B 7 AL 22/03 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 AL 560/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 157/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 22/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auch wenn ein Handwerksbetrieb nach den DDR-Regelungen zum ehelichen Güterstand (§ 13 Familiengesetzbuch DDR)
ausnahmsweise
in das gemeinschaftliche Eigentum beider Eheleute fiel so war ab dem 3.10.1990 eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung (§ 168 AFG) des nicht unternehmerisch tätigen Ehegatten im Betrieb möglich.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 5. Dezember 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Rücknahme von Bescheiden, die den Antrag der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) abgelehnt hatten, und zur Gewährung von Alg für Zeiträume von Juli 1996 bis März 1998.

Die Klägerin ist am 15. Oktober 1942 geboren, sie ist ungelernt. Nach ihrem Vortrag hat ihr Ehemann im Jahre 1977 ein Grundstück in R bei Neuruppin erworben und einen Klempner- und Installationsbetrieb eröffnet. Als Eigentümer des Wohn- und Betriebsgrundstücks sind beide Eheleute in das Grundbuch eingetragen worden. Nach dem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung war die Klägerin ab 1. Juli 1977 im Betrieb als "mithelfende Ehefrau" beschäftigt. Ab 1. August 1990 ist eine Beschäftigung als "1. Angestellte" im Handwerksbetrieb ihres Ehemannes verzeichnet; dieser wurde im Mai 1991 in die Handwerksrolle eingetragen. Der Betrieb umfasste nach dem Vortrag der Klägerin zuletzt 12 Arbeitnehmer (davon 2 Lehrlinge); im Jahre 1992 sei eine Werkhalle mit Büro errichtet worden. Sie habe Büroarbeiten verrichtet, im Fachlichen habe sie nicht mitreden können. Für die Beschäftigung der Klägerin im Betrieb ab August 1990 bestanden Anstellungsverträge; Lohnsteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge wurden einbehalten und abgeführt; das Finanzamt ging steuerrechtlich von einem Ehegatten-Arbeitsverhältnis aus. Der Ehemann der Klägerin verstarb im Dezember 1996; das inzwischen zwangsversteigerte Grundstück sei zuletzt mit Grundschulden über insgesamt DM 330.000,- belastet gewesen, diese hätten Darlehen für betriebliche Zwecke abgesichert.

Nach "arbeitgeberseitiger Kündigung" vom 6. Juli 1996 zum selben Tag meldete sich die Klägerin am 9. Juli 1996 beim Arbeitsamt (ArbA) N arbeitslos und beantragte Alg.

Mit Bescheid vom 13. August 1996 teilte die beigeladene Innungskrankenkasse (IKK) der Klägerin und ihrem Ehemann mit, dass sie seit Januar 1991 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und damit nicht versicherungspflichtig sei. Der Betrieb sei gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten iS von § 13 Familiengesetzbuch DDR (FamGB DDR) gewesen. In diesem Fall sei der mitarbeitende Ehegatte Mitunternehmer und nicht Arbeitnehmer. Dies gelte auch dann, wenn die Ehegatten seit dem 3. Oktober 1990 im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten.

Das ArbA N lehnte mit Bescheid vom 20. August 1996 den Antrag auf Alg ab, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Die Klägerin habe nicht in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden, da sie Mitinhaberin der Firma gewesen sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch nahm die Klägerin am 3. September 1996 zurück und betrieb in der Folgezeit die Erstattung der "zu Unrecht gezahlten Beiträge". Die Beklagte nahm hinsichtlich der vor dem 1. Dezember 1991 entrichteten Beiträge Verjährung an und erstattete die Beiträge im Übrigen (abzüglich eines Verrechnungsbetrages für die Beigeladene).

Am 3. Oktober 1996 zog die Klägerin in den Zuständigkeitsbereich des ArbA B um und meldete sich dort am 7. Oktober 1996 wiederum arbeitslos unter Beantragung der "Fortzahlung von Arbeitslosengeld". Das ArbA B lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Oktober 1996 ab, da die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei.

Einen Antrag auf Überprüfung ihres Anspruchs auf Alg unter Berücksichtigung von § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) richtete die Klägerin im Februar 1998 an das ArbA B und im April 1999 an das ArbA N. Das ArbA B W lehnte unter dem 29. Juli 1999 (abgesandt am 2. August 1999) eine erneute Sachentscheidung nach § 44 SGB X ab; es ergäben sich keine Hinweise für eine unrichtige Rechtsanwendung hinsichtlich der Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Alg vom 7. Oktober 1996 (s Bescheid vom 9. Oktober 1996). Unter Bezugnahme auf diesen Bescheid lehnte auch das ArbA N unter dem 6. August 1999 den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 1999 wies das ArbA B W den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Juli 1999 zurück; hierzu erklärte die Beklagte im Berufungsverfahren, dass die Entscheidung in dem Widerspruchsbescheid vom 3. November 1999 sich auch auf die im Bescheid vom 6. August 1999 getroffene Entscheidung beziehe.

Das Sozialgericht N (SG) wies mit Urteil vom 11. Juli 2001 die Klage ab: Innerhalb der Rahmenfrist vom 9. Juli 1993 bis zum 8. Juli 1996 habe die Klägerin nicht in einem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis iS des § 168 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gestanden, da der Betrieb gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten iS von § 13 FamGB DDR gewesen sei; in einem solchen Fall sei der mitarbeitende Ehegatte Mitunternehmer und nicht Arbeitnehmer.

Auf die Berufung der Klägerin (Antrag: das Urteil des SG vom 11. Juli 2001 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. Juli 1999 und 6. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 20. August 1996 und 9. Oktober 1996 zurückzunehmen und der Klägerin Alg für die Zeit vom 9. Juli 1996 bis 2. Oktober 1996 sowie vom 7. Oktober 1996 bis 20. März 1998 dem Grunde nach zu gewähren - unter Zurücknahme der Klage für weitere Zeiträume) hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 5. Dezember 2002 antragsgemäß entschieden. Der Klägerin habe nach § 100 Abs 1 AFG Alg zugestanden. Sie sei seit Beendigung ihrer Tätigkeit in der Firma S Bauklempnerei und Sanitärinstallation in R ab dem 7. Juli 1996 arbeitslos (§ 101 AFG) gewesen; sie habe sich am 9. Juli 1996 beim ArbA N persönlich arbeitslos gemeldet (§ 105 AFG), Alg beantragt und sich der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt (§ 103 AFG). Im gesamten Zeitraum der Rahmenfrist nach § 104 AFG sei die Klägerin im Betrieb ihres Ehemanns in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung iS des § 168 AFG gestanden. Die in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgestellten Voraussetzungen einer abhängigen Beschäftigung beim Ehegatten seien erfüllt. Der Meinung der Beklagten, wonach der Umstand, dass die Ehegatten vor dem 3. Oktober 1990 in dem Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach § 13 FamGB DDR gelebt hätten, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt zwischen Ehegatten grundsätzlich ausschließe, sei nicht zu folgen. Dadurch, dass die Ehegatten gemeinsam Eigentümer des Grundstücks gewesen seien, auf dem das Gewerbe betrieben worden sei, sei nicht das Unternehmen der S Bauklempnerei/Sanitärinstallation und Heizungsbau in gemeinschaftliches "Eigentum" der Ehegatten übergegangen. Aus der Kommentierung des Familiengesetzbuches lasse sich dieses gerade nicht herleiten.

Hiernach sei der Ehemann der Klägerin allein Eigentümer an den Gegenständen des Betriebsvermögens gewesen. Auch nach den Eintragungen in den Sozialversicherungsausweisen sei die Klägerin lediglich mithelfende Ehegattin gewesen; Inhaber der Gewerbegenehmigung sei ausschließlich ihr Ehemann gewesen, der nach der Firmierung im Rechtsverkehr auch als Alleininhaber aufgetreten sei. An dieser Alleininhaberschaft habe sich auch nichts dadurch geändert, dass die Klägerin zur Hälfte als Eigentümerin des auch als Betriebsgrundstück genutzten Grundstücks, auf dem sich auch das Wohnhaus der Eheleute befunden habe, im Grundbuch eingetragen gewesen sei. Die Klägerin habe nach § 104 Abs 1 AFG einen Anspruch auf Alg für eine Dauer von längstens 676 Kalendertagen, da sie in einer auf sieben Jahre erweiterten Rahmenfrist mindestens 1.560 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt und am 9. Juli 1996 zwar über 49, aber unter 54 Jahre alt gewesen sei. Auf die Zeit vom 9. Juli 1996 bis zum 31. Dezember 1997 entfielen 508 Kalendertage. Der Restanspruch von 168 Kalendertagen sei nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auf die Sieben-Tage-Woche umzurechnen, sodass sich weitere 196 Kalendertage ergäben; der entsprechende Zeitraum erstrecke sich bis zum 15. Juli 1998. Damit habe die Klägerin - wie beantragt - Anspruch auf Alg mit Ausnahme der Tage 3. Oktober bis 6. Oktober 1996 (Umzug von R nach B ) und ferner der Zeit ab 21. März 1998 (entfallende Erreichbarkeit wegen Rückzugs der Klägerin aus dem Zuständigkeitsbereich des ArbA B W in den Zuständigkeitsbereich des ArbA N ). Eine Nebentätigkeit der Klägerin vom 1. Oktober 1996 bis 31. März 1998 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von lediglich 6 Stunden berühre den Grund ihres Alg-Anspruchs nicht.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Diese rügt eine Verletzung des § 44 SGB X iVm § 168 und § 100 AFG. Bis zum 2. Oktober 1990 habe bei der Klägerin der gesetzliche Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach § 13 FamGB DDR vorgelegen. Der in der Folge gesetzlich begründete Güterstand der Zugewinngemeinschaft habe nicht zur Aufteilung des am 3. Oktober 1990 bestehenden gemeinschaftlichen Eigentums und Vermögens geführt. Damit aber habe der Betrieb in gemeinschaftlichem Eigentum gestanden; insoweit müsse Gleiches gelten wie beim gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft. Für solche Betriebe werde auch das Unternehmerrisiko gemeinsam und zu gleichen Lasten von den Ehegatten getragen. Der Betrieb habe über Betriebsgrundstücke, Betriebsgebäude, Betriebsanlagen im privaten Eigentum der Ehegatten sowie über ein erhebliches Anlage- und Umlaufvermögen verfügt. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt könne in Fällen des gemeinschaftlichen Eigentums der Ehegatten nicht bestehen. Der mitarbeitende Ehegatte sei Mitunternehmer auch dann, wenn dem anderen Ehegatten die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums übertragen sei (Hinweis auf BSG 10. November 1982 - 11 RK 1/82 - (BSGE 54, 173 = SozR 5420 § 32 Nr 5) und Bundesfinanzhof (BFH) 4. November 1997 - VIII R 18/95 (BFHE 185, 153)). Das Leistungsbegehren der Klägerin stehe schließlich im Widerspruch zu der auf ihren Antrag vorgenommenen Beitragserstattung.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgericht für das Land Brandenburg vom 5. Dezember 2002 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. Juli 2001 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hat klargestellt, dass sie Alg nur unter Anrechnung der im Jahre 1996 an sie erstatteten Beiträge zur Beklagten begehrt. Sie trägt vor, im Gegensatz zum Vortrag der Revision sei ausschließlich das Grundstück, auf dem die Firma des Ehemanns betrieben worden sei, im gemeinschaftlichen Eigentum der Eheleute gestanden; Betriebsanlagen sowie Anlage- und Umlaufvermögen hätten sich im Eigentum des Ehemanns befunden. Im Übrigen habe sie (die Klägerin) die Voraussetzung eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses erfüllt. Die Auffassung der Beklagten hinsichtlich der Mitinhaberschaft des Betriebes beruhe allein auf ihrem (der Klägerin) Miteigentum, das Grundstück betreffend; hierdurch werde unzulässigerweise das Wohngrundstück mit dem Betrieb gleichgesetzt. Dass es zur Beitragserstattung gekommen sei, sei nicht ihr zur Last zu legen, sondern beruhe auf entsprechender Beratung des ArbA B W sowie der beigeladenen IKK.

Die Beigeladene beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Ursprünglich habe sie sich der Rechtsansicht der Beklagten angeschlossen und in ihrer Beurteilung auf eine Mitunternehmerschaft auf Grund des Eigentums der Ehegatten iS von § 13 FamGB DDR und das gemeinschaftliche Eigentum am Betriebsgrundstück und an Anlage- und Umlaufmitteln abgestellt. Diese Beurteilung habe jedoch gerade im Vergleich zu mitarbeitenden Ehegatten in den alten Bundesländern zu einer unbilligen Härte geführt. Deswegen seien mit den ArbÄ N und P erneut Gespräche geführt worden. Ab Januar 1998 seien die versicherungsrechtlichen Beurteilungen von Ehegatten nach der neuen Rechtsauffassung durchgeführt worden; es würden die üblichen Abgrenzungskriterien zu Grunde gelegt. Die Frage des gemeinschaftlichen Eigentums werde dahingehend interpretiert, dass ein in der DDR während der Ehe mit gemeinschaftlichen Mitteln gegründeter Betrieb nur dann gemeinschaftliches Eigentum darstelle, wenn beide Ehegatten unternehmerisch tätig gewesen seien.

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass der Klägerin - entgegen den bindenden Ursprungsbescheiden - Alg zusteht; sie hat insbesondere in der Rahmenfrist in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden.

Der Klägerin steht trotz der bindend gewordenen Bescheide vom 20. August 1996 und vom 9. Oktober 1996 der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Alg zu, weil die genannten Bescheide iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X rechtswidrig waren und ihr deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden. Die Klägerin war arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt (§ 100 Abs 1 AFG); entgegen den Ausführungen in den genannten Bescheiden hatte sie auch die Anwartschaftszeit erfüllt, da sie in der Rahmenfrist dreihundertsechzig Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hatte (§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG). Die dreijährige Rahmenfrist ging dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt waren (§ 104 Abs 2, 3 AFG), lief also vom 9. Juli 1993 bis zum 8. Juli 1996.

Die von der Klägerin ausgeübte Mitarbeit im Installateurbetrieb stellte eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung iS des § 168 AFG dar. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift waren beitragspflichtig insbesondere Arbeitnehmer, also Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt beschäftigt sind. Diese Legaldefinition wird ua durch § 173a AFG ergänzt, der für die Beitragspflicht auch der Arbeitnehmer auf die Vorschriften des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) über die Beschäftigung (§ 7) verweist und die entsprechende Geltung anordnet. Nach der genannten Vorschrift fällt unter den Begriff "Beschäftigung" die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Demgegenüber wird die selbstständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen (stRspr, vgl zB Senatsurteil vom 24. September 1992, SozR 3-4100 § 168 Nr 8 S 15 mwN).

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, wie das LSG zutreffend entschieden hat, ob die Mitarbeit in einem Unternehmen des Ehegatten als abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu werten ist oder nicht. Das LSG hat auf der Grundlage der von ihm festgestellten, speziell für die Abgrenzung von Ehegattenbeschäftigungsverhältnissen und familienhafter Mithilfe bzw selbständiger Tätigkeit maßgebenden Tatsachen zu Recht angenommen, dass die Klägerin in der Rahmenfrist im Installateurbetrieb ihres Ehemannes eine abhängige und deshalb beitragspflichtige Beschäftigung iS des § 168 AFG ausgeübt hat.

Die Klägerin war nicht gleichberechtigte Mitinhaberin des Betriebes. Die Beklagte leitet ihre gegenteilige Auffassung zu Unrecht allein aus der Tatsache ab, dass die Klägerin und ihr Ehemann bis zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung (3. Oktober 1990) im Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach § 13 FamGB DDR lebten. Hiermit lässt sich die gleichberechtigte Mitinhaberschaft der Klägerin am Installateurbetrieb auch noch während der hier maßgebenden Rahmenfrist jedoch nicht begründen, weil zumindest in dieser Zeit ihr Status im Betrieb nicht mehr vom Güterrecht der DDR bestimmt wurde.

Nach § 13 Abs 1 FamGB DDR standen beiden Ehegatten die während der Ehe erarbeiteten Vermögenswerte gemeinsam zu. Hiervon galt jedoch eine Ausnahme ua für die von nur einem Ehegatten zur Berufsausübung genutzten Sachen (§ 13 Abs 2 Satz 2 Teilsatz 1 Alternative 2 FamGB DDR), die allein diesem zuzurechnen waren; dies wiederum wurde jedoch durch eine Rückausnahme für den Fall eingeschränkt, dass der Wert der entsprechenden Vermögensgegenstände gemessen am gemeinschaftlichen Eigentum und Vermögen unverhältnismäßig hoch war (§ 13 Abs 2 Satz 2 Teilsatz 2 FamGB DDR). Die Literatur zum Familienrecht der DDR (Mühlmann, in Familienrecht - Komm zum Familiengesetzbuch der DDR, 5. Aufl 1982, Berlin (Ost) Herausgeber: Ministerium der Justiz, S 48 f) ging davon aus, dass auch in Fällen, in denen aus gemeinschaftlichen Mitteln ein Betrieb gegründet werde, dieser nach § 13 Abs 2 Satz 2 Teilsatz 1 Alternative 2 FamGB DDR nur dann gemeinschaftliches Eigentum sei, wenn er auch von beiden Ehegatten betrieben werde. Soweit hingegen nur ein Ehegatte als Inhaber tätig werde, stehe der Betrieb jedoch grundsätzlich in dessen Alleineigentum, selbst wenn der andere im Betrieb mitarbeite.

Die Revision unterstellt daher zu Unrecht, dass unter Geltung des § 13 FamGB DDR ein Gewerbebetrieb stets zum gemeinschaftlichen Eigentum gehört habe. Dies setzte vielmehr, wie ausgeführt, entweder eine gemeinsame unternehmerische Tätigkeit voraus oder den Tatbestand der genannten Rückausnahme, dass also der Wert der der Berufsausübung dienenden Sachen im Verhältnis zu den Objekten des gemeinschaftlichen Eigentums unverhältnismäßig hoch war. Dieser Ausnahmefall sollte gegeben sein, wenn ein solches Missverhältnis zwischen den Werten bestand, dass die Interessen des anderen Ehegatten eines eigentumsrechtlichen Schutzes bedurften.

Dass im Falle der Klägerin nur ihr Ehemann unternehmerisch tätig war, ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG. Dass das LSG das Vorliegen der Rückausnahme ungeprüft gelassen hat, ist im Ergebnis unerheblich. Wäre sie erfüllt, wäre der Installationsbetrieb zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung aus diesem Grunde - noch - in das gemeinschaftliche Eigentum beider Eheleute gefallen. Ob dies zutraf, kann jedoch offen bleiben. Denn auch dies hätte nicht zur Folge gehabt, dass der Betrieb jedenfalls während der für den Anspruch maßgeblichen Rahmenfrist in deren gemeinschaftlicher Inhaberschaft geblieben wäre. Damit kann im Ergebnis auch dahingestellt bleiben, inwieweit das BSG zur Überprüfung der Anwendung des § 13 FamGB DDR befugt ist.

Die Anwendung der og Rückausnahme unterstellt, hätte der Installateurbetrieb (in seinem damaligen Umfang) noch am 2. Oktober 1990, dem Tag vor der Wiedervereinigung, im gemeinschaftlichen Eigentum der Eheleute gestanden. Mit der Wiedervereinigung ab 3. Oktober 1990 galten jedoch für die Klägerin und ihren Ehemann die Vorschriften über die Zugewinngemeinschaft (Art 234 § 4 Abs 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)). Damit bestand die Grundlage der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft, des ehelichen Güterstandes nach § 13 FamGB DDR, nicht mehr; die Option, diesen fortgelten zu lassen (Art 234 § 4 Abs 2, 3 EGBGB), haben die Eheleute nicht ausgeübt. Hierdurch wurden zwar die zu DDR-Zeiten entstandenen Eigentums- und Vermögensverhältnisse nicht berührt. Auch wurde das bestehende gemeinschaftliche Eigentum und Vermögen nicht etwa sogleich in Bruchteile verwandelt, sondern blieb in Gesamthand, wovon auch der Bundesgerichtshof (BGH) ausgeht (vgl BGH Urteil vom 5. Mai 1999, BGHZ 141, 307, 312). Erst mit Wirkung ab 25. Dezember 1993 (Inkrafttreten des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes - RegVBG - vom 20. Dezember 1993, BGBl I 3182) wurde das gemeinschaftliche Eigentum (und Vermögen: s Gernhuber in Münchener Komm, 3. Aufl, Ergänzungsband, Art 234 §§ 4, 4a EGBGB, RdNr 21, Stand: 1995) Eigentum (und Vermögen) zu gleichen Bruchteilen (Art 234 § 4a Abs 1 Satz 1 EGBGB).

Bereits mit dem 3. Oktober 1990 jedoch wandelte sich die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft in eine Liquidationsgemeinschaft um (Gernhuber aaO RdNr 15). Der mit diesem Zeitpunkt begründete Güterstand der Zugewinngemeinschaft hatte zur Folge, dass in die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nicht mehr, wie bisher, in der Regel auch alle - neuen - Vermögenswerte der Eheleute fielen; Mehrungen des Gesamthandvermögens konnten - außerhalb von Wertsteigerungen - allenfalls noch durch Surrogation stattfinden (Gernhuber aaO RdNr 18; Eberhardt in Lübchen, Komm zum Sechsten Teil des EGBGB, 1991, Art 234 § 4 Anm 1.1.6.). Der Erlös aus dem Einsatz der Arbeitskraft der Eheleute, hier insbesondere derjenige aus der Führung des Installationsbetriebes durch den Ehemann der Klägerin, wurde hierdurch jedoch ebenso wenig erfasst wie die Nutzung des Gemeinschaftseigentums oder gar das mit Hilfe von Fremdmitteln (zB Darlehen) Erworbene (vgl zur rechtsähnlichen Fallgestaltung der Umwandlung einer Güter- in eine Zugewinngemeinschaft: Buchner in Festschrift Beitzke, 1979, S 153, 160 f; s auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl 1994, S 627). Die Liquidationsphase begann mit dem 3. Oktober 1990; sie fand - spätestens - mit der endgültigen Auseinandersetzung des Gesamthandvermögens durch Umwandlung in Bruchteilsvermögen mit dem 25. Dezember 1993 ihren Abschluss.

Die dargestellten Rechtsvorgänge aber hatten notwendigerweise zur Folge, dass der Betrieb, auch wenn er noch am 2. Oktober 1990 zum Gesamthandvermögen gehört hätte, sich ab dem 3. Oktober 1990 aus diesem - und damit auch aus der gleichberechtigten (hälftigen) Teilhaberschaft der Klägerin - "herausentwickelte". Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG haben nicht die Eheleute gemeinsam den Betrieb geführt, sondern allein der Ehemann der Klägerin. Sie war daher für die Zeit nach der Wiedervereinigung - wenn überhaupt - jedenfalls nicht mehr zu 50 % am Betrieb beteiligt. Selbst wenn man im Übrigen trotz der abgeschlossenen und praktizierten Anstellungsverträge eine Innengesellschaft annehmen wollte (ablehnend BGH Urteil vom 26. April 1995 - Az: XII ZR 132/93 -, NJW 1995, 3383), könnte insoweit nur von einem geringeren Gesellschaftsanteil ausgegangen werden. Damit aber entfällt gleichzeitig das einzige Indiz, das - angesichts der tatsächlichen Feststellungen des LSG im Übrigen - gegen eine abhängige Beschäftigung der Klägerin in die Waagschale hätte geworfen werden können. Der Senat kann daher offen lassen, wie dieses Indiz zu gewichten gewesen wäre.

War aber die Klägerin jedenfalls ab 3. Oktober 1990 im Betrieb ihres Ehemanns iS des § 168 AFG abhängig beschäftigt, begegnet die Entscheidung des LSG hinsichtlich Grund, Dauer und Höhe des Alg im noch streitigen Umfang im Ergebnis keinen Bedenken. Die Klägerin hatte nach § 106 Abs 1 AFG (idF des Gesetzes vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044) einen Anspruch auf Alg für eine Dauer von längstens 676 Tagen (Sechs-Tage-Woche: § 114 AFG), da sie in einer auf sieben Jahre erweiterten Rahmenfrist (9. Juli 1989 bis 8. Juli 1996) mindestens 1.560 Kalendertage (entspricht der Zeit ab 1. April 1992 bis 8. Juli 1996) beitragspflichtig beschäftigt und am 9. Juli 1996 zwar über 49, aber unter 54 Jahre alt war. Auf die Zeit vom 9. Juli 1996 bis zum 31. Dezember 1997 entfielen 463 Tage (Sechs-Tage-Woche). Der Restanspruch von 213 Tagen war nach § 427 Abs 4 SGB III auf die Sieben-Tage-Woche umzurechnen, sodass sich weitere 248 Kalendertage ergaben; der entsprechende Zeitraum erstreckte sich über das beantragte Ende des Alg-Anspruchs am 20. März 1998 hinaus, sodass der Klageanspruch der Dauer nach voll abgedeckt ist. Die Klägerin hat klargestellt, dass sie diese Leistung nur unter Anrechnung der ihr 1996 (fälschlicherweise) erstatteten Beiträge zur Beklagten begehrt; es bedarf daher keiner Entscheidung des Senats, ob insoweit der Rechtsgedanke des § 351 SGB III anzuwenden ist.

Schließlich ist auch die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs 4 SGB X eingehalten: Streitig sind Ansprüche auf Alg ab Juli 1996; der Antrag der Klägerin nach § 44 SGB X ist vor Ende 2000 gestellt worden. Dem Klageanspruch steht ferner § 330 Abs 1 SGB III nicht entgegen, wonach in Fällen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X nur eine Rückwirkung ab dem Entstehen einer ständigen Rechtsprechung in Betracht kommt, wenn diese eine Rechtsnorm anders auslegt als das ArbA. Diese Regelung ist jedenfalls auf den vorliegenden Erstfall, vor dessen Entscheidung noch keine ständige Rechtsprechung bestand (vgl zu der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung in § 152 Abs 1 AFG: BSG Urteil vom 29. Juni 2000, SozR 3-4100 § 152 Nr 10), nicht anwendbar.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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