L 17 RA 27/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 RA 5260/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 RA 27/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. April 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte als Zusatzversorgungsträger nach § 8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes -AAÜG- verpflichtet ist, die Zeit vom 1. August 1947 bis 31. März 1988 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festzustellen.

Der am 19. Oktober 1926 geborene Kläger war in der DDR vom 1. August 1947 bis 31. Oktober 1950 als Bildredakteur beim ... -ADN- beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag heißt es u.a.: "Im Falle des Wiederauflebens einer auf beiderseitigen Leistungen von Verleger (Verlag) und Redakteur beruhenden zusätzlichen Altersversorgung, die über die gesetzlichen Ansprüche hinausgeht, wird über eine Vereinbarung noch verhandelt. Die Vereinbarung soll sich nach dem zwischen dem Verband der D. P. und der V.-A. zu schließenden Normal-Vertrag für Redakteure richten".

Vom 1. November 1950 bis 31. März 1988 war der Kläger als freischaffender Bildjournalist tätig. Er entrichtete von seinem Einkommen Beiträge zur Sozialversicherung, ein Beitritt zur freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung -FZR- erfolgte jedoch nicht. Eine Versorgungszusage aus einem Zusatzversorgungssystem hat der Kläger, der seit dem 1. April 1988 Rente bezieht, nicht erhalten.

Den Antrag auf Überführung von Anwartschaften aus der zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 16 zum AAÜG) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Mai 2000 und Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2000 ab. Die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem lägen nicht vor. Eine Mitgliedschaft im Verband bildender Künstler habe der Kläger nicht nachgewiesen. Die Zeit der Beschäftigung beim ADN könne auch nicht der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG) zugeordnet werden.

Mit der dagegen am 14. November 2000 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe nachweislich über 40 Jahre freischaffend das drei- bis vierfache des DDR-Durchschnittsverdienstes erzielt. Nun erhalte er erheblich geringere Rente als seine gleichaltrigen freischaffenden Kollegen. Er habe nur unter großem politischen Druck arbeiten können und als Systemgegner keine freiwillige zusätzliche Rentenversicherung erhalten.

Mit Urteil vom 15. April 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem. Da er eine Tätigkeit als Bildreporter/Journalist ausgeübt habe, sei bereits fraglich, ob er als bildender Künstler anzusehen sei. Zudem habe eine Mitgliedschaft in der FZR nicht bestanden. Diese sei jedoch Voraussetzung für eine Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler gewesen. Soweit der Minister für Kultur das Recht gehabt habe, "verdienstvollen freischaffenden bildenden Künstlern", die bei der Einführung der Versorgung am 1. Januar 1989 bereits Rentner waren, eine Altersversorgung zu gewähren, führe dies in Bezug auf den Kläger nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn eine solche Ermessensentscheidung dürfe weder durch die Beklagte noch durch das Gericht nachgeholt werden. Die vom Kläger beim ADN ausgeübte Tätigkeit könne auch nicht der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates zugeordnet werden, weil der ADN frühestens 1953 Staatsorgan geworden sei.

Gegen das dem Kläger am 3. Mai 2002 zugestellte Urteil wendet er sich mit der am 31. Mai 2002 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung macht er geltend, er beantrage über die zuständige Rehabilitierungsbehörde eine Überprüfung rentenrechtlicher Benachteiligungen durch das DDR-System, speziell durch die staatliche Versicherung der DDR, da ihm die FZR-Teilnahme verweigert worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. April 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2000 aufzuheben und diese zu verpflichten, die Zeit vom 1. August 1947 bis 31. März 1988 als Zeit der Zugehörig keit zu einem Zusatzversorgungssystem nach der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Akten des Sozialgerichts Berlin -. und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 15. April 2002 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, eine Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem im geltend gemachten Zeitraum festzustellen.

Nach § 8 in Verbindung mit § 1 AAÜG sind vom zuständigen Versorgungsträger die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlichen Daten über Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben worden sind, dem zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilen. Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 AAÜG).

Ansprüche und Anwartschaften aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen bestehen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG auch dann, wenn in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt einmal eine durch Einzelfallregelung konkretisierte Aussicht bestand, im Versorgungsfall Leistungen zu erhalten, diese Aussicht aber aufgrund der Regelungen der Versorgungssysteme wieder entfallen war (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 34/01 R -). Schließlich bestehen derartige Ansprüche und Anwartschaften auch dann, wenn der Begünstigte zwar nicht im Wege einer Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelentscheidung, Einzelvertrag) in ein Versorgungssystem aufgenommen worden ist, er aber rückschauend nach den abstrakt-generellen Regeln der Versorgungssysteme hätte einbezogen werden müssen. Bei der dabei anzustellenden Prüfung kommt es auf die praktische Durchführung und die Auslegung der Versorgungsordnung seitens der ehemaligen DDR nicht an. Denn anderenfalls bestünde wie z.B. bei einer ohne sachlichen Grund versagten oder aus politischen Gründen erst verspätet erteilten Versorgungszusage die Gefahr, dass eine in der ehemaligen DDR aus politischen Gründen praktizierte Willkür über die Wiedervereinigung hinaus Bestand hätte (vgl. BSG SozR 3-8570 § 5 Nr. 3).

Da der Kläger zu keinem Zeitpunkt in der DDR eine Versorgungszusage mit der konkreten Aussicht hatte, bei Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten, können die Vorschriften des AAÜG auf ihn nur Anwendung finden, wenn ihm aus bundesrechtlicher Sicht nach den von der DDR geschaffenen Regelungen der Versorgungssysteme ein Anspruch bzw. eine Anwartschaft auf Versorgung hätte eingeräumt werden müssen, wenn diese unter Beachtung rechtstaatlicher Grundsätze wie insbesondere des Gleichheitsgebots umgesetzt worden wären. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 21/02 R -), der der Senat sich anschließt, ist dies der Fall, wenn der Betreffende nach den Regelungen des Versorgungssystems "obligatorisch" im Sinne einer "gebundenen Verwaltung", d.h. ohne Ermessensspielraum des Versorgungsträgers, in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen, weil die abstrakt-generellen Voraussetzungen hierfür erfüllt waren.

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger in Bezug auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit eines freischaffenden Bildjournalisten nicht vor. Denn nach der insoweit allein in Betracht kommenden zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler (eingeführt mit Wirkung vom 1. Januar 1989) - Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 16 zum AAÜG - war die Gewährung einer zusätzlichen Altersversorgung von einer Ermessensentscheidung abhängig und erfolgte nicht kraft Gesetzes. Nach Ziffer 2 des Anhangs zur Anlage zum Beschluss des Präsidiums des Ministerrats der DDR über den Vorschlag zur Verbesserung der Rentenversorgung für freischaffende bildende Künstler vom 2. Dezember 1988 (damals nicht veröffentlicht - jetzt abgedruckt in Aichberger II Nr. 170) hatte der Minister für Kultur das Recht, gemeinsam mit dem Staatssekretär für Arbeit und Löhne im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Verbandes bildender Künstler verdienstvollen freischaffenden bildenden Künstlern eine zusätzliche Altersversorgung der künstlerischen Intelligenz zu gewähren.

In Bezug auf derartige Ermessensentscheidungen von Stellen der ehemaligen DDR, die auch der Erzeugung politischen und gesellschaftlichen Wohlverhaltens dienten, ist vom BSG im bereits genannten Urteil vom 31. Juli 2002 ausgeführt worden, dass eine solche Entscheidung allein aus der Sicht der DDR und nach deren Maßstäben getroffen und infolge dessen mangels sachlich objektivierbarer, bundesrechtlich nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend ersetzt werden könne. Dem schließt sich der Senat an.

Soweit in Ziffer 1 des Anhangs zur Anlage zum Beschluss des Präsidiums des Ministerrats der DDR vom 2. Dezember 1988 auch für freischaffende bildende Künstler eine Anhebung der Höchstgrenze für die Bemessung der Beitragsleistungen zur freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung beschlossen worden ist, ist dies für die hier allein zu beurteilende Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide der Beklagten schon deshalb unerheblich, weil die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme keine Entscheidung über die in der freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung versicherten Entgelte zu treffen hatte. Ob der Kläger höhere Rentenansprüche aufgrund von in der FZR versicherten Entgelten hat, ist - ggf. nach einer Rehabilitierungsentscheidung - allein vom Rentenversicherungsträger zu prüfen. Schon aus diesem Grunde war es nicht erforderlich, eine Entscheidung der Rehabilitationsbehörde abzuwarten.

Hinsichtlich der vom Kläger von 1947 bis 1950 ausgeübten Tätigkeit eines Bildredakteurs beim ADN kommt auch keine Feststellung von Ansprüchen und Anwartschaften aus der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG) in Betracht. Es handelt sich dabei schon deshalb nicht um Zeiten der Zugehörigkeit zu diesem Versorgungssystem vor dessen Einführung (vgl. § 5 Abs. 2 AAÜG), weil der ADN 1946 als GmbH gegründet wurde und erst zum 1. Mai 1953 in Staatseigentum überführt worden ist (vgl. DDR Handbuch Band 1, 3. Auflage 1985, zum Stichwort Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst). Jedenfalls im hier zu beurteilenden Zeitraum von 1947 bis 1950 lag somit bereits keine Tätigkeit im Bereich des Staatsapparates vor, die zum Beitritt zum genannten Versorgungssystem berechtigt hätte. Aus dem vom Kläger mit dem ADN geschlossenen Arbeitsvertrag kann schließlich kein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung hergeleitet werden. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die dort vorgesehene Vereinbarung zustande gekommen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz -SGG-. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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