L 14 AL 79/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AL 1165/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 79/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 1999 aufgehoben; die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Einstellungszuschusses bei Neugründungen.

Die Klägerin betreibt seit dem Frühjahr 1995 ein Gymnastik- und Tanzstudio. Bei der Anmeldung ihres Gewerbes („Gymnastik- u. Tanzstudio, Einzelhandel von Textilien u. Sportgeräten u. Schuhen, Aufstellen von Getränkeautomaten“) am 3. April 1995 gab sie als Beginn der Tätigkeit den 1. Mai 1995 an. Die ursprünglich ab dem 16. Mai 1995 gemieteten und am 19. Mai 1995 fertiggestellten und ihr übergebenen Betriebsräume konnte die Klägerin erst ab dem 29. Mai 1995 nutzen, nachdem ein Schaden aufgetreten und noch zu beseitigen war.

Mit einem am 16. Mai 1997 bei der Beklagten eingegangenen (formlosen) Antrag beantragte die Klägerin „Lohnkostenzuschüsse für kleinere und mittlere Unternehmen nach AFRG“. Sie gab dabei an, ihr Unternehmen seit dem 20. Mai 1995 ohne „feste Angestellte“ zu betreiben und ihre Mitarbeiter bisher „auf Honorarbasis“ zu beschäftigen. Ab 1. bzw. 15. Juni oder 1. Juli 1997 wolle sie die erste (halbe) Stelle mit 20 Wochenstunden mit einer seit dem 22. Oktober 1996 arbeitslos gemeldeten (und Arbeitslosengeld beziehenden) und bislang als „Honorarkraft“ tätigen Arbeitnehmerin besetzen. Das dieser in Aussicht gestellte Gehalt in Höhe von 1.200,- DM monatlich entspreche den ortsüblichen Bedingungen.

Am 9. Juni 1997 reichte die Klägerin einen ausgefüllten Antragsvordruck zurück, wonach die Arbeitsaufnahme als Kinderbetreuerin/Verwaltungshilfe am 1. Juli 1997 vorgesehen war; ein Arbeitsvertrag sei am 3. Juni 1997 abgeschlossen worden. Sie fügte außerdem eine Stellungnahme eines Steuerberaters vom 5. Juni 1997 bei, der zufolge nach der vorliegenden Einnah-menüberschussrechnung zum 31. Dezember 1996 die Existenzgründung auch künftig tragfähig sei. Später reichte die Klägerin noch eine Überschussrechnung für 1996 sowie einen am 6. Juni 1997 abgeschlossenen Anstellungsvertrag ein, nach dem die zuvor arbeitslose Arbeitnehmerin ab dem 1. Juli 1992 als Kinderbetreuerin und Verwaltungsangestellte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden für ein monatliches Gehalt von 1.200,- DM angestellt wurde.

Die Beklagte stellte in der Zwischenzeit fest, dass die zur Einstellung vorgesehene Arbeitnehmerin seit dem 23. Oktober 1996 Arbeitslosengeld bezog und dass das vorgesehene Arbeitsentgelt ortsüblich sei.

Unter dem 24. September 1997 teilte die Klägerin mit, dass die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1997 gekündigt habe, sie jedoch ihren Antrag für die drei Monate der Beschäftigung (Juli bis September 1997) aufrechterhalte.

Mit Bescheid vom 26. September 1997 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Einstellungszuschusses ab, da die Arbeitnehmerin nicht innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit der Klägerin am 1. Mai 1995 eingestellt worden sei, sondern erst zum 1. Juli 1997.

Zur Begründung ihres am 6. Oktober 1997 eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin an, dass sie ihre Tätigkeit wegen eines Wasserschadens tatsächlich erst am 29. Mai 1995 aufgenommen habe; ihren Antrag habe sie vor Ablauf von zwei Jahren gestellt. Der Zeitpunkt der Einstellung sei für die Gewährung des Zuschusses unerheblich; weder nach dem Wortlaut des § 55 b des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) noch nach dem der Hinweise zur Gewährung eines Einstellungszuschusses werde dies gefordert. Die Verzögerung der Bewilligung könne nicht zu ihren Lasten gehen. Im Übrigen hätte sie die Arbeitnehmerin innerhalb von zwei Jahren einstellen können, wenn die Beklagte sie darauf ausdrücklich hingewiesen hätte. Sie habe in ihrem am 16. Mai 1997 eingegangenen Antrag eindeutig die sofortige Einstellung der Arbeitnehmerin nach Bewilligung durch das Arbeitsamt in Aussicht gestellt. Stattdessen sei sie jedoch am 28. Mai 1997 aufgefordert worden, sowohl den Einstellungsvertrag wie auch die Bestätigung der Anmeldung zur Sozialversicherung einzureichen. Als daraufhin ihr Mann beim Arbeitsamt angerufen habe, habe ihm eine Mitarbeiterin die Auskunft erteilt, dass sie die Arbeitnehmerin vor einer Bewilligung einstellen müsse und dass mit einer Bewilligung gerade am Anfang eines Förderungszeitraumes durchaus gerechnet werden könne. Mithin habe die Be-klagte sie - ohne Hinweis auf die Einhaltung einer Zweijahresfrist - aufgefordert, die Arbeitnehmerin einzustellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass die von der Klägerin eingestellte Arbeitnehmerin ihre Beschäftigung erst am 1. Juli 1997 und damit nach Ablauf von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 1. Mai 1995 - auch wenn sich diese verzögert habe - begonnen habe. Die Anspruchsvoraussetzungen seien in dem Hinweisblatt, das die Klägerin erhalten habe, eindeutig dargelegt. Schließlich könne ihre Aussage, dass eine Mitarbeiterin der Beklagten die Förderungsmöglichkeit bestätigt habe, nicht nachvollzogen werden. Jedenfalls ließe sich aus einer solchen Aussage kein Rechtsanspruch auf Förderung ableiten, da für die Wirksamkeit einer Zusicherung nach § 34 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Schriftform erforderlich sei.

Mit ihrer am 18. März 1998 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen wiederum angeführt, dass es entscheidend auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankomme; die Einstellung innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit werde vom Gesetz nicht gefordert. Der stellvertretende Direktor des „Landesarbeitsamtes Potsdam“ habe ihr und ihrem Mann am 13. September 1997 im Rahmen der Veranstaltung „Gründertage“ bei der Technischen Universität Berlin vor zahlreichen Zuhörern ausdrücklich bestätigt, dass bei allen Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz die Grundregel laute: erst beantragen und nach erfolgter Bewilligung einstellen, wobei der Zeitpunkt der Einstellung auch außerhalb der Zweijahresfrist liegen könne. Außerdem habe die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten, Frau W., die ihr Mann angerufen habe, gemeint, dass dem Antrag aller Voraussicht nach zugestimmt werde. Daraufhin und aufgrund der Aufforderung, sowohl den Arbeitsvertrag wie auch die Bestätigung der Anmeldung zur Sozialversicherung einzureichen, habe sie die Arbeitnehmerin eingestellt. Komme es aber - wie die Beklagte meine - auf den Zeitpunkt der Einstellung an, hätte die Beklagte sie sofort nach Eingang des Antrages am 16. Mai 1997 darauf hinweisen müssen, dass sie die Arbeitnehmerin innerhalb der verbleibenden vier Tage bis zum Ablauf der Zweijahresfrist einstellen müsse.

Mit Urteil vom 11. Juni 1999 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 26. September 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. März 1998 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Antrag der Klägerin vom 16. Mai 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die ablehnende Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft sei, da sie in Annahme eines unzutreffenden Fristendes davon ausgehe, dass die in § 55 b AFG geregelte Ausschlussfrist abgelaufen sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei für die Berechnung des Fristendes nicht die Beschäftigungsaufnahme seitens des Arbeitnehmers, sondern die Antragstellung durch den Arbeitgeber maßgeblich. Dies folge nicht nur aus dem Wortlaut des § 55 b AFG, sondern auch aus dem mit der Einfügung dieser Vorschrift vom Gesetzgeber verfolgten Zweck. Existenzgründern solle die Entschei-dung, arbeitslose Arbeitnehmer einzustellen, erleichtert und im Zusammenhang damit Arbeitslosigkeit abgebaut werden. Würde von jungen Unternehmen eine Einstellung bereits vor der Förderungszusage erwartet, läge das wirtschaftliche Risiko zunächst allein bei ihnen. Deshalb komme es beim Fristende nicht maßgeblich auf den Beginn der Förderung an. Schließlich spreche auch die Entstehungsgeschichte für diese Auslegung. Die Vorschrift solle zur möglichst effizienten Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen. Diese Zielsetzung werde nur dann erreicht, wenn auch bei jungen Unternehmen eine umfassende Bereitschaft zur Einstellung Arbeitsuchender erreicht werde. Dies sei nur dann der Fall, wenn das wirtschaftliche Risiko der Unternehmen im Hinblick auf die Einstellung wirkungsvoll gesenkt werde.

