L 10 AL 20/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 78 AL 2782/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AL 20/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. Dezember 2001 sowie der Bescheid vom 8. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 1999 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 3. Dezember 1998 bis 31. Juli 1999 Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der 1968 geborene Kläger legte im Februar 1998 seine Diplomprüfung im Fach Architektur ab und arbeitete vom 29. April 1998 bis 8. November 1998 im Architekturbüro H S als Architekt. Am 3. Dezember 1998 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte unter Hinweis auf seine "Beschäftigung" in der angegebenen Zeit - ohne Vorlage einer Arbeitsbescheinigung - Alhi.

Durch Bescheid vom 8. April 1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens fünf Monate in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt, die der Erfüllung der Anwartschaftszeit gedient habe.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei in der Zeit vom 29. April 1998 bis 8. November 1998 sehr wohl - mehr als fünf Monate - beschäftigt gewesen. Da sein Arbeitgeber keine Sozialbeiträge für ihn eingezahlt habe und ihm einen Teil seines Lohnes schuldig geblieben sei, gehe er zur Zeit gerichtlich gegen ihn vor. Der Architekt S äußerte sich demgegenüber dahin, dass der Kläger als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis und nicht im Angestelltenverhältnis beschäftigt gewesen sei. Es sei kein Arbeitsvertrag geschlossen worden. Vielmehr sei der Kläger mit in sich abgeschlossenen Teilleistungen der laufenden Planungen beauftragt gewesen, ohne an feste Arbeitszeiten und Weisungen gebunden gewesen zu sein. Die Abrechnung sei auf Leistungsnachweis erfolgt. Sozialversicherungsbeiträge seien nicht zu entrichten gewesen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie machte sich die Darstellung des "Arbeitgebers" zu eigen.

Das dagegen angerufene Sozialgericht Berlin (SG) hörte den Kläger an und vernahm den Architekten S sowie den ebenfalls in dessen Büro tätig gewesenen Architekten B als Zeugen.

Der Kläger erklärte, er habe sich im Arbeitsgerichtsverfahren außergerichtlich mit dem Zeugen S dahin verglichen, dass die geltend gemachten Stunden im Wesentlichen anerkannt und der Zeugnis- und Urlaubsanspruch fallengelassen worden seien. Es habe mit dem Zeugen keine schriftliche Vereinbarung gegeben, dieser habe lediglich die Rechnungslegung erläutert und gesagt, dass er (der Kläger) keine Stundenzahl, sondern einen Gesamtbetrag angeben solle. Weiterhin hätten sie zunächst einen Stundenlohn von 20,00 DM und später von 23,00 DM vereinbart. Es habe sich um eine Vollzeittätigkeit gehandelt. Über die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sei nach seiner Erinnerung nicht gesprochen worden. Die Arbeit habe im Büro in Hermsdorf verrichtet werden sollen. Es habe sich um Zeichenarbeit gehandelt. Es habe laufend Besprechungen mit dem Zeugen S gegeben, in denen ihm (dem Kläger) mitgeteilt worden sei, was zu tun sei. Die Einzelschritte seien ihm stets vorgegeben worden. Er habe dann eine Liste gefertigt und diese entsprechend den Vorgaben abgearbeitet. Seine Arbeiten seien laufend kontrolliert worden und es sei zwecks Einhaltung von Terminen auch Druck ausgeübt worden. Er habe keinen Kundenkontakt gehabt und die Arbeit auch nicht delegieren können. Er habe um 9.00 Uhr anfangen sollen, sei aber in der Regel (bereits) zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr erschienen und habe bis 18.00 Uhr und oft auch länger gearbeitet. Wenn es eng geworden sei, habe er auch am Wochenende gearbeitet. Man habe nicht zu spät kommen dürfen, sonst hätte es Ärger gegeben. Ein anderer Mitarbeiter namens Z sei immer relativ spät gekommen und deshalb gekündigt worden. Er habe stets im Büro des Zeugen S gearbeitet. Dort hätten sich die Pläne befunden. Er habe ausschließlich das Büro und die Betriebsmittel des Zeugen S genutzt. Als er gefragt habe, ob er auch zu Hause arbeiten dürfe, sei ihm dies nicht gestattet worden. Er habe nur für den Zeugen S gearbeitet und keinen anderen Auftraggeber gehabt. Krankheitstage seien nicht bezahlt worden. Wenn er nicht im Büro anwesend gewesen sei, habe er kein Geld erhalten. In der Zeit zwischen seinem Ausscheiden beim Zeugen S und vor Aufnahme einer neuen Tätigkeit am 1. August 1999 habe er keine Einkünfte erzielt.

Der Kläger legte Rechnungskopien betreffend die Zeit vom 29. April bis 31. August 1998 vor. Die darin ausgewiesenen Bruttobeträge enthielten 16 % Mehrwertsteuer. Außerdem überreichte er Arbeitszeitnachweise für die Monate September bis November 1998. Ihnen ist u.a. zu entnehmen, dass der Vergütung jedenfalls für diese Monate ein Stundensatz von 25,00 DM zugrunde gelegt wurde.

Der Zeuge B bekundete, er sei von Ende August bis Ende September 1998 als (damals noch) Student für den Zeugen S gegen Rechnungserstellung auf Stundenbasis tätig gewesen, und zwar ausschließlich für das Aufmaß einer Schule, ein Projekt, das vom Kläger mitbetreut worden sei. Der Kläger habe auf der Grundlage seiner (des Zeugen) Zeichnungen dann Entwurfszeichnungen gefertigt. Er (der Kläger) sei täglich ab etwa 8.30 Uhr im Büro gewesen und habe stets bis in den Abend hinein gearbeitet. Ob er auch an einem anderen Ort hätte arbeiten dürfen, wisse er (der Zeuge) nicht. Einmal habe er sich mit dem Kläger morgens um 7.00 Uhr in der Schule getroffen. Sie hätten bis 2.00 Uhr oder 3.00 Uhr nachts gearbeitet. Er wisse nicht, ob wegen eines Freizeitausgleichs (Fernbleiben von der Arbeit) die Erlaubnis des Zeugen S erforderlich gewesen wäre. Zur Zeit seiner Tätigkeit dort habe die Umstellung auf CAD begonnen. Sie sei vom Kläger mitbetreut worden. Hierfür habe dieser gelegentlich seinen Computer mitgebracht, er nehme an, um dem Zeugen S zu zeigen, wie es funktioniere. Als Arbeitsmittel habe der Computer damals dort noch keine Rolle gespielt. Arbeitsmittel seien vom Zeugen S gestellt worden. Der Kläger habe für den Zeugen, wenn dieser selbst verhindert gewesen sei, auch Termine wahrnehmen müssen. Er habe nicht kommen und gehen können, wann er wollte, sondern sei in den Bürobetrieb eingebunden gewesen. Dies sei bei ihm (dem Zeugen) anders gewesen. Er (der Zeuge) habe teilweise auch zu Hause gearbeitet.

Der Zeuge S sagte aus, mit dem Kläger sei mündlich vereinbart worden, dass er als freier Mitarbeiter tätig sein solle. In diesem Zusammenhang sei er darauf hingewiesen worden, dass er Steuern und Sozialversicherungsbeiträge selbst abführen müsse. Der Stundensatz von 25,00 DM habe dies berücksichtigt. Als Angestellter hätte der Kläger etwa 18,00 bis 20,00 DM erhalten. Der Kläger habe Planungsaufgaben im Büro wahrgenommen und sei seines Wissens auch noch woanders als freier Mitarbeiter tätig gewesen. Daran, wann er im Büro anwesend gewesen sei, könne er (der Zeuge) sich nicht mehr erinnern. Er gehe (aber) davon aus, dass der Kläger überwiegend im Büro gearbeitet habe. Doch hätte er die Arbeit auch an jedem anderen Ort ausführen können. Er sei - abgesehen von wahrzunehmenden konkreten Terminen - frei gewesen, wann und wo er seine Arbeit verrichtete. Im Übrigen seien lediglich die vereinbarten Termine für die Fertigstellung bestimmter Arbeiten einzuhalten gewesen. Die tägliche Arbeitszeit habe variiert und sei mal länger und mal kürzer gewesen. Der Kläger habe überwiegend eigenes Arbeitsmaterial mitgebracht. So habe er die Stifte "wohl selbst mitgebracht". Er hätte jederzeit einen Auftrag ablehnen können. Er (der Zeuge) wisse allerdings nicht, ob der Kläger je einen Auftrag abgelehnt habe. Dokumentationspflichten hätten nur insoweit bestanden, als die Stundenzahl habe festgehalten werden müssen, um den Auftraggebern gegenüber entsprechend abrechnen zu können. Kontrollen seien nur zwecks Überprüfung der Einhaltung von Absprachen durchgeführt worden. Der Kläger habe Termine stets zuverlässig wahrgenommen. Er (der Zeuge) könne sich "nicht vorstellen", dem Kläger - wie von diesem detailliert behauptet - Einzelweisungen erteilt zu haben. Der Kläger sei jeweils für einzelne Teile eines Projekts zuständig gewesen, so dass es allenfalls Vorgaben gegeben habe, damit diese zu den übrigen Arbeiten passten. Korrekturen habe es nur gegeben, wenn etwas anderes geleistet als abverlangt worden sei.

Durch Urteil vom 4. Dezember 2001 wies das SG die auf Gewährung von Alhi ab 3. Dezember 1998 gerichtete Klage ab. Es vermochte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erforderliche und vor allem durch Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in den Betrieb gekennzeichnete persönliche Abhängigkeit des Klägers nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen. Insbesondere habe sich durch die Aussage des Zeugen S nicht bestätigen lassen, dass der Kläger über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus weisungsabhängig gearbeitet habe und über den Arbeitsort und die Arbeitszeit nicht habe frei bestimmen können. Die Aussage des Zeugen B, dass der Kläger nicht habe kommen und gehen können, wann er gewollt habe, sondern in den Bürobetrieb eingebunden gewesen sei, überzeuge nicht. Denn der Zeuge habe keine Kenntnis gehabt, ob der Kläger auch an einem anderen Ort hätte arbeiten dürfen und für das Fernbleiben im Büro der Erlaubnis des Zeugen S bedurft hätte. Ein tatsächliches Verhalten des Klägers, das ohne eine entsprechende Verpflichtung bzw. Weisungsgebundenheit zustande gekommen wäre, reiche für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit nicht aus. Es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger vorhandene Gestaltungsspielräume nicht in vollem Umfang wahrgenommen und genutzt habe.

Mit der Berufung rügt der Kläger eine fehlerhafte Wertung der Zeugenaussagen sowie seiner eigenen Angaben durch das SG. Er habe sehr detaillierte Angaben gemacht, der Zeuge S hingegen pauschal und unsubstantiiert bestritten, auch wiederholt angegeben, sich nicht erinnern zu können. Für die angenommene Möglichkeit, dass er vorhandene Gestaltungsspielräume nicht genutzt habe, habe das SG keine Anknüpfungstatsachen genannt. Allein aus der Art der Rechnungslegung - als im Grunde einzigem Indiz - könne nicht auf ein freies Mitarbeiterverhältnis geschlossen werden. Die festgestellten tatsächlichen Umstände - der gesamte äußere Anschein - sprächen für ein Arbeitsverhältnis. Der Zeuge S habe nur angegeben, dass er (der Kläger) sich hätte anders verhalten können. Danach habe das SG sein Urteil auf ein freies Mitarbeiterverhältnis gestützt, das nur in seinem (des Klägers) Kopf habe "stattfinden" können. Zum weiteren Beweis seiner Weisungsgebundenheit beim Zeugen S berufe er sich auf das Zeugnis des seinerzeitigen weiteren Mitarbeiters im Büro des Zeugen S E Z.

Der Kläger beantragt

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2001 sowie den Bescheid vom 8. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 3. Dezember 1998 bis 31. Juli 1999 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil nach bisheriger Beweislage für zutreffend, zieht jedoch die Verfügbarkeit des Klägers im streitigen Zeitraum nicht in Zweifel.

