L 1 B 14/00 RJ ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 24 RJ 2722/99 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 B 14/00 RJ ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2000 wird aufgehoben. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Der weitergehende Antrag der Beschwerdeführerin wird abgelehnt. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller hat den jeweils pfändbaren Teil seiner ihm von der Antragsgegnerin gewährten Rente an die C. Bank von E. (C. Bank) abgetreten. Diese verlangte von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19. Oktober 1998 die Überweisung der ihr nach dem Abtretungsvertrag zustehenden Beträge. Dem kam die Antragsgegnerin nicht nach, nachdem der Antragsteller eine Bescheinigung des Sozialamtes vorgelegt hatte, aus der sich seine Sozialhilfebedürftigkeit bei Nichtauszahlung der vollen Rente ergab. Auf ein erneutes Auszahlungsverlangen der C. Bank vom 21. Oktober 1999 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller durch Schreiben vom 3. Dezember 1999 mit, dass sie dem nunmehr unter Berücksichtigung des § 53 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) I mit dem sich aus § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) ergebenden Betrag entsprechen werde. Eine Prüfung, ob der Antragsteller durch die Abtretung sozialhilfebedürftig werde (§ 850 f Abs. 1 ZPO), sei nach dem Wortlaut des Gesetzes im Rahmen des § 53 Abs. 3 SGB I nicht vorzunehmen. Soweit ihr ein vom Antragsteller beim Sozialgericht Berlin (SG) erwirkter Beschluss vorgelegt würde, der sich auf die Abtretung beziehe und nach § 850 f Abs. 1 ZPO die Höhe des pfändungsfreien Betrages bestimme, wäre dieser von ihr bei der Ausführung der Abtretung zu beachten.

Im Hinblick auf das Begehren des Antragstellers vom 23. Dezember 1999 auf einstweiligen Rechtsschutz durch das SG sah - und sieht - die Antragsgegnerin zwar von einer Auszahlung des umstrittenen Betrages (Differenz zwischen der nach § 850 c ZPO und der nach § 850 f ZPO berechneten Pfändungsfreigrenze) an die C. Bank ab, behält den Betrag aber ein.

Durch Beschluss vom 31. März 2000 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung antragsgemäß, "den Antragsteller in Bezug auf die Forderung der C. Bank unter Beachten der Vorschrift des § 850 f Zivilprozessordnung zu bescheiden". Es sei nötig - so heißt es in den Beschlussgründen -, durch die Anordnung wesentliche Nachteile tatsächlicher und rechtlicher Art von dem Antragsteller abzuwenden. Dieser werde bei ausschließlicher Anwendung des § 850 c ZPO sozialhilfebedürftig. Die Antragsgegnerin müsse - jedenfalls bei entsprechendem Antrag (wie hier) - durch Verwaltungsakt den pfändbaren Teil der Rente des Antragstellers umfassend, also auch unter entsprechender Anwendung des § 850 f ZPO, feststellen. Nach der Rechtsprechung habe sie die - erste - Entscheidung zu treffen. Erst eine eventuell erforderliche Überprüfung läge beim SG.

Mit der Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, macht die Antragsgegnerin geltend, die Rechtsprechung sei nicht einheitlich. Richtiger Ansicht nach habe das SG in entsprechender Anwendung des § 850 f Abs. 1 ZPO - ohne vorherige Bescheiderteilung durch sie - Rechtsschutz zu gewähren. Das SG trete an die Stelle des Vollstreckungsgerichts im Sinne dieser Vorschrift. Es sei also von der Entscheidung des Gerichts (nicht von ihrer Entscheidung) abhängig, an wen die vorsorglich seit dem 1. Januar 2000 von der Rente des Antragstellers einbehaltenen Beträge auszuzahlen seien. Dementsprechend beantrage sie, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Antragsteller Rechtsschutz in entsprechender Anwendung des § 850 f Abs. 1 ZPO zu gewähren.

Der Antragsteller begehrt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, über die Unpfändbarkeit nach § 850 f ZPO gerichtlich zu entscheiden und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den danach pfändungsfrei bleibenden Rentenanteil rückwirkend seit dem 1. Januar 2000 auszuzahlen. Dies sei dringend erforderlich, weil er (der Antragsteller) bereits aufgrund der hohen finanziellen und psychischen Belastung suizidgefährdet sei. Insbesondere sei er aus diesem Grund bereits im Krankenhaus gewesen.

Die Beschwerde ist begründet.

Der Beschluss des Sozialgerichts vom 31. März 2000 unterliegt der Aufhebung. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Zwar ist das Begehren des Antragstellers grundsätzlich einstweiligem Rechtsschutz im Sinne einer einstweiligen Anordnung zugänglich, da er eine Verpflichtung der Antragsgegnerin erstrebt, eine Entscheidung entsprechend § 850 f ZPO zu treffen.

Für eine entsprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung fehlt es indes an einem Anordnungsgrund. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ohne eine einstweilige Anordnung im Sinne des angefochtenen Beschlusses wesentliche, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden. Die Antragsgegnerin zahlt den streitigen Differenzbetrag der Rente des Antragstellers nicht an die C. Bank aus, sondern behält ihn ein, so dass er für den Antragsteller nicht verloren ist. Andererseits wird der aktuelle Unterhaltsbedarf des Antragstellers durch laufende ergänzende Leistungen des Sozialhilfeträgers zum Lebensunterhalt gedeckt. Der Kläger wird durch diese - zeitweilige - Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht unzumutbar belastet. Er muss, solange seine Schuld bei der C. Bank nicht bezahlt ist, ohnehin laufend mit dem Sozialamt Kontakt halten, um - als Voraussetzung für eine Entscheidung entsprechend § 850 f ZPO - die Höhe seines sozialhilferechtlichen Bedarfs feststellen zu lassen.

Dem Antragsteller ist es zuzumuten, gegen die Ablehnung einer Entscheidung entsprechend § 850 f ZPO im Schreiben der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 1999 - jedenfalls insoweit handelt es sich um einen Verwaltungsakt - mit den üblichen Rechtsbehelfen (Widerspruch [insoweit unter Einhaltung der Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 SGG] und Klage) vorzugehen. Nur dieser Weg bietet auch die Möglichkeit, die Streitfrage - erforderlichenfalls - höchstrichterlich klären zu lassen.

Der über den Aufhebungsantrag hinausgehende Antrag der Antragsgegnerin, "dem Antragsteller Rechtsschutz in entsprechender Anwendung von § 850 f Abs. 1 ZPO ohne vorherige Bescheiderteilung durch die Antragsgegnerin zu gewähren”, ist unzulässig. Es ist nicht Sache der Antragsgegnerin, Rechtsschutz für den Antragsteller zu beantragen.

Der als Anschlussbeschwerde auszulegende Hilfsantrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung über die Unpfändbarkeit nach § 850 f ZPO unterliegt aus denselben Gründen der Zurückweisung, aus denen der Beschwerde stattzugeben war.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved