L 2 RA 254/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 483/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RA 254/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 14. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVtI) für die Zeit vom 01. Juli 1972 bis 30. Juni 1990 und die Berücksichtigung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Der im ... 1943 geborene Kläger ist Meliorationsingenieur (Urkunde der Agrarschule Fürstenwalde vom 20. Juli 1972) und Fachingenieur für Gewässeraufsicht (Urkunde der Ingenieurschule für Wasserwirtschaft M. vom 15. April 1980). Vom 01. Juli 1972 bis 30. Juni 1990 war der Kläger bei der Wasserwirtschaftsdirektion Küste (- W.-P.), Oberflussmeisterei N. als Ingenieur Gewässeraufsicht (Gruppenleiter, Inspektor) tätig.

Zum 01. April 1974 trat er der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei.

Im Juni 1999 beantragte der Kläger, die Zugehörigkeit zur AVtI festzustellen. Er fügte verschiedene Arbeitsverträge und eine Entgeltbescheinigung des Staatlichen Amtes für Umwelt und Natur Stralsund vom 26. Februar 2002 bei.

Mit Bescheid vom 17. April 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die in der Wasserwirtschaftsdirektion ausgeübte Beschäftigung entspreche zwar der technischen Qualifikation. Sie sei jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Wasserwirtschaftsdirektionen der DDR seien Betriebe, die dem Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft zugeordnet gewesen und deswegen gleichgestellt seien. Ihm bekannte Kollegen der ehemaligen Wasserwirtschaft aus P. und F. (O.) hätten bereits positive Bescheide der Beklagten erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger am 08. August 2002 beim Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 14. Oktober 2002 die Klage abgewiesen und sich hierbei im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen.

Gegen den ihm am 22. Oktober 2002 durch Übergabeeinschreiben mit Rückschein zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 12. November 2002 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er vorträgt:

Sollten die Wasserwirtschaftsdirektionen trotz ihrer Zuordnung zum Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft einem volkseigenen Produktionsbetrieb nicht gleichgestellt sein, so folge die Gleichstellung jedenfalls daraus, dass es sich um Betriebe der Schifffahrt, in jedem Fall aber um Wasserversorgungsbetriebe gehandelt habe.

Nach Sichtung der angegebenen Fundstellen sei es augenscheinlich zwar so, dass die Wasserwirtschaftsdirektion weder ein volkseigener noch ein gleichgestellter Betrieb sei, da kein greifbares Sachgut produziert worden sei. Bei historischer Betrachtung stelle sich dies jedoch anders dar, denn die Wasserwirtschaftsdirektionen seien aus vormals 16 zentral geleiteten Betrieben der Wasserwirtschaft hervorgegangen. Sie seien Rechtsträger der zentralen wasserwirtschaftlichen Anlagen. Zu deren Aufgabe habe die Bewirtschaftung des ober- und unterirdischen Wasserdargebotes nach Menge und Beschaffenheit, die Sicherung der Wasserversorgung und der Wasserbehandlung, die Instandhaltung der der Wasserwirtschaft zugeordneten Gewässer und dazu gehörigen Anlagen zur Sicherung der industriellen und der landwirtschaftlichen Produktion sowie auch der Ausbau dieser Anlagen gehört. Insoweit seien die Wasserwirtschaftsdirektionen auch produktiv tätig gewesen; im Übrigen habe sich die Produktion in der bestmöglichen Bewirtschaftung der vorhandenen Wassermengen dargestellt. Die Wasserwirtschaftsdirektionen seien daher volkseigenen Betrieben gleichzusetzen. Schließlich sei noch darauf hinzuweisen, dass bei Erlass der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz die Wasserwirtschaftsdirektionen noch gar nicht bestanden hätten. Die seinerzeit vorhandenen 16 volkseigenen Wasserwirtschaftsbetriebe hätten in jedem Fall dem Geltungsbereich dieser zusätzlichen Altersversorgung unterlegen. Es sei daher nicht ersichtlich, warum dies mit Gründung der Wasserwirtschaftsdirektionen bei gleichbleibendem Aufgabengebiet anders geworden sein könnte. Es müsse auf die tatsächliche Verwaltungspraxis der DDR abgestellt werden. So hätten in der Wasserwirtschaft S. der Direktor, die stellvertretende Direktorin, die Oberflussmeister, die Abteilungsleiter und auch ein wissenschaftlich-technischer Mitarbeiter entsprechende Versorgungsurkunden erhalten. Daraus sei zu schließen, dass die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung auch auf die Wasserwirtschaftsdirektionen angewandt worden sei. Es sei wohl schlichtweg vergessen worden, diese Verordnung den nachträglichen Gegebenheiten anzupassen. Möglicherweise habe man dies auch nicht für notwendig erachtet.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 14. Oktober 2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2002 zu verpflichten, die Zeit vom 01. Juli 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI und die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Wasserwirtschaftsdirektionen seien für den Schutz der Gewässer verantwortlich, aber keine volkseigenen Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens gewesen. Sie seien einem solchen auch nicht gleichgestellt, da es sich nicht um Institute oder Betriebe der Schifffahrt gehandelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 17. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit vom 01. Juli 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI und das während dieser Zeit erzielte Arbeitsentgelt feststellt, denn der Kläger war in diesem Zeitraum nicht in einem volkseigenem Produktionsbetrieb bzw. einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt.

Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, sowie die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben. Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist.

Die Beklagte - als zuständiger Versorgungsträger für die AVtI (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Anlage 1 Nr. 1 AAÜG) - hat nach dieser Vorschrift eine Zugehörigkeit des Klägers zur AVtI für die streitige Zeit nicht festzustellen, denn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG liegen nicht vor.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG knüpft bei der Frage, ob eine Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem vorliegt, am Recht der DDR an, so dass es insoweit auf die maßgebenden Vorschriften des Beitrittsgebietes ankommt.

Es handelt sich hierbei grundsätzlich um die Gesamtheit der Vorschriften, die hinsichtlich des jeweiligen Versorgungssystems nach Anlage 1 und 2 AAÜG bestehen. Bezogen auf die AVtI sind dies die im streitigen Zeitraum gültige Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR 1950, 844) - AVtI-VO - und die Zweite Durchführungsbestimmung zur AVtI-VO vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR 1951, 487) -2. DB zur AVtI-VO.

Nach § 1 AVtI-VO wurde für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben über den Rahmen der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt.

Weder die AVtI-VO noch die 2. DB zur AVtI-VO enthält eine Definition des volkseigenen Betriebes. § 1 Abs. 2 2. DB zur AVtI-VO bestimmt insoweit lediglich: Den volkseigenen Produktionsbetrieben werden gleichgestellt: Wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; Technische Hochschulen; Technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinenausleihstationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien.

§ 1 Abs. 2 2. DB zur AVtI-VO lässt damit erkennen, dass es als originären volkseigenen Betrieb im Sinne von § 1 AVtI-VO lediglich den volkseigenen Produktionsbetrieb ansieht. Das Bundessozialgericht (BSG) versteht darunter nach dem letzten maßgeblichen Sprachgebrauch der DDR nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens (BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 41/01 R). In jenem Urteil hat das BSG ausgeführt, dass der versorgungsrechtlich maßgebliche Betriebstyp durch die drei Merkmale "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion (Industrie, Bauwesen)" gekennzeichnet sei.

Ausgehend vom staatlichen Sprachgebrauch der DDR hat der Ausdruck "Betrieb" im Rahmen des Versorgungsrechts nur die Bedeutung, dass er wirtschaftsleitende Organe ausschließt (deswegen deren Gleichstellung in § 1 Abs. 2 2. DB zur AVtI-VO).

Eine wesentliche Eingrenzung erfolgt jedoch bereits durch das Merkmal "volkseigen". Dadurch beschränkt sich der Anwendungsbereich der AVtI auf Betriebe, die auf der Basis des gesamtgesellschaftlichen Volkseigentums gearbeitet haben, der wichtigsten Erscheinungsform des sozialistischen Eigentums. Ausgeschlossen waren damit nicht nur Betriebe, die auf der Grundlage von Privateigentum wirtschafteten, sondern auch solche, für die die beiden anderen Formen des sozialistischen Eigentums kennzeichnend waren, nämlich das genossenschaftliche Gemeineigentum und das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger (Art. 10 Abs. 1 der Verfassung vom 07. Oktober 1974 sowie § 18 Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975, Gesetzblatt DDR I 1975, 465). Damit sind nur Betriebe erfasst, die formalrechtlich den Status des volkseigenen Betriebes hatten (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R).

Maßgebend ist der gesellschaftsrechtliche Status bzw. die Gesellschaftsform, wie das BSG im weiteren Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - bezogen auf die Interflug GmbH entschieden hat.

Wird an dem gesellschaftsrechtlichen Status bzw. der Gesellschaftsform angeknüpft, ist ausgeschlossen, die Wasserwirtschaftsdirektion als volkseigenen Betrieb anzusehen.

Die Wasserwirtschaftsdirektionen sind zur Wahrnehmung der Aufgaben der Wasserbewirtschaftung aus den ehemals bestehenden 16 zentralgeleiteten Betrieben der Wasserwirtschaft, die aufgelöst wurden, hervorgegangen (Ziffer I Nr. 3 Sätze 1 und 2 der am 15. Februar 1958 (vgl. Ziffer VI) in Kraft getretenen Verordnung über die Vervollkommnung und Vereinfachung der staatlichen Organisation auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft vom 13. Februar 1958 (GBl DDR I 1958, 188) - Wasserwirtschafts-VO 1958). Die Wasserwirtschaftsdirektionen waren danach nachgeordnete Haushaltsorganisationen des Amtes für Wasserwirtschaft und Rechtsträger der zentralen wasserwirtschaftlichen Anlagen. Sie nahmen die technisch-wissenschaftlichen und administrativen Aufgaben der Wasserbewirtschaftung in ihrem Einzugsgebiet an den zentralen Wasserläufen und wasserwirtschaftlichen Anlagen wahr. Zu ihren Aufgaben gehörte auch die wasserwirtschaftliche Projektierung, die Wahrnehmung der Investitionsträgerschaft für zentrale wasserwirtschaftlichen Maßnahmen und die Wahrnehmung der Unterhaltspflicht an den zentralen Wasserläufen (Ziffer I Nr. 3 Sätze 3 bis 5 Wasserwirtschafts-VO 1958). Zur Gewährleistung der einwandfreien Instandhaltung der zentralen Vorfluter und zur Wahrnehmung der Aufgaben der technischen Leitung bei der Hochwasserabwehr waren Flussmeisterbereiche zu bilden (Ziffer I Nr. 3 Satz 6 Wasserwirtschafts-VO 1958).

Im Übrigen wurden den Räten der Bezirke und Kreise in Erweiterung der bisher wahrgenommenen wasserwirtschaftlichen Aufgaben weitere bisher zentral bearbeitete Aufgaben der Wasserwirtschaft übertragen. In zentraler Bewirtschaftung verblieben nur solche Aufgaben, die von überbezirklicher oder besonderer staatlicher und volkswirtschaftlicher Bedeutung waren (Ziffer II Nr. 1 Sätze 1 und 2 Wasserwirtschafts-VO 1958). Die Gewässerunterhaltungs- und Meliorationsbaukapazitäten der aufgelösten VEB (Z) Wasserwirtschaft waren in Bezirksgrenzen als VEB Gewässerunterhaltung und Meliorationsbau zusammenzufassen und den Räten der Bezirke zu unterstellen. Entsprechend den vorliegenden Aufgaben auf dem Gebiet der Gewässerunterhaltung und der Meliorationen waren in den Kreisen - wo die Aufgaben es erforderten - Außenstellen dieser Betriebe zu bilden. Die Hauptaufgaben der VEB Gewässerunterhaltung und Meliorationsbau lagen in der Unterhaltung und dem Ausbau der zentralen und örtlichen Vorfluter, dem Hochwasserschutz, Arbeiten der Landschaftsgestaltung und des Meliorationswesens (Ziffer II Nr. 3 Sätze 1 bis 3 Wasserwirtschafts-VO 1958). Der VEB Gewässerunterhaltung und Meliorationsbau schloss u. a. mit den Wasserwirtschaftsdirektionen für die Unterhaltung und den Ausbau der zentralen wasserwirtschaftlichen Anlagen Verträge ab (Ziffer II Nr. 3 Satz 4 Buchstabe a Wasserwirtschafts-VO 1958).

