L 1 RJ 181/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 131/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RJ 181/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage auf rückwirkende Aufhebung der Rente zum 01. Juli 1992 wird abgewiesen. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Oktober 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die (rückwirkende) Umwertung und Anpassung seiner ab 01. Juli 1990 bewilligten Invalidenrente ab 01. Januar 1992 in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und - nunmehr - die rückwirkende Aufhebung der Rente zum 01. Juli 1992.

Der am ...1957 geborene Kläger wurde von September 1973 bis Juli 1976 zum Facharbeiter für Datenverarbeitung ausgebildet und war anschließend bis August 1981 in diesem Beruf tätig. Im September 1981 nahm er ein Hochschulstudium der Theologie auf, das er nach seinen Angaben wegen politischer Verfolgung aufgeben musste. Von November 1983 bis Juli 1984 war er im Rahmen eines Praktikums für das Theologiestudium als Pflegehelfer tätig. Von Juli 1984 bis Dezember 1984 sowie von Februar 1986 bis Juni 1990 übte er eine Beschäftigung als Transport- und Lagerarbeiter aus, unterbrochen durch eine Tätigkeit als EDV-Operator (Januar 1985 bis November 1985).

Seit dem 01. Juli 1990 bezieht der Kläger eine Invalidenrente. In das in diesem Zusammenhang erstellte Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Dr. P., sowie des Obermedizinalrats Dr. V., Facharzt für Innere Krankheiten, vom 22. Mai 1990 trug der Kläger die Personalien handschriftlich ein und vermerkte, dass er den Rentenantrag selbst gestellt habe. Den Erhalt des Gutachtens hat der Kläger am 13. Juli 1990 bestätigt. Die Gewährung der Invalidenrente erfolgte aufgrund des vorgenannten Gutachtens vom 22. Mai 1990, in dem eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert wurde.

Von Oktober 1990 bis Juli 1992 absolvierte der Kläger eine Fachschulausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 1993 wurde die bisher gezahlte Invalidenrente als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. Januar 1992 geleistet. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger keinen Widerspruch.

Der Kläger studierte seit April 1994 an der Fernuniversität H. Volkswirtschaft und im Nebenfach Psychologie. Vom 01. August 2000 an war er als Telefonagent tätig. In diesem Arbeitsverhältnis, welches bis zum 30. September 2001 dauerte, war der Kläger bis zum 10. April 2001 tätig.

Am 25. Oktober 1999 beantragte der Kläger die Umwertung der von ihm bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente. Nur "BU-Rentner" hätten die Möglichkeit, beim Arbeitsamt als Arbeitsuchende registriert zu werden.

Mit Bescheid vom 03. Januar 2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sei nach § 44 des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch - (SGB X) verpflichtet, einen Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Nach den Unterlagen liege das zur Beurteilung von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit heranzuziehende Leistungsvermögen auf Dauer unter zwei Stunden. Auch die Bewertung des Antrags als Verzicht auf die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit führe zu keiner anderen Entscheidung, da sich der Verzicht lediglich auf den monatlich wiederkehrenden Zahlungsanspruch auswirke. Der Rechtsanspruch dem Grunde nach werde von einem Verzicht nicht erfasst.

Mit Schreiben vom 08. Januar 2000 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch: Richtigerweise sei die Rente ab Rentenumwertung 1992 als Berufsunfähigkeitsrente, bezogen auf den zuletzt ausgeübten Beruf eines Transporthilfsarbeiters, zu leisten.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2000 zurückgewiesen.

Die hiergegen am 14. März 2000 bei dem Sozialgericht Neuruppin erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 17. Oktober 2000 abgewiesen.

Gegen das am 08. November 2000 per Einschreiben zur Post gegebene Urteil hat der Kläger bereits am 19. Oktober 2000 Berufung eingelegt, die er im Wesentlich damit begründet, dass er die Berentung über den 01. Juli 1992 hinaus persönlich niemals beantragt oder bezweckt habe, die Berentung auf einer Übereinkunft zwischen der MfS-Kreisdienststelle P. und seiner Mutter, Frau I. E. B. W. (geschiedene G. geborene K.) beruhe und weder vor der Berentung noch danach er sich in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung befunden habe, da er nie irgendwelche Krankheitssymptome oder Auffälligkeit festgestellt habe.

Der Kläger beantragt,

1. Die Rente wird rückwirkend zum 01. Juli 1992 aufgehoben.

2. Die LVA Brandenburg leistet ab dem Zeitpunkt 01. Juli 1992 Schadensersatz in Form einer Jahresrente in Höhe des Nettoverdienstes auf Basis eines Bruttoeinkommens in Höhe von 90 000,00 DM p. a.

3. Auf der Basis des Bruttoeinkommens leistet die LVA Schadensersatz auf mein Rentenkonto.

Der Kläger beantragt hilfsweise,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Oktober 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Dezember 1993 insoweit zurückzunehmen, als dem Kläger ab 01. Januar 1992 die Invalidenrente als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit statt als Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 03. August 2002 erklärt:

" ... unter den jetzigen Umständen macht das Verfahren hinsichtlich der beruflichen Rehabilitierung und der nachträglichen Umwandlung in eine BU-Rente ab dem 01.01.1992 keinen Sinn mehr.

...

Behelfsweise bleibt es bei den bisherigen Verfahrensanträgen auf rückwirkende Umwandlung ab dem 01.01.1992 in eine BU-Rente und bei dem Antrag auf berufliche Rehabilitierung zu Sachkosten des Rehabilitierungsstudiums an der FU H. sowie der Beeidung des Herrn P ..."

Der Kläger hat den ihm vom Gericht übersandten Fragebogen zur Person mit dem Hinweis zurückgesandt, dass eine Schweigepflichtentbindung für die ihn behandelnden Ärzte nur auf ausdrückliche Nachfrage unter Angabe des tatsächlichen Zweckes erfolge.

In der nichtöffentlichen Sitzung vom 22. November 2001 hat der Kläger eine Schweigepflichtentbindungserklärung für Dr. W. gegeben und erklärt:

"Ich erkläre keinen Verzicht auf meine Erwerbsunfähigkeitsrente, sondern begehre weiterhin die Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente unter Abänderung des Umwertungsbescheides."

Mit Bescheid ohne Datum wurde die Rente des Klägers zum 01. Juli 2001 angepasst und zum 01. Januar 2002 auf Euro umgestellt.

Nach Anhörung mit Schreiben vom 27. März 2002 hat die Beklagte mit Bescheid vom 16. Mai 2002 den Bescheid vom 22. Dezember 1993 nach § 48 SGB X hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise aufgehoben. Für die Zeit vom 01. August 2000 bis 30. September 2001 sei die Rente unter Beachtung der §§ 302 a Abs. 2, 313 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI wegen des erzielten Hinzuverdienstes lediglich als volle Rente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten.

Der Senat hat die Befundberichte des Dr. W., Facharzt für Innere Medizin, vom 04. Dezember 2001 und der Ärztin für Innere Medizin Dr. P. vom 09. Januar 2002 eingeholt und mit Schreiben vom 19. Februar 2002 dem Kläger mitgeteilt, dass im Hinblick auf seine Erklärungen im Termin vom 22. November 2001 eine Begutachtung durch einen Arbeitsmediziner beabsichtigt sei. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 20. Februar 2002 den Senat auf eine Konsultation Dr. P.s aufmerksam gemacht und dessen Bereitschaft zur Erstellung eines Gutachtens mitgeteilt hat, hat der Berichterstatter mit Beweisanordnung vom 20. März 2002 Dr. P. zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beauftragt. Nachdem der Sachverständige eine als "Eidesstattliche Erklärung" bezeichnete Erklärung, dass er zeitlebens mit dem Ministerium für Staatssicherheit nichts zu tun gehabt habe, abgegeben hat, hat sich der Kläger zur Untersuchung durch den Sachverständigen bereit erklärt.

Der Sachverständige hat sein Gutachten unter dem 10. Juni 2002 erstattet und bei dem Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

- chronische Schizophrenie mit fixiertem Wahnsystem

- arterieller Bluthochdruck

- bluthochdruckbedingte Herzerkrankung mit Erweiterung der linken Herzkammer und eingeschränkter Herzleistung

- Übergeweicht mit metabolischem Syndrom, das heißt Stoffwechsel-entgleisung für Blutfette, Blutzucker und Harnsäure

- Diabetes mellitus mit daraus resultierender Nierenerkrankung

Bei dem Kläger sei jetzt von einer chronischen Verlaufsform der Schizophrenie auszugehen, die durch anhaltenden, fixierten Wahn, anhaltende Urteils- und Kritikstörungen, inadäquate Affektivitätslage und fehlende Krankheitseinsicht gekennzeichnet sei, ohne dass jetzt noch akute psychotische Schübe auftreten müssten. Es bestehe aufgrund der langen Erkrankungsdauer einerseits und aufgrund fehlenden Krankheits- und damit einhergehender Behandlungseinsicht keine Aussicht auf Besserung.

Sowohl die Angaben des Klägers als auch die Angaben aus den Unterlagen wiesen darauf hin, dass sich die psychiatrische Erkrankung im Zeitraum von 1981 bis 1983, also etwa im Alter von 24 Jahren, erstmals manifestiert habe. Da die im Rahmen des Gutachtens erhobenen Befunde für ein Fortbestehen der Erkrankung bis zum heutigen Tag sprächen und eine Behandlung nicht durchgeführt werde, sei auch von einem Weiterbestehen der Krankheit auszugehen. Über das Ausmaß der Schizophrenie zum Erkrankungsbeginn könnten keinen sicheren Aussagen gemacht werden, da Unterlagen aus den frühen Jahren der Erkrankung fehlten. Nach Aussagen des Klägers im Rahmen der Begutachtung 1990 habe die Schizophrenie 1983 zum Abbruch des Studiums der Theologie geführt. Es fände sich zu eben diesem Zeitpunkt ein deutlicher Bruch der beruflichen Entwicklung, so dass von einer erheblichen Beeinträchtigung der geistigen Kräfte ausgegangen werden müsse. Die 1990 im Rahmen der Begutachtung für die Invalidisierung erhobenen Befunde wie auch die psychiatrischen Arztbriefe aus den Jahren 1990 und 1991 wiesen darauf hin, dass die Schizophrenie anhaltend bestanden habe und das Erleben des Klägers, sein Zusammenleben und -arbeiten mit anderen hochgradig erschwert und sogar zu Zwangseinweisungen geführt hätten. In den Jahren nach 1991 sei es, soweit bekannt, nicht mehr zu Krankenhauseinweisungen aufgrund der Schizophrenie gekommen, was auf eine gewisse Besserung vielleicht auch der akut-psychotischen Syndrome und/oder des fremdaggressiven Verhaltens nach Ausscheiden aus dem Berufsleben schließen lasse.

Es sei davon auszugehen, dass sich die Symptome der Schizophrenie, an der der Kläger seit etwa 1983 leide, durch jegliche Tätigkeit, sei sie körperlicher oder geistiger Natur, die er im Auftrag eines Arbeitgebers, also nicht selbstbestimmt, mit Anforderungen an Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, kontinuierlich gerichtete Aufmerksamkeit und Übersicht, mit Anforderungen an die Eingliederung in ein bestehendes Team oder an eine stabile Ausgeglichenheit im Publikumsverkehr über einen Zeitraum von mehr als zwei bis drei Stunden am Tag durchführen müsse, verschlechtern würden. Damit könne aus sozialmedizinischer Sicht aufgrund der durchgeführten Diagnose der Schizophrenie keine Tätigkeit ohne Gefährdung der Gesundheit ausgeübt werden. Hinzu komme, dass auch aufgrund der internistischen Erkrankungen die Leistungsfähigkeit für schwere und mittelschwere körperliche Tätigkeiten, für Wechselschicht und Nachtschicht, für Arbeiten mit längeren einseitigen körperlichen Belastungen, für Arbeiten unter Zeitdruck aufgehoben sei.

Die vorliegende Leistungseinbuße sei von dauernder Natur, da aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht und der damit verbundenen fehlenden Behandlungseinsicht nach einer solch langen Erkrankungsdauer nicht von einer Besserung auszugehen sei.

Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2002 hat der Kläger den Senat gebeten, sich hinsichtlich der Kosten eines arbeitsmedizinischen Gutachtens zu äußern, nachdem ihm zuvor mitgeteilt worden war, dass die Einholung eines solchen Gutachtens von Amts wegen nicht beabsichtigt sei. Das Gericht hat daraufhin den Kläger auf die Möglichkeit eines Gutachtens gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen. Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2002 es dem Gericht anheim gestellt, einen neuen Gutachter zu suchen und zu beauftragen. Einen Kostenvorschuss könne er nicht leisten, da er ja nicht arbeiten dürfe.

Mit einem weiteren Schreiben vom 19. Juli 2002 hat der Kläger den Sachverständigen Dr. Perschalla wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und beantragt, ihm den Gutachtenauftrag zu entziehen, ihn zum Termin am 08. August 2002 zu laden und zu beeidigen. Der Ablehnungsantrag ist durch Beschluss des Senates vom 01. August 2002 für unbegründet erklärt worden. Ein weiterer Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen wurde mit Beschluss vom 07. August 2002 für unbegründet erklärt.

Die in der mündlichen Verhandlung vom 08. August 2002 geltend gemachten Ansprüche zu 2. und 3. sind in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 145 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)abgetrennt worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), die beigezogene Rehabilitierungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Gerichtsakten aus den Verfahren L 1 U 12/96, L 1 U 8/94, L 1 RJ 203/00 sowie L 1 RJ 37/00, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die erstmals mit Schriftsatz vom 03. August 2002 erhobene Klage auf rückwirkende Aufhebung der dem Kläger bewilligten Rente ist unzulässig. Die hilfsweise erhobene zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger hat die rückwirkende Aufhebung seiner Rente zum 01. Juli 1992 bei der Beklagten nicht beantragt, so dass diese darüber bisher auch keine Entscheidung hat treffen können. Das gemäß § 78 SGG erforderliche Vorverfahren ist diesbezüglich nicht durchgeführt worden. Die erstmals vor dem Landessozialgericht erhobene Verpflichtungsklage auf rückwirkende Aufhebung ist allein schon mangels Vorliegen dieser Prozessvoraussetzung unzulässig.

Die hilfsweise erhobene zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die auf Verpflichtung der Beklagten zur Änderung des Bescheides vom 22. Dezember 1993 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid vom 03. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2000 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf - teilweise - Aufhebung des Bescheides vom 22. Dezember 1993 gemäß § 44 SGB X.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die begehrte Änderung des Bescheides vom 22. Dezember 1993. Mit Beschluss vom 01. Februar 2001 ist lediglich das Verfahren S 1 RJ 203/00, das ebenfalls die begehrte Aufhebung betraf, mit dem vorliegenden Verfahren verbunden worden. Eine Verbindung dieses Verfahrens mit dem Verfahren S 1 RJ 37/00, betreffend die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 08. Februar 2000, S 7 RJ 373/99, wegen beruflicher Rehabilitation, ist nicht erfolgt.

Der Bescheid zur Rentenanpassung zum 01. Juli 2001 sowie zur Währungsumstellung zum 01. Januar 2002 und der Bescheid vom 16. Mai 2002 sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, da es hier im Wege des § 44 SGB X lediglich um den Anspruch des Klägers auf teilweise Aufhebung des Bescheides vom 22. Dezember 1993 geht. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid vom 03. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2000 wird durch die genannten Bescheide nicht betroffen.

Das Sozialgericht hat insoweit zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X hinsichtlich des Bescheides vom 22. Dezember 1993 nicht vorliegen. Diese Vorschrift greift hier nicht, da Sozialleistungen nicht zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der Kläger wendet sich vielmehr gegen die seiner Auffassung nach zu Unrecht erbrachte Leistung einer Rene wegen Erwerbsunfähigkeit.

Einschlägige Vorschrift kann deshalb nur § 44 Abs. 2 SGB X sein. Danach ist ein rechtswidriger nichtbegünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ob diese Vorschrift Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes sein kann, kann letztlich dahinstehen, da auch die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben sind. Bei der vom Kläger gerügten Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Damit wäre schon die direkte Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB X ausgeschlossen. Damit gäbe es für Fälle, in denen sich ein Versicherter gegen die zu Unrecht erfolgte Bewilligung einer Leistung wendet, keine nachträgliche Überprüfungsmöglichkeit im Rahmen des § 44 SGB X. § 44 Abs. 1 SGB X betrifft ausschließlich Fälle, in denen eine Sozialleistung zu Unrecht nicht erbracht worden ist bzw. Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. § 44 Abs. 2 SGB X betrifft nach seinen Wortlaut ausschließlich "nichtbegünstigende Verwaltungsakte". Insoweit bestände gegebenenfalls eine vom Gesetzgeber nicht gesehene Regelungslücke. Dagegen spricht jedoch, dass der Gesetzgeber durch die Regelungen der Abs. 1 und 2 des § 44 SGB X sämtliche Fälle erfasst hat, die durch die Nicht-Gewährung einer zustehenden Sozialleistung bzw. durch die Erhebung von Beiträgen bzw. durch andere nichtbegünstigende Regelungen in die Rechte eines Versicherten eingreifen können.

Dies kann letztlich jedoch dahinstehen, da der Bescheid vom 22. Dezember 1993 nicht rechtswidrig ist. Die Beklagte war deshalb nicht verpflichtet, ihn für die Zukunft zurückzunehmen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X), die Voraussetzungen einer Ermessensentscheidung nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X lagen damit ebenfalls nicht vor. Mit dem Bescheid vom 22. Dezember 1993 wurde die dem Kläger gewährte Invalidenrente als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geleistet (§ 302 a Abs. 1 SGB VI). Insoweit kann dahinstehen, ob die ursprüngliche Invalidenrentengewährung befristet erfolgt ist, da selbst bei befristeter Invalidenrentengewährung nach § 302 a SGB VI diese als unbefristete Rente weiterzugewähren war.

Zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides lagen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente vor. Dies ergibt sich vor allem aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. P., das vom Senat eingeholt worden ist. Danach besteht bei dem Kläger eine chronische Schizophrenie, die dazu führt, dass er nicht in der Lage ist, Tätigkeiten von mehr als zwei Stunden ohne Gefährdung seiner Gesundheit auszuüben. Die darüber hinausgehenden Erkrankungen können für die weitere Leistungsbeurteilung außer Betracht bleiben, da sie erst im Jahre 2001 diagnostiziert worden sind. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen lag das genannte Restleistungsvermögen auch bereits im Jahre 1983 vor, so dass die Rentengewährung im Juli 1990 und die Umwertung mit Bescheid vom 22. Dezember 1993 rechtsfehlerfrei erfolgt sind.

Die wesentliche Behinderung für die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben ergibt sich für den Kläger aus der Schizophrenie. Diese geht mit einer erheblichen Einschränkung des Urteils- und Kritikfähigkeit einher, gepaart mit einer Einengung auf den chronifizierten Wahn, einer unverrückbaren Gewissheit, Opfer von MfS-Intrigen zu sein, was wiederum zu einer erheblichen Affektstörung mit großem Misstrauen, Gereiztheit und Feindseligkeit anderen Menschen gegenüber und damit deutlichem sozialen Rückzug führt. Darüber hinaus bestehen leichte formale Denkstörungen mit einer Neigung zu alogischen Verknüpfungen und Weitschweifigkeit. Diese sich aus dem Gutachten ergebende Einschätzung ist im Hinblick auf die Anamnese- und Befunderhebung im Gutachten nachvollziehbar. Danach sind es weniger die geringen intellektuellen Einbußen, die den Kläger im Erwerbsleben behindern, als sein Misstrauen, seine latente Aggressivität und sein anhaltender Verfolgungswahn. Dies wird durch die schriftlichen Äußerungen des Klägers gegenüber der Beklagten und gegenüber den Gerichten bestätigt.

Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn der Sachverständige im Hinblick auf die Genese der Erkrankung und auch auf die vorliegenden ärztlichen älteren Unterlagen davon ausgeht, dass der Kläger bereits seit den 80er Jahren nicht mehr in der Lage ist, eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert von vielmehr als zwei Stunden auszuüben, so dass der Senat sich dieser Auffassung nach eigener Einschätzung anschließen kann.

Der Senat war auch nicht verpflichtet, die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten sowie das Gutachten des Sachverständigen nicht zu berücksichtigen, da der Vortrag des Klägers, diese seien Teil seiner Verfolgung durch das MfS, in keiner Form ihre Bestätigung in den Akten findet. Nach dem Gutachten resultiert diese Auffassung vielmehr aus dem besehenden Krankheitsbild.

Der Senat war ebenfalls nicht verpflichtet, den Sachverständigen Dr. P. zur mündlichen Verhandlung zu laden und ihn gegebenenfalls zu vereidigen. Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte und des Bundesverfassungsgerichts hat der Verfahrensbeteiligte zwar grundsätzlich - zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs - ein Recht auf Befragen eines Sachverständigen, der ein (schriftliches) Gutachten erstattet hat (§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO, § 62 SGG). Das Gericht muss diesem Antrag jedoch nur folgen, wenn der Antragsteller sachdienliche Fragen ankündigt bzw. jedenfalls einen sachdienlichen Fragenkomplex umschreibt (vgl. BSG, Breithaupt 2000, 863, 866). Dies hat der Kläger nicht getan.

Das Gericht war weiterhin nicht verpflichtet, den Sacherständigen zu beeidigen. Zwar ist die Vorschrift über die Beeidigung von Sachverständigen, § 410 ZPO, über § 118 Abs. 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar, jedoch eingeschränkt durch § 118 Abs. 2 SGG. Danach sind Sachverständige nur zu beeidigen, wenn das Gericht dieses im Hinblick auf die Bedeutung des Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht zur Beeidigung verpflichtet ist, wenn es seine Entscheidung - auch - auf das Sacherständigengutachten stützt (vgl. zur Beeidung eines Zeugen BSGE 3, 240). Vielmehr trifft das Gericht seine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (Zeihe, SGG, § 118 Rdnr. 4). Danach sind vorliegend keine Gründe ersichtlich, die die Beeidigung des Sachverständigen erforderlich erscheinen lassen.

Eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Bescheides vom 22. Dezember 1993 besteht auch nicht etwa deshalb, weil der Kläger auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit verzichtet hätte. Unabhängig davon, ob ein solcher Verzicht vom Kläger wirksam erklärt werden könnte und - rückwirkend - den Bescheid vom 22. Dezember 1993 insoweit rechtswidrig werden lassen könnte, hat der Kläger im Termin am 22. November 2001 klargestellt, dass er auf die Rente nicht verzichtet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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