Gegen das ihr am 7. Juli 1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Juli 1999 eingelegte Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie ihre Auffassung wiederholt, dass nur die Beschäftigung von innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit eingestellten Arbeitnehmern nach § 55 b AFG gefördert werden könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest und regt die Vernehmung von Frau W. und des stellvertretenden Direktors des „Landesarbeitsamtes Potsdam“ als Zeugen an.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die dem Senat vorliegende Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) und auch im Übrigen zulässige (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung erweist sich als begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines Einstellungszuschusses; die dafür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Nach dem durch Art. 11 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 eingefügten und am 1. April 1997 in Kraft getretenen § 55 b AFG (dem inhaltlich die §§ 225 bis 228 des am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Dritten Buchs des Sozialgesetzbuches [SGB III] entsprechen) kann die Beklagte Arbeitgebern, die vor nicht mehr als zwei Jahren eine selbständige Tätigkeit aufgenommen haben, für die unbefristete Beschäftigung eines zuvor arbeitslosen förderungsbedürftigen Arbeitnehmers auf einem neu geschaffenen Arbeitsplatz einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt (Einstellungszuschuss bei Neugründungen) gewähren. Dieser kann erbracht werden, wenn der Arbeitnehmer vor der Einstellung mindestens drei Monate Arbeitslosengeld bezogen hat und ohne die Leistung nicht oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann, der Arbeitgeber nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt und eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorliegt. Der Einstellungszuschuss kann höchstens für zwei Arbeitnehmer gleichzeitig geleistet werden. Die Leistungen werden auf Antrag gewährt. Dem Arbeitgeber ist ein schriftlicher Bescheid darüber zu erteilen, ob und für welchen Zeitraum sowie in welcher Höhe Leistungen gewährt werden. Der Bescheid kann Auflagen und Bedingungen enthalten (§ 49 Abs. 3 i.V.m. § 55 b Abs. 4 Satz 3 AFG).

Zwar hat die Klägerin zum 1. Juli 1997 eine Arbeitnehmerin eingestellt, die davor mindestens drei Monate (nämlich - wie die Beklagte festgestellt hat - seit dem 26. Oktober 1996) Arbeitslosengeld bezogen hat und bis dahin nicht oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden konnte. Sie hat zwar eine Berufsausbildung als Erzieherin abgeschlossen, konnte jedoch - wie sich aus dem Beratungsvermerk der Beklagten vom 5. Mai 1997 ergibt - auf dem in Frage kommenden Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden. Die Klägerin beschäftigte auch nicht mehr als fünf Arbeitnehmer. Eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle, nämlich eines Steuerberaters, in der die Tragfähigkeit der Existenzgründung bestätigt wurde, liegt vor. Die Arbeitnehmerin sollte und wurde auch auf einem neu geschaffenen Arbeitsplatz beschäftigt. Unschädlich ist, dass die Arbeitnehmerin bereits als „Honorarkraft“ tätig war. Denn sie übte damit keine beitrags- bzw. versicherungspflichtige Beschäftigung aus. „Arbeitsplätze“ im Sinne des § 55 b Abs. 1 AFG sind jedoch nur solche, auf denen „Arbeitnehmer“ beitrags- bzw. versicherungspflichtig beschäftigt werden. Schließlich hat die Beklagte auch festgestellt, dass das der Arbeitnehmerin gezahlte Gehalt ortsüblich war; Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellung der Beklagten unzutreffend ist, sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht aufgezeigt worden.

Dem Anspruch der Klägerin steht jedoch entgegen, dass Einstellungszuschüsse bei Neugründungen nur Arbeitgebern gewährt werden können, „die vor nicht mehr als zwei Jahren eine selbständige Tätigkeit aufgenommen haben“ (§ 55 b Abs. 1 AFG). Der Wortsinn dieser Vorschrift lässt die Deutung zu, dass der Zuschuss nur innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit „gewährt“ werden kann, dass also jedenfalls eine Entscheidung innerhalb dieses Zeitraums getroffen werden muss (wenn auch nicht unbedingt die Leistung auch innerhalb dieses Zeitraumes erbracht werden muss). Eine solche, streng den Wortsinn beachtende Auslegung würde allerdings nicht dem Umstand hinreichend Rechnung tragen, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens und damit der Zeitpunkt der Entscheidungsfindung durch die Beklagte von einer Reihe von vom antragstellenden Arbeitgeber nicht zu beeinflussenden Umständen abhängen kann. Auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die Beklagte kann es deshalb nicht ankommen. Andererseits ist dem Wortsinn der Vorschrift nicht zu entnehmen, dass die Antragstellung innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit für die Gewährung eines Zuschusses für eine außerhalb dieses Zeitraumes liegende Beschäftigung ausreichen soll. Vielmehr deutet der Wortsinn darauf hin, dass die Förderung durch Gewährung eines Zuschusses für die unbefristete Beschäftigung eines neu eingestellten oder einzustellenden Arbeitnehmers nur für einen Zeitraum vorgesehen ist, der zwei Jahre nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit endet und dass eine Beschäftigung außerhalb dieses Zeitraums demgegenüber nicht förderungsfähig sein soll.

Diese Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung, durch die „Existenzgründern“ in der Gründungsphase ihres Unternehmens ein Teil der mit der unbefristeten Einstellung von Arbeitnehmern verbundenen finanziellen Belastungen abgenommen und damit ihre Hemmung, Arbeitnehmer einzustellen, verringert werden soll. Diese Förderungsmöglichkeit besteht allerdings nur für einen bestimmten Zeitraum, nämlich für zwei Jahre nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit.

Ganz in diesem Sinne heißt es auch in der Begründung des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. für ein Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 18. Juni 1996 (BT-Drucks. 13/4941 S. 194; gleichlautend die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16. August 1996, BR-Drucks. 550/96 S. 194), dass „(d)ie Leistung des Einstellungszuschusses bei Neugründungen ... auf die erste Zeit nach der Existenzgründung beschränkt (werde), da es gerade in der Anfangsphase einer Existenzgründung häufig riskant (sei), Arbeitnehmer überhaupt oder in der für das Unternehmen eigentlich angemessenen Zahl zu beschäftigen, weil die zur Entlohnung der Beschäftigten notwendigen Ein-nahmen häufig noch nicht erwirtschaftet werden (könnten)“. Die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehene Frist von einem Jahr ist dann auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks. 13/5935) auf zwei Jahre verlängert worden; im Bericht des Ausschusses (BT-Drucks. 13/5936 S. 34) wird diese - schließlich als Gesetz angenommene - Änderung als „Verlängerung des Förderungszeitraums“ bezeichnet.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die Gewährung von Einstellungszuschüssen an einen bestimmten Kreis von Arbeitgebern in den Wettbewerb zwischen diesen und denen, die diese Förderung nicht in Anspruch nehmen können, weil ihre Unternehmen bereits geraume Zeit bestehen, eingreift. Dieser Eingriff mag durch das damit mittelbar verfolgte Ziel, Arbeitslosigkeit zu vermindern, gerechtfertigt sein, aber nur solange die am Beginn einer selbständigen Tätigkeit bestehenden besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegen. Nach Einschätzung des Gesetzgebers ist dies nach zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht mehr der Fall.

Dementsprechend kann ein Einstellungszuschuss nach § 55 b AFG nur für eine innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit aufgenommene und ausgeübte Beschäftigung gewährt werden, wobei im vorliegenden Fall offen bleiben kann, ob eine Förderung auch noch für einen (Teil-)Zeitraum nach Ablauf von zwei Jahren nach Aufnahme der selbstän-digen Tätigkeit in Betracht kommen kann, wenn die Beschäftigung innerhalb von zwei Jahren aufgenommen worden ist, aber die Förderungshöchstdauer von einem Jahr noch nicht abgelaufen ist (was augenscheinlich U. Winkler, in: Gagel, Arbeitsförderungsgesetz, § 55 b RdNr. 4 für möglich hält). Denn hier ist - selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einer Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit erst am 29. Mai 1995 ausgeht - die Arbeitnehmerin zu keiner Zeit innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (d.i. bis zum 29. Mai 1997) beschäftigt worden.