Aus den genannten Regelungen wird ersichtlich, dass entgegen der Ansicht des Klägers die Wasserwirtschaftsdirektionen nur zum Teil die Aufgaben der zuvor bestandenen 16 zentral geleiteten Betriebe der Wasserwirtschaft übernahmen. Insbesondere für praktische Durchführung der Unterhaltung und des Ausbaus der wasserwirtschaftlichen Anlagen waren die VEB Gewässerunterhaltung und Meliorationsbau zuständig.

Allerdings kommt es ohnehin nicht darauf an, ob die Wasserwirtschaftsdirektionen überwiegend oder teilweise produktiv im Sinne der Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern (so das BSG im Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R als wesentliches Kriterium des volkseigenen Produktionsbetriebes) tätig waren.

Nach § 1 der Anordnung über das Statut der Wasserwirtschaftsdirektionen vom 15. Oktober 1959 (GBl DDR I 1959, 809) - Wasserwirtschaftsdirektions-AO - , in Kraft getreten am 12. November 1959 mit der Verkündung dieser Anordnung und dem gleichzeitigen Außerkrafttreten des Statuts vom 13. Dezember 1952 der zentral geleiteten volkseigenen Wasserwirtschaftsbetriebe und der Anordnung vom 04. November 1952 über die Bildung zentral geleiteter Wasserwirtschaftsbetriebe (§ 7 Abs. 1 und 2 Wasserwirtschaftsdirektions-AO), waren die Wasserwirtschaftsdirektionen juristische Personen. Sie waren zentral geleitete Organe der Wasserwirtschaft in den Großeinzugsgebieten der Hauptwasserläufe und unterstanden dem Amt für Wasserwirtschaft. Die Wasserwirtschaftsdirektionen waren im Übrigen Haushaltsorganisationen (§ 6 Abs. 1 Wasserwirtschaftsdirektions-AO).

In den Großeinzugsgebieten der Hauptwasserläufe wurden entsprechend den wasserwirtschaftlichen Aufgaben Oberflussmeisterbereiche nach Einzugsgebieten gebildet, die sich in Flussmeisterbereiche gliederten (§ 2 Wasserwirtschaftsdirektions-AO).

Das (übergeordnete) Amt für Wasserwirtschaft war das zentrale staatliche Organ des Ministerrates zur Planung, Leitung und Entwicklung der Wasserwirtschaft und zur Koordinierung der wasserwirtschaftlichen Maßnahmen der Volkswirtschaft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über das Statut des Amtes für Wasserwirtschaft vom 05. Februar 1969 (GBl DDR II 1969, 129) - Wasserwirtschaftsamt-VO 1969). Es war juristische Person und Haushaltsorganisation (§ 18 Abs. 1 Wasserwirtschaftsamt-VO 1969).

Mit Wirkung vom 01. Januar 1972 wurde das Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft gebildet, das im Rahmen seiner Verantwortung die Aufgaben des bisherigen Amtes für Wasserwirtschaft übernahm (Ziffer 1 der Bekanntmachung über die Bildung von Ministerien vom 03. Januar 1972 (GBl DDR II 1972, 18)). Das Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft war das Organ des Ministerrates zur Durchführung von Aufgaben der sozialistischen Landeskultur und des Umweltschutzes und zur Leitung und Planung der Wasserwirtschaft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Statut des Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwirtschaft, Beschluss des Ministerrates vom 23. Oktober 1975 (Gesetzblatt DDR I 1975, 699) - MUW-Statut 1975). Das Ministerium war juristische Person und Haushaltsorganisation (§ 16 Abs. 1 MUW-Statut 1975). Mit dem In-Kraft-Treten des Status mit seiner Veröffentlichung am 20. November 1975 trat zugleich die Wasserwirtschaftsamt-VO 1969 außer Kraft (§ 17 MUW-Statut 1975).

Die genannten Vorschriften lassen erkennen, dass es sich bei den Wasserwirtschaftsdirektionen um zentrale staatliche Einrichtungen, nicht jedoch um volkseigene Betriebe gehandelt hat.