Der Zeuge Z hat wegen unbekannten Aufenthaltes nicht vernommen werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 78 AL 2782/99 -) und der Leistungsakten der Beklagten (zur Kd.-Nr. ) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Entgegen den Vorentscheidungen steht dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum vom 3. Dezember 1998 bis 31. Juli 1999 (originäre) Alhi zu, weil er die Anspruchsvoraussetzungen hierfür nach § 190 Sozialgesetzbuch (SGB) III in der damals geltenden Fassung (a.F.) erfüllt. Er war arbeitslos - insbesondere stand er den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung - und hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (§ 190 Abs. 1 Nr. 1 und 2 in Verbindung mit §§ 198 Satz 1 Nr. 1 und 2, 118, 119, 122 SGB III), er hatte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllte, er erfüllte die besonderen Anspruchsvoraussetzungen und war bedürftig (§ 190 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 SGB III a.F.).

Die Anspruchsvoraussetzungen sind - abgesehen von den besonderen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 4 SGB III - zwischen den Beteiligten nicht streitig. Zweifel an der Verfügbarkeit des Klägers hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verneint. Auch die Bedürftigkeit des Klägers ist nach Aktenlage nicht anzuzweifeln. Diese Anspruchsvoraussetzungen stehen deshalb für den Senat fest.

Der Kläger hat jedoch auch die besonderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, nämlich in der mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi beginnenden Vorfrist von einem Jahr mindestens fünf Monate in einer Beschäftigung gestanden (§§ 191 Abs. 1 Nr. 2 a.F., 192 Satz 1 SGB III). Denn er war vom 29. April 1998 bis 8. November 1998 (nichtselbständig) gegen Arbeitsentgelt beschäftigt (§§ 25 Abs. 1 SGB III, 7 Abs. 1 SGB IV) und damit versicherungspflichtig (§ 25 Abs. 1 SGB III).

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass es für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich auf die vor allem durch Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in den Betrieb gekennzeichnete persönliche Abhängigkeit ankommt. Seine Bedenken, die es daran hinderten, diese Voraussetzungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit hinreichender Sicherheit für festgestellt zu erachten, vermag der Senat jedoch nicht zu teilen. Auch ohne die (gescheiterte) Vernehmung des weiteren vom Kläger benannten Zeugen erlaubt dieses Beweisergebnis vielmehr die Feststellung, dass der Kläger nicht freier Mitarbeiter sondern abhängig Beschäftigter war.

Der Kläger verrichtete beim Zeugen S - wie die vorgelegten Rechnungen sowie Arbeitszeitnachweise belegen und auch der Zeuge B bestätigen konnte - eine Vollzeittätigkeit, die zum Teil sogar weit über eine normale 40-Stunden-Woche hinausging. Es ist deshalb - dem Vortrag des Klägers entsprechend - davon auszugehen, dass er ausschließlich für den Zeugen S tätig war. Den Rechnungen und besonders den Arbeitszeitnachweisen ist zu entnehmen, dass der Kläger nicht nur gleichzeitig im Rahmen einer Vielzahl von Projekten tätig war, sondern dabei auch unterschiedliche Tätigkeiten verrichtete. Neben der reinen Zeichenarbeit, die sicher im Vordergrund stand, führte er nicht wenige Besprechungen durch und recherchierte auch. Der Zeuge B wusste zudem zu berichten, dass der Kläger den Zeugen S bei der Wahrnehmung von Terminen habe vertreten "müssen" (!) und dass die Umstellung auf CAD (Computer Aided Design) im Büro des Zeugen S vom Kläger mitbetreut worden sei. Dies spricht dagegen, dass der Kläger nur im Rahmen von klar umrissenen Einzelaufträgen für den Zeugen S tätig war, vielmehr dafür, dass er diesem in umfassenderer Weise zur Verfügung stand und in dessen Betrieb eingegliedert war.

Deshalb überzeugt es auch nicht, wenn der Zeuge S - der sich (aus welchen Gründen auch immer) nicht mehr allzu genau an die Tätigkeit des Klägers erinnert - erklärt, dieser sei "völlig" frei gewesen, wann und wo er seine Arbeit verrichtete. Letztlich hat der Zeuge S auch die Darstellung des Klägers, dass er diesem wie ein Arbeitgeber Einzelweisungen erteilt habe, nicht eindeutig in Abrede gestellt, sondern sich dies nur "nicht vorstellen" können. Die Aussage des Zeugen, dass der Kläger nur jeweils für einzelne Teile eines Projektes zuständig gewesen sei, trifft - wie dargelegt - so nicht zu und gibt die Einbindung des Klägers, wie insbesondere auch die Bekundungen des Zeugen B belegen, nicht zutreffend und vollständig wieder. Sie ist deshalb nicht geeignet, der Darstellung des Klägers überzeugend zu begegnen. Wegen des sehr viel umfassenderen betrieblichen Eingebundenseins des Klägers ist auch die Aussage des Zeugen S nicht nachvollziehbar, der Kläger habe einen Auftrag jederzeit ablehnen können. Es ist nicht ersichtlich, wie dies - ebenso wie die angebliche freie Bestimmbarkeit von Arbeitszeit und Arbeitsort - mit dessen tatsächlicher Inanspruchnahme und dessen verschiedenen, Präsenz voraussetzenden Diensten hätte vereinbar sein sollen.

Anders als das SG hält der Senat demgegenüber die Aussage des Zeugen B insgesamt für überzeugend, auch insoweit, als dieser bekundete, der Kläger habe - anders als er - nicht nach Belieben kommen und gehen können, sondern sei in den Bürobetrieb eingegliedert gewesen. Dem steht weder entgegen, dass der Zeuge selbst nur einen Monat lang für den Zeugen S tätig gewesen ist und zudem teilweise zu Hause gearbeitet hat noch, dass er nicht zu sagen vermochte, ob der Kläger auch an einem anderen Ort hätte arbeiten dürfen und für das Fernbleiben im Büro der Erlaubnis des Zeugen Saalbach bedurft hätte. Der Zeuge hat offenbar beobachten können - dafür genügt die Zeitspanne eines Monats -, dass der Kläger in ganz anderer Weise als er selbst in den Betriebsablauf eingespannt und eingegliedert gewesen ist, insbesondere durch Betrauung mit den verschiedensten Aufgaben, die es ihm schon rein praktisch nicht ermöglichten, den Inhalt seiner Arbeit frei zu bestimmen und über Arbeitszeit, Arbeitsdauer und Arbeitsort frei zu verfügen. In diesem Sinne ist die Aussage des Zeugen B zu verstehen und dem widerspricht es nicht, dass er nicht wusste, ob der Kläger - wenn es die Situation zugelassen hätte - auch an einem anderen Ort hätte arbeiten und auch ohne Erlaubnis hätte fernbleiben können.

Soweit das SG schließlich in Erwägung zieht, der Kläger könnte vorhandene Gestaltungsspielräume nicht in vollem Umfang wahrgenommen und genutzt haben, so kommt dem nach Einschätzung des Senats allenfalls theoretische, aber keine praktische Bedeutung zu. Der tatsächliche - umfassende - Einsatz des Klägers im Architekturbüro des Zeugen S spricht - auch vor dem Hintergrund der angespannten Arbeitsmarktsituation für Jungarchitekten - dagegen, dass solche Spielräume ohne Einfluss auf den Bestand des Vertragsverhältnisses hätten verwirklicht werden können.

Die Annahme einer abhängigen Beschäftigung des Klägers beim Zeugen S entspricht im Übrigen auch den Kriterien einer zu vermutenden abhängigen Beschäftigung nach der Vorschrift des - wenn auch erst ab 1. Januar 1999 eingefügten - Absatzes 4 des § 7 SGB IV: Der Kläger beschäftigte im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, er war nur für einen Auftraggeber tätig und er trat nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auf.

Bei dieser Sachlage steht der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen, dass die Mitarbeit des Klägers im Architekturbüro des Zeugen S formal als freies Mitarbeiterverhältnis geführt wurde (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 1997 - 5 AZR 21/97 - = NZA 1998, S. 595 [596]). Der äußeren Form des Vertragsverhältnisses kommt lediglich Indizwirkung zu, die an Bedeutung zurücktritt, wenn die tatsächlichen Umstände der Durchführung des Vertragsverhältnisses dem - wie hier - wiedersprechen.

Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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