Die Klägerin kann auch nicht wegen einer angeblich mangelhaften Beratung durch die Beklagte verlangen, so gestellt zu werden, als würde sie die Förderungsvoraussetzungen erfüllen. Zwar kann eine Verletzung der Pflicht zur Auskunft, Belehrung und „verständnisvollen Förderung“ eine Verpflichtung des Leistungsträgers begründen, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn er diese Pflicht richtig erfüllt hätte („sozialrechtlicher Herstellungsanspruch“). Allerdings lassen sich dadurch nicht tatsächliche Vorgänge (beispielsweise die Arbeitslosmeldung oder Verfügbarkeit oder - wie hier - die Beschäftigung oder Einstellung) „herstellen“. Abgesehen davon lässt sich ein Beratungsmangel nicht erkennen. Die Klägerin hat nicht um eine Beratung gebeten, sondern einen konkreten Antrag gestellt. Ein Beratungsbedarf ist ihrem Brief nicht zu entnehmen. Auch aufgrund anderer Umstände musste sich der Beklagten nicht die Notwendigkeit eines Hinweises aufdrängen, zumal der Antrag erst am 16. Mai 1997 ein-ging. Da die Klägerin selbst darin angegeben hatte, sie habe am 20. Mai 1995 ihre Tätigkeit aufgenommen, wäre dementsprechend die Zweijahresfrist am 20. Mai 1997 (Dienstag nach Pfingsten) abgelaufen. Selbst falls - was ohnehin fraglich ist - die Einstellung innerhalb der Zweijahresfrist ausreichen sollte, wäre ein entsprechender Hinweis nur noch am Tag des An-tragseingangs selbst oder am darauffolgenden Dienstag möglich gewesen und hätte auch noch zu einer Einstellung spätestens am 20. Mai 1997 führen müssen. Unter diesen Umständen einen nur noch fernmündlich möglichen Hinweis der Beklagten zu verlangen, würde allerdings die Anforderungen an deren Beratungs- und Hinweispflichten überspannen, zumal zu diesem Zeitpunkt durchaus nicht eindeutig festzustellen war, ob alle übrigen Förderungsvoraussetzungen erfüllt sein würden; insbesondere lag zu dieser Zeit noch keine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung (§ 55 b Abs. 2 Nr. 3 AFG) vor. Dies gilt gleichermaßen, wenn man von einer Aufnahme der selbständigen Tätigkeit erst am 29. Mai 1995 ausgeht. Denn dies konnte der Beklagten zu jener Zeit nicht bekannt sein; die Klägerin hatte selbst in ihrem Antrag den 20. Mai 1995 als Tag der Aufnahme ihrer Tätigkeit angegeben und erst in ihrem Widerspruch darauf hingewiesen, dass diese sich bis zum 29. Mai 1995 verzögert habe.

Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer vor der Entscheidung über den Antrag eingestellt sein muss, was die Klägerin verneint. Dem Arbeitsförderungsgesetz ist dies in der Tat nicht zu entnehmen (jetzt allerdings ausdrücklich § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III, wonach Leistungen der Arbeitsförderung vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zu beantragen sind). Darauf kommt es hier aber nicht entscheidend an, weil - wie erwogen - nur eine Beschäftigung bzw. Einstellung innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gefördert werden kann. Dies war nicht der Fall, und die Klägerin ist auch nicht so zu stellen, als wä-re dies der Fall gewesen. Selbst wenn die Klägerin - wie ihrem Vortrag zu entnehmen ist - aufgefordert worden sein sollte, die Arbeitnehmerin vor einer Entscheidung über ihren Antrag einzustellen, könnte dies nicht die gesetzlichen Förderungsvoraussetzungen ersetzen, sondern allenfalls einen - zwingend: § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und Art. 34 Satz 3 des Grundgesetzes (GG) - bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machenden Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung begründen, falls ihr dadurch überhaupt ein Schaden entstanden sein sollte. Aus diesem Grunde kommt es auch weder auf die von der Klägerin behaupteten Äußerungen des stellvertretenden Direktors des (richtig:) Arbeitsamts Potsdam auf einer öffentlichen Veranstaltung (zu einer Zeit, als die Klägerin ihren Antrag längst gestellt hatte) noch auf die der von der Klägerin benannten Mitarbeiterin der Beklagten an; dass jene ihr bzw. ihrem Mann in dem fraglichen Gespräch definitiv eine Förderung zugesagt habe, behauptet die Klägerin selbst ohnehin nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Frage, ob für die Gewährung eines Einstellungszuschusses bei Neugründungen die Antragstellung innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausreicht oder eine Beschäftigung bzw. Einstellung erforderlich ist, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Dass § 55 b AFG außer Kraft getreten ist, steht der grundsätzlichen Bedeutung nicht entgegen, da dieser Vorschrift die §§ 225 bis 228 SGB III inhaltlich entsprechen.
Rechtskraft
Aus
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