Die Wasserwirtschaftsdirektionen sind auch nicht nach § 1 Abs. 2 2. DB zur AVtI-VO den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellt.

Als selbständige juristische Personen können sie, auch wenn sie direkt dem Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft unterstanden, nicht mit diesem Ministerium, das ebenfalls eigenständige juristische Person war, gleichgestellt werden.

Sie rechnen auch nicht zu den Hauptverwaltungen. Als solche kommen nur die staatlichen Einrichtungen in Betracht, die diesen Namen führten. Da die Wasserwirtschaftsdirektionen ohnehin zentral geleitete Organe waren, können sie nicht zugleich (übergeordnete) Hauptverwaltungen sein.

Sie sind auch kein Institut oder Betrieb der Schifffahrt. Unter Schifffahrt wird allgemein die Beförderung von Gütern und Personen mit größeren Wasserfahrzeugen, unterschieden nach Schauplatz in See-, Küsten- und Binnenschifffahrt verstanden. Wie oben dargelegt nahmen die Wasserwirtschaftsdirektionen jedoch die technisch-wissenschaftlichen und administrativen Aufgaben der Wasserbewirtschaftung wahr.

Sie zählen auch nicht zu den Versorgungsbetrieben (Wasser). Wie bereits ausgeführt sind die Wasserwirtschaftsdirektionen zentrale staatliche Einrichtungen, also schon keine Betriebe. Wasserversorgung bezeichnet im Übrigen Einrichtungen und Maßnahmen zur Sicherung und Befriedigung des Wasserbedarfs von Haushalten und Betrieben, wobei die wichtigsten Aufgaben der Wasserversorgung neben dem Brunnenbau die Schaffung von Entnahmestellen, Ausbau und Pflege des Leitungssystems sowie Abwasserentsorgung und -wiederaufbereitung sind. Die Wasserwirtschaftsdirektionen hatten jedoch andere Aufgaben (vgl. zu den Aufgaben im Einzelnen Ziffer I Nr. 3 Satz 5 Wasserwirtschafts-VO und § 3 Abs. 2 Wasserwirtschaftsdirektions-AO). Wie § 8 Abs. 2 Gesetz über den Schutz, die Nutzung und die Instandhaltung der Gewässer und den Schutz vor Hochwassergefahren - Wassergesetz - vom 17. April 1963 (GBl DDR I 1963, 77) - Wassergesetz 1963 - zu entnehmen ist, waren vielmehr die örtlichen Organe der Staatsmacht in ihrem Zuständigkeitsbereich für die Wasserversorgung sowie die Ableitung und Reinigung der Abwässer der Städte und Gemeinden verantwortlich. § 21 des Wassergesetzes vom 02. Juli 1982 (GBl DDR I 1982, 467) - Wassergesetz 1982 - bestimmte, dass die Rechtsträger öffentlicher Wasserversorgungsanlagen und Abwasseranlagen auf der Grundlage von Rechtsvorschriften als Versorgungsträger u. a. die Verantwortung für die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und die Ableitung und Behandlung des Abwassers hatten.

Bei § 1 Abs. 2 2. DB zur AVtI-VO handelt es sich um eine abschließende Aufzählung, die einer Erweiterung nicht zugänglich ist. Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssystem am 30. Juni 1990 gegebenen (abstrakt-generellen) Regelungen der DDR durch die vollziehende oder die rechtsprechende Gewalt ist, auch soweit diese in sich willkürlich sind, nicht zulässig. Der Einigungsvertrag (EV) hat grundsätzlich nur die Übernahme zum 03. Oktober 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten (Anlage 2 zum EV Sachgebiet H, Abschnitt III, Nr. 9 Buchstabe a und a.a.O. Sachgebiet F, Abschnitt III, Nr. 8 i. V. m. § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz - RAG - , wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen wurden und keine Neueinbeziehungen mehr erfolgten). Eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises durch die vollziehende Gewalt oder die Rechtsprechung ist im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind, verfassungswidrig (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 3/02 R). Aus bundesrechtlicher Sicht kommt es bei der Auslegung der 2. DB zur AVtI-VO auch nicht auf die praktische Handhabung der Versorgungsordnung durch die DDR oder auf deren Verwaltungspraxis an. Damit wird ausgeschlossen, dass beliebige Umstände des von dem Text der Versorgungsordnung vorgegebenen Rahmens, die sich mangels gesicherter faktischer Beurteilungsgrundlage nicht willkürfrei erschließen lassen, bei der Auslegung herangezogen werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 34/01 R).

Unabhängig davon überzeugt der Einwand des Klägers, in der DDR sei ohne Weiteres davon ausgegangen worden, dass die Wasserwirtschaftsdirektionen wegen eines gleichgebliebenen Aufgabenbereiches als Nachfolgeeinrichtungen der zentral geleiteten Betriebe der Wasserwirtschaft dem Geltungsbereich der AVtI-VO unterlegen hätten, nicht. Wie dargestellt übernahmen die Wasserwirtschaftsdirektionen lediglich die Aufgaben der Wasserbewirtschaftung, während für die praktische Durchführung der Unterhaltung und des Ausbaus der zentralen und örtlichen wasserwirtschaftlichen Einrichtungen die VEB Gewässerunterhaltung und Meliorationsbau zuständig waren. Mit der Gründung der Wasserwirtschaftsdirektionen ging damit zugleich die zuvor bestandene Anknüpfung am volkseigenen Produktionsbetrieb nicht nur in formeller Hinsicht, sondern auch bezüglich der Aufgabenstellung, nämlich der tatsächlichen Herstellung von wasserwirtschaftlichen Einrichtungen, verloren.

Auch der weitere Einwand des Klägers, bei Erlass der 2. DB zur AVtI-VO seien die Wasserwirtschaftsdirektionen noch nicht existent gewesen bzw. deren nachträgliche Einbeziehung sei schlicht vergessen worden, so dass deswegen eine Gleichstellung mit volkseigenen Produktionsbetrieben zu erfolgen habe, greift nicht durch. Treten innerhalb einer Rechtsordnung tatsächliche oder rechtliche Änderungen auf, die eine Anpassung anderer Rechtsvorschriften erfordern, so ist es Angelegenheit des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers, hierauf mit einer entsprechenden Änderung der anderen Rechtsvorschrift zu reagieren. Macht er hiervon keinen Gebrauch, so kann daraus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass er in der anderen Rechtsvorschrift diese Änderung nicht hat berücksichtigen wollen. Dies gilt erst recht, wenn seit diesen Änderungen, wie vorliegend, abgestellt auf den 30. Juni 1990 Jahrzehnte vergangen sind.

Schließlich führt auch der Hinweis des Klägers, verschiedene andere Mitarbeiter der Wasserwirtschaftsdirektion Stralsund hätten Urkunden über eine zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erhalten, nicht weiter. Zum Kreis der Versorgungsberechtigten gehörte nämlich ferner auch, wer aufgrund eines Einzelvertrages Anspruch auf eine Altersversorgung hatte (§ 1 Abs. 3 2. DB zur AVtI-VO). Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die genannten Mitarbeiter aufgrund dieser Regelung, ohne die abstrakt-generellen Voraussetzungen der AVtI zu erfüllen, seinerzeit tatsächlich einbezogen wurden.

Dies gilt letztlich auch für die vom Kläger genannten Kollegen der ehemaligen Wasserwirtschaft aus Potsdam und Frankfurt (Oder), die von der Beklagten Bescheide über die Feststellung der Zugehörigkeit zur AVtI erhalten hätten. Selbst wenn diese Personen einen solchen Bescheid erhalten hätten, ohne dass ihnen zu Zeiten der DDR durch Aushändigung einer entsprechenden Urkunde eine positive Versorgungszusage gemacht worden wäre, führt dies nicht dazu, dass dem Kläger nunmehr auch rechtswidrig ein solcher Bescheid zu erteilen wäre. Vielmehr ist die Beklagte in diesem Fall aufgefordert zu prüfen, ob die den genannten Kollegen erteilten Bescheide über die Feststellung der Zugehörigkeit zur AVtI nach den Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts wegen Rechtswidrigkeit zurückzunehmen sind.

Die Berufung des Klägers hat somit keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved