Mittelwert führt, den in der Realität kein Arzt bzw - innerhalb größerer Gruppen - nur einzelne, für die Gesamtgruppe nicht mehr repräsentative Ärzte abgerechnet haben. Dieses Risiko der Inhomogenität des Abrechnungsverhaltens schlägt besonders dann durch, wenn die Prüfgremien eine sehr kleine Vergleichsgruppe gebildet haben, während bei größeren Gruppen sog "Ausreißer" per se statistisch nicht entscheidend ins Gewicht fallen (vgl Hesral in: Ehlers (Hrsg), Wirtschaftlichkeitsprüfung, 2. Aufl 2002, RdNr 126; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 265 (zum Auftreten schwererer und leichterer Behandlungsfälle)).

Allerdings ist hier nicht schon die Vergleichsgruppe der 15 chirurgisch tätigen Ärzte von vornherein zu klein bemessen, zumal der Beklagte beim Vergleich einen Arzt unberücksichtigt gelassen hat, der die Nr 17, 18 EBM-Ä überhaupt nicht abgerechnet hatte; der Senat hat schon Vergleichsgruppen von neun ausführenden Ärzten für ausreichend erachtet (vgl BSG, Urteil vom 27. April 1982 - 6 RKa 7/79 = USK 82196). Auch wenn man darüber hinaus anerkennt, dass Nr 17, 18 EBM-Ä wegen ihres Zeitaufwandes im Praxisalltag nur in beschränktem Umfang erbracht werden können und daher auch geringe Ansätze in der Vergleichsgruppe einem statistischen Vergleich nicht per se entgegen stehen, sind bei der konkreten Vergleichsrechnung Fehldeutungen zum Nachteil des Klägers nicht auszuschließen. Denn es besteht die gute Möglichkeit, dass manche Ärzte innerhalb der Vergleichsgruppe die geprüften Leistungen nur in ganz geringem Umfang abgerechnet haben, während in anderen Fällen bedingt durch die konkrete Praxisausrichtung ein besonders häufiger Ansatz erfolgte. Dieses hat der Kläger bereits im Berufungsverfahren unter Hinweis auf konkrete Zahlen ausdrücklich geltend gemacht: Der überwiegende Teil der Vergleichsgruppe habe die Leistung gar nicht abgerechnet. Die Leistung Nr 17 EBM-Ä hätten sechs der 15 ausführenden Chirurgen - wie er - um mehr als 40 % über dem Durchschnitt liegend abgerechnet, während vier andere Chirurgen sie kaum abgerechnet und den Fachgruppendurchschnitt "exorbitant nach unten korrigiert" hätten. Träfe es zu, dass der rechnerisch ermittelte Fachgruppendurchschnitt in diesem Sinne keinerlei Bezug zum tatsächlichen Abrechnungsverhalten in der Vergleichsgruppe hatte, stünde das gewonnene Prüfungsergebnis nicht mit der Grundidee der statistischen Mittelwert-Rechnung in Einklang, dass der Großteil aller Ärzte darauf bezogen wirtschaftlich abrechnet. Der Kläger hatte schon im Verwaltungsverfahren angeführt, die Vergleichsgruppe bestehe aus zwei Proktologen, zwei plastischen Chirurgen, vier Chirotherapeuten, zwei Gefäßchirurgen sowie sechs Unfall- und Allgemeinchirurgen im engeren Sinne und sei damit wegen der schwerpunktmäßig unterschiedlichen Ausrichtung zu inhomogen für einen Einzelleistungsvergleich. Diese substantiierten Hinweise auf mögliche Fehlerquellen einer rein statistisch-mathematischen Rechnung erforderten, dass ihnen spätestens der beklagte Beschwerdeausschuss hätte nachgehen und das Ergebnis seiner Prüfung im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar niederlegen bzw durch weitere Umstände hätte absichern müssen. Dass bei Überschreiten des angenommenen Grenzwertes ohne Weiteres von der Unwirtschaftlichkeit des Klägers ausgegangen werden konnte und er die streitigen Leistungen im Vergleich zur Fachgruppe in einem ungerechtfertigt überhöhten Ausmaß abgerechnet hatte, liegt bei alledem nicht auf der Hand. In diesem Zusammenhang kommt es nicht mehr darauf an, ob die Schwelle zum offensichtlichen Missverhältnis bei den geprüften Leistungen bereits jenseits von 40 % über den durchschnittlichen Abrechnungsfrequenzen der Vergleichsgruppe angesetzt werden durfte.

Die Aufhebung des Bescheides des Beklagten durch das LSG erweist sich nach alledem im Ergebnis als rechtmäßig, sodass die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. ohne Erfolg bleiben müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) am 2. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung. Danach besteht aus den Gründen, die der Senat in seinem Urteil vom 30. Januar 2002 (SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff) dargelegt hat, keine Verpflichtung des Beklagten und der Beigeladenen zu 1., für das Revisionsverfahren neben den außergerichtlichen Kosten des Klägers auch diejenigen anderer Beigeladener zu erstatten.
Rechtskraft
Aus
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